- 73. LUST, Winter 02/03
- Lusttötende Vertrautheit?
Vertrautheit wird zur Routine. Neues ist
anregend. Vertrautheit führt zur Schauspielkunst. Stimmt
das, oder ermöglicht Vertrautheit größeres Aufeinanderzugehen?
Und Neues verlangt nur das Spielen von Rollen, Vertrautheit ermöglich
mehr Ehrlichkeit?
-
- Manche Singles sind dies aus Überzeugung,
andere gegen ihren Willen.
Recht viele von ihnen haben gerade keine Partnerin oder keinen
Partner, obwohl sie es gerne wollen. Doch auch Beziehungspartner
treten recht oft bei Parties, in der Disco oder an anderen Plätzen
auf, an denen man sich neu kennen lernt. Es scheint, als sehnen
sie manchmal sich nach dem ungebundenen Zustand, als möchten
sie wieder mal spüren, wie das ist, wenn man die ganze Welt
voller Möglichkeiten vorfindet, als wollen sie immer mal
das Gefühl der ungebundenen Freiheit genießen.
Im nachfolgenden Beitrag möchte ich mal die beiden Lebensstile
miteinander vergleichen. Natürlich will ich nicht behaupten,
dass Menschen in ihrer subjektiven Wahrnehmung diesen Auffassungen
entsprechen, und was ihre sie nach außen vertreten richtet
sich danach, wovon sie sich Erfolge versprechen. Als Startauffassung,
sozusagen, meine ich, dass beide Zustände, den des Singles
und den des Beziehungspartners, ihre angenehmen und unangenehmen
Seiten haben.
-
- Liebe und Verliebtheit
Beziehungen werden aus Liebe eingegangen, wird allgemein behauptet.
Verliebtheit, das lustverursachte Strohfeuer und dann die ach
so tiefe und nachhaltige Liebe, die angeblich daraus entsteht.
Sicher, man sehnt sich nach dem Menschen, in den man verliebt
ist. Wenn man sehr jung ist, glaubt man, man könne ohne
ihn/sie nicht leben. Man glaubt, wenn man sich nur genug anstrengt,
kann man es auch schaffen, das geliebte Wesen für sich zu
gewinnen. Man glaubt vielleicht auch noch, dass es so wie in
Spielfilmen ist, nämlich dass Liebe Gegenliebe erzeugt.
Und wenn man an das geliebte Wesen nicht rankommt, weil es vielleicht
mit jemand anderes zusammenlebt, sieht man den Partner, die Partnerin
des geliebten Wesens aus Feind und Gegner an. In Wirklichkeit
müsste man vielleicht die Entscheidung des geliebten Wesens
als wichtigen Hinweis ansehen, aber so kann man es
nicht
sehen. Oder das geliebte Wesen ist alleine, aber einfach nicht
interessiert.
Auf jeden Fall glaubt man, daraus ein Recht ableiten zu können,
dass man verliebt ist. Man glaubt, dass das geliebte Wesen sich
irrt, auf den/die Falsche(n) hereingefallen ist, mit uns viel
glücklicher werden könnte, wenn es nur endlich einmal
uns in Erwägung ziehen würde, mit uns mal reden würde,
mit uns mal in Urlaub fahren würde, mit uns mal ins Bett
gehen würde usw.
Dass das ein großer Selbstbetrug ist, bemerkt man vielleicht
dann, wenn ein geliebtes Wesen vielleicht einmal unseren Wünschen
nachkommt, uns nicht wehtun möchte, wenn es sich auch auf
uns einlässt, jedoch in den/die andere(n) verliebt ist.
Wenn man das erlebt hat und das geliebte Wesen liebt und nicht
nur egoistisch ist, wird man vielleicht gerade dadurch erkennen,
dass man dem geliebten Wesen nur die Zeit stielt, die es vielleicht
dann doch glücklicher verbringen könnte. Man beginnt
sich vielleicht auch zu schämen, denn man möchte doch
nicht aus Mitleid geliebt werden. Es wäre auch unwürdig.
das aber kann wohl nicht jede(r) so sehen.
1. Das Gefühl der Liebe ist
entweder ein rein egoistisches Gefühl der Liebe, besitzergreifen
und rücksichtslos, was den selbständigen Willen des
geliebten Wesens brechen möchte, und gleichzeitig möchte
der Egoist oder die Egoistin noch bestätigt bekommen, dass
dies nicht so sei. Zu dieser Haltung gehört, die Verbindungen
des Partners oder der Partnerin zu seinen/ihren Bekannten zu
kappen, ihn/sie möglichst rundum zu kontrollieren, seinen/ihren
Willen und seine/ihre Neigungen soweit zu beeinflussen und zu
verändern, bis sie den eigenen Interessen entsprechen. Man
glaubt dann, das geschehe zum Besten des geliebten Wesens, denn
man hält sich selbst für einen Glücksfall für
jeden.
2. Oder das Gefühl der Liebe ist ein auf Gegenseitigkeit
ausgerichtetes Gefühl, das beinhaltet, dass man dem geliebten
Wesen alles Lebensglück und Zufriedenheit wünscht,
auch wenn es dies zeitweilig mit anderen als uns zu erleben anstrebt.
Dazu gehört, dass man sich gegenseitig auch mit seinen unterschiedlichen
Interessen respektieren kann. Und so kann man mit Freude genießen,
was der/die PartnerIn aus Lust und eigenem Wollen uns entgegenbringen
will/kann und nicht, was wir ihm/ihr abnötigen.
Bitte habe mich lieb! ist ein Flehen, das eher in
die erste Kategorie gehört, denn man bittet damit ein geliebtes
Wesen, andere Sehnsüchte zu ignorieren und sich ganz und
gar uns zuzuwenden. Kann man das wirklich wollen, wenn man das
Glück eines anderen Menschens anstrebt? Die meisten Menschen
werden ein Mischform von beiden anstreben und daher zumeist vorgehen
wie in der Kategorie 1. beschrieben und sich sehen wie in der
Kategorie 2 beschrieben.
- Die Verliebtheit, aus der eine Liebe wachsen
kann, ist etwas Gigantisches, Spekulatives, Flatterhaftes, Erregendes,
Aufschäumendes, und sie fällt allzu oft wieder in sich
zusammen, genau so schnell, wie sie entstanden ist. Liebe und
Hass hängen sehr eng miteinander zusammen, während
jemand, den wir nicht mögen und der uns gar nicht interessiert,
uns völlig kalt lässt. Wenn eine große Liebe
stirbt, wird oft Hass daraus. Ich glaube, das ist umso wahrscheinlicher,
als man zum abrupten Ende einer Beziehung einen Abstand benötigt.
In Beziehungsverbindungen kann es bisweilen vorkommen, dass man
sich gegenseitig keine Privatsphäre gestattet, dass man
immer stärker symbiotisch wird.
Wer dann älter ist, vielleicht sage ich lieber: wer gereifter
ist, denn nicht jeder Ältere hat viel dazugelernt, der weiß
unterdessen, dass sowohl die Verliebtheit wie auch die Liebe
einseitige und im wesentlichen egoistische Gefühle sind.
Man weiß, dass eine Gegenverliebtheit selten eintritt.
Wer dies weiß und beginnt, sich zu verlieben, zensiert
sich selbst, lernt, sich selbst zu bezwingen. Man nimmt sich
selbst zurück, bevor die Gefühle in vollen Flammen
stehen, denn es ist zu schmerzhaft und auch auf die Dauer zu
kraftaufwendig, sich verliebt auf jemanden zuzubewegen, der nicht
interessiert ist und mit dem man ins Leere läuft.
- Dieses Verhalten ist nicht, wie junge Verliebte
manchmal meinen, ein Zeichen dafür, dass man nicht richtig
liebt, sondern wohl eher ein Zeichen dafür, dass man auf
eine Weise lieben gelernt hat, die Raum für Gegenseitigkeit
hat. Daraus kann gut eine Beziehung werden. Eine große
Liebe entsteht aus dem Gefühl der Verbundenheit, und das
Gefühl der Verbundenheit hat nicht immer eine Verliebtheit
als Vorgeschichte.
Es gibt die große Liebe, die nicht aus der Verliebtheit
entsteht, die aus vernünftigen Erwägungen entstanden
ist, und später stellt sich dann eine enge Vertrautheit
ein, die man nicht mehr missen möchte. Aus der Vertrautheit
entsteht dann das große Gefühl der Verbundenheit.
Das ist wohl die Grundlage der großen Liebe.
Lieb und Beziehung sind nicht identisch. Es gibt auch Beziehungen,
die ohne Verliebtheit entstehen, eher aus vernünftigen Erwägungen,
und später stellt sich dann eine enge Vertrautheit ein,
die man nicht mehr missen möchte. Das ist wohl die Grundlage
der meisten Beziehungen.
Beziehungsleben
Der Gast-Star in einer Folge der verrückten Anwalt-Serie
Ally McBeal, Dame Edna, Sagt zu Ally: Liebe ist das einzige
Spiel, das man verliert, wenn man nicht daran teilnimmt.
Mit Liebe meinte Dame Edna hier, das sich liebevoll auf einen
Menschen Einlassen.
Liebe ist nicht der einzige Grund, eine Beziehung zu bilden.
Für Menschen in Beziehung ist es ein offenes Geheimnis,
dass der Beziehungspartner, die Beziehungspartnerin nicht unbedingt
der Mensch ist, in den man verliebt ist.
Die Verliebtheit ist oft Anfang einer Beziehung, aber manchmal
beginnt eine Beziehung auch ohne Verliebtheit.
-
- Sicher, man sehnt sich nach dem Menschen,
in den man verliebt ist. Doch in sehr vielen Fällen ist
er/sie ein(e) Partner(in), gegen den/die man nichts einzuwenden
hat, der/die also möglich ist, mit dem/der man infolgedessen
immer vertrauter wird und diese Nähe nicht mehr missen mag.
Da sich dies langsam aufbaut, ist eine solche Verbindung auch
tragfähiger als das Strohfeuer der spontanen Verliebtheit.
Es ist auch Vernunft mit im Spiel. Darauf kann man dann wohl
bauen.
In einer Beziehung wird man sich gegenseitig beeinflussen und
dadurch verändern. Falsch scheint mir die Auffassung zu
sein, dass man sich hundertprozentig in einer Beziehung ergänzt.
Gerade während ich das schreibe, höre ich mit einem
Ohr eine Sendung in Sat1, wo es um Selbstbefriedigung in einer
Beziehung geht. Und tatsächlich sagen dort einige Frauen,
dass sie beim Erwischen ihres Mannes sich vielleicht zurückziehen
würden, dann sei aber ein ernstes Gespräch nötig,
zum Beispiel darüber, ob sie ihm nicht mehr gut genug sei
und an wen er dabei gedacht habe. Ist das nicht furchtbar? Eigene
Schuldgefühle dafür, dass der Partner möglicherweise
auch andere Sehnsüchte hat?
-
- Es müssen ja nicht Sehnsüchte nach
anderen Personen sein (aber warum denn nicht?), es können
ja auch Sehnsüchte nach anderen Sexformen sein, die sich
in der Beziehung nicht machen lassen, nach anderen Gesprächen
als sie in der Beziehung möglich sind, nach anderen Wünschen,
die Freizeit zu gestalten, um Sehnsucht, überhaupt Freizeit
zu haben. Und dann:
Eifersuchtskontrolle
gegen eine Phantasie? Wie unangenehm besitzergreifend ist dies
doch. Ist man sich denn in einer Partnerschaft mit seiner gesamten
Körperlichkeit und erotischen Phantasie gegenseitig vollkommen
ausgeliefert?
-
- Es ist leicht vorstellbar, dass unter solchen
Umständen, unter denen es keine gegenseitig respektierte
Privatsphäre gibt, diese Selbstaufgabe in Hass Umschlagen
muss, um sich wieder eine Haut um die eigene Seele bilden zu
können.
Dass ein Mensch seit der Trennung zwischen Kirche und Staat,
seit der Abschaffung der Sklaverei und der Leibeigenschaft als
selbständiges Wesen anerkannt ist, kann auch für Liebe
und Beziehung bedeutungsvoll sein.
-
- Gerade wenn ein unabhängiges Individuum
einen Teil seiner psychischen und/oder körperlichen Empfindungen
mit uns zusammen verbringen möchte, einen Teil seiner Zeit
gerne mit uns verbringt, ist dies eine große und genussvolle
Erfüllung. Ganz anders verhält es sich, wenn sogenannte
eheliche Pflichten oder ähnliches vollzogen
werden, also wenn jemand dies als Pflicht empfindet. Das würde
den ganzen oben beschriebenen Genuss wegnehmen.
Wenn dann alle gewohnten physischen Abwicklungen miteinander
lustvoll erlebt sind, beginnt vielleicht die Phase, wo man sich
beim Sex mehr gehen lässt, wo man aufhört die üblichen
Vorsichten walten zu lassen. Dann kann es vorkommen, dass die
Partner sexuell derart miteinander vertraut werden, dass sie
sich animalisch gehen lassen können, ohne mehr die anerzogenen
Barrieren zu berücksichtigen.
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- Dieses Ausleben der tabulosen Sexualität
wird allgemein als eine hohe Steigerung, schließlich dann
als die einzige wirklich zufriedenstellende sexuelle Erfüllung
empfunden. Das Befriedigungsgefühl ist nicht mehr zu überbieten.
Das geht nur in einer Beziehung. Ein solches tabuloses Ausleben
der Lust kann bei one-night-stands nicht entstehen, weil man
dort immer in dem Stadium ist, sich gegenseitig gefallen zu wollen,
alle Rollen zu spielen hat.
Nach einiger Zeit stellt sich dann ein, dass die sexuellen Begegnungen
schrittweise seltener werden. Auch die Tabulosigkeit wird dann
zur Routine. Das Ausbleiben zur Routine gewordener sexueller
Begegnungen ist dann wie eine Erholung und wird erst irgendwann
als Mangel empfunden, wenn eine längere Zeit jegliche Sexualität
ausbleibt.
Auch wenn die Sexualität zwischen PartnerInnen eingeschlafen
ist, möchte man sich nicht unbedingt trennen. Die erlebte
Vertrautheit verbindet über die sexuelle Brisanz hinaus.
Und so gibt es besonders in der schwulen Szene Paare, die sich
nicht mehr brisant sexuell begehren, die aber zusammenbleiben
wollen. Sie gehen dann zusammen Cruisen und wollen einen Partner
für beide oder mehrere Partner dazu holen, ohne sich zu
trennen. Unter Lesben gibt es dieses Modell seltener, weil für
sie meistens Sexualität und Beziehung derart konsequent
zusammengehören, dass dies tragische Folgen für eine
Beziehung haben kann, wenn die sexuelle Lust weniger wichtig
wurde.
-
- Das lustige Singel-Dasein
Es ist tragisch, wenn man nicht hat, was man liebt. Aber
tragischer ist es, wenn man hat, was man nicht mehr liebt,
sagte John in der ausgeflippten Anwalt-Serie Ally McBeal zu Ally,
und unterstellte ihr, das sei ihre Haltung, die sie daran hindere,
einen Mann zu finden. Sie habe einen Traum von einem Mann, aber
Männer der Realität seien eben immer ein Kompromiss
gegenüber diesem Traum und deshalb könne sie niemanden
richtig lieben und daher habe Ally Angst, dass sie mit jemanden
zusammen komme, den sie nicht lieben könne, weil er auf
Dauer dem Traum nicht entspreche. Und deshalb bleibe sie lieber
alleine.
Der Single ist nicht wirklich alleine. Er kennt in der Regel
einen Kreis von Freundinnen und Freunden und ist außerdem
ständig auf der Suche, schärft seinen Jagdinstinkt
und breitet sich gut auf die Gelegenheiten vor. Gleichzeitig
behauptet er, dass er das nicht tut, alles habe sich zufällig
ergeben. Das Cruisen ist ein scheinbar lustiges Spiel, denn nur
wer lustig und sympathisch wirkt, hat Chancen, anzukommen. Und
daher sieht das Single-Leben lustig aus. Die Umschwärmten
der Singles erleben tatsächlich diese lustige Welt, denn
die Nicht-Umschwärmten bemühen sich, eine oder einen
der Umschwärmten zu ergattern, und je weniger umschwärmt
jemand ist, desto größer sind seine Aufwendungen und
Bemühungen.
Aufwendungen? Nun, das wären die Ausgaben für Mode,
Friseur, Kosmetik, Duftwässer usw. Dann die Ausgaben in
den Fitnessstudios. Schließlich die Kosten, die es macht,
seine allabendliche Runde zu machen. Überall mindestens
einen Drink, denn man braucht ja eine gewisse Zeit, die jeweilige
Lage zu sondieren.
Natürlich gibt es Umschwärmte, denen das alles in den
Schoß fällt, und andere, die eher große Aufwendungen
haben, um in Erwägung gezogen zu werden, umschwärmt
werden sie nicht. Und dann gibt es einige, die keine Chance haben,
weil sie in ihrem Outfit zu weit entfernt sind, von den Leitbildern,
die wir überall in den Medien und in der Werbung vorfinden.
Und wenn sie das dann nicht mit Jugend oder Geld ausgleichen
können, ist absolut Essig. Für die meistens sind dann
große Aufwendungen nötig.
Und am Feierabend hält einem nichts mehr zu Hause. Man hat
nach einigen Bemühungen, sich vorzeigbar zu gestalten, die
heißen Klamotten an und macht sich auf, das Glück
zumindest für eine Nacht zu finden. An den bekannten Plätzen
begrüßt man sich, sondiert die Lage, stellt sich in
Positur. Es kommt natürlich auf einen guten Platz an, und
dort ist manchmal schon jemand. Da finden bisweilen kleine Platzkämpfe
statt.
Es kommt darauf an, die/den Ausgeguckte(n) positiv auf sich aufmerksam
zu machen. Außerdem, wenn die Gefahr besteht, dass er/sie
Interesse auch an jemand anderes haben könnte, den/die andere
alt aussehen zu lassen, wie das so schön heißt, und
hier gelten keine Regeln. Der Erfolg alleine zählt. Nun
ist nicht jeder so clever oder der Traummensch für diesen
Abend ist nicht da, also kommt man an diesem Abend einfach nicht
zum Zuge. Pech. Nun, für diesen Fall gibts zuhause die Filmchen
und Mittelchen. Es ist aber nicht gesagt, dass Beziehungsmenschen
keine Lust an den entsprechenden Dingen haben.
Aber nehmen wir an, der Single-Mensch wird fündig. Wo geht
man hin? Gehen wir zu Dir oder zu mir? Da kann man
nie sicher sein, auf was man sich einlässt. man könnte
in er eigenen Wohnung überfallen und ausgeplündert
werden. man könnte andererseits es dem Gast schön machen,
was neue Begegnungen einleiten würde. Und geht man zu ihr/ihm?
Dann weiß man nicht, worauf man sich einlässt. Könnte
sein, dass man sich in völlig fremdem Terrain gar nicht
wohl fühlt. Könnte sein, man bekommt es ganz nett gemacht.
Man muss auch in dieser Situation selbst was darstellen. Es geht
zumeist nicht um große Liebe, und daher kann man eine gefühlsmäßige
Bindung nicht erwarten. Also könnte man es mit schnellen
verächtlichen Urteilen zu tun bekommen. Man kann sich nicht
gehen lassen, weil man sich ja noch nicht kennt und daher eine
Rolle zu spielen hat.
-
- Es kann himmlisch werden, es kann enttäuschend
werden. Im Film Taxi zum Klo von Frank Ripploh tritt
eine ältere Lehrerin auf, die als Single lebt. Sie meint,
dass sie sich freut, wenn sie zu einem Wochenende Besuch von
einem Bekannten bekommt. Am ersten Tag freue sie sich dann, wenn
sie stolz wie all die anderen Frauen mit ihrem männlichen
Partner spazieren gehen könne. Am zweiten Tag erlebe sie
ihn dann in ihrer Wohnung wie einen Ehepartner. Und wenn er dann
wieder gegangen wäre, sei sie eigentlich froh, die Wohnung
nun wieder ganz für sich zu haben.
-
- Sexualität
Es ist noch gar nicht so lange her, dass man Sexualität
nur in einer heterosexuellen Ehe leben durfte, alles andere war
staatlich verboten. Es sei denn, man nahm es als Sexualität
gar nicht zur Kenntnis wie Sex zwischen Frauen.
-
- Sex zwischen Männer war verboten, aber
auch das Ermöglichen außerehelicher sexueller Handlung
war durch den sogenannten Kuppeleiparagraphen verboten, was für
Jugendliche quälend war. Also war die Moral: erst einmal
heiraten, dann ist Sex erlaubt, zum Beispiel um Kinder zu zeugen.
Heutzutage ist kaum mehr etwas verboten, und was noch verboten
ist, scheint mir zurecht verboten zu sein, zum Beispiel Sex zwischen
Erwachsenen mit Kindern.
Also, dass es sexuell nicht ausreichend klappt, hat nichts mehr
mit staatlichen Verboten zu tun. Es klappt offensichtlich nicht,
denn sonst würden nicht so viele Bereiche mit Ersatzsexualität
wirtschaftlich derart gut florieren. Von den Stöhntelefonnummern
bis hin zum Internet, wo ein großer Teil der gewinnbringenden
Angebote im Bereich Sex arbeiten.
Sex findet innerhalb von Beziehungen und außerhalb von
Beziehungen statt, und die Diskussion des Sexualitätsverbotes
außerhalb von Beziehungen führt in Diskussionsrunden
zwischen Leuten, die sich auskennen, eigentlich nur zu brüllenden
Gelächter. Die breite Prostitutionsszene (und nicht nur
die) belegt das Verhalten von Ehepartnern.
Die Menschen masturbieren bei Betrachten von Filmen, vor dem
Internet-Bildschirmen, vor der web-cam usw. Jeder weiß
es und niemand findet etwas dabei. Die Menschen begegnen sich
in den Diskotheken und an anderen Plätzen und es gibt nicht
nur die/den PartnerIn der Nacht, sondern auch Affären, es
finden Blind-Dates statt, usw. Ich meine, die sexuelle Zufriedenheit
ist aus mehreren Gründen nicht erfüllt, und das macht
die Probleme.
1. In den kommerziellen Angeboten werden Frauen mit den größten
Busen, muskelbetonte Männer mit den längsten immer
stehenden Schwänzen dargestellt, Sexkätzchen rekeln
sich lüstern zwischen ihren Kissen.
-
- Und so hat jeder mögliche Sexpartner
an irgendeiner Stelle gegenüber diesen Abbildungen einen
Makel, man bleibt also auch schon daher immer etwas unbefriedigt.
Das Gefühl der Unzufriedenheit soll sich dann für die
Anbieter der Porno-Seiten lohnend auswirken und das tut es ja
auch.
2. Menschen wollen, dass ihnen Lustvolles getan wird, aber dabei
sind sie eigentlich oftmals nicht bereit, den PartnerInnen ihre
ganzen Wünsche zu erfüllen. Es ist dies die Mentalität
des Bedientwerdens. das findet bei Singles wie auch in Beziehungen
statt.
3. Menschen können sich in der Sexualität nicht gehen
lassen, sind also dann bei sexuellen Handlungen gehemmt. Das
hat etwas damit zu tun, dass sie auch beim Sex Haltung bewahren
wollen, Eindruck machen, Würde bewahren usw. Sie können
sich nicht gehen lassen. Das führt dazu, dass auch bei genussreichen
Erlebnissen ein unerfüllter Rest bleibt.
4. Menschen akzeptieren in der Sexualität nicht immer, dass
ihr/e jeweilige/r Sexpartner/in manche erwünschten sexuelle
Handlungen nicht mag. Sie meinen, weil sie treu sind, muss ihnen
dies geboten werden. Manche Menschen übergehen gewisse Ablehnungen
nicht nur in einer Beziehung, sondern auch bei gelegentlichen
Kontakten. Andere versuchen durch Nörgeln, Psychodruck und
Ähnliches oder Verführung, den/die PartnerIn dennoch
zu ungeliebte sexuelle Handlungen zu nötigen.
5. Menschen erlauben oft ihrer/ihrem PartnerIn nicht, sich solche
sexuellen Genüsse außerhalb der Beziehung zu verschaffen,
die innerhalb der bestehenden Bindung nicht möglich sind.
6. Menschen erlauben oft ihrer/ihrem PartnerIn nicht, sich überhaupt
sexuelle Genüsse außerhalb der Beziehung zu verschaffen,
wenn innerhalb der bestehenden Bindung die sexuell Brisanz nachlässt.
7. Menschen, die als sexuell unattraktiv gelten, haben nicht
nur Schwierigkeiten, eine/n Partner/in für eine erotische
Dauerbeziehung zu finden, sondern natürlich auch für
spontane Single-Kontakte.
Für die meisten dieser Probleme ist es unbedeutend, ob man
als Single oder in einer Dauerbeziehung nicht genügend Erfüllung
bekommt. Auf jeden Fall sind die schnellen Patentlösungen
und die einfachen Rezepte aus Kirche und Moralecke nicht geeignet,
uns zu einem zufriedeneren Leben zu verhelfen. Zudem sind Pauschalrezepte
ohnehin nicht geeignet, Fragen der individuellen Liebens- und
Lebensgestaltung zu beantworten.
-
- Machbare Wege
Ich finde, dass es gut ist, wenn man von Menschen umgeben ist,
die für einander Interesse haben, die sich umeinander sorgen,
denen es auffällt, wenn man Sorgen hat oder eine Zeitlang
nicht da ist. Schön ist es, wenn man Sex haben kann mit
einen oder auch mehreren Menschen, dem/denen man nichts vormachen
muss, bei dem/denen man sich gehen lassen kann.
-
- Wie es wirklich kommt, kann man sich nicht
immer aussuchen, aber man kann sich aus nahezu jeder Situation
auch etwas Angenehmes für sich ableiten. Nach etwas mehr
Einsamkeit sehnt sich manchmal der Beziehungsmensch, nach etwas
mehr Bindung vielleicht der Single. Natürlich, Superlösungen
sind das nicht. Aber für Superlösungen sind auch die
Verhältnisse nicht so.
-
- Und bis wir mal den Jugendkult besiegt haben
könnten, bis man es geschafft hat, dass Menschen, die dem
Schönheitsideal nicht entsprechen und deshalb weniger Chancen
haben, doch Chancen bekommen werden, auch wenn sie nicht über
viel Geld verfügen, wird wohl noch so viel Zeit vergehen,
dass wir auf jeden Fall davon nicht mehr profitieren werden.
Ich komme auf meine alte These zurück, die auf jeden Fall
immer Gültigkeit hat: an Sexualität haben wir alle
so viel, dass sie niemanden zur Not werden sollte. (js)
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