- 69. LUST, Winter 01/02
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- Menschen in der zweiten Lebenshälfte
(man weiß übrigens erst hinterher, wann sie angefangen
hat) sind jedoch in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten
genauso verschieden wie in der ersten Hälfte.
- (Rede anlässlich des Fachtages Alter,
26.10.2001 im Hess. Sozialministerium) von Ulrike Habert
- Um sich im Leben zurecht zu finden, neigt
der Mensch zur Kategorisierung, zum Bilden von Schubladen und
so muss auch eine Schublade für die Alten gefunden werden,
vor allem muss geklärt werden, ab wann man und frau alt
ist. Senior/in ist man und frau wohl offiziell ab 50, was ich
persönlich als sehr früh empfinde. Dann gibt es die
jungen Alten bis 65 und danach die Alten, ab 90 ist frau (Männer
gibt es da kaum noch) dann wohl uralt. Und meistens meint man
mit dieser Schublade auch schon zu wissen, was ältere Menschen
brauchen, was man ihnen anbieten kann und muss.
Menschen in der zweiten Lebenshälfte (man weiß übrigens
erst hinterher, wann sie angefangen hat) sind jedoch in ihren
Bedürfnissen und Fähigkeiten genauso verschieden wie
in der ersten Hälfte. Wenn auch die physischen Fähigkeiten
nachlassen, so können doch Kreativität, Interessen
und Lebenslust bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Das Lebensalter
kann also kein alleiniger Maßstab für Bedürfnisse
sein. Dieses Problem kennen wir schon von der Schublade Lesben.
Auch Lesben können, nur weil sie Lesben sind, nicht notwendigerweise
etwas mit einander anfangen. Das Problem haben die Schwulen genauso.
Ältere Lesben und Schwule müssen sich mit der Behandlung
von älteren Menschen in unserer Gesellschaft im Allgemeinen
auseinandersetzen. Und das Ansehen steigt nicht gerade mit zunehmendem
Alter. Das merken schon die 50jährigen im Beruf, man sieht
es in der Werbung, das Jugendideal ist überall sehr präsent.
Es beginnt sich hier ganz langsam etwas zu ändern, aber
wirklich nur ganz langsam.
Lesben und Schwule haben neben dieser allgemeinen Diskriminierung
das gleiche Problem in ihrer Minderheitengruppe. Hier trifft
es die Schwulen ganz besonders heftig. Sie gehören schon
ab 35/40 zum alten Eisen, bei den Lesben ist es nicht ganz so
schlimm. Die Szene sowohl für Lesben als auch Schwule ist
eben überwiegend für die Jungen gemacht. In Frankfurt
gibt es Gruppen, die sich mit dem Rückzug aus der Szene
nur aus Altersgründen gar nicht zufrieden geben wollen,
darüber gleich mehr.
Die Idee dieser Veranstaltung ist nun herauszufinden, wie wir
Lesben und Schwulen in den fortgeschritteneren Jahren ein Lebensumfeld
bieten können, in dem sie ihre Homosexualität nicht
verstecken müssen, ohne sie deshalb vor sich herzutragen.
D.h. wir möchten ein Umfeld schaffen, in dem wir als Lesben
und Schwule wahrgenommen werden und wo wir aber nicht alle in
einen Topf geworfen werden, d.h. wir wollen auch die ganz verschiedenen
Bedürfnisse berücksichtigen.
Hierzu stelle ich mir zunächst drei Bereiche vor, in denen
wir aktiv werden können.
1. Bestehende lesbische und schwule Strukturen fördern
2. Das Thema Lesben und Schwule in heterosexuellen Strukturen
sichtbar machen
3. Spezielle Projekte für Lesben und Schwule im Bereich
Wohnen und Pflege schaffen
Dabei bin ich sehr gespannt auf Eure Reaktionen und Anmerkungen
nachher in der Diskussion, denn hier gibt es noch viele Ideen
und Anregungen zu sammeln.
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- 1. Bestehende lesbische und schwule Strukturen
fördern
Zunächst einmal können wir die Gruppen, die bereits
existieren, noch besser bekannt machen, Strukturen schaffen,
in denen das bestehende Angebot erweitert werden kann. In Frankfurt
sind dies vor allem zwei Gruppen:
Das ist einmal ladies first die 40+ Gruppe der
Lesben, die sich zweimal monatlich im Libs trifft mit wechselnden
Themen. Dort werden auch gemeinsame Unternehmungen wie Urlaub
geplant. Die Gruppe ist offen, wird zunehmend immer größer,
so dass mit dem Gedanken einer zweiten Gruppe gespielt wird.
Vertreterin aus dieser Gruppe heute hier ist Ruth.
Die Gruppe 40plus Schwules Forum trifft sich ebenfalls zweimal
im Monat im LSKH, auch hier mit wechselnden Themen, gemeinsamen
Unternehmungen. Es werden zudem Veranstaltungen organisiert z.B.
vergangenen Mittwoch eine Lesung von zwei alten schwulen Männern
aus ihrer Biographie. Die beiden Chefs sind heute da: Hans Peter
und Dimitri.
Das Libs plant in Ergänzung zur LesbenGruppe 40+ eine Anlaufstelle
einzurichten, wo Informationen zum Thema ältere Lesben zusammenlaufen,
wo organisatorische Möglichkeiten geboten werden, so dass
sich ältere Lesben in Gruppen zu welchen Themen auch immer
treffen können. Hierfür könnte man dann auch bei
Bedarf Gelder beantragen, dies ist aber nicht das vorrangige
Ziel. Infoveranstaltungen, die außerhalb der Szene stattfinden
können, würden den Lesben u.U. einen Zugang bieten,
die Szene immer noch als etwas fragwürdiges ansehen.
40plus Schwules Forum geht an die Öffentlichkeit und hat
sich kürzlich in der FR vorgestellt. Daneben gibt es ja
bereits Safia als Verein und Sappho als Stiftung, zwei Institutionen,
die sich ganz konkret nur mit dem Thema Lesben im Alter beschäftigen.
Davon werden wir später von Anke Schäfer näheres
hören. Gleiches gilt für schwule bzw. gemischte Projekte.
Zu den bestehenden Strukturen wäre es wichtig von Euch zu
hören, was hier verbessert werden kann und vor allem wie,
welche Bedürfnisse da sind.
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- 2. Das Thema Lesben und Schwule in heterosexuellen
Strukturen sichtbar machen
Um der Idee der besseren Wahrnehmung und damit der geringeren
Diskriminierung von Lesben und Schwulen weiter zu fördern,
haben Hans Peter Hoogen von 40 plus Schwules Forum und ich uns
darum bemüht herauszufinden, welche Strukturen es denn für
ältere Menschen im Allgemeinen gibt. Wir wollen, und dieser
Prozess befindet sich erst in den Anfängen, versuchen, in
diesen
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- heteroorientierten Strukturen, Lesben und
Schwule präsent zu machen. So können wir vielleicht
auf der einen Seite Vorurteile bei den Heten abbauen und gleichzeitig
Lesben und Schwule erreichen, die keinen Zugang zur Szene haben
oder diesen auch nicht suchen.
- Institutionen der Altenarbeit
· Seniorenrathäuser als Anlaufstelle für ältere
Menschen, in Ffm z.B. mit Internet Cafe, Seniorenzeitung. In
dieser Zeitung wird wahrscheinlich über das Referat ein
Bericht dieser Veranstaltung erscheinen. Desweiteren könnte
in der Zeitung auf Veranstaltungen hingewiesen werden, im Internet
Cafe können Flyer ausgelegt werden.
· Seniorenbeirat, der als beratendes Gremium der Stadtverwaltung
agiert und sich für die Belange der älteren Menschen
einsetzt, trifft sich 4 mal jährlich, hierzu haben wir ein
Gespräch nächste Woche mit Frau von Plottnitz von den
Grünen, um konkrete Aktionsmöglichkeiten herauszufinden.
· Institut für Sozialarbeit als Anlaufstelle und
Veranstaltungsort für ältere Menschen, wir werden uns
nächste Woche mit dem Leiter Herrn Berner treffen, der unserem
Thema gegenüber sehr aufgeschlossen scheint. Er hat an der
Podiumsdiskussion im LSKH zum Thema Alter teilgenommen.
· Es gibt sehr viele Seniorentreffpunkte, die meistens
von den kirchlichen Gemeinden organisiert werden, zu den verschiedensten
Themen (Alter über 70).
· Betreutes Wohnen, d.h. Wohnen in Altenwohnanlagen, Einzelwohnungen,
Wohnstiften, städtisch gefördert oder auch nicht, mit
Zusatzleistungen, Sozialarbeiter als Ansprechpartner, Notrufsysteme
etc., organisierte Nachbarschaftshilfen.
· Die Wohnstifte haben kirchliche oder städtische
Träger oder Wohlfahrtsverbände, z.B. gibt es Altenheime
für Anthroposophen, Juden und Muslime. Und es gibt Wohnstifte
nur für Frauen, die auch eher kirchlich orientiert sind.
· Zu den städtischen, kirchlichen, privaten Pflegeheimen
wird sich Walter Paul äußern.
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- Überall wo wir nachgefragt haben, ist
das Thema Lesben und Schwule so gut wie nicht existent. 40plus
Schwules Forum hat z.B. Altenheime in Ffm besucht und nach diesem
Thema gefragt. Die Antwort war, kurzgefasst, wir haben nichts
dagegen aber bislang wurden wir damit nicht konfrontiert und
wir haben es auch von uns aus nicht angesprochen.
Dies kann damit zu tun haben, dass man erst so langsam auf die
Idee kommt, dass auch ältere Menschen noch eine Sexualität
haben. Es hat aber sicher auch damit zu tun, dass in der Generation
der über 70jährigen der Anteil der versteckt lebenden
Lesben und Schwulen ungleich höher ist als bei jüngeren
Jahrgängen und auch dass in diesen Jahrgängen auf der
Seite der Heten die Vorurteile tendenziell größer
sind.
Wir haben vor, mit den LeiterInnen von solchen Institutionen
Gespräche zu führen, um heraus zu finden wie wir das
Thema Lesben und Schwule präsentieren können. Dazu
gehören so einfache Sachen wie Flyer zu Gruppen oder Veranstaltungen
auszulegen, Plakate aufzuhängen, die Mitarbeiter auf die
Existenz von Gruppen und Beratungsangeboten aufmerksam zu machen,
in der Seniorenzeitschrift über Veranstaltungen zu berichten
u.ä. Wir würden ebenfalls anstreben, mit diesen Institutionen
Veranstaltungen zum Thema Lesben und Schwule direkt zu organisieren
oder das Thema in Veranstaltungen als Teilaspekt zu integrieren.
In Frankfurt hoffen wir auf konkrete politische und finanzielle
aber auch auf atmosphärische Unterstützung durch den
Runden Tisch zur Situation von Lesben und Schwulen, der von der
Frankfurter Stadtparlament im September beschlossen wurde und
seine Arbeit bald aufnehmen wird.
Bei den Aktivitäten in den Hetero-Strukturen scheint es
mir ganz wichtig, dass sich Lesben und Schwule zusammentun, hier
muss die Arbeit sicher nicht dupliziert werden, wobei ich spezielle
Frauen/Lesbenthemen immer im Auge behalten werde.
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- 3. Spezielle Projekte für Lesben
und Schwule im Bereich Wohnen und Pflege schaffen
Alternative Wohnformen werden ja immer mehr diskutiert und auch
umgesetzt. Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage: Wollen
sich nur Lesben bzw. nur Schwule zusammentun, oder gemischt also
Lesben und Schwule, oder wollen Lesben lieber mit Heteras zusammenleben?
Sicher kann es hier kein allgemeingültiges Konzept geben,
wahrscheinlich müssen hier erst Erfahrungen gesammelt werden
und es wird immer von den Leuten abhängen, die ein solches
Projekt initiieren und betreiben.
Dies ist nur ein Aspekt neben vielen anderen, der schwierigste
ist sicher die Finanzierung. Über reine Lesbenwohnprojekte
wird uns Anke Schäfer berichten und dabei sicher auch auf
diese Aspekte eingehen.
Das Altenpflegayheim verfolgt die Idee von Lesben und Schwulen
unter einem Dach. Ein großes Problem ist generell die Finanzierung.
Gerade unter den Lesben sind die wohlhabenden Alten dünn
gesät, so dass öffentliche Förderung notwendig
erscheint.
Manchmal könnten die Lösungen aber auch einfacher sein
als man denkt. Wenn es z.B. in Frankfurt einzelne Häuser
gibt, die die Stadt als Altenwohnungen fördert, dann wäre
es doch eigentlich finanziell sehr unaufwendig, wenn ein solches
Haus für Frauen und Lesben oder für Lesben und Schwule
reserviert wird. Hier werden wir im Rahmen des Runden Tisches
in Frankfurt versuchen, neue Ideen umzusetzen.
Ich bin gespannt auf Eure Kommentare und Anregungen, aber zunächst
Walter Paul zur lesbischen und schwulen Altenpolitik in Hessen.
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