70. LUST, März/April/Mai 02
 
„Von den USA lernen heißt siegen lernen“
Der islamische Fundamentalismus und die (west)deutsche Linke
 
Natürlich ist niemand ein Ausländerfeind. Aber dass der islamische Fundamentalismus eine Gefahr darstellt, scheint niemand zu bestreiten.
Nur sind die Betroffenheiten unterschiedlich. Die deutsche Linke hat ein kritisches Verhältnis zu den USA. Dennoch führen die USA einerseits gegen die islamischen Fundamentalisten einen Krieg, die sie andererseits selbst erst großgemacht haben. Wir haben hier die März-Ausgaben von 2 Szene-Zeitschriften ausgewertet, die wir für die Diskussion des Themas als wichtig ansehen: EMMA und KONKRET.
 
Schwarzer
Unter dem Titel ”Die falsche Toleranz” schreibt Alice Schwarzer in der März/April-Ausgabe 02 der EMMA zum Thema und wirbt gleichzeitig für das von ihr ebenfalls herausgegebene Buch ”Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz”, erschienen bei KiWi zu 9,90 €
”Man hätte es wissen können, aber man wollte es nicht wissen. Vor allem in Deutschland nicht. Jetzt, nach einem viertel Jahrhundert ungehinderter islamistischer Agitation, - gefördert nicht nur von den Gottesstaaten, sondern auch von so mancher westlichen Demokratie - lässt es sich nicht leugnen:
 
Die islamischen Kreuzzügler sind die Faschisten des 21. Jahrhunderts - doch sie sind vermutlich gefährlicher als diese, weil längst global organisiert”, schreibt A. Schwarzer zu Beginn ihres Artikels. Sie schreibt weiter: ”Aus den Trainingslagern von al-Qaida, so erfahren wir hier, strömten in den vergangenen Jahren mindestens 70.000 Gotteskrieger aus 50 Nationen in die ganze Welt; etliche Staaten sind ganz in der Hand der Fundamentalisten wie der Iran; einige halb, wie Pakistan; und so manche zittern unter ihrer Faust, wie Algerien.” Sie schreibt, dass über das Einfalltor Balkan die Fundamentalisten in Bosnien, Albanien und Kosovo mit der Unterstützung des Westens ins ”Herz von Europa” vorgedrungen seien.

Dass die Terroristen unter den Muslimen des Westens die Minderheit seien, stimme zwar, doch wo ”die Schriftgläubigen” an der Macht seien, herrsche der blanke Terror. Mächtige aus dem Westen hätten geglaubt, mit dem Geist in der Flasche spielen zu können, gegen den Kommunismus und zugunsten von Pipelines, doch sei der Geist längst der Flasche entkommen. Im Gegensatz zu den revolutuionsschwärmerischen westdeutsche Linken hätte sie (Alice Schwarzer) bzw. EMMA schon seit März 1979 bei der Machergreifung von Khomeini verstanden, um was es gehe: ”Die Überlegenheit des Islams und die Verachtung aller ‘Ungläubigen´ und ihrer ‘westliche Werte´; die Etablierung eines ‘Gottesstaates´ samt Scharia; und den Schleierzwang und die Entmündigung der Frauen, inklusive Steinigung für (angeblichen) Ehebruch oder Homosexualität. Khomeini und seine Anhänger deklarierten dieses Programm unter dem Jubel des Volkes, allen voran der Linken, im Orient wie im Okzident.” (S. 37)

Hier müssen wir aber die Darstellung des EMMA-Arikels kommentierend unterbrechen. ”Die Linken” gibt es in dieser Form nicht, sondern es gibt ein Vielzahl von linken Positionen. Als eine dieser linken Positionen haben wir auch die Feministinnen um die EMMA angesehen, jedoch wird hier distanzierend von ”Wir”, also die EMMA, und ”die Linken” gesprochen. Uns sind eine Vielzahl von linken Statements und Aktionen gegen Khomeini und andere islamistische Machenschaften bekannt.
 
Und in der Schwulenszene zum Beispiel ging der Protest bis in bürgerlich kommerzielle Kreise. Im schwulen Reiseführer ”Spartakus” 1982 stand damals auf Seite 355: ”Der einzige vernünftige Grund, den man haben könnte, den Iran zu besuchen, kann in dieser Zeit nur darin bestehen, ein Attentat auf den üblen Ayatollah Khomeini zu machen. Anti-westliche, anti-christliche, anti-homosexuelle Einstellungen grassieren, und es scheint außerordentlich gefährlich zur Zeit im Iran zuzugeben, dass man homosexuell ist ...”

Es ist wahr, dass wir als politische lesbisch-schwule Gruppe von manchen Linken zu unserem Entsetzen zu hören bekamen, dass es imperialistisch sei, westliche Freiheiten als Maßstab für andere Völker anzulegen, während gleichzeitig Frauen aus allen öffentlichen Bereichen entfernt wurden und homosexuelle Menschen zu Tode gesteinigt wurden.
 
Es gibt auch Linke, denen Homosexualität unverständlich ist und die meinen, wir sollten doch einfach nur mit den ”Sauereien” aufhören und alles wäre gut. In der Linken gehen die verschiedenen Richtungen auch nicht gerade zimperlich miteinander um. Da wirft man sich schnell mal gegenseitig Rassismus oder Biologismus vor. Und homosexuellen Menschen traut man hier bisweilen einfach eine antirassistische und linke Haltung nicht zu. Auch hier wird wenig Differenziert.

Andererseits gibt es in unserer Gesellschaft tatsächlich überall schleichenden und offenen Rassismus. Und da ist es sehr schwierig, gegen den islamischen Fundamentalismus aufzutreten, ohne von Rassisten funktionalisiert zu werden. Und in der lesbisch-schwulen Szene gibt es auch Rassismus, und rechte Demagogen gibt es hier auch, denen die Fundamentalisten und ihre Maßnahmen nur recht sind. Zurück aber zum Text.

Zu Recht lobt sich EMMA selbst, dass sie auf der Buchmesse 1995 eine Aktion gegen die Vergabe des Preises an Annemarie Schimmel durchführte, die Sympathisantin des Gottesstaates. Die Entscheidung sei auch unter den Juroren umstritten gewesen, und den Ausschlag habe Prof. Frühwald gegeben, der ein christlicher Fundamentalist sei. Auf den Weltfrauenkonferenzen 1985 in Nairobi sei ihr erstmals der Schulterschluss zwischen christlichen und islamischen Funda-mentalisten aufgefallen, gegen die Emanzipation der Frauen. 1995 bei der Weltfrauenkonferenz in Peking seien sie in die Offensive gegangen. ”Und auf der Nachfolgekonferenz im Jahre 2000 in New York trat die Vatikan-Iran-Connection unverhüllt als der entschiedenste Gegner der Frauen auf: gegen Verhütung, Abtreibung oder freie Sexualität und für Verschleierung und Klitorisverstümmelung. Auch die Querverbindungen zwischen jüdischen Ultraorthodoxen und den palästinensischen Fundamentalisten sind hinreichend bekannt ...” (S. 38).

Die deutschen Konvertiten, also die Überläufer zum Islam, kämen zumeist aus den Kreisen der Grünen, die von ihrer Schwärmerei für Mao und die Roten Garden zur Schwärmerei für die Gotteskrieger gekommen seien.

Als die Nazis an die Macht gekommen seien, wären es die Differenzialistinnen in der ersten Frauenbewegung (die an die Andersartigkeit von Männern und Frauen glauben) gewesen, die eine Rückbesinnung auf ”weibliche Werte” im Nazistaat suchten, wo man mit der ”Natur der Frau” argumentierte, und der Weg zur ”Natur des Negers” ist hier nicht weit. Nur die Radikalen hätten ins Exil gehen müssen. Und heute würden die Konvertitinnen im Namen der Emanzipation argumentieren, dass es besser sei, eine verschleierte Frau zu sein statt ein nacktes Objekt. In Wirklichkeit seien Verhüllung und Entblößung zwei Seiten der selben Medaille, sie gehören einem Mann (bei Verhüllung) oder allen Männern (bei Entblößung).

Das Kopftuch der Frauen sei die Fahne der Gotteskrieger und nicht ”ihr privates Kopftüchlein”, wie das von verschiedenen Blättern dargestellt wurde, als Fereshta Ludin, die Tochter des Afghanischen Botschafters und Frau eines deutschen Konvertiten klagte, mit den Kopftuch zur Schule gehen zu dürfen.

Wir verlassen vielleicht nun mal den Text von Alice Schwarzer. Denn es steht hier nicht drin, was sie vorschlägt, was man tun soll, dieser Gefahr zu begegnen. Tritt sie z.B. für den Krieg der Amerikaner in Afghanistan ein? Über diese Frage ist nämlich in der linken Szene ein ideologischer Streit entbrannt. Schwarzer bleibt hier am Ende ihres Artikels nur ganz allgemein. ”In den kommenden Jahren werden die Weichen gestellt werden: Pro Menschlichkeit und Aufklärung oder pro Männlichkeit und Verdunklung” (S. 39).
 
Elsässer
Jürgen Elsässer geht in der KONKRET 2/02 ab S. 18 das gleiche Thema von einer anderen Seite her an. In seinem Beitrag ”Bauchfrei in Kabul” fragt er nach der zivilisatorischen Kraft, die der Barbarei des islamistischen Funda-mentalismus Einhalt gebieten kann und amüsiert sich über das ideologische Rum-Eiern in der politischen Linken. Besonders die Rolle der kriegsführenden USA eigne sich hier für diese Analysen. ”Seit 1968 haben mehrere Generationen den Aufbruch in die Ferne gewagt: In den 70er Jahren die K-Gruppen und die Frauenbewegung, in den 80er Jahren die Autonomen und die Ökopaxe. In den 90er Jahren kam der dritte Schub: die Antinationalen respektive die Antideutschen. Man könnte sie die Neunundachziger nennen, denn ihre Sammlung war die Reaktion auf den Fall der Mauer und die anschließende Wiedervereinigung ...
 
Man las Jean Améry, Hannah Arendt und Theodor W. Adorno, von Günter Grass klaute man den Slogan ‘Deutschland denken heißt Auschwitz denken´, von Marlene Dietrich ‘Nie wieder Deutschland´.”

Er meint hier die große Demonstration von 20.000 Linken in Frankfurt am 12.05.90 ”Gegen die Kolonialisierung Osteuropas, Gegen die Annexion der DDR”. Und er meint dann, dass die meisten dieser Leute heute Kriegsbefürworter seien und geifernde Ankläger der Friedensbewegung. Außer KONKRET und Junge Welt feierten alle den barbarischen Krieg des Westens im mittleren Osten. ”Bauchfrei ist besser als Burka!” konnte man in der ZEIT lesen, ”Fanta statt Fatwa” kommentierte die Jungle World.

”Die ‘Bahamas´-Redaktion ruft ‘Zur Verteidigung der Zivilisation´ auf, und dagegen wäre eigentlich nichts einzuwenden, würden sie darunter nicht die Unterstützung der US-Kriegsführung verstehen: ‘Nicht weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, sondern weil die USA selbst in Gestalt eines Präsidenten Bush im Vergleich zu islamischer Herrschaft oder deutschem Antiimperialismus noch fast ein Menschenrechtsversprechen darstellen.´ Und der Fanta-Freund der Jungle-World ergänzt: ‘Die USA, die von Linken oft und zurecht angegriffen wurden, sind die einzige Macht in der Welt, die zu einem Gegenangriff im Moment in der Lage ist. Für Linke bleibt, am Traum von individueller Freiheit und schönem Leben festzuhalten: Sherry statt Sharia!´

Die meisten Neuundachtziger machen denselben Fehler wie die Achtundsechziger, und zwar sowohl die Befürworter des Krieges wie die Gegner: Sie setzen Zivilisation und US-Gesellschaft gleich. Den Beginn der Zivilisation markiert aber nicht die amerikanische, sondern die französische Revolution. 1789, und nicht 1776, endet das Mittelalter, beginnt der Austritt des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit.” zitiert und kommentiert Jürgen Elsässer. Und wirklich, Zivilisation hat ja etwas mit dem Zivis, dem Bürger zu tun, also mit der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Selbstüberschätzung. Der Begriff Zivilisation ist mit der bürgerlichen Revolution, dem von Adel und Klerus befreiten Bürgertum verknüpft.

Elsässer wirft Hannah Arendt mit ihrem Buch ”Über die Revolution” vor, an der Diskriminierung der französischen Revolution zugunsten der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung teilzunehmen, um sozusagen den historisch-ideologischen Hintergrund für das Umdenken des aufgeklärten Europas zu liefern. Sie kritisiere ”Die große Verlockung, dem Beispiel der französischen Revolution zu folgen und die Lehren der amerikanischen Revolution außer Acht zu lassen” (S. 18).
 
Er meint: ”Das Interesse an einer Neuschreibung der Geschichte der amerikanischen Revolution die dominante Stellung einräumt, verdankt sich der Tatsache, dass in ihr die Trias ‘Freiheit – Gleichheit -Brüderlichkeit´ zerrissen ist: An deren Stelle steht beim Abfall der dreizehn Kolonien von der englischen Krone das Begriffspaar ‘Freedom and Pursuit of Happiness´.” (Freiheit und das Streben nach persönlichem Glück). (....) Damit ist also nicht der Traum von individueller Freiheit und schönem Leben für alle gemeint, wie die Jungel-World meint, sondern das individuelle Streben nach den eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf die Interessen anderer, kommentiert Elsässer. In der französischen Revolution sei das genau umgekehrt gewesen, die Hoffnung auf Beseitigung der Armut habe 1789 ihre weltgeschichtliche Premiere erlebt.

Es sei die Sowjetunion gewesen, die die Hauptlast im Kampf gegen Nazideutschland getragen hätte und nach 1945 die Revolution in alle Welt exportiert habe, nicht die bolschewistische, sondern die Revolution französischen Typs. Die von der UdSSR unterstützten Befreiungsbewegungen hätten nirgendwo die Herrschaft der Produzenten und eine gebrauchswertorientierte Wirtschaft durchgesetzt (also den Sozialismus), hätten aber von Angola über Vietnam nach Kuba wenigstens eine Balance zwischen Arbeit und (Staats)kapital, den medizinischen und juristischen Schutz der Proletarier im Ausbeutungsprozess und die annähernde Gleichberechtigung der Geschlechter durchgesetzt.

Demgegenüber hätte die kapitalistischen Staaten der Dritten Welt gerade nicht die universalen Werte der Aufklärung gebracht, wie der Vorwurf des Eurozentrismus unterstelle. Vielmehr seien bedenkenlos die blutigsten Feinde der westlichen Demokratie inthronisiert worden, sofern sie die Gewähr boten, die westlichen Wirtschaftsinteressen zu schützen. Als auch das nichts mehr genutzt habe, seien zur Bekämpfung der ”roten Teufel” jene Geister gerufen worden, die sich nun gegen ihre Auftraggeber wendeten. Die Stelle der Sowjetunion als Verteidigerin von Aufklärung und Zivilisation nehme bei den Achtundsechzigern und vielen Neunundachzigern die USA ein, der Bock sei zum Gärtner geworden. Denn von der Geschichte der Amerikaner zählten nur die dreieinhalb Jahre, in denen sie gegen die Nazis kämpften. Und dann folgen viele Beispiele von Griechenand, Chile, Vietnam usw.

Die KONKRET habe 1991 den Krieg der USA gegen Sadam Hussein unterstütz, der Israel bedrohte. Was den Krieg in Afghanistan und gegen Irak betreffe, komme niemand auf die Idee, dass der Krieg der Alliierten auch ihre deutschen Paten schwäche. Im Gegenteil habe die Bundeswehr den Krieg der USA genutzt, mittels ihrer militärischen Macht ihre Operationsbasis auszuweiten. Deutsche Truppen stünden nicht nur auf dem Balkan, sondern auch am Hindukusch, die Kriegsmarine kreuze vor Somalia und der ABC-waffentaugliche ”Fuchs”-Panzer sei auf den Weg an die irakische Front.

Dann kritisiert Elsässer auch indirekt den Herausgeber der KONKRET Gremlitza, indem er meint, dass Israel von Afghanistan keine Gefahr gedroht habe. Und die Theorie, das World-Trade-Center sei für den Antisemitismus das Symbol der Finanzwelt, des raffenden und also jüdischen Kapitals, habe den Nachteil, dass er den Angriff auf das Pentagon nicht miterklären könne und für die vierte gekaperte Maschine sei kein typisch jüdisches Ziel gefunden worden. Da liege doch näher, dass die USA getroffen werden sollte. So weit also der Beitrag von Jürgen Elsässer in der KONKRET.
 
Unser Kommentar
Zusammenhänge zwischen den raffenden und angeblich deshalb jüdischen Kapital und dem World-Trade-Center herzustellen, das finden wir unter dieser Begründung selbst höchst antisemitisch.

Aber auch Elsässer, der sich hier ironisch mit der Linken auseinandersetzt, die die Führungsrolle der USA nicht nur anerkenne, sondern auch gutheiße, hält sich aus der Beurteilung des Krieges der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan raus. Ebenso wie die EMMA ist aber auch hier wohl die Zustimmung intendiert, ohne sie auszusprechen. Aber im Beitrag von Elsässer ist auch noch intendiert, dass sich Europa aus dem Zugzwang der USA befreien müsse, weil man im bürgerlichen Europa traditionell eben sozialer sei. Das findet man in der EMMA nicht, ist aber auch nicht das Thema in diesem Beitrag und in dieser Zeitschrift.

Auf jeden Fall ist das, was sich derzeit im linken Blätterwald abspielt, von Hilflosigkeit gezeichnet, und es scheint in der Linken derzeit von den großen gesellschaftspolitischen Utopien nichts übrig zu bleiben als die Verteidigung individueller Freiheiten im Sinne der bürgerlichen Revolution gegen religiösen Fundamentalismus, und zwar zusammen mit den Kriegen der USA gegen Kräfte, die die USA ja selbst verstärkt oder gar erzeugt haben, oder im Sinne eines Europas, von dem gehofft wird, dass es sozialer bleiben werde, und das angesichts der Globalisierung und des erkennbaren Neoliberalismus sowie des immer deutlicheren Hervortretens eines populistischen Konservatismus.

Was beiden Artikeln im Sinne der Verteidigung individueller Rechte fehlt, ist die Fragestellung nach dem Krieg an sich als Mittel der Politik. Was im Sinne einer linken Analyse fehlt, ist die Analyse der wirtschaftlichen Situation der USA und Europas, zum Beispiel: sind die USA aufgrund ihrer wirtschaftlicher Lage gezwungen, immer neue Kriege zu führen?
 
Gibt es auch einen Widerspruch mit europäischen Wirtschaftsinteressen? Sind manche Aktionen der USA darauf gerichtet, Europa politisch, wirtschaftlich oder militärisch Schwierigkeiten zu machen? Was ist mit der These, dass Europa ein stärkeres wirtschaftliches Potenzial darstellt als die USA und diese das nur politisch und militärisch ausgleichen können? Was ist mit der These, dass es gegenwärtig zu einem Interessensausgleich und Schulterschluss der EG mit Russland kommt und dass das militärische Vorrücken der USA in die ehemaligen südsowjetischen Republiken eine neu Front aufmachen könnte? Was ist davon zu halten, dass der rechte Flügel der Union gegenwärtig gegen die Vorherrschaftspolitik der USA in Afghanistan und im Irak argumentiert, zugunsten einer europäischen Vorherrschaftspolitik? Siehe Interviews mit Todenhöfer und anderen. Führt diese ganze Entwicklung zu einem Weltkrieg?

Und für uns Lesben und Schwule bleibt angesichts der am Horizont auftauchenden dunklen Wolken zu fragen, ob damit zu rechnen ist, dass individuelle Freiheiten wieder in Gefahr sind, ob religiöser Fundamentalismus auch bei und auf dem Vormarsch ist. Und könnte man ausgerechnet auf die USA setzen, um diesen Vormarsch aufzuhalten? Schließlich: gibt es Zusammenarbeit bzw. Unterstützung von islamistischen oder andersreligiösen Fundamentalisten durch Linke, wenn es dort in den Kram passt?

Nicht weil dies eine Zeitschrift engagierter Lesben und Schwulen ist, sondern weil an den Rechten der Lesben und Schwulen, ihr Leben unbehelligt gestalten zu dürfen, abgelesen werden kann, wie es denn mit den Bürgerrechten (”Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” und ”Freiheit und Recht auf persönliche Glückseligkeit”) aussieht, ist es wichtig, das Schicksal von Minderheiten besonders gut zu untersuchen. Besonders ist das Schicksal sexueller Minderheiten zu untersuchen, für deren Rechtfertigung es letztlich nur die individuelle LUST gibt. Und da sieht es bei uns momentan im Prinzip sehr gut aus, gut wie nie vorher, gut wie kaum wo anders.

Doch zunehmender Populismus in der politischen Auseinandersetzung und aufkommender religiöser Fundamentalismus sowie schleichender Übergang in eine Kriegsgesellschaft sind Vorboten von Entwicklungen, die nicht ohne Auswirkungen für uns sein können. Das muss nicht unbedingt der islamische Fundamentalismus sein, der uns bedroht, denn er ermöglicht dem christlichen Fundamentalismus und dem politischen Rechtspopulismus Oberwasser zu erhalten. Möglicherweise ist ja auch der säkulare (weltliche) Staat in Gefahr.

In den USA haben christlich-religiöse Fundamentalisten in vielen Bundesstaaten zunehmenden Einfluss, und wir können gar keinen Grund erkennen, warum das hier nicht auch in etwas abgewandelter Form passieren könnte.

EMMA meint, es gehe in nächster Zeit um Menschlichkeit oder Männlichkeit. Das scheint uns dann doch eine recht reduzierte Auslegung der politischen Prozesse zu sein, die man überall beobachten und spüren kann. (RoLü)
 
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