- 70. LUST, März/April/Mai 02
-
- Die Verbrechen der Christen
Im Zusammenhang mit den Anschlägen
auf das World-Trade-Center und den Pentagon reagierte die Volksseele
in den USA und in Europa aggressiv gegen Menschen islamischer
Religion.
-
- Dem Islam wurde generell eine aggressive
Grundhaltung zugeschrieben, reaktionärer Umgang mit den
Rechten der Frau und ein Nichtakzeptieren der Grundrechte des
Menschen. Homosexuelle Menschen werden gesteinigt bis sie tot
sind.
Gleichzeitig erfuhr man von der gewaltfreien Grundhaltung der
Christen und den gesellschaftlichen Werten des Abendlandes. Offizielle
Stellen behaupteten jedoch, dass es sich bei den islamischen
Fundamentalisten und ihren politischen Absichten um einen Missbrauch
handeln würde, dass dies mit dem wahren Islam
nichts zu tun habe. Man will also die Anhänger des Islam
spalten und einen Teil ins Lager der Guten holen.
Im Lager der Guten sitzen u.a. schon die Christen.
Christen tun überall viel Gutes. Missionare verbreiteten
das Gute in der Welt. Christliche Menschen opfern sich auf für
andere Menschen und unter den neuen sozialen Bewegungen, die
derzeit unter der Bezeichnung attack entstehen, befinden
ich auch viele Christen. Es gab christliche Widerstandkämpfer
gegen die Nazis. Das ist die Nachrichten, die man über Christen
so hört.
Als getaufter und erzogener Christ war ich auch Mitglied in einer
christlichen Pfadfinderschaft, hatte es mit christlichen Eltern
und Verwandten zu tun, hatte ich FreundInnen aus christlichen
Zusammenhängen. Ich war davon überzeugt, dass wir Christen
die besseren Menschen sind, dass ich selbst jedoch ein Sünder
bin, besonders wegen meiner erotischen Gedanken, die ich nicht
einordnen konnte.
Im Freundeskreis munkelte man über Bücher, die die
Kirche kritisieren, die belegen, dass die Kirche Verbrechen begangen
habe. Der Pfaffenspiegel wurde genannt und es wurde gemunkelt,
da seien auch sexuelle Sensationen drin zu lesen. Die Kirche
habe das Buch auf den Index gesetzt, und das doch sicher aus
gutem Grund. Ich war neugierig. Ausgerechnet in einem der früheren
Pornoläden stand er, in Papier eingeschlagen, und ich kaufte
ihn mir und las in ihm.
-
- Der Pfaffenspiegel
1845 kam die erste Auflage dieses
Buches heraus, geschrieben von Otto von Corwin. Es muss wohl
sehr erfolgreich gewesen sein, wenn so viel Aufsehen um das Buch
gemacht wurde. Es ist dies eigentlich ein frühes Zeugnis
des Kampfes um einen bürgerlichen weltlichen Staat. Die
Religion war ja die Herrschaftsideologie des Adels, die adligen
Herren waren von Gott eingesetzt, sie zu kritisieren führte
auch zur Bestrafung nach dem Tod, weil man Gottes Wille kritisiert
hatte.
-
- Otto von Corwin wurde 1848 für sein
Buch und seine offene Sympathie für die Paulskirchenversammlung
in Abwesenheit zum Tode verurteilt, doch er befand sich gerade
in Frankreich. Die christliche Kirche war politische Partei zugunsten
des Adels. 1868 erschien dann die 2. Auflage, 1869 die dritte,
1870 die vierte.
Um was geht es im Buch? Die Kapitel heißen: 1. Wie die
Pfaffen entstanden sind, 2. Die lieben guten Heiligen, 3. Die
heilige Trödelbude, 4. Die Statthalterei Gottes in Rom,
5. Sodom und Gomorrha, 6. Die Möncherei, 7. Der Beichtstuhl.
Im 1. Kapitel bemüht sich der Autor, weltliche Erklärungen
für die in der Bibel niedergeschriebenen Handlungen zu finden.
Er meint Jesus war Revolutionär, der auch in unserer
Zeit, wenn nicht gekreuzigt, doch standrechtlich erschossen oder
ins Zuchthaus gesperrt werden würdee. (S. 40). hier
beschreibt er auch, wie das Christentum im römischen Imperium
Staatsreligion wurde. Ich lese hier auch Vor der ersten
allgemeinen Kirchenversammlung zu Nicäa (335 n. Chr.) gab
es gegen fünfzig Evangelien, von denen nur die noch in der
Bibel enthaltenen beibehalten wurden, weil die anderen den Heiden
gar zu viel zu spotten und zu lachen gaben. (S. 56).
Im 2. Kapitel erfahren wir, dass im 4. Jahrhundert (also ca.
250 Jahre vor Entstehung des Islam) die syrische und die ägyptische
Wüste von versponnenen Leuten bevölkert gewesen seien,
die bestimmte Bibelstellen wörtlich nahmen und sich in den
Wüste läutern wollten. Und dass diese Menschen ihre
Natur mit Füßen traten, wie Corvin meint, machte sie
zu Heiligen. Er beschriebt die Säulenheiligen und Asketen,
Leute, die den Tieren Predigten usw. Er findet, dass solche Leute
heutzutage (1848) in Irrenhäusern landen würden. Und
mit der Besprechung vieler Heiligen geht der Autor mit uns durch
die Jahrhunderte.
Im 3. Kapitel geht es um Reliquien und Ablasshandel, wo Menschen
sich durch Geldzahlungen von den Sünden befreien lassen
konnten, auch von denen, die sie noch begehen wollten.
Im 4. Kapitel geht es um die Anmaßung des Regionalbischofs
von Rom, sich nach dem Muster der römischen Kaiser in Byzanz
zum obersten Verkünder des Glaubens und Stellvertreter Gottes
zu erklären. Wir lesen aber auch von mörderischen Mönchen
und Gräueltaten. Es geht um die Erfindung des Fegefeuers
und ganz skurrile Edikte. Schließlich das Auftauchen der
neuen Religion um Mohamed, die dazu beitrug, die Macht des Bischofs
von Rom zu stärken, indem die Ostkirchen in ihrer Macht
dezimiert wurden. Wir lesen von der Päpstin Johanna und
von Jugendlichen, die Päpste waren. Gregor der VII. (1073
1085) sei der Urheber des Zölibats gewesen. Über
jeden Papst weiß er etwas zu erzählen.
Im 5. Kapitel geht es um Sodom und Gomorrha, nämlich um
die Ehesakramente und die Sünden, die hinter den Klostermauern
und innerhalb der Kirche stattfanden. Von Corvin meint: Die
Befriedigung des Geschlechtstriebes ist also eine Naturpflicht
und ebenso unschuldig, wie die Befriedigung des Durstes. (...)
Dass wir die naturgemäße Befriedigung des Geschlechtstriebes
gleichsam zu einem Verbrechen stempeln, verdanken wir einzig
und allein der missverstandenen, verunstalteten, christlichen
Religion (S. 218).
Als Möncherei kritisiert er im 6. Kapitel das
Mönchswesen. Und hier erfahren wir viel aus klösterlichen
Sitten, die nicht mit den Sittengesetzen übereinstimmen,
die verkündet wurden.
Im 7. Kapitel schließlich geht es um die Geschichte der
Ohrenbeichte und des Geißelns als Selbstbestrafung.
1886 starb der Verfasser in Wiesbaden. Ich selbst als streng
religiös erzogener Mensch empfand den über 100 Jahre
alten Text damals als befreiend.
-
- Proteste gab es in den 60er Jahren gegen
ein bei Suhrkamp erschienenes Büchlein eines Psychologen,
der sich kritisch mit den Folgen des Gottesglaubens auseinandersetzt,
genauer: seines Gottesglaubens. Ich konnte es in Teilen durchaus
nachvollziehen, deshalb las ich es mit Interesse:
-
- Gottesvergiftung
heißt ein Buch, in dem Tillmann
Moser mit dem Gott abrechnete, den man ihm beigebracht hatte.
Es ist in Form eines Gebetes gestaltet. Der Verlag beschriebt:
Stück um Stück, Seite um Seite untersucht er
die Spätfolgen der Herrschaft Gottes über seine Kindheit.
Aus der Unterwerfung, Gott sei mir armen Sünder gnädig,
wird allmählich Trotz und Auflehnung, Wut und Zorn, und
so entsteht dann die Freiheit, es zu ertragen, von Gott nicht
mehr geliebt werden zu müssen. Sehr deutlich wird die Ungeheuerlichkeit,
wenn Eltern zum Zweck der Erziehung mit diesen Zuchtnormen Gottes
paktieren, oder wenn Herrschende ihn zu Hilfe nehmen bei Knechtung
ganzer Völker: ... ... aber Deine Geschichte
ist ja die Geschichte deines Missbrauchs. Du bist ein Geschöpf
des Missbrauchs menschlicher Gefühle!
Der Autor schreibt, dass er als Kind nicht braver oder besser
als andere Kinder gewesen sei, dass er aber sehr viele Schuldgefühle
gehabt habe. Genau das kann ich sehr gut nachvollziehen. Und
genau das hat auch mir sehr viel Lebensqualität gestohlen.
Nur ganz allmählich wird mir in vollem Umfang deutlich,
wie sehr du rachsüchtiger Lückenbüßer bist:
Du gedeihst in den Hohlräumen sozialer Ohnmacht und Unwissenheit
... (S. 23)
Er kommt zu dem Ergebnis, dass durch die religiöse Erziehung
ein Platz für einen Gott in ihm eingerichtet wurde, dieser
Platz sei geblieben, obwohl er nicht mehr an Gott glauben könne.
Dies mache ihn auch heute noch anfällig für Führung.
Mittels der Religion werde das Selbstbewusstsein durch Schuldgefühle
derart unterentwickelt, dass man sich abwechselnd wie der absolute
Versager fühle, aber wenn ihm etwas besonders gut gelungen
ist, grenze sein Selbstbewusstsein an Größenwahn.
Schließlich werden in diesem Buch von ihm noch Kirchenlieder
besprochen. Es ist dies ein Dokument der Schäden und krankmachenden
psychischen Strukturen, die das Christentum, hier das protestantische
Christentum, zu verantworten hat.
-
- Warum ich kein Christ bin
beschreibt Bertrand Russel, mit dem
Untertitel von der Unfreiheit des Christenmenschen.
Dieses Buch erschien 1957 in London, 1963 in München und
als Taschenbuch 1968 in Reinbek bei Hamburg. Sicher wissen alle
LeserInnen der LUST, wer Lord Russell ist/war: nach ihm wurde
das Russell-Tribunal benannt, ein Tribunal von BürgerrechtlerInnen
über Menschenrechtsverletzungen in den europäischen
Industriestaaten. Als das Tribunal die Bundesrepublik untersuchte,
gehörte zu den Themen auch der § 175 StGB, und die
Schwulengruppe, die sich zu diesem Zweck bildete, war politisch,
bundesweit und nannte sich NARGS (Nationale Arbeitsgruppe Repression
Gegen Schwule).
Hier entstand bei ihrer Auflösungsveranstaltung Homolulu
in Frankfurt eine durch mich initiierte politische Resolution,
die zur Grundlage der schwulen Parteiprogramme wurde. Dies aber
nur nebenbei.
Im vorliegenden Buch fragt der Autor, ob die Religion nützliche
Beiträge zur Zivilisation geleistet habe. Vorher erklärt
er, dass das Dogma der katholischen Kirche, die Existenz Gottes
lasse sich durch die menschliche Vernunft beweisen, an keinem
der vorgebrachten Argumente erhärten lasse. Weder sei die
Behauptung, alles auf der Welt müsse eine erste Ursache
haben, und so sei die Welt nur durch Gott zu erklären, stichhaltig,
noch die Beweisführung durch die Naturgesetze. Russel führt
alle Beweise auf und widerlegt sie.
-
- Die teleologische Beweisführung der
zweckmäßigen Weltordnung hält er für einen
Taschenspielertrick. Die moralischen Gottesbeweise könnten
genauso, wie hier die Schöpfung Gottes bewiesen werde, als
Schöpfung des Teufels oder sonst wen bewiesen werden. Das
Argument der ausgleichenden Gerechtigkeit sei besonders merkwürdig.
Es müsse ein Leben nach dem Tode geben, damit irdische Ungerechtigkeit
sich im Jenseits ausgleiche. Er wiederlegt es mit eine Kiste
Orangen. wenn die obere Schicht verdorben sei, dann wäre
es unwahrscheinlich, dass die untere Schicht wegen der ausgleichenden
Gerechtigkeit gut sei, sondern die ganze Kiste sei dann wahrscheinlich
verdorben.
-
- Beim moralischen Problem sage
Christus, dass der Menschensohn seine Engel aussenden werde,
um die Verführer und Übeltäter einzusammeln und
in den Feuertopf zu werfen, und da werde Heulen und Zähneknirschen
sein. Diese Lehre habe die Grausamkeit in die Welt gebracht.
Dann die Gadarener Säue: Die Teufel mussten auf Anweisung
von Jesus in sie fahren, so dass sie ins Meer stürmten.
Wie kann denn der allmächtige Gott unschuldige Schweine
mit vernichten, wenn er doch die Teufel selbst hätte vernichten
können?
-
- Oder der Feigenbaum, der nur zu seiner üblichen
Jahreszeit Früchte trug, so dass Jesus zornig wurde und
ihn verdorren ließ. Doch man könne dem Feigenbaum
doch keinen Vorwurf dafür machen, dass es die falsche Zeit
für Feigen war. Russell meint, dass Christus an Weisheit
und Tugend nicht ganz so hoch stehe wie Buddha oder Sokrates.
Und das gefühlsmäßige Moment erkläre sich
wie folgt: je größer die Grausamkeit und schlimmer
die allgemeine Lage, je stärker die Religion und der dogmatische
Glaube. In den Epochen des Glaubens gab es die Inquisition mit
ihrer Folter, wurden viel Frauen und auch Männer als Hexen
verbrannt und an ihnen alle erdenklichen Grausamkeiten verübt.
Die Kirchen haben den gesellschaftlichen Fortschritt verzögert
und Angst sei die Grundlage der Religion.
Hat die Religion nützliche Beiträge für
die Zivilisation geleistet? fragt der Autor auf s. 35 und
schlussfolgert: ... Religion ist in erster Linie eine soziale
Erscheinung. Die Kirchen (er meint aller Religionen) mögen
ihren Ursprung Lehrern mit starken persönlichen Überzeugungen
verdanken, aber nur selten hatten die Lehrer großen Einfluss
auf die Kirchen, die sie gründeten, wohingegen die Kirchen
einen ungeheuren Einfluss auf die Gemeinden hatten, in denen
sie wirkten.
-
- Um den Fall herauszugreifen, der für
die Angehörigen der westlichen Zivilisation am interessantesten
ist: Die Lehre Christi, wie sie in den Evangelien steht, hat
mit der Ethik der Christen außerordentlich wenig zu tun.
(...) Christus lehrte, man solle seinen Besitz den Armen geben,
man solle nicht kämpfen, man solle nicht zur Kirche gehen
und man solle Ehebruch nicht bestrafen. Weder Katholiken noch
Protestanten haben ein besonderes Verlangen gezeigt, seiner Lehre
in einem dieser Punkte zu folgen.
-
- Wohl haben einige Franziskaner versucht,
die Doktrin apostolischer Armut zu lehren, aber sie wurden vom
Papst verurteilt und ihre Lehre als ketzerisch verurteilt.
(S. 35 f). Oder beurteilen Sie eine Stelle wie: Richtet
nicht, auf das Ihr nicht gerichtet werdet, und fragen Sie
sich, elchen Einfluss ein solcher Text auf die Inquisition oder
den Ku-Kux-Klan hatte. Was für das Christentum gilt, gilt
gleichermaßen für den Buddhismus. Der Buddha war liebenswürdig
und aufgeklärt, auf seinem Totenbett lachte er über
seine Schüler, weil sie ihn für unsterblich hielten.
-
- Aber die buddhistische Priesterschaft - wie
es sie beispielsweise in Tibet gibt - ist im höchsten Grade
bildungsfeindlich, tyrannisch und grausam. Über Christentum
und Sexualität schreibt er, ein Thema, was ja auch uns hinreichend
betrifft. Er schreibt über die unsterbliche Seele und befindet,
dass das Christentum ein Quelle der Intoleranz sei. Die
Kirche hat viel Aufhebens von den Christenverfolgungen durch
den römischen Staat vor der Zeit Konstantins gemacht. Die
Verfolgungen waren jedoch geringfügig, von ruhigen Zeiten
unterbrochen und rein politischer Natur. Von der Zeit Konstantins
angefangen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Christen
viel leidenschaftlicher von anderen Christen verfolgt als jemals
von den römischen Imperatoren. Vor dem Aufkommen des Christentums
waren in der antiken Welt außer bei den Juden religiöse
Verfolgungen überhaupt unbekannt. (S. 45 f)
Die Lehre von der Willenfreiheit, die Idee der Rechtschaffenheit,
das alles ist nicht überzeugend, denn das Gegenteil geschehe.
-
- Erziehung für Gott und Vaterland
Konservative Pädagogik
und ihre Funktion in der aktuellen Wertedebatte schreibt
Matthias Rauch im Alibri Verlag. Religion und nationales
Denken sind zwei wesentliche Werte, die - nach der Vorstellung
der politischen Rechten - Kindern in der Schule eingetrichtert
werden. Anhand konservativer Pädagogikkonzepte, wie sie
von den Kongressen Tendenzwende und Mut zur
Erziehung ihren Ausgang nahmen, kritisiert Matthias Rauch
diese Erziehung für Gott und Vaterland.
-
- Die Versuche der Konservativen, ihre Inhalte
und gesellschaftspolitischen Vorstellungen über die Schule
zur allgemein anerkannten Norm zu machen, stellt Rauch in den
Kontext der aktuellen Wertedebatte. Anhand der Beispiele Nation,
Militär, Religion, Geschichtsbewusstsein zeigt er Gemeinsamkeiten
und Unterschiede in der Argumentation von christlich-traditionellen
Konservativen und Vertretern der Neuen Rechten auf.
So entsteht ein Panorama konservativer Ideologie von Edmund Burke
bis zu Roman Herzog und der Jungen Freiheit schriebt der
Verlag. Nationalismus und Religion sind schon immer die ideologischen
Mittel gegen die Aufklärung und Emanzipation gewesen.
-
- Die Kirche und unser Geld
beschriebt Horst Herrmann mit dem
Untertitel Wie die Hirten ihre Schäfchen ins trockene
bringen. Der Goldmann Taschenbuch Verlag schreibt zum Buch:
Wussten Sie, dass die kirchliche Sozialeinrichtungen zu
gut 80% aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt werden, dass auch
Konfessionslose die Bischofsgehälter mitfinanzieren oder
dass die katholische Kirche sich in der Bundesrepublik immer
noch für die Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
entschädigen lässt? Zum ersten Mal nennt ein Experte
Zahlen und Fakten über das einzigartige bundesdeutsche System,
auch Konfessionslose zugunsten zweier Großkirchen zur Kasse
zu bitten.
Der Autor schreibt: Ich befasse mich mehr mit der römisch-katholischen
Kirche als mit jeder anderen. Das hat zwei Gründe. Ich bin
Professor für katholisches Kirchenrecht gewesen und kenne,
auch aufgrund meines zweijährigen Aufenthaltes in Rom, manches
von der Kirche von innen. Zudem befinden sich die evangelischen
Landeskirchen nach allem, was ich sehe, auf kirchenpolitischen
Gebiet noch immer im Schlepptau der Catholica. Geht es um finanzielle
Vorteile, ist die katholische Großkirche der evangelischen
stets einen (juristischen) Schritt voraus. In geistlichen Belangen
dürfte es umgekehrt sein. (S. 17)
Man erfährt hier viel über die Finanzleistungen des
Bundes, der einzelnen Bundesländer und der Gemeinden an
die Kirche, zum Beispiel für die Militärseelsorge und
in diesem Zusammenhang auch für Kerzen, Messwein, Kleidung
usw. Für Kultur, hier sind die baulichen Maßnahmen
an den Kirchen zu nennen, die Neubauten und zum Beispiel die
religiösen Bildstöcke am Straßenrand. Die Zahlungen
für die Kirchentage, für den Religionsunterricht, für
Konfessionsschulen und Priesterseminare an der Uni, für
Konfessionskindergärten usw. Warum zahlen die Bundesländer
überhaupt? Haben sie bei der Kirche etwas auf Pump gekauft?
Nein, sie zahlen, weil sie eine Art Erbe angetreten haben.
-
- Dieses hat ihnen keinen Gewinn, sondern nur
Schulden eingetragen. Sie haben die Folgen der Säkularisierung
zu tragen, jener Enteignung von Kirchengut aus dem Jahre 1803,
für die noch immer Entschädigung an die Kirche zu zahlen
ist. (...) Wie wir alle wissen, hatte die Kirche einmal den größten
Grundbesitz in deutschen Landen. Wie sie zu der unheimlich großen
Menge land gekommen war, ... aber ein paar Fakten können
schon genannt werde. (S. 72) Und nun folgt ein abenteuerlicher
Schurkenroman dem anderen. Wir wissen ja auch, dass die Kirche
auch selbst die Staatsmacht darstellte, die sogenannten Fürstbischöfe,
und das Staatsland ging nicht an die adligen Verwandten der Bischöfe
mehr.
-
- Da ja ab einer bestimmten Zeit nicht mehr
geheiratet werden durfte, konnte auch nicht mehr legal geerbt
werden, und die Vermögen kamen zur Kirche. Wir lesen hier
von Edikten usw., die das Vermögen der Kirche vermehrten.
Der Apostel Petrus besaß einige Grundstücke
in Rom. Und die vatikanischen Kleriker ließen sich von
denen, die künftig zu diesem Ort pilgerten, Kaiser, Könige,
Kaufleute voran, reich beschenken, lesen wir auf S. 74.
... Folge dieses elitär-intoleranten Denkens war eine
gnadenlose Repression gegen alle Andersdenkenden und glaubenden.
Religionskriege, Hexen- und Ketzerverbrennungen sowie Judenpogrome
waren die unausweichliche Konsequenz. E
-
- in kleiner, doch nicht unwichtiger Umstand:
Die meisten der vom Klerus Verfolgten und Ermordeten hatten Vermögen.
Die Juden hatten vergleichsweise viel. (...) Im Jahr 1349 sind
in mehr als 350 deutschen Städten und Dörfern nahezu
alle Juden verbrannt worden. In diesem einzigen Jahr haben Christen
mehr Juden ermordet als die Heiden einst Christen in den zweihundert
Jahren Christenverfolgung der Antike. Diese Zahlen kommen in
der gewöhnlichen Geschichtsschreibung der Kleriker ebenso
wenig vor wie im Religionsunterricht.
-
- (...) Hier jedoch geht es um Fakten des 14.
Jahrhunderts und nicht um Legenden: Nach Ermordung der Nürnberger
Juden wurde die Häuser beschlagnahmt, und die Geldvermögen
eingezogen. Der Bischof von Bamberg kassierte hier ebenso wie
beim Pogrom in seiner eigenen Bischofsstadt, wo er fast sämtliche
Häuser der Opfer übernahm. (S. 75)
Wir lesen hier von CDU/CSU abgeordneten, Bürgermeistern
usw., die noch heute die Kirchengüter vermehren, und erfahren
von vielen seltsamen Verträgen und Bestimmungen.
-
- Die Vertreter Gottes
ist eines der Bücher von Karheinz
Deschner, der als der bekannteste und profilierteste Kirchenkritiker
gilt, erschienen Bei Heyne in München. Mit großer
Sachkenntnis und in der ihm eigenen bissigen Weise entlarvt Deschner
die rücksichtslose Machtpolitik der frommen Kirchenmänner
von Pius X. bis zu Pius XII. Und er belegt, dass die Päpste
entscheidend zu den politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts
beigetragen haben.
-
- Wir lesen hier, wie die Päpste Hitler
und Mussolini unterstützt wenn nicht gar mit aufgebaut haben,
um zum Beispiel in Abessinien die Macht des Vatikans gegen die
koptische Kirche zu verstärken, in Jugoslawien mit Hitlers
Wehrmacht zugunsten des katholischen Kroatien gegen die Serben
vorzugehen, die der serbisch orthodoxen Kirche angehören,
usw. Besonders wichtig ist den Päpsten dabei der Kampf gegen
die kommunistische Sowjetunion.
-
- Opus Diaboli
15 unversöhnliche Essays
über die Arbeit im Weinberg Gottes heißt das
Taschenbuch von Karlheinz Deschner, erschienen bei rororo. Auch
hier lesen wir von Blut und Verbrechen. Dass die Kreuzzügler
in Blut wateten, die Pferde bis zum Sattel in Blut standen, als
sie Jerusalem einnahmen und dort alles niedermachten, einschließlich
auch christlicher Bewohner.
-
- Für die katholische Welt wurden
die Kreuzzüge bald ein einziges Fiasko. Ganze Heere verschwanden
spurlos, auch 50.000 Kinder; später schickte nur noch Hitler
Kinder in den Krieg. Andererseits erstarkte der Islam, das dauerhafteste
Resultat der Kreuzzüge überhaupt. Dabei waren die Moslems
nicht selten verhandlungsbereit und entgegenkommend. nach der
Rückeroberung Jerusalems 1187 erkannten selbst die christlichen
Chronisten Sultan Saladins Großmut und Menschlichkeit einmütig
an. (S. 20 f)
Deschner schreibt Allein der Großinquisitor Torquemada
schickte in Spanien persönlich 10.220 Menschen auf die Scheiterhaufen
und 97.371 auf die Galeeren. (...) Aber auch die schreckliche
Strafe der Sippenhaft Papst Gregor IX. exkommunizierte
bis in die 7. Generation, und Papst Urban II. sah im Töten
von Exkommunizierten aus Eifer für die Mutter Kirche´
keinen Mord kehrt in Nazideutschland wieder. (S.
28)
Das Christentum ist theoretisch die friedliebendste, praktisch
die blutrünstigste Glaubensgemeinschaft der Weltgeschichte.
(S.32)
Sie führten Kriege und ließen andere für
sie Kriege führen. Sie vernichteten das Heidentum. Sie schufen
die Inquisition. Sie betrieben Kreuzzüge gegen Türken
und Christen. Doch war es ihnen immer noch nicht genug. Vom 13.
Bis ins 19. Jahrhundert verbrannte die christliche Kirche Hexen
während man im alten Babylon bloß ihr Bild
verbrannt hatte. Primitivster Geisterwahn selbst der berühmtesten
Katholiken, primitivster Geisterwahn, groteske Teufelspsychose,
verdrängte Sexualität und grenzenlose Raffgier brachten
nun Millionen Menschen, vor allem Frauen, einen grässlichen
Tod.( S. 33)
- Um der Keuschheit willen leben viel
Mönche entsetzlich. Sie wälzen sich nackt in Ameisenhaufen,
in Dornen. Sie sehen zeitlebens die eigene Mutter nicht und werfen
nach Frauen mit Steinen. Sie binden sich schwere Eisen um den
Penis, so dass sie den Eunuchen ähnlich werden. Sie leben
jahrelang eingemauert, jahrzehntelang auf Säulen, sie stellen
sich dauernd verrückt und nicht wenige sind es. (...)
Wenn sie eine Pollution hatten oder nur befürchteten oder
eine Frau ein wenig anlinsten, stürzten sie augenblicklich
ins Wasser, sangen dazu Psalmen. Auch steckten sie, zur Zähmung
ihres Gliedes, jahraus jahrein in nägelstarrenden Gewändern,
schliefen sogar darin, geißelten sich oft bis zur Bewusstlosigkeit
... (S. 87)
Wir lesen hier sowohl über die Eroberung Mexikos wie über
die Zusammenarbeit mit den Nazis. Vieles verursacht Zorn, vieles
schlicht Hilflosigkeit. Dieses Buch muss von allen gelesen werden,
die sich mit Fragen der christlichen Religion auseinandersetzen.
-
- Mit Gott und dem Führer
heißt ein Taschenbuch zur Politik
der Päpste zur Zeit des Nationalsozialismus, geschrieben
von Karlheinz Deschner, erschienen 1988 bei KiWi. Es ist ein
Auszug aus den beiden 1982/83 von Kiepenheuer & Witschvorgelegten
Bänden Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik
der Päpste im Zeitalter der Weltkriege. Der Autor
erhielt 1988 den Arno Schmidt-Preis.
Der Autor stelle an das Beginn seines Vorwortes zwei Zitate aus
der Jesuitenzeitschrift Stimmen der Zeit:
Die Person Hitlers selbst ist zum Symbol des Glaubens der
deutschen Nation an ihren Bestand und ihre Zukunft geworden,
aber das Zeichen der Natur, das Hakenkreuz, findet
seine Erfüllung und Vollendung erst im Zeichen der Gnade,
im Kreuz (1933)
Kirche und Nationalsozialismus schlossen sich in allem
Wesentlichen gegenseitig aus wie Licht und Finsternis, wie Wahrheit
und Lüge, wie Leben und Tod. (1947)
Da ich aus dem nachfolgenden Buch von Ernst Klee ausführlicher
zitieren will, belasse ich es hier im wesentlichen mit dem Zitieren
des Inhaltsverzeichnisses, das schon vielsagend genug ist:
Die Heraufkunft Hitlers und die römische Kirche;
Hitlers Machtergreifung und der Vatikan; (...)
Der klerofaschistische Raubüberfall auf Abessinien
ein Evangelisationsfeldzug;
Der Spanischen Bürgerkrieg, ein heiliger Kreuzzug
für die vollständige Wiederherstellung der kirchlichen
Rechte;
Der Überfall auf Russland und die vatikanische Missionserwartung;
Stalin und die Kollaboration von Orthodoxen und Katholiken;
Die Friedensbemühungen Papst Pius XII.: Kreuzzug
West gegen Ost!;
Zusammenbruch des Faschismus. Juden- und Geiselpolitik in Rom;
Die Unparteilichkeit des Stellvertreters
und das Schauspiel päpstlicher Friedensrufe;
Katholische Schlachtfeste in Kroatien oder das Reich Gottes.
Hier erfahren wir u. a. wie der kroatische Faschistenführer
Palevic die Ustascha gründete und im Verein mit der katholischen
Kirche das jugoslawische Königreich nach der Ermordung (durch
die Ustascha) des jugoslawischen Königs zerstörte,
um mittels Einmarsches der Hitler-Wehrmacht ein unabhängiges
katholisches klero-faschistisches Kroatien (einschließlich
Bosnien-Herzegowina) herzustellen.
-
- 299 serbisch-orthodoxe Kirchen wurden zu
katholischen Gotteshäusern umgewandelt, andere wurden zu
Schlachthäusern oder öffentlichen Toiletten, zu Ställen,
den ganzen Besitz der orthodoxen Kirche kassierte die katholische.
6 orthodoxe Bischöfe und 300 Priester wurden unter unvorstellbaren
Grausamkeiten ermordet. Zahlreiche Serben wurden ermordet oder
zur Übertretung in den katholischen Glauben aufgefordert.
Insgesamt 400.000 Serben sollen von der Ustascha hingerichtet,
ermordet worden sein.
-
- Viele katholische Kleriker gehörten
der Ustascha an, darunter der katholische Erzbischof von Sarajewo
Ivan Saric. Franziskanerklöster waren schon vorher Waffenlager
der Ustascha, Franziskaner fungierten als Berater der Regierung,
Pater Augustino Cievola erschien in den Straßen mit
einem Revolver und trieb das Volk zur Liquidierung der Orthodoxen,
(S. 288). Franziskaner betätigten sich als Henker in Konzerntrationslagern.
Das Todeslager von Jasenovac am Ufer der Save, das kroatische
Auschwitz, worin etwa 200.000 Serben und Juden umkamen, hatte
zeitweise Miroslav Filipovic-Maystorivic zum Kommandanten.
(S. 288).
Ein einziges Mal aber hat der Papst zwischen 1941 und 1945
den Namen Kroatien in einer öffentlichen Ansprache genannt:
nicht, als seine getreuen Söhne Hunderttausende
von Menschen ermordeten, als sie Serben erschossen, erstachen,
erschlugen, köpften, ertränkten, erwürgten, vierteilten,
lebendig begruben, lebendig verbrannten und kreuzigten, als sie
ihnen die Augen raubten, die Ohren abschnitten, die Nasen, nein,
als die Kommunisten Jugoslawiens sich 1945 dafür zu rächen
begannen, das sagte Pius XII. bereits am 2. Juni: Leider
mussten wir in mehr als einem Gebiet Tötungen von Priestern
beklagen, Deportationen von Zivilpersonen, Morde an Bürgern
ohne Prozess oder aus privater Rache: und nicht weniger traurig
sind die nachrichten, die uns aus Slowenien und Kroatien erreicht
haben ...´.. (S. 302)
Die Bilder auf diesen Seiten stammen aus diesem Buch.
-
- Die SA Jesu Christi
heißt ein im Fischer Taschenbuch
Verlag erschienenes Bändchen mit dem Untertitel Die
Kirche im Banne Hitler von Ernst Klee.
Im Vorwort schreibt der Autor: 1933 beginnt die Ausschaltung
und Verfolgung der Juden. Würdenträger beider Kirchen
sehen mit Genugtuung zu. 1933 hofieren die Bischöfe Adolf
Hitler. Einige verbieten ihren Priestern ausdrücklich jede
Kritik am NS-Staat.
-
- 1933 bekennt sich die Bekennende Kirche
(BK) zum Nationalsozialismus. Selbst ein so verdienter Mann wie
Martin Niemöller hat seit 1924 nationalsozialistisch gewählt.
Sein Bruder Wilhelm - ebenfalls Pfarrer und nach 1945 Chronist
der BK - ist Parteimitglied seit 1923. Eine Einrichtung der Inneren
Mission betreibt selbst ein Konzentrationslager. Eine andere
Einrichtung der Inneren Mission ordnet Diakone als KZ-Wächter
an. Diakone bilden SA-Stürme, die Heiligstürme
genannt werden. ...
Im Buch werden einzelne Ereignisse dokumentiert, die die Rolle
der evangelischen und der katholischen Kirche an der Machtergreifung
der Nazis und am Nazistaat belegen. Euphorisch wie Jünger
dichten Schwestern und Nonnen Lieder auf Hitler und die Nazis.
Der Berliner Generalsuperintendent Otto Dibelius predigte zur
Eröffnung des Reichstages am 21. März 1933: ... Wenn
es um Leben und Sterben der Nation geht, dann muss die staatliche
Macht kraftvoll und durchgreifend eingesetzt werden, es sei nach
außen und innen.
-
- Wir haben von Dr. Martin Luther gelernt,
dass die Kirche der rechtmäßigen staatlichen Gewalt
nicht in den Arm fallen darf, wenn sie tut, wozu sie berufen
ist. Auch dann nicht, wenn sie hart und rücksichtslos schaltet,
(S. 24). Der römisch-katholische Kardinal Faulhaber schrieb
am 24. März 1933, es gelte nach dem, was er an höchster
Stelle in Rom erfahren habe, mehr Toleranz gegen die neue
Regierung zu üben: Man denke sich einmal das
Wort des Heiligen Vaters aus, der in einem Konsistorium, ohne
den Namen zu nennen, vor aller Welt Als den Staatsmann bezeichnet,
der als erster nach dem Heiligen Vater gegen den Bolschewismus
seine Stimme erhoben hätte. (S. 25)
-
- Am 3. Juli 1933 im Hirtenbrief der deutschen
Bischöfe heißt es: Zu unserer großen Freude
haben die führenden Männer des neuen Staates ausdrücklich
erklärt, dass sie sich selbst und ihr Werk auf den Boden
des Christentums stellen. Dies ist ein öffentliches, feierliches
Bekenntnis, das den herzlichen Dank aller Katholiken verdient.
Nicht mehr soll also der Unglaube und die von ihm entfesselte
Unsittlichkeit das Mark des deutschen Volkes vergiften, nicht
mehr der mörderische Bolschewismus mit seinem satanischen
Gotteshass die deutsche Volksseele bedrohen und verwüsten
(S. 33)
Der preußische Generalsuperintendent Dibelius schreibt
am 26. März, er lese mit Befremden, dass der angelikanische
Bischof von New Yorck, Dr. Mannig, zusammen mit Vertretern des
amerikanischen Judentums gegen die sogenannte Judenverfolgung
zu protestieren gedenke: Wie kommt eine angelikanischer
Bischof in Amerika dazu, sich zum Schützer des Judentums
in Deutschland zu machen? (S. 27) Der Münchner Kardinal
von Faulhaber beschwerte sich beim amerikanischen Kardinal Georg
William Mundelin, die unwahren Berichte über blutige greultaten
in deutschland uns die Angriffe ausländischer Zeitungen
gegen die neue regierung wegen ihres Kampfes gegen den Kommunismus
hätten die Regierung veranlasst, Gegenmaßnahmen zu
ergreifen und vom 1. April ab den Boykott gegen alle jüdischen
Geschäfte mit aller Strenge durchzuführen. (S.
27)
1945 bescheinigen sich dann die Kirchen, Widerstand geleistet
zu haben. So entschuldigt der Erzbischof von Köln Joseph
Frings die Haltung der katholischen Kirche in seiner Denkschrift
Über die Schuld des deutschen Volkes. Er behauptete:
Sobald der eigentliche Geist des Nationalsozialismus ans
Licht trat ... war die katholische Kirche Führerin und der
eigentliche Hort im Kampf gegen diesen Geist. Sie predigte unentwegt
die wesentliche Gleichheit aller Menschen vor Gott ohne Unterschied
der Rassen, die Geltung des Rechts vor der Gewalt, die Verpflichtung
zur Wahrheit, die Pflicht der Liebe auch gegenüber dem Feind.
(S. 161)
Nur wenige Tage nach der katholischen Bischofskonferenz in Fulda
tagte im nordhessischen Treysa eine protestantische Kirchenführerkonferenz.
Der aus dem KZ befreite Martin Niemöller forderte vergeblich,
die eigene Schuld zu bekennen. Die Situation sei nicht in erster
Linie die Schuld des Volkes und der Nazis: Nein, die eigentliche
Schuld liegt auf der Kirche; denn sie allein wusste, dass der
eingeschlagene Weg ins Verderben führte, und sie hat unser
Volk nicht gewarnt ... (S. 163).
-
- Aus dem von Niemöller geforderten Schuldbekenntnis
wurde ein Selbstlob formuliert. Mitten in den Versäumnissen
der Kirche und des Volkes gab Gott Männern und Frauen aus
allen Bekenntnissen, Schichten und Parteien Kraft, aufzustehen
wider Unrecht und Willkür, zu leiden und zu sterben. Wo
die Kirche ihre Verantwortung ernst nahm, rief sie zu den Geboten
Gottes, nannte bei Namen Rechtsbruch und Frevel, die Schuld in
den Konzentrationslagern, die Misshandlung und Ermordung von
Juden und Kranken und suchte der Verführung zu wehren ...
(S. 163).
-
- Mein Kommentar
Wir erfahren, dass Christen bei ihren
Versuchen zu missionieren verfolgt wurden, dass es auch zu Todesopfern
gekommen ist. Wir erfahren wie sich Christen zugunsten ihrer
Mitmenschen aufopfern und selbstlos tätig sind.
Es gibt da aber auch noch eine andere Seite, die Seite der Opfer
der Christen. Vor etwa 500 Jahren bekamen die Frauen eine Seele.
An vielen Verfolgungen, an der Ermordung und Verfolgung von Schwulen
und Lesben sind Christen und oft auch die Kirche entscheidend
beteiligt. Der Papst verbietet Kondome auch als Schutz gegen
AIDS. Noch immer wehren sich die Kirchen, Lebensgemeinschaften
von Lesben und Schwulen zu achten, sondern sie verbreiten, dass
homosexuelle Handlungen Sünde seien. Menschen, die homosexuell
veranlagt seinen, müssten enthaltsam leben,
um nicht sündig zu sein.
Selber christlich erzogen und daher während meiner Kindheit
und Jugend sowie einen Teil meines Erwachsenseins als Christ
empfindend, kann ich die Auffassung nicht teilen, dass das Christentum
als Religion weniger Leid über Menschen gebracht habe als
beispielsweise der Islam. Und heute begegne ich immer wieder
wahren Christen, die bei jedem belegten Vorfall immer
sagen, dass dieser eben von den anderen, den falschen Christen
stammen würde.
Christen haben im Namen ihrer Religion Kriege geführt, auch
Eroberungskriege, sie haben unterdrückt und versklavt, haben
gemordet und betrogen, habe nahezu immer auf der Seite von Unterdrückern
eingegriffen und sowohl Ausbeutung wie soziales Elend gerechtfertigt
beziehungsweise waren selbst am Gewinn beteiligt. Den Missionaren
folgten die Kolonialherren, Missionare waren in Auftrag der Kolonialverwaltungen
Steuereintreiber und Denunzianten.
Im Inneren der christlichen Staaten haben sie als Obrigkeit oder
Teil der Obrigkeit eine Unterwerfungsideologie verbreitet. Das
Aufbegehren gegen Unterdrückung führt nicht nur zur
Bestrafung durch die Obrigkeit, sondern auch zu Gewissenskonflikten
und innerer Zerwürfnis. Schließlich kommt es noch
zur Bestrafung auch nach dem Tode, sofern man dies den Menschen
Glauben machen konnte.
Macht über das Denken und Fühlen der Menschen bekommen
die Christen über den Zugriff auf einen natürlichen
Teil des Menschen, seine Sexualität. Die Kirche hat das
Zusammenleben der Menschen und das freudvolle Ausleben ihrer
Sexualität mit einer Unzahl einschränkender Gebote
und Reglungen belegt.
-
- Da Menschen nun mal über vielfältige
Sexualität verfügen, die von den Christen aber als
Werk des Antichristen definiert wird (bis auf ganz wenige unbedeutende
Ausnahmen), entstehen ständig ausbeutbare Schuldgefühle,
die zu einer emotionalen Abhängigkeit führen. Also
muss man die Christen des Verlustes der Lebensfreude vieler Menschen
beschuldigen. Diese christliche Politik der Körperfeindlichkeit
machte Menschen bereiter, sich auch wirtschaftlich ausbeuten
zu lassen, was sie in den Augen der wirtschaftlichen Eliten nützlich
sein ließ.
-
- Viele Menschen konnten den Konflikt zwischen
ihrer Natur und den verinnerlichten Moraledikten nicht aushalten
und wurden krank, viele brachten sich um und andere, die sich
geistig befreiten und zu leben begannen, wurden staatlich oder
von fanatisierten Christen verfolgt und umgebracht, wurden zu
Lynchopfern. Die Mörder waren meist verhetzte Opfer dieser
Religion selbst, die das Aus-der-Reihe-Tanzen anderer aufgrund
eigener Verzichtleistungen nicht ertragen konnten.
Das alles kann man von den Christen sagen. Man kann aber ebenfalls
sagen, dass es in den Reihen der Christen viele großartige
Menschen gab, Menschen mit sozialem Gewissen, die sich für
andere aufopferten. Sie wurden allerdings, ohne es zu wollen,
oftmals nur dazu missbraucht, den Organisationsapparaten und
vielfältigen Führungen ein romantisches Mäntelchen
umzuhängen. Sozial engagierte Christen konnten in der langen
Geschichte der Christenheit selten in den eigenen Organisationen
nennenswerten Einfluss erlangen.
-
- Der wahre Christ
Ich möchte mir hier ersparen,
zu beurteilen, welche Auslegung alter Schriften die wahre oder
richtige ist, beziehungsweise welche alten Schriften überhaupt
als Grundlage der christlichen Religion gewertet werden können.
In den ältesten Texten, den so genannten Kumran-Rollen,
tauche bei der Beschreibung der kleinen fanatischen Gruppe von
Juden ein Johannes auf, der sich mit seinen Anhängern gegen
den Einfluss des römischen Imperiums wandte, las ich. Der
Name Jesus von Nazareth tauche dort angeblich überhaupt
nicht auf. Erst später unter dem Einfluss Roms, als das
Christentum zur Staatsreligion wurde, taucht immer deutlicher
die Behauptung auf, dass es in dieser Gruppe von Juden einen
Mann namens Jesus gegeben habe, der sich besonders der sozialen
Frage gewidmet und die Gewalt gegen Rom verurteilt habe, der
letztlich dann für seine Überzeugung in den Tod gegangen
sei.
Unabhängig davon, welche Menschen mit welcher Bedeutung
es damals wirklich gegeben haben könnte, gibt es heute viele
Menschen, die gerade an einen solchen Jesus glauben, wie er ihnen
erzählt wurde. Daher ist die Frage, wen oder was es einmal
gab, letztlich rein akademisch und für unsere Fragestellung
völlig unerheblich. Die wahren Christen sind immer die,
die für sich und andere bestimmen können, was die wahren
Christen sind.
Wenn man aber heute mit kritischen Christen spricht,
hört man, dass die Kirche nicht alles richtig
mache und gemacht habe, dass man auch an den gesalbten Jesus
glauben könne, ohne diesen Organisationen anzugehören.
Wir kommen also hier an die Frage, ob es ein solches höheres
Wesen, einen Gott gibt.
Die Inhalte des christlichen Glaubens, die viele Menschen für
wahr halten, haben sie jedoch von diesen Organisationen erfahren,
die selbst alles andere als christlich vorgingen.
Im Theaterstück Das Leben des Galilei von Brecht
sagt ein Mönch, beglückt über die Macht der Kirche:
Wenn es keine Gott gäbe, müsste man ihn erfinden.
Ohne diese Kirchen hätten die Gläubigen nichts von
alledem gehört. Hinter den religiösen Auffassungen
steht also auf jeden Fall eine dieser Organisationen.
Nach allem, was ich über diese Organisation lernen musste,
was ich von Christen auch selbst erfahren habe, halte ich es
für nicht so recht wahrscheinlich, dass ein solches Überwesen
existieren kann, das für eine höhere Gerechtigkeit
sorgt, wenn man sich individuell an es wendet. Und wenn nicht
im Leben, dann eben, wenn man tot sei. Und dass es mich bestraft,
wenn ich der Kirche widerspreche. Ich jedenfalls lebe sei dem
Zeitpunkt unproblematischer und unbelasteter und gedanklich freier,
seit ich der Umklammerung des christlichen Glaubens entfliehen
konnte. Aber, und da hat Tillmann Moser recht, ich ertappe mich
dennoch immer mal wieder als religiös befangen, bemerke
eigene Tabus und anerzogene Barrieren im Denken. Davon werde
ich wohl nie völlig loskommen. (js)
-
- Dein Kommentar zum Artikel: hier
-