71. Ausgabe, Sommer-LUST, Juni/Juli/August 02
 
Frauen und Lusterfüllung
Verstehe eine die Frauen und ihre Moral! Sie graben sich selbst die Lust ab. Warum? Nun, sie sind um ständige Kontrolle bemüht. Kontrollieren sich, die eigene Freundin, ihr Lustempfinden und erschlagen am Ende alles auf einmal mit der Moralkeule. Ich werde nie verstehen, wieso Lesben sich selbst und anderen das Leben zur Hölle machen, indem sie alles, was aus dem Raster der verlogenen Zweisamkeit fällt, verurteilen oder sogar bekämpfen. Wie komme ich bloß darauf? Nicht vor dem nächsten Absatz schimpfen, bitte.

Also, stellt Euch folgende Situation vor und sagt mir nicht, dass Ihr sie nicht zu genüge kennt: Ihr geht alleine aus, obwohl das Seltenheitswert hat. Ihr wisst warum. Die erste Hürde ist genommen, frau hat den Eingang zur Disco/zur Kneipe, was auch immer, passiert und auch noch die spöttisch musternden Blicke ertragen, ohne zurückzuweichen. Prima, denn nicht wenige machen bereits hier wieder kehrt. Ihr aber seid fest entschlossen, alleine einen netten Abend zu verbringen.
 
Die Golden Girls Videos habt Ihr Zuhause schon dreimal angeschaut und die muskulösen Wrestlerinnen gibt’s erst nach Mitternacht. Nix wie rein ins Getümmel, aber weit gefehlt, Ihr bleibt an der Theke hängen, denn das ist allemal besser, als blöd im Raum herumzustehen und sich begaffen zu lassen. Euer Blick schweift durch den Raum auf der Suche nach einer sympatischen Frau, mit der Ihr Smal-Talk halten könnt. Ah, da ist was Passendes.
 
Dort hinten, etwas abseits des Pulks von Frauen. Ihr schnappt Euch Euer Getränk und sagt höflich “Hallo”, doch statt einer Antwort drängt sich die Alpha-Wölfin des Rudels zwischen Euch und knurrt Euch an. Vielleicht hat sie mein unverbindliches “Hallo” ja missverstanden und interpretierte es als “Lass es uns hier und jetzt vor allen auf dem Boden miteinander treiben!” Wie konnte das passieren, so was würde ich nicht mal nach dem 5. Bier sagen, zumal meine Antennen auf Konversation aus waren und nicht auf hemmungslosen Sex. Wir sind dem lesbischen Rudelverhalten zum Opfer gehalten. Aha, spätestens jetzt erinnere ich mich wieder daran, warum ich allein so ungerne ausgehe.
 
Das Rudel verbietet Außenkontakte zu anderen Rudeln oder umherstreifenden Einzelgängerinnen. Immer gibt es eine Leitwölfin, die den Ton angibt und entscheidet, wer dazu gehört und wer das Opfer von Lästereien wird. Gnadenlos!
Warum tun wir uns das gegenseitig an? Als ob wir es nicht schon schwer genug hätten. Auf der Arbeit, in der Familie. Überall gibt’s eins auf den Deckel. Frau sollte meinen, dass wir untereinander da in der Lage wären, einen Ort zu schaffen, an dem es keine Ausgrenzung gäbe. Weit gefehlt. Wer dem Mainstream nicht hinterher hechelt, hat verloren.
 
Wer anders aussieht, hat verloren. Wer nicht gesund ist, hat verloren. Wie traurig das ist, weiß ich, seit ich oft mit einem Gehstock unterwegs bin. Ok, dass andere Lesben über meine Figur lästern, hat mich nie wesentlich gestört, aber dass sie sich über meine Krankheit lustig machen, daran kaue ich andauernd. Da kann ich mir tausend Mal sagen: “Blöde Kühe” und es hilft trotzdem nichts. Wo wird frau aufgefangen, wenn sie fällt? Wo bleibt die Solidarität? Es gibt sie nicht, trotz Moralgegacker.

Dieses kommt uns auch bei anderen Gelegenheiten in die Quere. Sex. Muss ich mehr sagen? Ok, ich versuche es. Da hat frau doch mal jemanden kennen gelernt. Tada!!! Einfach miteinander ins Bett gehen ist nicht. Wir durchschreiten sämtliche Rituale der Liebesbeteuerungen und erst mit der Zusicherung, um Himmels Willen keine andere Frau mehr anzusehen, kann es losgehen. Ein einfaches “Ich hab‘ Lust drauf” hätte es auch getan.
 
Und was passiert? Sie räkelt sich auf dem Laken und die ach so verhassten Worte dringen an mein Ohr: “Du wirst schon wissen, was mir Spaß macht.” Bin ich Hellseherin?! Woher zur Teuflin?! Ich komme mir vor, als wenn ich mit Tempo 100 durch eine fremde Stadt fahre und dabei noch versuche, die Straßenkarte zu lesen. Also frage ich, was sie unter Spaß versteht. Logisch, oder? Was willst Du, dass ich mache? Ich weiss jedenfalls genau, was mich anmacht. Ich höre hier mal auf, in der Ich-Form zu reden. He, Billy Wilder hat in seinen Filmen dem Zuschauer auch immer die Schlafzimmertür vor der Nase zugeknallt.

Frauen und Lusterfüllung?
Sicherlich sind solche weiblichen Erwartungen an den/die Sexualpartner/in anerzogen, und sie funktionieren eben nicht, wenn zwei Frauen aufeinander treffen. Und hier merken wir spätestens, dass viele Frauen nie gelernt haben, ihre Bedürfnisse zu äußern. Sie behalten ihre passive Rolle und überlassen der Partnerin alles weitere, denn wirklich artikulieren, was eine geil macht, können sie nicht. Oder sie tun es nicht, aus Angst, für eine kleine Drecksau, oder was weiß ich nicht, gehalten zu werden. Da höre ich dann Sätze wie: “Stell Dir vor, sie wollte einen Dildo...” oder: “Wenn ich gewusst hätte, dass sie auf so was steht ...”
 
Wir sollten uns ebenfalls nicht einbilden, dass Frauen von alleine wissen, was wir mögen. Der Satz: “Wenn sie mich wirklich liebt, dann weiß sie es” macht mich wahnsinnig. Sie weiß es eben nicht. Woher auch? Was ist mit dem Umkehrschluss: Sie liebt sie, aber sie kann ihre Fantasien nicht ausleben. Was tun, da lesbische Beziehungen derart symbiotisch sind, dass Sexualität sich ausschließlich dort abspielt? Sie wird abgeschottet von allen äußeren Einflüssen und bewacht wie ein Heiligtum. Ich kann mit diesem Umstand nur schwer umgehen, da ich mir meine Freiheiten erlaube und solche Einschränkungen meiner Person nicht zulasse. Für mich liegt hier der Grund des eifersüchtigen Bewachens in der Gruppe.

Ich denke gerade an ein konkretes Beispiel für die Lustfeindlichkeit, die sich Frauen auferlegen. Eine Freundin, mein Alter (34), voll im Berufsleben, fragte mich, wie sich ein Orgasmus wohl anfühlt. Ich reagierte zuerst etwas unwirsch, dann erschrocken, denn sie beschrieb ihre erogenen Zonen mit “Da unten...” Von klitoral oder vaginal wusste sie nichts, die Begriffe konnte sie nicht zuordnen. Beim Auswerten des Sexfragebogens, den die Rosa Lüste erstellt hatte, stellte sich heraus, dass viele Frauen nicht in der Lage sind, ihre Gelüste zu äußern. Was ist aktiv, was ist passiv? Auf diese Frage, was wann gemocht wurde, kam oft die allgemeine Antwort:”Geschlechtsverkehr” oder eben “Sex”.

Ich denke nicht, dass sich hier etwas ändern wird, solange Mütter ihre Töchter nach dem Motto erziehen: “Es wird einer kommen und der weiß, was Dich glücklich macht.” Oder er sagt es Dir, weil Du es nicht weißt. Schade auch. (dg)
 
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