68. LUST, Oktober/November 01
Ungleichheit, die ideologische Falle
“Der Islam hat die Unterdrückung der Frau beendet und ihr die Gleichstellung mit dem Manne gebracht”, so lautet einer der Lehrsätze, die man von Muslimen hört und liest. Natürlich seien Männer und Frauen objektiv unterschiedlich, und dieser Tatsache müsse man außerdem Rechnung tragen. Und die Verschleierung sei geboten, um die Männer nicht aufzureizen.
 
Männer und Frauen sind also ungleich, wird behauptet. Und wenn wir uns umsehen, finden wir auch Belege dafür. Frauen tragen meistens Kleider und Männer meistens Hosen, Frauen habe Brüste und Männer einen Penis, in den meisten Fällen zumindest. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Nun? Dass zum Beispiel Männer und Frauen nur unterschiedliche Berufe haben können?

Nun wissen wir ja, dass Männer untereinander eigentlich nicht gleich sind, sondern durchaus sehr ungleich. Da gibt es Männer, die haben einen femininen Habitus und würden gerne im alltäglichen Leben Kleider tragen, hätten sie nicht dadurch Nachteile und würden vielleicht auch noch diskriminiert. Denn die Verkünder der These, dass Männer und Frauen ungleich seien, nutzen diese These auch, um sowohl die Frauen als auch die Männer an ein ganz bestimmtes Leitbild anzupassen, als seien alle Frauen oder Männer untereinander gleich.

Hinter der These der Ungleichheit der Geschlechter steht nämlich die These von der Gleichheit in den Geschlechtern. Und um diese zu erreichen und zu bestätigen, dass die Männer gleich seien beziehungsweise die Frauen, lässt man sie geschlechtsspezifisch nur in ganz bestimmten Lebensbereichen leben, was dann auch ganz spezifische Erfüllungen und Entbehrungen mit sich bringt. Dennoch klappt die Geschlechtertrennung nicht grundlegend, weil es immer welche gibt, bei denen die geschlechtsspezifische Sozialisation so nicht klappt.
 
Das sind dann die ”bedauerlichen Minderheiten”, die man ausgrenzt und bekämpft, die man auch als Gefahr betrachtet, sie könnten das ganze ideologische Gebäude ins Wanken bringen. Ihr Leben soll zumindest so sein, dass es anderen nicht als attraktiv erscheint. Man stigmatisiert sie als Menschen zweiter Klasse, um darzustellen, dass sie unnormal und krankhaft seien. Unnormal sind sie wohl, wenn die Normen Anderes vorschreiben, denn die Normen sind ja vorgegeben.

Gehen wir auf das Beispiel im Islam ein: Es gibt Männer, die überhaupt gar kein Interesse daran haben, eine unverschleierte Frau zum Beispiel begehrlich anzusehen. Aber wenn Männer begehrlich nach Frauen schauen, was wäre denn das Schlimme daran? Und es soll doch auch Frauen geben, die es angenehm empfinden, begehrlich angesehen zu werden und die ihrerseits Männer begehrlich anschauen. Dann gibt es auch Männer, die es sehr schön finden, wenn andere Männer sie begehrlich ansehen. Übrigens, wenn Männer so konditioniert sind, die armen, dass sie dauernd Frauen anstarren müssen, dann müssen sie auch begreifen, dass das nicht zum Problem der Frauen gemacht werden darf, sondern ihr Problem ist, mit dem sie umzugehen lernen müssen. Auf jeden Fall ist es skandalös, wenn sich z.B. Frauen deshalb verschleiern müssen, damit sie nicht ständig belästigt werden.

Auf jeden Fall gilt es festzustellen, dass das Definieren oder Feststellen einer Ungleichheit zu einem stärkeren Gleichheitszwang innerhalb der ach so ungleichen Gruppen führt.
 
Gleichheit und Ungleichheit
Und Ungleichheiten im Wollen und Dürfen, in den Rechten und Verhaltensweisen kann man ja überall feststellen. Man kann überall wieder neue Gruppen konstruieren, die noch weniger Gleiches haben als das Aussehen und die Funktion der Geschlechtsorgane. Nehmen wir die angeborene Haut-, Augen, Haarfarbe. Man könnte da ganze Weltbilder konstruieren und sich Mühe geben, dass die Menschen diesem Weltbild ähnlich werden. Aber was soll der Sinn eines solchen Vorgehens sein? Eine Zeitlang in der Geschichte der Menschen wurde behauptet, das weiße Menschen eher kopfgesteuert seien, dunkelhäutige eher körperlich. Dies war dann die intellektuelle Rechtfertigung für die Versklavung dunkelhäutiger Menschen.

Es gibt Menschen mit abstehenden Ohren. Kann man da nicht daraus konstruieren, dass z. B. nur die in der Lage sind, ein politisches Amt zu ergreifen? Oder nur sie können zum Beispiel Filmvorführer werden? Aus der Tatsache heraus, dass kein Mensch einem anderen Menschen gleicht aber doch sehr große Ähnlichkeiten vorkommen, kann man mit den unterschiedlichsten Begründungen ständig neue Gruppen bilden, eine Ideologie darum konstruieren und dann dafür sorgen, dass sich möglichst viele sich an diese Ideologie halten, um diese ach so wichtigen Unterschiede für irgendeine Sache zu nutzen.
 
Und dann kann man deutlich erkennen, dass Menschen mit abstehenden Ohren zu nichts anderem zu gebrauchen sind als Filmvorführer oder Politiker. Warum gibt es denn auch so viele von ihnen, die Filmvorführer sind? Und Menschen, die anliegende Ohren haben und auch Politiker oder Filmvorführer werden wollen, sind irgendwie pervers, man muss sie psychologisch behandeln, bis sie einsehen, dass sie falsch gepolt waren. Ähnlich hat man natürlich mit den Menschen mit abstehenden Ohren zu verfahren, die wider erwarten zum Beispiel Taxifahrer werden wollen. Da sei doch völlig unnormal, kann man behaupten.

Es ist eine absolute Willkür, dass zum Beispiel auf Grund der Form und Funktion der Geschlechtsorgane ein Teil der Menschen dazu gezwungen wird, immer mit einer Gardine vor dem Gesicht rumzulaufen, und der andere Teil muss immer Männern gegenüber ein grimmiges Gesicht machen, seine Muskeln trainieren und bereit sein, auf andere Menschen einzuschlagen.
 
Hellhäutige und Dunkelhäutige ...
sind gleich, sagen Muslime und verkünden, dass sie gegen den Rassismus seien. Denn, wie der Prophet sag, alle Muslime sind vor Gott gleich, ganz gleich welcher Hautfarbe sie sind. Und in der erfreulichen Aussage der Gleichheit steckt schon wieder die neue Ungleichheit, nämlich die zwischen den Muslimen und den anderen. Doch halt, da macht der Islam zwischen den anderen noch Unterschiede.
 
Zumindest ist dies in seinen Ursprüngen so. Nämlich die Juden und die Christen sind nicht ganz so schlecht wie die völlig Ungläubigen. Es seien dies verwandte Religionen, denn alle glauben ja an den gleichen Gott. Das sehen zum Beispiel die Christen dann doch anders. Die kennen ja auch ihre Unterschiede.
 
Aber die Unterschiede zwischen Religionen und Weltanschauungen, sind die nicht etwas völlig anderes als die zum Beispiel zwischen Rassen oder den Geschlechtern? Nun, das können wir Mitteleuropäer heutzutage sagen, in unseren weltlichen (laizistischen) Staaten. Menschen die in religiösen Staaten leben, halten die Religion für den wesentlichen Unterschied zwischen den Menschen und nicht z.B. Hautfarbe.

Also schauen wir nicht nur auf andere Völker und Religionen, sondern auf uns selbst, denn auch bei uns gibt es genug zu sehen, was dies alles betrifft. Immerhin kann man zwar nicht die Hautfarbe ändern, wohl aber die Religion, sagte mir ein Diskussionspartner in einer Kneipe. OK, antwortete ich, aber zum Beispiel ist man nach der jüdischen Religion kein richtiger Jude, wenn man nicht auch noch zum Volk Gottes gehört, das wusste ich von einer Diskussion mit einem Menschen jüdischer Religion. Und in vielen Gebieten der Erde ist es Selbstmord, wenn man die Religion ändern will. Dennoch, ich kann (vielleicht) die Religion wechseln und (vielleicht) nicht die Hautfarbe, aber ich kann die Auffassung ändern, was die Hautfarbe und Religion für eine Bedeutung haben.

Es läuft also alles darauf hinaus, uns nicht gegenseitig die kleinen Unterschiede um die Ohren zu schlagen, die wir von der Natur oder der gesellschaftlichen Umwelt mitbekommen haben, sondern an die großen ideologischen bzw. religiösen Unterschiede nicht mehr glauben, die uns zunehmend trennen und die, so meine zumindest ich, menschengemacht sind und vielleicht dann doch irgendeinen Zweck haben könnten, zumindest wohl für die Menschen, die so eifrig von diesen Unterschieden reden.

Wovon die Gentechniker träumen, das haben wir doch schon längst. Da gibt es unterschiedliche gesellschaftliche Aufgaben, an der Form und Funktion der Geschlechtsorgane orientiert. Und dann die Aufgabentrennung Herr und Sklave, an der Hautfarbe orientiert (was doch hoffentlich überwunden ist). Und es gibt die Trennung zwischen gut und böse, an der gelernten Religion orientiert. Was wollen denn die Genforscher mehr?
 
Sie denken wohl, sie könnten typische Sportler, Wissenschaftler, Arbeiter und Soldaten züchten. Offensichtlich lassen sich zunehmend die Dunkelhäutigen, die Frauen und andere die Zuordnungen nicht mehr gefallen und verhalten sich anders, als es ihnen zugedacht ist, weil sie dadurch was zu gewinnen haben. Da muss dann wohl die Gentechnologie aushelfen, nach dieser Logik.

Also beim Unterschiede-Machen geht es darum, sich mit den unterschiedlichsten Begründungen Untertanen zu machen, von denen man Vorteile zu haben wünscht.
 
Schlussfolgerung
Die ganze Geschichte mit den Unterschieden zwischen den Menschen hat da ihren Pferdefuß, wo man aus der einen Tatsache andere Dinge ableitet, die eigentlich gar nichts mit diesen Tatsachen zu tun haben. Dass es unterschiedliche Geschlechtsorgane gibt, ist ja eine erkennbare Tatsache.
 
Aber erstens gibt es auch hier Zwischenstufen und zweitens ist daraus nicht abzuleiten, in was für einer Lebensgemeinschaft das entsprechende Individuum leben möchte oder sollte, welche SexualpartnerInnen es bevorzugt und ob es z. B. körperliche Kraft oder die Schärfe des Intellektes herausbildet oder beides oder beides nicht, ob es zwischenmenschliche Wärme sucht und daher in einer wie auch immer gearteten Beziehungsstruktur leben möchte oder eher überwiegend alleine usw.

Die Eigenschaften „männlich“ oder „weiblich“ sind schon Zuordnungen, die nicht auf alle Individuen zutreffen und die daher zum Normdruck für eine Reihe von ihnen werden.

Es ist auch von geographischen oder geschichtlichen Zufällen abhängig, ob einem Individuum von klein auf eingetrichtert wird, es gäbe irgendein Überwesen, dessen höhere und übermenschliche Gerechtigkeit irgendeinen Sinn machen könnte oder Vorteile bzw. Nachteile habe. Es ist von historischen und geographischen Zufällen abhängig, mit wie viel Toleranz man den Individuen begegnet, solchen, die angepasst leben und solchen, die sich nicht an Vorgegebenes halten können oder wollen.

Und es ist von absolut winzigen genetischen Zufällen abhängig, welche Haut-, Haar- und Augenfarbe ein Individuum hat.
Wer nun völlig unwissenschaftlich darauf besteht, dass einem Individuum irgendeine Haltung, irgendein Recht oder ein Pflicht daraus erwachsen sollen, dem/der geht es letztlich um Vorteile über andere, die dadurch Nachteile haben sollen, es geht ihm um eine ideologische Begründung für das Oben und Unten, für Herr(in) und Diener(in), für eine Klassengesellschaft. Und die ihm oder ihr hinterherlaufen, das sind dann die nützlichen IdiotInnen. (js)
 
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