- 68. LUST, Oktober/November 01
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- Achtung Kriegsgefahr!
Zu den Vorgängen am 11. September
in New Yorck und Washington.
- In einer der Sendungen der Tag
in HR1 behauptete einer der Historiker am Beispiel des Krieges
zwischen den Staaten, die vorher noch die jugoslawischen Republiken
waren, dass wir es mit einer neuen Art von Kriegen zu tun bekämen:
mit ethnischen Kriegen. Zur Zeit des ersten Weltkrieges seien
es imperialistische Kriege gewesen, Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte,
Kriege um Einflusszonen der damaligen Großmächte und
Abgrenzungen der Einflusszonen gegeneinander. Dann, nach dem
zweiten Weltkrieg, sei es um die beiden Blöcke gegangen,
um Stellvertreterkriege. Und nun eben gehe es um ethnische Kriege.
Das leuchtet auf den ersten Blick doch ein. Aber auf dem 2. Blick
dann doch nicht mehr so ganz. Was war denn dann der 2. Weltkrieg?
Ein Vorgriff auf heute, ein ethnischer Krieg? Vielleicht ein
Nachholen von dem, was im 1. Weltkrieg nicht erreicht wurde,
also ein imperialistischer Krieg? Neuerdings hört man, der
große Nord-Süd-Konflikt stehe vor der Türe und
zeige sich als Krieg der Kulturen. Vom Krieg der Kulturen sprechen
auch die Taliban und die Anhänger von Usama Bin Ladin. Sie
möchten nämlich alle Muslime der Welt in ihr Boot holen.
Furchtbar wäre das, wenn das so würde mit dem Krieg
der Kulturen, ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, denn
das wäre ein Ausrottungskrieg.
Bei einem Krieg der Kulturen wäre es auch innerhalb der
Länder aus mit der kulturellen Vielfalt, die uns Lesben
und Schwulen ermöglicht, unsere Nische zu bekommen. Je stärker
sich dann die Kulturen abgrenzen, um so knapper würde unser
Spielraum. Fest steht, dass solche Kriege, die mit Nationalismus
in Begleitung seines kleinen Bruders, des Patriotismus, geführt
werden, immer in der Gefahr sind, in den Rassismus abzugleiten.
Unter solchen Umständen ist es dann möglich, Kinder
umzubringen, obwohl dies keine Soldaten sind (zumindest meistens),
denn aus ihnen werden ja auch die Vertreter des verhassten Volkes,
der verhassten Rasse, der verhassten Kultur.
Oder die Kriege werden religiös begründet und sind
immer in Gefahr, in den religiösen Fundamentalismus abzugleiten.
Hier wäre es dann möglich, Bomben in Moscheen oder
Kirchen oder Synagogen hochgehen zu lassen, da sich dort die
Vertreter des falschen, des teuflischen oder ähnlichen Glaubens
treffen. Oder Bomber in Bevölkerungen hochgehen zu lassen,
die ohnenhin nicht dem richtigen (rechten) Glauben angehören.
Es sind dies also keine Kriege mehr von Soldaten gegen Soldaten,
wie das angeblich früher so war, sondern von Soldaten und
Partisanen gegen Menschen und Völker, gegen Bevölkerungen,
sogar von verhetzten Bevölkerungen gegen Bevölkerungen.
Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass uns tatsächlich
solche Kriege drohen könnten?
Ein absolut terroristischer Angriff auf die exhibitionistischen
Symbole amerikanischer wirtschaftlicher und militärischer
Macht hat stattgefunden. Menschen, die zufällig an diesem
Tag mit Flugzeugen unterwegs waren, wurden einfach mit den Selbstmord-Attentätern
in den Tod genommen, ebenso wie die Menschen, die sich gerade
in dem gigantischen Gebäude, dem Welt-Handels-Zentrum, befanden,
und im Pentagon, dem gigantischen Gebäude der amerikanischen
militärischen Macht.
Richtig, dieser Angriff war terroristisch, und es ist zu hoffen,
dass die Hinterleute, die derart menschenverachtend ihren Zielen
nachgehen, dingfest gemacht werden können. Und wer waren
die TäterInnen? Fundamentalistische moslemische Terroristen?
Sleeper, also Menschen, die sich anständig verhalten, die
hier und in anderen westlichen Ländern studieren und auf
einen Befehl zum Einsatz warten, der ihr eigens Leben und das
vieler anderer kosten wird. Mit Menschen, die so drauf sind,
dass sie das können, kann man sicherlich nicht argumentieren.
Das Böse, sagte der amerikanische Präsident,
sei für diesen Anschlag verantwortlich. Nun wissen wirs.
Und alles, was nun dagegen unternommen wird, ist dann wohl das
Gute. Dabei fällt mir auf, dass die USA in den letzten
Jahren Kriege gegen ihre eigenen Produkte führen, die ihnen
aus dem Ruder gelaufen sind. Ob es der Golf-Krieg war, den die
USA gegen den Staat führten, den sie vorher gegen den Iran
aufgebaut hatten.
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- Ob es gegen die Regierung in Panama ging,
die vorher von den USA dort implantiert worden ist. Oder ob es
gegen die Taliban geht, die von den USA gegen Das Reich
des Bösen, wie Präsident Reagen die UdSSR nannte,
kämpfen sollten und wollten. Sie wollten es auch, die Taliban,
da sie mit den USA gegen die mit der UdSSR zusammenarbeitenden
afghanischen Kräften vorgehen wollten. Man benutzte sich
also gegenseitig. Und natürlich Bin Laden und seine Netzwerke,
ebenfalls von den USA aufgebaut. Und immer haben die USA gewonnen,
und immer haben sie mit dem Teufel den Belzebub ausgetrieben,
wie man so schön sagt, und immer kam was anderes Mieseres
dabei raus. Wohin führt das?
Unsere PoliterInnen überschlagen sich nun in Versicherungen,
dass jetzt andere Zeiten auf uns zukommen und dass dies große
Einschränkungen in unserer persönlichen Freiheit zur
Folge haben würde. Die Bundeswehr soll im Inneren eingesetzt
werden können, meint der Innenminister, der von der Bildzeitung
damals Terroristenanwalt genannt wurde, als er als
Anwalt die Bader-Meinhof-Bande (Bild) verteidigte.
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- Und der ehemalige Straßenkämpfer,
jetzt Außenminister, brachte die ehemaligen grünen
Pazifisten in den Bundestag und führt sie zusammen mit dem
sozialdemokratischen Kanzler auch in einen Krieg gegen das
Böse.
Man sagt uns mit Recht, dass der Islam nicht automatisch eine
fundamentalistische oder gar terroristische Religion sei. Es
ist aber nicht zu verkennen, dass die inneren Strukturen des
Islams derzeit in vielen Staaten der Erde von solchen Religionsführern
genutzt werden, um zu versuchen islamistische Regimes zu etablieren,
bei denen die Religionsführer die politische und militärische
Macht innehaben, was Religionskriege nahelegt und eine religiöse
Diktatur etabliert. Religiöse Diktaturen stehen faschistischen
Diktaturen nicht nach.
Man sagt mit Recht, dass dies den Islam nicht repräsentiere
und dass Muslime nicht mit Terroristen und Diktatoren identisch
seien. Das ist wahr, und der Tag der offenen Moscheen am deutschen
Nationalfeiertag, dieser Tag, der uns nahelegt, dass es auch
deutsche Muslime gibt, sollte uns für die Religionsfreiheit
in einem säkularisierten also weltlichen Staat dankbar sein
lassen. Religionsfreiheit gibt uns auch eine andere Freiheit:
Wir habe die Freiheit, uns überhaupt nicht von klerikalen
Kräften jedweder Richtung anleiten und führen zu lassen,
sondern um die individuelle Freiheit besorgt zu sein.
Wie der Islam mit der Frage der Emanzipation der Frau umgeht
und mit der Homosexualität zwischen Männern, kann uns
nicht egal sein. Und wie das Christentum nicht nur in der Vergangenheit
mit diesen Fragen umging und umgeht auch nicht. Wir brauchen
nur nach Nordirland zu schauen, um zu verstehen, dass das Christentum
von den angesprochenen Fragen nicht frei ist. Und christliche
Fundamentalisten wittern nun Chancen.
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- Da gibt es die rechtsgerichtete Christliche
Mitte als politische Partei und die Christen in der
Offensive, die Menschen, die sich in der Lebenskrise Coming-out
befinden, den Weg in eine christliche Heterosexualität weisen
wollen, durch die Verstärkung von traditioneller Männlichkeit
bei Männern und unterwürfiger Weiblichkeit bei Frauen.
Und sie nutzen dabei Strukturen, die von den beiden großen
christlichen Kirchen am Leben gehalten werden. Das hat zwar nichts
mit den terroristischen Anschlägen und dem Krieg der Kulturen,
sondern mit unseren alltäglichen Auseinandersetzungen um
menschliche Emanzipation zu tun. Aber es ist auch nicht ganz
zu trennen von der Frage der religiös begründeten Diktatur
und des religiös begründeten Terrors.
Religionen sind eben nicht einfach Angebote, an die man glauben
kann oder nicht, sondern sie trachten, ihre Sichtweise der Dinge
auch zur politischen Macht werden zu lassen. Die Frage nach der
Trennung zwischen Kirche und Staat ist seit dem Zusammenbruch
des angeblichen Sozialismus wieder neu gestellt worden, wie auch
die Frage nach der individuellen Selbstbestimmung.
Religionen suggerieren, dass es irgendwo eine höhere gerechte
Macht gebe, der man sich anvertrauen könne, wenn man nur
seine eigene Emanzipation zurückstellt und den ReligionsführerInnen
vertraut. Und gerade darin liegt ihre eigentliche Gefahr. (js)
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