70. LUST, März/April/Mai 02
 
Zum § 175 StGB
Die Bundesregierung hat für die Nazizeit den Unrechtscharakter des § 175 StGB anerkannt, allerdings in einer Weise, dass es keine finanzielle Entschädigungsansprüche gibt. Mehr sei nicht möglich gewesen, meint der grüne rechtspolitische Sprecher Volker Beck.
Der § 175 RStGB und dann StGB existiert unter diesem Namen seit 1869 als Strafgesetz des Norddeutschen Bundes, der sich ja in Deutsches Reich umbenannte. Er wurde erst im Zuge der Rechtsangleichung zwischen Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR, wo es ihn nicht mehr gab, 1994 entgültig abgeschafft, also nach 125 Jahren.

Immer wieder berief man sich bei diversen Neufassungen auf die Zeit vorher und rechtfertigte damit die Strafbarkeit männlicher homosexueller Handlungen.

Die Nazis verschärften die Verfolgung männlicher Homosexualität durch eine Gesetzesverschärfung und antihomosexuelle Demagogie in den Medien, was für viele Männer das Konzentrationslager und den Tod bedeutete.

Bei Neugründung der Bundesrepublik wurde die von den Nazis verschärfte Version übernommen, während in der DDR der Paragraf in die Form des Kaiserreiches und der Weimarer Republik zurückgeführt und später gänzlich abgeschafft wurde. In der Bundesrepublik wurden mit dem verschärften Paragraphen mehr Menschen verhaftet und verurteilt als in der Nazizeit. Sie verloren ihre bürgerliche Existenz und das Leben homosexueller Männer war nicht gerade von Lust und Liebe, sondern von polizeilichen Verfolgungen gekennzeichnet, denn bekannt gewordene Homosexuelle wurden in den brüchtigten Rosa Listen als potenzielle Straftäter geführt, denn sie könnte ja Sex haben. Hier wirkte sich die CDU-Familienpolitk aus, denn so wurde die Verfolgung begründet.

Es ist skandalös, dass erst jetzt das besondere Nazi-unrecht gegenüber den homosexuellen Männern anerkannt wurde, wenn auch ich einer knappen Form. Skandalös ist aber auch, dass die schwulenspezifische Verfolgung nach 1945 von der rotgrünen Bundesregierung noch immer nicht als unrechmäßig anerkannt wird.

Dass sich die Schwusos in der SPD und die Lesben und Schwulen bei den Grünen damit zufriedengeben, wirft einen bezeichnenden Blick auf sie. Noch schlimmer ist, dass aus den Reihen der Union (Geis) Argumente zu hören sind, mit denen der § 175 StGB gerechtfertigt wurde und dass es Unionsschwule gibt, die dennoch für Stoiber werben. (js)
 
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