- 72. LUST, Herbst 02, September/Oktober/November
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- Gay-Fiction
Gesellschaftspolitische Fiktionen, von
Thomas Morus mit seinem Utopia über Robinson
Crusoe zu Herr der Fliegen gibt es als Teil
der anerkannten Literatur oder als primitive triviale Machwerke.
Wo taucht die ernstzunehmende lesbische oder schwule Science-Fiction
auf?
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- Vielleicht ist es auch falsch, für die
utopische Dichtung den Begriff Science-Fiction zu verwenden,
weil dies ja nahe legt, es handele sich um eine wissenschaftliche
Fiktion, also eine Vorausberechnung sozusagen.
Positive Utopien in der Literatur sind vielleicht Wunschträume,
geboren aus Sehnsüchten oder Entbehrungen. Negative Utopien
sind Warnungen vor Entwicklungen, die sich scheinbar abzeichnen.
So wird analysiert, dass sowohl Robinson Crusoe als auch Herr
der Fliegen Warnungen vor Sittenverfall sind. Sie widersprechen
anderen Utopien, die eine freiere, weniger hierarchische Gesellschaft
anstreben. Beide wollen uns erklären, dass Menschen in finstere
Zeiten zurückfallen, in vormenschliche Zeiten sozusagen,
wenn nicht durch Disziplin und die Ordnung einer Herrschaft der
Menschen zur Zivilisation erzogen wird.
Diese Diskussion ist auch politisch zu sehen. Von politisch links
kommen eher solche Utopien, in denen der Mensch sich sinnvoll
entfaltet, wenn Unterdrückung und Ausbeutung von seinen
Schultern genommen werden. Warnungen gegen Ausbeutung und Unterdrückung
stellen die andere Seite linker Utopien dar. Analog dazu finden
wir von rechts eher die Rechtfertigung von Zwang und Unterdrückung.
Es gibt da als Phantasie und Since-Fiction in allen Medien eine
Unzahl solcher modernen Märchen, sowohl in Richtung auf
Harmonie als auch in Richtig auf ständigen Kampf, sowohl
zugunsten besserer Verhältnisse für die Menschen als
auch zur Rechtfertigung ihrer Unterdrückung und Ausbeutung.
Im übrigen erfüllten (und erfüllen) auch die alten
Märchen diesen Zweck. Und die Brüder Grimm gelten ja
als Leute, die allerlei Märchen gesammelt aber nicht nur
aufgeschrieben haben, sondern sie dabei derart geändert
haben, dass immer eine gute Obrigkeit siegt, die gute Lösung
immer nur von oben kommt. Sonst wären sie auch nicht so
berühmt. Und das Böse kommt immer aus der Opposition
gegen das ewig Gute. An dieser Stelle möchte ich aber auf
eine kritische Würdigung der alten Märchen verzichten,
auch wenn es lohnenswert wäre, weil es uns zu weit weg vom
gestellten Thema bringt. Berühmt sind auch Herr der
Fliegen und Robinson Crusoe und die beiden
gehören zum kulturellen Lehrstoff unserer Schulen. Also
scheint es interessierte Menschen und gesellschaftspolitische
Kräfte zu geben, denen daran gelegen ist, dass die Ordnung
der Obrigkeit auch in der Fiktion gerechtfertigt wird.
Viele soziale Bewegungen haben ihre Utopien entwickelt, von den
revolutionären Weltverbesserern, dem Bürgertum,
das sich vom Adel unterdrückt sah, zu den Sozialisten, die
sich vom Bürgertum unterdrückt sehen und den Anarchisten,
die sich von den Sozialisten und vom Bürgertum unterdrückt
fühlen, am Meisten von den Sozialisten. Und es fällt
den AnhängerInnen solcher und anderer Bewegungen einfach
leichter, Entbehrungen auf sich zu nehmen, wenn eine schöne
Utopie winkt. Die will man dann aber auch eingelöst haben,
wenn man sich an der Macht wiederfindet. Und da wirds dann
für die neuen Herrscher schwierig.
Die besten Utopien sind solche, bei denen die Entbehrungen sich
erst auszahlen, nach dem man gestorben ist: die Religionen. Vorher,
im irdischen Leben, profitieren erst einmal weltliche Obrigkeiten
von den Entbehrungen der Gläubigen. Deshalb sind Religionen
ja auch so sehr praktisch für politische Herrscher unterschiedlichster
Art, nicht nur für die Religionsfürsten. Dies aber
nur nebenbei.
Wir dürfen bei den heutigen Phatasy-Märchen-ErzählerInnen
nicht Frank Herbert vergessen und andere Autoren und Autorinnen
der Serien von Perry Rodon über Atlan usw. Herbert ist der
Schöpfer der Wüstenplanet-Romane und Dune
(eine dreiteilige Verfilmung), Wo Hexen Menschen züchten,
um den Erlöser hervorzubringen, wo ein Adelssohn der Führer
einer unterdrückten Nation wird, weil er mittels Drogen
und esoterischen Kräften die bösen Kräfte, die
Harkonnen besiegen kann, die zum Beispiel blonde Knaben zu ihrem
Ergötzen in ihren Armen sterben lassen. So schlimm sind
die und haben auch russische Namen. Die guten schließlich,
die genetisch eben zum Herrschen geboren sind, vernichten böse
Reiche und erschaffen gute, darunter geht nichts. Das ist schon
faschistisch.
Der Spruch aus den wilden 68er Jahren ist vielleicht noch bekannt:
Seid realistisch verlangt das Unmögliche.
Man bemühte sich, gesellschaftspolitische Utopien vom friedlichen
und zufriedenstellenden Zusammenleben der Menschen zu entwerfen
und auch schon in kleinen Inseln zu leben, in den städtischen
Kommunen und dann in den Landkommunen der sogenannten AussteigerInnen.
Bevor man die neuen Zustände gesellschaftlich erkämpf
hatte, versuchte man den individuellen (Aus-)weg und sah dann
zunehmend und schrittweise mehr gesellschaftliches Leid als persönlich
verursacht an. Man war in der Welt angekommen, gegen die man
vorher revoltiert hatte. Psycho-Sekten nahmen ihren Anfang und
viele Menschen wurde zu ihren Opfern.
Immerhin, in der Literatur dieser Zeit findet man die Hoffnung
auf eine bessere Welt und Warnung vor den Gefahren der Zukunft
auf fremde Welten projiziert. Ray Bradbury, Isaac Asimov und
Stanislav Lem, Robert Silverberg, Marion Zimmer Bradley und Ursula
K. Le Guin fallen mir ein, Arkadi und Boris Strugazki, die in
der utopischen Literatur, die massenhaft ankam, gesellschaftspolitische
Fiktionen darstellten.
Dass 1984 und Farm der Tiere von George
Orwell ein solcher Erfolge wurden, erklärt sich auch dadurch,
dass man sie im Kalten Krieg gegen den Osten verwenden konnte,
obwohl es Orwell ja um einen anderen, aus seiner Sicht gerechteren
Sozialismus gegangen war. Aldous Huxley mit seinem Schöne
neue Welt ist der gleichen Kategorie zuzurechnen.
Ray Bradbury (USA) schrieb in Fahrenheit 451 von
einer Zukunft, wo die Menschen in einer Medienwelt, umgeben von
Fernsehwänden, leben und gar keinen Bezug mehr zur Realität
haben. der größte Traum ist es, zu den 3 Fernsehwänden
noch eine 4. Fernsehwand zu bekommen. Sie leben in Traumwelten.
Die Soups und Serien dieser Zeit sind so, dass sie mit den ZuschauerInnen
einen Dialog führen. Zum Beispiel wird die Hamdlung so lange
angehalten und geht nicht weiter, bis die Fernsehzuschauer einige
Worte gesagt haben, die zur Handlung passen. Ein Feuerwehrmann,
der die Aufgabe hat, Bücher zu verbrennen, liest in ihnen
und beginnt, die Welt anders zu erkennen. Also eine Warnung vor
immer größerer Manipulation durch neue Medien und
eine Liebeserklärung an die Literatur. In den Marschroniken
beschreibt er, wie Menschen sich verhalten würden, wenn
sie eine andere alte Kultur auf dem Mars antreffen würden.
Es geschieht das, was mit den Indianern geschehen ist.
Isaak Asimov (USA) schreibt über den Mensch-Roboter-Konflikt
und erfindet eine Art Roboter-Ethik, ähnliche dem hypokratischen
Eid der Ärzte, damit nicht eines Tages die Roboter die Menschen
beherrschen. Stanislav Lem (Polen) geht es um den gleichen Konflikt,
hinter dem er aber Menschen sieht, denen es um ihren wirtschaftlichen
Vorteil geht.
Bei Robert Siverberg geht es Zwischenmenschliches unter fremden
Bedingungen, später dann um das Sterben und den Tod. Hier
ist Bruderschaft der Unsterblichen zu erwähnen,
dann ein Roman (Titel?), wo es um sexuelle Metamorphosen geht,
um exhibitionistischen Sex und ein schneckenähnliches Wesen,
das Menschen als Körpertier (nicht Haustier) mit sich führen
können und das von den Ausscheidungen der Haut und des Körpers
lebt und manche Formen der Absonderung von Körpersekreten
auch zur Lustbefriedigung der Menschen herbeiführt. Nun
ja.
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- In einem anderen Roman werden die Menschen
auf einem neuen Planet immer kranker, bis jemand entdeckt, dass
man sich vor den Pflanzen und Tieren nicht schützen muss,
sondern mit ihnen eine Verbindung eingehen kann, dann wird man
wunderbar leben. Eine Art planetares Coming-out. Bei ihm sind
auch homosexuelle Beziehungen bzw. Verbindungen positiv dargestellt,
davon an anderer Stelle mehr.
Marion Zimmer Bradley bringt auch Utopien, aber zumeist eben
eher Fantasy, und denen geht es nicht um die Zukunft, sondern
die Vergangenheit wird umgeschrieben oder neu erfunden. Man findet
die mystische Wahrheit über Probleme der Gegenwart oder
Zukunft im Aberglaube der Vergangenheit. Die Nebel von
Avalon zum Beispiel haben als Neues sozusagen einen weiblichen
Blick. Sie entfernen sich aber derart weit von der Artus-Sage,
dass es manchen Leser als unerträglich erscheint.
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- Ganz besonders interessant ist Ursula Le
Guin, denn im Planet der Habenichtse beschreibt sie
eine anarchistische Gesellschaft, und im Winterplanet
sind die Menschen absolut ohne Sexualität. Doch von zeit
zu zeit haben sie dann ihre Geschlechtszeit. In dieser
Zeit bekommen sie von der Arbeit dafür frei und gehen in
dafür vorgesehene Liebespaläste und erst bei den Begegnungen
mit anderen Menschen in ihrer Geschlechtszeit entscheidet sich,
welches Geschlecht sie dieses Mal sexuell annehmen. Immerhin
gibt es auch dort dann sexuell Männer und Frauen.
Arkadi und Boris Strugazki schreiben einerseits realistisch von
Raumfahrt, andererseits stammt von ihnen der (übrigens in
einer bundesdeutsch-sowjetischen Co-Produktion hergestellten
Verfilmung) Roman Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein.
Hier sind Beobachter aus einer glücklichen kommunistischen
und technisch weit entwickelten Zukunft, wo alle Probleme gelöst
sind (und die Menschen deshalb feinfühlig und gebildet sein
können), auf einem mittelalterlichen Planeten stationiert.
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- Sie dürfen nicht eingreifen, nur forschen,
doch halten sie sich nicht dran und jeder von ihnen versucht
aus menschlichen Gründen einzelnen zu helfen, kleine soziale
Verbesserungen zu erzeugen usw. Sie scheitern zum Beispiel an
den Raffinessen der Hofintrige, was letztlich zu einer Katastrophe
führt, denn ein klerikalfaschistischer Aufstand macht alle
Verbesserungen zunichte und das Leben der Menschen dort ist schließlich
beim Abbruch ihres Experiments schlechter dran als vor ihrem
Eingreifen. Eine Kritik also am exportierten gesellschaftlichen
Fortschritt.
Eine Zeit lang (in Deutschland ca. 1980) war Die Töchter
Egalias der norwegischen Schriftstellerin Gert Brandenberg
in Mode, alle (linke) Welt diskutierte und las ihn, den Roman
von einer frauendominierten Welt, der 1977 in Norwegen erschien.
Auf dem Planet Egalias sitzen in allen politischen und wirtschaftlichen
Schlüsselpositionen Frauen, Männer haben zwar formal
die gleichen Rechte, aber es gelingt ihnen nicht, neben der Versorgung
der Kinder noch berufliche Karriere zu machen.
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- Ab einem bestimmten Alter müssen die
Knaben einen PH tragen, einen Penishalter, unverheiratete Männer
sind an der Anrede Herrlein kenntlich usw. Alltagsszenen
werden geschildert, die den älteren von uns nicht ganz unbekannt
sein dürften, nur eben geschlechtsverdreht. Hier wird im
Grunde der traditionellen Männerwelt ein Spiegel vorgehalten.
Die Utopie der Welt nach einer feministischen Revolution, ist
nicht zu erkennen. Dies vielleicht aus gutem Grund. Wer das Geschlechtsverhältnis
kritisiert und nicht auch zum Beispiel die soziale Ungerechtigkeit,
will vielleicht gar nicht die Gesellschaft ändern, sondern
die bestehenden Verhältnisse fürs eigene Geschlecht
nur besser nutzen oder vielleicht: nun endlich auch mal.
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- Lesbische utopische Ansätze?
Es gibt verschiedene feministische gesellschaftskritische Ansätze,
es gibt unterschiedliche Ansätze einer Fiktion des Zieles
einer feministischen Revolte. Ausgesprochen lesbische Positionen
tauchen hier nicht auf, lesbische Sexualität als Kampfmittel
gegen die Männerherrschaft im Staat und der Heten-Beziehung
schon. Lesbisches Interesse wird da nämlich gelegentlich
für weiblich-hertea-Ziele vereinnahmt, unter oft peinlichen
Moralisierungen. Denn da wird alles Lesbische kritisiert, was
irgendwie als männlich angesehen wird: Das Butch-Verhalten
genauso wie das Girly-Verhalten, weil es die Unterwerfung unter
den Mann symbolisiere, der vaginale Orgasmus, hervorgerufen durch
längliche Hilfsmittel usw. Frau erkennt, dass hier keine
Lesben am Werk sind, denen es mit ihrer Identität ernst
ist, sondern der lesbische Sex wird nur als Rollenspiel im heterosexuellen
Mann-Frau-Spiel benutzt.
Eine lesbische Gesellschaftskritik ist uns ebenso wenig bekannt
wie die Utopie einer heilen Welt aus lesbischer Sicht. Gibt es
das, eine utopische Vorstellung von einer Weltordnung oder Staatsordnung,
in der die Lesben sich wohlfühlen? Vielleicht könnt
Ihr uns da helfen, liebe lesbische LeserInnen. Gibt es das oder
wollt Ihr es schreiben? Wir Lesben und Schwule von der LUST würden
uns darüber freuen.
Sicher ist die Erkenntnis, dass Lesben und Schwule Minderheiten
sind, großen sozialen Gedanken nicht förderlich. Zumindest
in den schwulen utopischen Ansätzen findet man eher elitäre
Vorstellungen von einem für Schwule mehr oder weniger glücklichen
Zustand der Verhältnisse.
So lange man die Gruppe der lesbischen und
die der schwulen Minderheit im Auge hat und nicht die Bisexualität
aller Menschen, kann dies wohl auch nicht anders sein. Und die
(ausgelebte) Bisexualität aller Menschen ist noch lange
nicht in Sicht, im Gegensatz zu den real existierenden Minderheiten
der Lesben und Schwulen, die ihre gedankliche Flucht aus der
heterosexuellen Umwelt sich oftmals nur als Flucht in die Elite
vorstellen können.
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- Schwule utopische Ansätze haben wir
in folgenden Texten gefunden, doch gibts davon sicher noch
viel mehr:
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- Bruderschaft der Unsterblichen (Robert
Silverberg)
Vier Studenten entdecken eine uralte Schrift in der steht, wie
eine Bruderschaft von 4 verschworenen Männern nach Unsterblichkeit
streben kann: Sie müssen mehrere Prüfungen bestehen
und die Unsterblichkeit für 2 aus der Bruderschaft entsteht
durch den Selbstmord des einen und den Mord an einem anderen
der vier. Und so machen sich der reiche etwas arrogante Dandy,
ein Naturbursche, ein Jude und ein Schwuler auf, die Unsterblichkeit
zu erringen.
Die Geschichte wird abwechselnd immer aus der Sicht eines anderen
Mannes mit seiner jeweils anderen Sicht erzählt, was den
Leser zwingt, in die Haut eines gelangweilten reichen jungen
Mannes, eines Farmer-Sohnes und Naturburschen, eine jüdischen
Geschichtsstudenten und eines schwulen jungen Mannes zu schlüpfen.
Das macht die Geschichte einmal recht interessant, andererseits
auch zum Coming-out-Helfer und Identitäts-Stifter mit jüdischem
Lebensschicksal. Zwischen den 4 Freunden spielt sich
ein Psycho-Konflikt ab, denn sie wissen ja, dass zwei von ihnen
sterben müssen. Es zeigt sich dann, dass sich der schwule
und der jüdische Mann als die beiden stärkeren erweisen,
die das ewige Leben erhalten werden.
In diesem Roman werden gesellschaftliche Konflikte anhand der
Typisierungen aufgezeigt, und einmal aus der vertrauten Umwelt
gerissen, haben der Millionär gegenüber dem jungen
Juden und der etwas burschikose Farmersohn gegenüber dem
Schwulen letztlich keine Chance. Der Millionärs-Sohn wird
von dem Juden umgebracht, beziehungsweise: er lässt sich
von ihm ermorden, da er die Nutzlosigkeit seines Lebens erkannt
hat, und der Schwule treibt den Naturburschen und Farmer in den
Selbstmord, indem er ihn dessen Homosexualität erkennen
und erleben lässt, was er nicht verkraften kann. Die beiden
Toten hatten ihre Lebenslügen erkannt und konnten damit
nicht leben, die beiden anderen hatten dadurch eine ewige Zukunft
in der Zurückgezogenheit eines Klosters zu gewinnen.
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- Rote Männer auf grünen Matten
(Autor?)
Diese Buch erschien als die ganze linke Szene ihre Sehnsüchte
nach einer gesellschaftlichen Utopie in den ausgerotteten Indianervölkern
zu finden glaubte, denn es ist ja schön und irgendwie tragisch,
an das Land, das wir nicht erreichen werden, zu denken. Und so
glaubten viele, dass das kleine Bändchen eine schwule Fiktion
einer solchen Welt darstellen könnte. Etwa ein kleines Indianervolk,
in denen die schwulen Männer besonders geehrt würden
und die Mütter alle ihre halbwüchsigen Söhne bei
ihnen vorbeibringen würden oder so. Doch das Buch war ganz
anders. Ein (schwuler) Forscher reist alleine mit einem kleinen
Boot über einen Urwaldfluss und begegnet einem im Wasser
stehenden und fischenden Indianer, der einen riesigen Penis hat,
der sich freudig erregt
zeigt. Und die beiden
treiben es glücklich und munter. Einige Kilometer weiter
trifft er einen anderen schmucken Indianer, gestaltet wie der
erste, höchstens der Schwanz ist noch größer,
und sie treiben es munter. Als es Zeit wird, sich ein Lager zu
suchen, trifft er einen schönen muskulösen Indianer
mit einem riesigen Penis ... usw. Schade, dass viele Utopien
einfach über diese durchaus wichtigen Ansätze nicht
hinauskommen. Schade auch, dass es so viele Leute gibt, die ihre
erotischen Wunschträume schreiben und lesen müssen,
anstatt sie zu erleben.
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- Lavendelschwert (Felix Rexhausen)
In der Bundesrepublik der Adenauer-Ära bringt sich ein jungen
Mann, den alle in der Szene vergöttern, nachdem seine Homosexualität
aufgeflogen ist und er wegen des § 175 StGB verurteilt wurde,
um. Dies ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Ein Student entwickelt den Plan zum (schwulen) Staatsstreich
und findet einen Unternehmer, der diese Idee unterstützenswert
findet, sofern der Student die sozialen Elemente seines Planes
aufzugeben bereit ist. Auch einige verbogene hohe Militärs
machen mit und sie finden Befehle zum Errichten einer Militärdiktatur,
die noch aus der Zeit von Verteidigungsminister Strauss stammen,
und diese Befehlskette setzen sie in Gang.
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- Viel witzige Details wären zu erzählen
und viele Anspielungen auf die miefigen und für viele Schwule
katastrophalen Jahre der jungen Bundesrepublik unter Führung
der CDU/CSU/FDP. Der Unternehmer wird zum Bundeskanzler der Militär-Regierung
und die anderen finden auch ihre Pöstchen und auf
den Straßen tanzen in allen größeren
Städten die Schwulen, wie es heutzutage bei den CSDs Wirklichkeit
ist, und sie versuchen, die mit ihnen verbündeten Soldaten
zu verführen und mehr fällt ihnen nicht ein. Schließlich
entwickelt sich eine moralische Gegenbewegung, die den Staatsstreich
beendet, der Bundeskanzler und seine Anhänger
wandern in den Knast und das ganze ist vorbei. Eine wirklich
äußerst witzige und unterhaltende Geschichte, die
auch die Perspektivlosigkeit der schwulen Szene aufzeigt.
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- Die wilden Boys (William S. Burroughs)
Burroughs, der Drogenschriftsteller, machte in seinen Erzählungen
und Romanen vor keinem Tabu halt. In Marokko, wo in der Adenauerzeit
sich die schwule Elite, die Drogen-Szene und die Kultur-Boheme
trafen ergreifen die wilden Boys die Macht: Geile
männliche Jugendliche, ständig mit ihrem Penis und
untereinander zu Gange, grausam und blutig, wild und verwegen,
bekifft und sex- wie blutrünstig. Wissenschaftler in diesem
Staat entwickeln Methoden, wie man mittels Analverkehr männlichen
Nachwuchs zeugen kann, sie entwickeln auch Fledermaus-Boys, die
als blutige Horde die Gegner des schwulen Drogenstaates angreifen
und vernichten und sexuelle Orgien feiern, bis der amerikanische
Geheimdienst CIA seine Geheimwaffe einsetzt, um diese Staat zu
vernichten, nämlich Lesbenverbände, die noch blutiger
und grausamer sind und den Staat der Wilden schwulen Boys vernichtet.
Das trieft nur so von einer besonderen Form von Frauenfeindlichkeit
in den Drogenträumen des Autors von Junkie und
Naked Lunch, der im übrigen im Drogenrausch
seine Frau erschossen hat, ein Unfall, wie behauptet wurde. Naked
Lunch ist übrigens verfilmt worden. Hier wird den
lesbischen Frauen nicht abgesprochen, dass sie alles können,
was Männer können, sondern es wird ihnen unterstellt,
dass sie es besser und grausamer können.
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- Hasturs Erbe (Marion Zimmer Bradley)
Die Zukunft der Menschheit spielt sich sozusagen im Mittelalter
ab, denn ein Siedlerschiff, das neue Welten besiedeln will, geht
verloren und nach 2000 Jahren entdecken die Menschen der Erde
eine Feudalgesellschaft, beherrscht von 7 Feudalfamilien, die
über sogenannte PSI-Kräfte verfügen. In einer
absoluten Feudalgesellschaft, die auf Telepathie beruht, verliebt
sich der junge Erbe in einen Jungen und durchläuft so sein
Coming-out. Lange bekämpft er sein homosexuelles Verlangen.
Doch während seiner vielen inneren und äußeren
Kämpfe, um sich zu finden und sein Erbe zu erhalten, findet
er mehr und mehr zu sich. Zeitweilig möchte er auch mit
seinem jungen Freund die Unterdrückung der
Feudalgesellschaft
aufheben, doch arrangiert er sich letztlich mit ihr. Die beiden
kriegen sich natürlich letztlich nicht, gestehen
sich aber ihre Liebe ein, die sich nicht erfüllen wird und
daher rein ist. Dies ist also am Ende irgendwie tragisch,
doch auch gut, denn die alte Ordnung hat sich ja bewährt
und die Möglichkeit einer langsamen Veränderung durch
ihn ist nicht ganz ausgeschlossen.
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- Freunde auf Alpha Centauri (Larry Towsend)
Ein junger (natürlich) schwuler Mann möchte Pilot werden
und fälscht daher in den Bewerbungsunterlagen, dass er schwul
ist, was dazu führt, dass er erst mal die Stelle nicht bekommt.
Er tröstet sich in den Stadtvierteln der Gays auf plüschigen
Klappen mit Musik und Duftspender und vermeidet es, die gayfeindlichen
Stadtteile der Strights aufzusuchen. Schließlich erfährt
er im Zusammenhang einiger Sexabenteuer, dass als Raumfahrer
in Wirklichkeit nur schwule Männer angestellt werden, weil
die Körperausdünstungen von Frauen, besonders während
ihrer Periode bei langen Raumfahrten nicht zu ertragen seien.
-
- Über sexuell motivierte Verbindungen
geling es ihm dennoch, in die Raumfahrt zu kommen. Auf dem
Raumschiff gibt es Sabotageakte durch Menschen,
die sich als getarnte heterosexuelle Männer herausstellen
und die im Auftrage des rotchinesischen Geheimdienstes arbeiten.
Nachdem die schwulen Helden alle dies Gefahren überwinden,
landen sie auf Alpha Centauri und finden dort intelligente Wesen,
die in der Lage sind, die Sehnsüchte der Helden zu erfühlen.
Sie spüren, welche körperlichen Wunschträume der
jeweilige Mensch hat, und es ist ihnen eine Lust sich in die
Traumprinzen zu verwandeln, in die ersehnten Wesen und so erfüllen
sie alle Wunschträume und das ist dann das Happy end. Hier
treffen sich schwuler Chauvinismus mit Frauenfeindlichkeit und
Kalten-Kriegs-Romantik zu dem Zweck, ihren sexuellen Sehnsüchte
zu erfüllen.
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- Genetics (Lutz Büge)
Unter der Erde gibt es einen Staat, in dem nur Männer leben,
genetisch gezüchtet, in einem früheren Gen-Labor. Sexualität
findet zwischen Männern statt. Es gibt keine älteren
Männer. Das Leben ist militärisch ausgerichtet, es
geht darum, der stärkste Kämpfer zu sein und in der
Hierarchie aufzusteigen. Der Held der Geschichte
fällt immer mal in Ungnade und wird daher zu niedern Aufgaben
verbannt, doch die Arbeit, die er machen muss, entlarvt sich
ihm immer deutlicher als sinnlose Arbeit, die dazu dient, unliebsame
Menschen zu vernichten. Ein Opfer dieser Zustände will diese
Welt vernichten, was ihm auch nahezu gelingt. Nur 3 überlebende
Helden steigen nach oben, wollen wie Adam und Eva neu anfangen,
doch geht das natürlich nicht, weil sie drei Männer
sind.
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- Was lernen wir daraus?
- So lange wir keine Konzeption des fairen
Miteinanders zwischen Schwulen und Lesben, zwischen unserer Szene
mit anderen zum Beispiel heterosexuellen Menschen entwickeln,
so lange wir nicht einmal unter uns faire Zustände entwickeln,
ist unser gesellschaftspolitischer Beitrag eher kümmerlich
und unsere Utopien haben zwar so manchen Unterhaltungswert aber
ansonsten gar keinen Wert. (js/rs/ts)
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