67. LUST, August/September 01
 
Unsere Szene
Über die Rolle der Vereine, Lokale, Diskotheken, Saunen, Klappen, Parks, Autobahnraststätten, Buch- und Pornoläden, Chat-Rooms und sonstige Internet-Angebote, über unsere Möglichkeiten dort und über Schwierigkeiten für die Betreiber und die Gäste.

Niemand wird bestreiten, dass unsere Szene, früher scherzhaft ”Subkultur” genannt, für uns und unser Leben lebenswichtig ist. Lebenswichtig in dem Sinne, dass wir hier zusammen ”wir selbst” sein können, in einem gewissen Rahmen. In diese Szene gehen Leute, die sich als Schwule, Lesben, Gays oder wieauchimmer fühlen. Die Motive, dort hinzugehen, sind offensichtlich unterschiedlich, denn sonst würden ja alle in die selben Einrichtungen gehen und sich entsprechend verhalten.

Dort finden Schwule, Lesben, Gays oder wieauchimmer Kontakt oder auch nicht, dort gibt es so etwas wie Gemeinschaftsgefühl. Dort entsteht das Lebensglück, finden sich Paare oder Kreise, trennen sich Paare und Kreise. Dort entstehen Bekanntschaften, die auch in schlechten Zeiten noch tragfähig sind, dort ist Kontinuität. Dort gibt es Boshaftigkeit und Eifersucht, dort gibt es Beispiele von gemeinsamer sozialer Verantwortung und auch von zutiefst asozialem Verhalten. Es ist dies unsere kleine Welt. Keine eigentliche Ergänzung der heterosexuellen, der ”wahren” Welt, wo wir unseren Lebensunterhalt verdienen, sondern durchaus mehr. Keine eigentliche Gegenwelt oder Alternative, sondern doch zu sehr die ”Nische” mit all ihren Stärken und Schwächen.

Die zurückkehrenden UrlauberInnen lassen ihre Bräune bewundern, die doch nur auffällt, wenn man sich vorher schon blass kannte. Man ist betroffenheit, wenn jemand erkrankt und verstorben ist. Boshaftes Niedermachen, wenn ein Mensch eine gute Sache macht, von der ein anderer vermutet, der Mensch habe auch den einen oder anderen Vorteil davon. Vorteile werden geneidet, selbst wenn sie real gar nicht existieren. Das ist unsere Szene: unsere gar nicht so heile Welt, darüber möchte ich hier berichten.
 
Die kleine Kneipe...
ist, davon bin ich fest überzeugt, sowohl in einer großen wie kleinen Stadt unsere wunderbarste und wichtigste Einrichtung. Warum? Nicht deshalb, weil man sich zum Trinken alkoholischer Getränke genötigt fühlt. Nicht deshalb, weil man die Klamotten voller Rauch hat und sich nach einer solchen Kneip-Kur selbst nicht mehr riechen mag. Nicht deshalb, weil man sich dort ungebremster Aggressionen und Boshaftigkeit von solchen dummen Gästen aussetzen muss, die gewohnheitsmäßig ihren erlebten Frust aggressiv gegen Ihresgleichen ausleben, obwohl diese gar nichts damit zu tun haben. Warum denn?
 
Der Wirt kennt dich mit Namen, behandelt dich schon aus eigenem Interesse anständig und respektvoll, er weiß schon, wenn du reinkommst, was du trinken magst und er kennt auch schon deinen anderen Geschmack. ”Der da drüben”, fragst du ihn, ”sucht der jemanden oder trägt der seine Schönheit nur nutzlos zur Schau?” Und der Wirt sagt dir zum Beispiel: ”Der war schon öfter mal hier, immer alleine und ist nie mit jemanden zusammen rausgegangen.” Er wird dir natürlich nicht sagen: ”Den ganzen Abend hält der sich an 2 Glas Bier fest”, denn das hast du ihn ja nicht gefragt und das interessiert dich nicht, vielleicht noch nicht.

Na und dort neben dem Zigarettenautomat, wo man sehen kann, wer wann die Toilette aufsucht, steht immer die gleiche Clique, die sich angeregt unterhält und aus der du einige kennst: ”Hallo, wie geht’s denn so?”, ist wohl der übliche Gruß. Sage einfach: ”Gut”, auch wenn es Dir zum Heulen ist, denn etwas Anderes will man gar nicht hören. Nehme nie an, dass man dir ernsthaft helfen will. Und wenn Du in etwas brisanter Situation jemanden zaghaft in ein Gespräch ziehen willst, dann rechne damit, dass dir jemand (oder alle) boshaft die Tour vermasselt. Eigentlich kannst du dich darauf verlassen. Wenn dir keiner hier die Tour vermasseln will, dann könnte mit dem Objekt Deiner Begierde was nicht stimmen.

Was ist nun das Lobenswerte in diesem Teil unserer Szene? Es ist, weil man hier am allerbesten spürt, dass es eine Szene ist, wo man sich gerade befindet. Es ist etwas Lebendiges.

Hier kann man miteinander reden, hier kann man oder muss man oft auch schweigen. Hier sind meistens altersmäßige Mischungen zu finden, es ist noch nicht alles getrennt und festgelegt. Besonders in kleineren Städten ist die Aufteilung nicht so sehr vollzogen. Denn das Auftrennen der Szene ist nicht immer gut. Klar, wenn es mir nach deftigen Männern ist, dann gehe ich mit dem entsprechenden Outfit in eine Lederkneipe. Da ist die Sexualität nicht weit entfernt und die etwas rustikalen Umgangsformen können manchmal erfrischend sein. Aber immer will man dort nicht sein.

Gut, die halbstaatlichen JugendschützerInnen in den sogenannten Jugendgruppen möchten die Isolation und legen dies sowohl ideologisch als auch räumlich an. In die Kneipe verirren sich auch gelegentlich Jugendliche, solche, die diese Isolation zwischen den Generationen nicht suchen. Und auf die kommt es in der Szene an, denn das ist unser Nachwuchs. Die Kneipe ist also das Verbindende. Und auch deshalb ist sie die wichtigste Anlaufstelle unserer Szene.

Die Wirte der Kneipe habe hier ihre Aufgabe und Erfüllung, und wenn sie mit Lust Wirte sind, bekommen das die Gäste auch mit. Das gibt es, Sympathische Wirte, über die man sich freut, wenn man sie sieht. Sie schaffen gute Laune, lassen sich immer was einfallen, machen aus dem Beruf die Berufung. Sie haben sich mit Vermietern rumzuschlagen, mit den Brauereien, mit Behörden und Lieferanten, mit dem Ordnungsamt und vielleicht boshaften AnwohnerInnen. Manchmal müssen sie auch auf die Gäste einwirken, was diese nicht immer einsehen wollen, wenn es Ärger von Nachbarn gibt. Einfach ist dieser Job nicht.

Kneipen wurden auch schon in Zeiten der Illegalität geduldet, weil man hier die Szene besser beobachten konnte und weil man so, wie damals argumentiert wurde, die Homosexuellen von den ”normalen Menschen” fernhalten und so ”Gefahr” abwehren konnte, für die Staatsmoral und die ungefährdete Heterosexualität versteht sich. Meiner Meinung nach ist die Kneipe die wichtigste Stelle für die Menschen unserer Szene.

Es gibt nicht so viele reine Lesbenkneipen wie Schwulenkneipen, vielleicht deshalb, weil Lesben nicht so intensiv immer auf der Suche sind wie Schwule. Aber gerade das macht es der Lesbenszene schwer, eine solche Form von Familiengefühl zu entwickeln, wie es oben für die Schwulen beschrieben ist. So ist die lesbische Subkultur auch weniger stabil. Es rechnet sich eben nicht, eine solche Kommunikationseinrichtung einzurichten und auch am leben zu erhalten, wenn die betreffenden Frauen weder die Stammkneipe noch das Cruising-Area suchen.
 
Und wenn Lesbenpaare mal ausgehen wollen, finden sie eben meist großes Schwules und bescheidenes Lesbisches vor und gehen dann doch oft auch in die Schwulenszene. So kann eben kaum etwas Eigenständiges entstehen oder erhalten bleiben. Die Öffnung von Teilen der Schwulenszene für Lesben wirkte sich für die Lesbenkneipen weniger gut aus.

Oft halten Lesben und Schwule es für selbstverständlich, dass irgendetwas für sie da ist, wenn sie was brauchen. Aber ihre eigene Solidarität mit der Szene hält sich dann doch in Grenzen.
 
Kneipe mit Darkroom
Ich betrat das Lokal, wurde als bekannter Zeitungsmann der Szene freundlich begrüßt, setzte mich ein wenig an einen Tisch und unterhielt mich mit dem damaligen Partner. Ich sah, dass am Eingang Geld genommen wurde und sah, wie die Gäste kamen und zahlten. Als ich mich umdrehte und in das Lokal sah, war es leer. Wo waren denn die ganzen Leute, die hereingekommen waren?
 
Ich ging zum freundlichen Besitzer an der Kasse und der riet mir, doch mal da hinten die Kellertreppe runterzugehen. Mein damaliger Begleiter wollte auch mit, durfte aber nicht, denn es handelte sich um ein Bären- und Lederlokal. Der Begleiter war und gab sich sehr feminin, wird immer mal mit einer Frau verwechselt. Er stehe auf Bären und Lederleuten, sagte er, was ihm nichts nutzte. Wer auf Bären steht hat selber Bär zu sein. Diese Trennung der Szene in Neigungsgruppen ist absurd, eben weil ein Bärenliebhaber nicht immer selbst ein Bär ist.

Ich stieg die Treppe herunter und fand mich in einem großen Kellerraum wieder, wo eine Bar war und ein Fernseher mit Pornofilmen. Der ganze Raum stand dichtgedrängt voll mit Männern. Von diesem großem Raum gingen verschiedene Kellergänge ab, in die immer mal einer der Gäste verschwand. Und dort, die dunklen Gänge, die mündeten in Darkrooms bzw. waren es selbst. Das Lokal verschwand so schnell, wie es auftauchte, wieder. Warum, kann ich nicht beurteilen.

Ein Dunkelraum (Darkroom), was ist denn das? Das ist ein verdunkeltes Hinterzimmer, in dem anonymer Sex stattfindet. Man tastet nacheinander, findet die richtigen Stellen und dann hat man seinen Spaß miteinander. Hier ist die Sexualität derart anonym, dass man die Partner nicht einmal sieht. Man fühlt nur.
 
Manche Gäste der Darkroomkneipe wollen die Anonymität selbst nutzen, indem sie unerkannt bleiben, während sie vor der Türe lauern, um zu sehen. wer hereingeht, um dann schnell hinterher zu gehen. Das finde ich nicht besonders doll, denn hier geht es ja nicht um Zweisamkeit. Das Erleben dort kann sehr reizvoll sein. Wenn man dort keine riskante Sexualität betreibt, ist nichts dagegen zu sagen, finde ich. Ich glaube, dass die meisten Darkrooms heutzutage abgeschafft sind, eben wegen des Aids-Risikos. Aber einen Darkroom wegen Aids abschaffen, das ist genauso sinnvoll, wie ein Restaurant wegen BSE abzuschaffen.

In Amsterdam, so haben wir erfahren, sei ein Frauen-Darkroom eingerichtet worden. Ob es ihn noch gibt, ist uns nicht bekannt. Wir haben in der Szene immer mal darüber diskutiert. Kaum eine uns bekannte Frau könnte sich solchen anonymen Sex vorstellen. Einige sagten, dass sie das schon mal erleben wollten, sich das in ihrer Stadt aber nicht vorstellen könnten. Eine Frau, die in den Frauen-Darkroom gehen würde, sei in dieser Stadt sicherlich unten durch. Vor der Türe des Dark-Rooms würden alle Frauen der Stadt stehen, um zu sehen, ob jemand reingeht, weshalb dann niemand reingehe.

Sicherlich fällt die interessierte Leserin auf, dass weit mehr von der schwulen statt der lesbischen Subkutur die Rede ist. Schwule suchen Männer, deshalb gibt es dafür die Einrichtungen. Unter Frauen, auch unter lesbischen Frauen ist es noch immer anrüchig, offen Kontakte zu suchen.

Ich selbst bevorzuge aus gelegentlichen ähnlichen Bedürfnissen wie die, die in Darkrooms berfriedigt werden, eher die Sauna, da es in solchen Zusammenhängen praktisch ist, wenn man nur mit einem Handtuch bekleidet ist, die Dusche in der Nähe ist und aus verschiedenen anderen Gründen.
 
Die Sauna
Auch dies ist leider eine reine Männereinrichtung, liebe lesbische Freundinnen. In den heterosexuellem Saunen sind die Frauen eher aus kommerziellen denn aus Gründen der Lust zugegen. In der schwulen Szene geht es eher um das Schaffen von Gelegenheiten.

Um niemanden auf die Füße zu treten: natürlich gehen die Männer in die schwule Sauna zum Zwecke des Dampfbadens, der Gesundheit, des Fitness usw. Die anderen aber, denen geht es ”nur” um Sex, wie man so schön sagt. Und das spielt sich je nach Räumlichkeiten ganz unterschiedlich ab. Die einfachste Möglichkeit, sich geil zwischen dampfenden Männerkörpern zu ergehen, bietet der Dampfraum. Du siehst nicht alles, tastest rum, ertastest verschiedenes Interessantes und die Betreffenden lassen es sich gerne gefallen oder vielleicht nicht, dann macht das auch nichts, denn da gibt es ja noch andere.
 
Und du lässt dir gerne gefallen, dass nach dir überall rum getastet wird oder eben nicht. Manche gehen dann zusammen angeheizt in eine Kabine, wo man eine Türe oder einen Vorhang zumachen kann. Oder es passiert gleich im Dampfraum. Davon würde ich aber aus Gründen des Kreislaufes abraten.

Du kannst auch zwischen den Kabinen spazieren gehen. Hier liegen die Gäste, um zu ruhen, vielleicht an manchen Stellen mit einem Handtuch bedeckt. An den Stellen, auf die es uns ankommt, ist seltsamerweise immer das Handtuch so verrutscht, dass man alles sehen kann, was man sehen will. Bekommst du demzufolge Appetit, gehst du einfach rein und beginnst zu fummeln. Will er schon, aber dich nicht, dann winkt er ab. Das hat man zu akzeptieren. Dann schau halt in einer anderen Kabine nach. Umgekehrt geht es natürlich auch. Du legst Dich möglichst aufreizend in eine Kabine, harrst der Dinge, die da komme. Wenn aber niemand auf Dich Appetit bekommt, ist es sehr frustrierend, da rumzuliegen. Und dann sinkt die Lust und Du kannst auch nicht mehr mit Deinem Schwengel protzen, weil der dann schrumpft. Anders als in den Kneipen und Gruppen hat es hier, so scheint es mir, der Anmachende leichter.

Im Whirl-Pool betasten sich die anwesenden Herren oftmals gegenseitig. Also auch hier eine Kontaktmöglichkeit, die unter Umständen gleich hier zur Unter-Wasser-Entladung führen kann. Aber Vorsicht, unter Wasser kann man leicht wundgerubbelt werden. Das alles ist natürlich eine Frage des Geschmacks, auch natürlich der Hygiene. Die offene Erotik ist vielleicht für manche Besucher ungewohnt. Aber so etwas animiert, man kann sich der Atmosphäre langfristig nicht entziehen.

Nur wer ständig wartet und wartet, ob noch ein Schönerer kommt, und alle Anerbietungen, die offenen und versteckten, abwehrt, weil der da auch wieder nicht so aussieht wie ein griechischer Gott, wird am Ende dann unbefriedigt nach Hause gehen. Denn das hätte etwas mit der Suche nach dem geeignetsten Lebenspartner zu tun, den man als Beute in sein Haus fuhrt. Ein solches Verhalten verträgt sich nicht so gut mit dieser promisken Szene. Deshalb werden die Beziehungssucher in der Sauna auch selten zufriedengestellt.

Hier sucht man besser die geneigtesten Partner. Hier kann man und sollte man sich ruhig aufeinender einlassen, auch wenn der andere nicht 100%ig ins Beuteschema passt. Man wird sich dann wundern, was man mit anderen Leuten so alles erleben kann. Es geht ja nicht um eine monogame Beziehung fürs Leben. Von all solchen Rücksichten befreit kann man in einer solchen Atmosphäre das Gefühl befreiter Sexualität erleben. Mit einer Einschränkung, der Aids-Vorbeugung, die gerade hier besonders wichtig ist. Aber auch dazu findet man hier alle Voraussetzungen.

Was hier passiert, hat nichts mit der großen Liebe, mit zwischenmenschlicher Bindung, mit dem zu tun, was mithilfe der gesellschaftlichen Kultiviertheit der Sexualität an Barrieren zwischen den Menschen errichtet wurde, sondern mit schierer Lust. Man kann sich hinterher genüsslich und befriedigt rekeln und dann insgesamt besser fühlen als man sich vorher fühlte. Da es jeden um die eigene Lust ging, findet man es oft, dass der Sexpartner, nachdem es ihm kam, einfach verschwindet, ohne darum bemüht zu sein, ob es uns auch kommt. Das ist aber nicht schlimm, denn meistens sind noch andere attraktive Typen da, mir denen man dann selbst ebenso verfahren könnte, wenn man dies denn will.

Hier sind (heterosexuell) verheiratete Männer, Männer, in Partnerschaft lebend und auf dem sogenannten Seitensprung, Männer ohne Bindung auf der Suche nach sexuellen Genüssen, die brisanter und lustvoller sein können als Beziehungssex. Hier sind natürlich auch Beziehunngssuchende, die in dieser Frage schwerlich befriedigt werden. Man sollte nicht eine Sache tun, um eine andere Sache zu erreichen, und dann entteuscht sein, wenn die andere Sache sich nicht mit einstellt. Jeder, der mit Dir hier was anfängt, macht es erst einmal aus keinem anderen Grund als aus eigener Lust. Das ist doch schon mal was.

Die Saunen sind recht unterschiedlich in Größe, Ausstattung, Service usw. Die Anbändelungsmöglichkeiten sind mittelbar davon abhängig. Man muss sich halt erst einmal ein wenig orientieren, um für sich die besten Möglichkeiten herauszufinden. Nicht immer garantiert die protzigste Sauna auch die besten Kontakte. Was die Serviceleistungen angeht, so kann man in vielen Saunen auch von einem Masseur behandelt werden, natürlich gegen Aufpreis. In Barcelona habe ich erlebt, dass dort auch Leute arbeiten, die Sex gegen Geld anbieten. Das ist aber in der Regel unüblich, denn die dort Anwesenden wollen ja ohnehin alle Sex.

Eine Sauna ist von der Installation bis zum Betrieb ein kostspieliger Bestandteil unserer Szene. Wer so etwas einrichten lässt, muss deshalb auch verhältnismäßig viel einnehmen und demzufolge auch viel bieten. Da werden Events veranstaltet, Pornofilme werden in den Ruheräumen gezeigt usw. Ob all das nun wirklich hilfreich ist, Gäste an diese Einrichtung zu binden, ist bisweilen fraglich. Letztlich geht es den Gästen ja um das Eine, und genau das muss klappen können. Dann kommen auch die Gäste. Ob die abgespielten Pornofilme hilfreich für Kontakte sind oder das Gegenteil bewirken ist da nicht ausgemacht. Zusätzlich ein gutes Restaurant, eine nette Bar usw. in der Sauna können schon sehr angenehm sein.

Und da kommen wir an die Probleme der Betreiber. In manchen Städten darf eine Sauna keine Restauration haben, nur ohne ist sie eine Sporteinrichtung. Wenn sich dort Menschen sexuell begegnen, so hörten wir in einer Stadt, werde eine Sauna als Bordellähnlicher Betrieb eingestuft. Dass es da aber einen gravierenden Unterschied zum Bordell gibt, müsste den Behörden eigentlich klar sein. Im Bordell gibt es Sex gegen Geld. Die Gefühle der Berufstätigen (der Prostituierten) spielen keine Rolle, wie das bei vielen Berufen der Fall ist, eigentlich generell im Berufsleben. In der Sauna geht es in sexuellen Fragen um Sex für Sex und Lust für Lust. Aus der Sicht des Saunabetreibers richtet er eine Fitnesseinrichtung ein. Was die Gäste dort machen, ist ihre Privatsache.

Unter dem Vorwand, dort würde Minderjährige missbraucht, gab es jüngst Razzien in verschiedenen Sauna-Betrieben einer Sauna-Kette, was natürlich sehr geschäftsschädigend ist. Bei solchen Razzien werden die Namen und Adressen der Gäste festgehalten, und das irritiert manche Menschen mit ängstlichem Charakter. Schließlich sind z. B. hier auch verheiratete Männer anwesend.

Als die Aids-Katastrophe über uns hereinbrach, nachdem Aids in unsere Szene eingeschleppt worden war und sich hier schnell verbreitete, wurden vom damaligen Münchner Kreisverwaltungsreferenten Gauweiler Saunen geschlossen, weil dort Pariser zum Gebrauch rumlagen, was angeblich eine Aufforderung zur Sexualität sei. Eine Sauna zu betreiben, hat also seine Risiken. Dennoch sind die Gay-Saunen wichtige und nützliche Einrichtungen, die eben auch bei der Aids-Vorbeugung hilfreich sein können.
Nach Lage der Dinge kann ich mir eine Lesbensauna ähnlichen Stils kaum vorstellen. Aber vielleicht gibt es sie?
 
Parks, Autobahnraststätten und Klappen
Abe auch hier im Park geht es nicht in erster Linie um Sex, man führt einen Hund aus oder geht spazieren, und dann trifft man zufällig eben die anderen netten Männer. Und die Klappen, da geht man einfach wegen eines völlig anferen menschlichen Bedürfnisses hin, zufällig bekommt man dort eine Erektion, die ein Nachbar durch die in die Wände gebohrten Löcher sieht, der zufällig auch gerade eine deutlich sichtbare Erektion hat. Bleiben wir also erst mal bei den Parks.

Diese sind unterschiedlich strukturiert, was mit dem Pflanzenbewuchs, der Beleuchtung und den Gewohnheiten der Parkbesucher zu tun hat. Da gibt es Parks oder Parkregionen, wo Kontakte gesuchte werden. Oft arbeiten hier auch Stricher. Dann gibt es Regionen, wo direkt einerseits sexuell imponiert wird, wo es die anwesenden Männer auch direkt miteinander treiben. Erkennbar sind diese Regionen dann am nächsten Morgen an Papiertaschentüchern, die massenhaft rumliegen, seit einigen Jahren auch Parisern. Dann gibt es Regionen, wo flaniert wird.
 
Die Atmosphäre hat etwas mit einer gespannten Abenteuerlichkeit zu tun, die sich zur erotischen Situation addiert. Und ein Abenteuer ist ein Parkbesuch auch tatsächlich, weil man ja nie weiß, mit wem man es zu tun hat, ebenso wie in einer Klappe. Und hier wie in einer Klappe besteht die Gefahr, dass angeblich Unbetteiligte sich gestört fühlen und gewalttätig gegen die Sexsuchenden vorgehen.

Um die wilden unkultivierten Sex-Treffpunkte der Schwulen siedelt sich ein halbschwule Kriminellenszene an. Stricher der Schwulenszene sind teilweise selbst schwul und deshalb wird ihre Lage oft vekannt. Stricher, die nicht schwul sind, oftmals sogar homophob sind (Panik vor Homosexuellem haben), entwickeln oftmals auch Hass gegenüber homosexuellen Menschen, weshalb sie ihre Freier nur ausnehmen wollen. Es ist dies ein Geschäft, bei denen schwule Männer Opfer sind.
 
Was erhalten sie und was geben sie die schwulen Männer bei diesem Geschäft? Nun diese ”Stricher” geben nur vor, etwas geben zu wollen. Sie wollen nur erhalten. Was? Geld, Macht über Schwule usw. Schwule sind ja für sie ”Untermenschen”, denen man Schaden zufügen könnte und sollte.

Oft wird gesagt: Sollen sich schwule Männer doch nicht in Gefahr begeben und dort hingehen. Allein in dieser Aussage werden die Opfer zu Schuldigen gemacht. Opfer sind die zusammengeschlagenen und ausgeraubten oder auch ermordeten Schwulen. Sie sind nicht dadurch Täter, weil sie sich an solchen Plätzen begegnen. Wer damit nichts zu tun haben will, selbst wenn er z.B. die Toiliette nur zum Scheißen aufsucht und mitbekommt, dass andere sich um andere Notdurft kümmern, der hat ja die Möglichkeit, die anderen zu ignorieren und nach Beendigung seiner Sitzung die Toilette zu verlassen.
 
Und die entsprechenden Stellen im Park muss er ja nicht unbedingt nachts zu bestimmten Zeiten aufsuchen. Die Schläger und andren Kriminellen sind da, weil dort Schwule sind. Wäre hier kein Treff, würde sich auch nicht z.B. nachts im Gebüsch eines Parks rumsuchen, sich dort halb bekleidet hinstellen, eindeutige Gebärden machen oder ihre Erektion zeigen, um dann, wenn jemand auf sie Appetit bekommt, ihm zu unterstellen, er habe ihn sexuell angemacht und ihn dann dafür zu verprügeln.

Die Begründung des Schlägers vor der Polizei, falls er übrhaupt angezeigt und erwischt wurde, lautet dann, dass man sich durch das demonstrative homosexuelle Verhalten eben provoziert fühlte, dass man das aus einem allgemeinen Interesse für die Gesellschaft mache, dass die Homosexuellen selbst schuld seien, wenn sie sich öffentlich knutschen oder begrabschen.

Stellen wir uns den umgekehrten Fall vor. Wenn jemand zum Beispiel ein knutschendes heterosexuelles Liebespaar als Begründung für einen gewalttätigen Übergriff vorgeben würde, dann hätte niemand Verständnis dafür. Nein, die Schwulen sind nicht selbst schuld, wenn sie im Park oder an anderen Stellen verprügelt werden.

Hinzu kommt noch der Umstand, dass Männer im Übergang, oftmals Familienväter oder Spät-Coming-outler, die nie in der Szene auftauchen würden, dort ihre einzigen sexuellen Kontakte finden, oftmals ihre ersten, von denen sie lange träumten und sich für unmoralisch hielten. Hier können sie sich entschuldigend einreden, dass es Zufall war, was sie erlebten. Der andere hat sie eben verführt, der Schlimme.

Wenn in der Schwulenszene selbst Verurteilungen ausgesprochen werden, zeigt sich darin nur die zunehmende Doppelmoral der Szene oder dass auch dort viele ihr Coming-out noch längst nicht bewältigt haben.

Die Cruising-Bereiche Autobahnraststätte, Park und Klappe sind aber auch Bereiche, wo die Ehe-Moral-Apostel nicht gefragt werden, wo die geldwerte Subkultur draußen vorbleibt. Dort begegnet sich krass die Sexualität völlig ohne die kultivierten Formen der kostspieliegen Ersatzbefriedigung. Es ist schlicht der wilde ungezähmte sexuelle Teil der Szene.
 
Chat-Rooms
Wer mit seinem Computer ins Internet kann, findet dort auch Kontaktanzeigen und neuerdings chat-rooms. Hier können die TeilnehmerInnen miteinander direkt kommunizieren, indem so etwas wie Standleitungen zwischen ihren Computern eingerichtet werden. Wie das geht? Man bekommt eine Zugangsberechtigung in Form eines Kennwortes zum Gay-Chatroom und gibt dort seinen Chat-Namen ein.
 
Da heißen die Gay-Teilnehmer: Geiler_Boy, Spermasucher, Nacktpo oder ähnlich. Die können je nach technischer Ausstattung ihres Rechners mit schriftlichen Texten miteinander kommunizieren, über ein Mikro miteinander sprechen, über eine Web-cam (Camera) sich oder bestimmte Körperausschnitte gegenseitig anschauen usw. Viele Bisexuelle und Verheiratete nehmen hier teil, Leute, die nie in der Szene auftauchen würden. Und natürlich alte Hasen (die recht jung sein könnten) aus der Szene.

Das Angebot C6 heißt Sex-Chat, T6 heißt Sex-Telefon, W6 heißt Webcam-Sex. Das ist so ungefähr das wichtigste, was man hier wissen muss. Naiv, wie ich an diese Sache gegangen bin, glaubte ich, hier ginge es im wesentlichsten um Meinungs-Austausch. Naja. das war ein Irrtum. Die erste Frage ist meist: Wie alt bist du denn? Was man als Antwort erhält, muss nicht stimmen. Man kann ein Profil erstellen, kann Fotos aus Porno-Magzinen einfügen und sich als etwas darstellen, was man nicht im entferntesten ist aber vielleicht gerne wäre.

Im Chat gibt es viele ”junge Bengels” um die 20, die von ”Männern über 50” umschwärmt und ordentlich rangenommen werden wollen. Allerdings ist es einem Über-50-Jährigen kaum möglich, sich mit einem dieser angeblich jungen leuten zu treffen. Nazis beschimpfen dort ”schwule Säue” usw. Und oft sind es schwule Männer, die derart Aufmerksamkeit erzielen wollen. Das scg#hließt nicht aus, dass sie Nazis sind. Es ist anzuraten, dass man bei Realtreffen sehr sehr vorsichtig ist. Auch aus anderen Gründen, denn man hält Verabredungen nicht ein, es kommt immer was dazwischen, teils, weil man Angst hat, was berechtigt ist, teils, weil man ein ganz anderer oder eine andere ist, als man vorgibt zu sein.

Ein Mann, der dicke Patner sucht, empfand, ich sei ihm zu dünn. Das hat mich nicht mur geärgert. Ein Mann, der angab, er sei schlank, 30 Jahre alt und , entpuppte sich als sehr beleibter 46-Jähriger, der auch noch unangenehm roch und verblüfft war, dass ich kein Interesse hatte, eine exuelle Realbegegnung durchzuführen. Ich wollte ihn nicht verletzen, denn ich bin ja 57 Jahre alt, aber dieser Mann passte nun wirklich nicht in das Raster, was es mir möglich macht, ein sexuelles Erlebnis zu haben.
 
Ich hätte ihm den entteuschenden Ausgang seines Real-Treff-Veruches gerne erspart, aber was soll ich tun, wenn er so völlig anders ist als er angab? Hat er vielleicht an seine erfundne Chat-Persönlichkeit geglaubt? Ein Mann, der ein geiler Jugendlicher zu sein schien, der von einem älteren Mann eingeführt werden wollte, war ein (heterosexueller) Familienvater, wahrscheinlich im späten Coming-out. Hier erfuhr ich die Umstände vor einem Real-Treffen. Ich selbst erscheine im Chat nicht anders als ich bin, habe aber auch über diesen Weg noch kaum einen zufriedenstellenden Real-Treff erlebt, wohl aber sehr viele erotische Talk-Situationen.

Es gibt auch eine Lines für Lesben, in denen tatsächlich Lesben miteinander kommunizieren könnten. Dort sind aber überwiegend Männer unterwegs, die Frauen suchen, teilweise offen und teilweise als Lesbe getarnt. Das führt dazu, dass viele Lesben darauf vberzichten, bei den großen Unternehmen die Lesben-Lines zu nutzen. Andererseits sind die kleinen abgeschlossenen Angebote eben zu wenig Frequentiert, um interessant sein zu können. Da ich selbst keine Lesbe bin, weiß ich nichts weiter darüber zu berichten.
Zur Männerrolle (auch zur schwulen) gehört es offensichtlich, ständig auf der Suche nach befriedigenden Sexkontakten zu sein. Dieses Mangelgefühl, auch von verheirateten Männern, scheint so drängend zu sein, dass sich ein riesiger persönlicher Aufwand dazu lohnt. Man setzt sich der Gefahr aus, gefährlichen und kriminellen Situationen ausgesetzt zu sein, man erlebt und begeht wohl auch zwischenmenschliche Brutalitäten. Freundschaften und Beziehungen führen nur vorübergehend zur scheinbaren Ruhe. Man riskiert vieles, sogar das eigene Leben (z.B. im Zusammenhang mit Aids oder beim Outside-Cruising im Zusammenhang mit Überfällen) und man bekommt offensichtlich nie die Zufriedenheit, die einem zur Ruhe kommen lässt, es sei denn, der eigen Körper verweigert schließlich einmal seine Funktion. Das ist dann letztlich vielleicht überzeugend.
 
Gruppen
Gruppen unserer Szene sind kleine Gemeinschaften von Lesben oder Schwulen oder beiden zusammen, die als Grund ihrer Existenz eine Gemeinsamkeit haben oder verschiedene Gemeinsamkeiten, ein oder mehrere Ziele, ein Wir-Gefühl, was ”die anderen” defrinieren lässt und dadurch auch eine Abgrenzung gegenüber diesen anderen herstellt. Ebenso wie Gruppen eine Identitätsstiftende Idee benötigen, um existieren zu können, eine als sinnnvoll empfundene Idee nach innen, benötigen sie auch eine Abgrenzung gegenüber außen.

Es gibt die sogenannten Gruppenprozesse, die wissenschaftlich er kannt und untersucht sind, und es gibt ein gruppentypisches Verhalten von Gruppenmitgliedern, das ebenfalls bekannt ist. Es gibt in den Gruppen Verhaltensrollen usw. Hier gibt es Tyrannei und Intrigen ebenso wie Solidarität und Familie im Sinne von Gemeinsamkeit. Hier können sich Menschen entfalten und erfüllen. Hier werden aber auch Menschen einem Gruppenreglement unterworfen. Gruppen errichten nämlich eine (ihre) besondere Werteordnung.

GruppenführerInnen können nun nicht als Sinngebung sagen: ”Weil ich so gerne führe und Lesben um mich scharen möchte, deshalb kommt in diese Gruppe”. Oder: ”Weil es mir in einer Gruppensituation besonders gut glückt, besonders erfolgreich anzumachen, möchte ich. dass du in die Gruppe kommst”.

Die Sinngebung der Gruppe muss inhaltlich überzeugend sein. Dennoch sind die anderen persönlichen Gründe in Gruppenleben ebenso vorhanden. Man könnte beobachten, dass die persönlichen Gründe um so wichtiger sind oder werden, je vorgeschobener oder unwichtiger die sinngebenden Gründe für die einzelnen Gruppenmitglieder sind.

Die inhaltliche Erfolglosigkeit von Gruppen in der schwulen Szene hat meiner Meinung nach den Hintergrund, dass die persönlichen Gründe die Sinngebung letztlich immer überlagern.

In der Lesbenszene gibt es politisch motivierte Gruppen, die z.B. auf den Feminismus aufbauen. Sie sind oft auch inhaltlich erfolgreich, und der Zusammenhalt ist über die Sinngebung erreichbar. In der feministischen Sinngebung werden zum Teil Männer und Fauen wie soziale Klassen mit Eigenschaften definiert. Die Geschlechter werden außerdem antagonistisch gegenübergestellt, als ginge es um das biologische Geschlecht und nicht die sozialen und gesellschaftlichen Rollen.

Das erinnert an Marx, der den Antagonismus, den unaufhebbaren Widerspruch, zwischen dem Proletarier und den Bourgeois definierte. Da es beim Arbeiter und Unternehmer in ihrem Interessenskonflikt (der Arbeitgeber möchte möglichst wenig Geld für möglichst viel Arbeit zahlen, der Arbeitnehmer möchte möglichst viel Lohn für möglichst wenig lebenszeit erhalten) um soziale Rollen handelt, die aus einem bestimmten Wirtschaftsaufbau resultieren, ist die Übertragung eines solchen Antagonismus auf die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau letztlich biologistisch, auch wenn sich aus dem biologischen Geschlecht in vielen Gesellschaften unterschiedliche soziale Möglichkeiten ergeben.

In der Gender-Forschung wird infrage gestellt, ob sich aus der Tatsache der biologisch angelgten unterschiedlichen Geschlechtsorgane überhaupt irgendwelche charakterlichen oder sozialen Rollen ableiten ließen oder ob die Unterschiede andere, gesellschaftlich Ursachen haben. In diesen Bereichen siedelt sich also die feministische Sinngebung an.

Es ist klar, dass diese Sinngebung für Lesben in der Lage ist, sie mit persönlichen Interessen derart zu verbinden, dass die Sinngebung dadurch nicht gefährdet wird. Lesbische Cliquen, Gruppen sowie andere Einrichtungen sind daher in der feministischen Szene auch besonders stark vertreten. Deshalb ist auch verständlich, dass transsexuelle Frauen, die vor der Operation einen männlichen Körper hatten und die nun immer noch Frauen sexuell begehren, also nun Lesben sind, als U-Boote der Männer empfunden werden. Diese Identitäten sind grundlegend gegen die lesbisch-feministische Sinngebung gerichtet. Besonders der Vorwurf, die Kritik an den Transen sei ”bilogistisch” erbost regelmüßig viele Lesben.

Eine Sinngebung in der schwulen Szene, die so tragfähig ist, das sie die persönlichen Motive integrieren oder verdrängen kann, könnte nur in erlebter oder erkannter Benachteiligung Nahrung finden. Schwule können nicht platt ”die Frauen” für ihre Benachteiligungen in der Gesellschaft verantwortlich machen, wie Lesben das oftmals mit ”den Männern” können.
 
Wenn, dann werden sie von heterosexuellen Frauen und Männern benachteiligt, gleichzeitig werden sie auch von heterosexuellen Frauen und Männern unterstützt. Die Verfolgung, Ermordung und Diskriminierung durch Nazis kann nicht dazu führen, dass sich Schwule den Antifaschisten zuwenden, denn von diesen wurden sie bisweilen ebenfalls zumindest diskriminiert.
 
Die Menschen, von denen Schwule Unterstützung erhalten, sind nicht immer eindeutig einer Ideologie zuzuordnen. Die Sinngebung ist hier also schwierig und so sind Gruppen für Schwule immer nur begrenzt erfolgreich. Sie lösen sich regelmäßig auf, wenn die Männer verteilt sind. Verbände und Vereine von und für Schwule können jedoch durchaus außerordentlich erfolgreich sein.
 
Vereine und Verbände
Bei Vereinen und Verbänden wird ein formaler Rahmen gebildet mit einer formalen Führung. Solche Organisationen leben noch weiter, wenn niemand mehr hingeht, da die gewählte Führung ja ohne die kritisierende Basis viel leichter arbeitet. Das ist auch eine erfolgreiche Organisationsform für Schwule. Wenn dann noch die Satzung erlaubt, dass der Vorstand nur mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder gewählt werden kann oder gar noch durch Briefwahl, dann kann der Verband oder Verein mit lauter Karteileichen jahrelang arbeiten. Man kann öffentliche Gelder beantragen, ein paar öffentlich geförderte bezahlte Arbeitsplätze einrichten usw. Viele Verbände in der ganzen Gesellschaft und auch die politischen Parteien funktionieren so.

Mit solchen Verbänden ist man auch generell in der Gesellschaft erfolgreich, weil der Vorstand handeln kann, unabhängig vom Zustand des Vereins. Selbst der Bundestag funktioniert so. Während eine Gruppe ständig leben muss, kann ein Verband oder Verein noch Handeln, obwohl die Basis tot ist.

Mit einem Verband kann man z.B. für die Homoehe eintreten, eine solche Kampagne führen, unabhängig vom Wissen in den Sexualwissenschften über die gesellschaftliche Funktion der Ehe. Man schafft eine identitätsstiftende Sinngebung, weil diese Kampagne geignet ist, konservative GegnerInnenschaft zu mobiliisren, was Mitleid und Unterstützung auslösen kann. Man kann sich auch als Gesllschaftstragend darstellen, indem man die Tugenden und die Moral der Ehe vekündet, weil die emanzipatorischen Kritiker der Gesellschaft diese Forderung nicht unterstützen können und diesen Verband dann angreifen müssen.
Buch- und Pornoläden
Unsere Szene hat Buchläden und Pornoläden. Ein Buchaden, der Schwule bedient, ist erfolgreich, wenn er auch Erotik und Vergnügen anbietet. Aufklärende Bücher, wissenschaftlicher Disput ist aus der Mode gekommen. Die Schwulenszene ist die Spaßgesellschaft per se.
 
Gesellschaftspolitische Themen um die Männer- und Frauenrolle ist in der Lesbenszene immer noch populär, wenngleich auch hier die Spaßgesellschaft immer stärker wird. 2/3 der LeserInnen der LUST sind Frauen, was (unserer elitären Meinung nach) nicht gegen die LUST sondern für diese Frauen und die verhältnismäßig wenigen denkenden Männer spricht.

Gemeinschaftsgefühle sind in gewisser Weise über die Buchläden möglich, aber sie stellen sich schwerlich ein. Lesben haben über die schwulen Buchläden hinaus, wo sie eine Menge Literatur finden, die dem speziellen lesbischen Leben gewidmet ist, auch noch die Frauenbuchladen als Einkaufsmöglichkeit, wo sie überwiegend die Frauenthemen finden können. Da die schwulen Buchläden teilweise rein kommerziell handeln, wird dort nur Vielverkauftes angeboten, was die politische und wissenschaftliche Schwulenliteratur und einen Teil der Lesbenliteratur verdrängt.

Für Lesben gibt es nun noch Toys, die meist veknüpft mit Wäsche verkauft werden. Für Schwule gibt es auch Toys, meist veknüpft mit Pornos verkauft.

Es hat in letzter Zeit eine Vermischung stattgefunden. In den schwulen Buchläden ist aus ein großes Porno-Sortiment, es sind dort auch Toys, in den Porno- und Toyläden ist viel speziell schwules Prnographisches. Der gute Verkauf von Ersatz-Sex-Utensilien belegt nur, dass es mit schwulem Realsex nicht zum Besten bestellt ist. Darüber ist an anderer Stelle noch zu arbeiten.
 
Medien, Konatktanzeigen
In unserer Szene finden sich eine Reihe von Medien, im wesentlichen kostenlos verteilte kommerzielle Blätter, denen es gelungen ist, den Schulterschluss mit der kommerziellen Szene herzustellen. Die Verbände haben aus ihrem Eigeninteresse auch den Schulterschluss mit diesen Medien vollzogen. Ihre inhaltliche Wirkungsweise ist indes recht begrenzt, da Lesben und Schwule im wesentlichen an den Veranstaltungshinweisen (Veranstaltungen der Spaßgesellschaft) und den Kontaktanzeigen interessiert sind. Allerdings sind noch Kampagnen, die auf der Ebene der gesamtgesellschaftlichen Prozesse existieren, hier relativ erfolgreich, emanzipatorische Inhalte jedoch nicht. Und genauso sind diese Memdien aufgebaut.

Kontaktanzeigen sind erfolgreich in dem Sinne, dass sie gerne gelsen werden, also als Lesestoff. Sie dienen im wesentlichen der Unterhaltung. Dass durch sie wirklich Kontakte entstehen, dies hat durch das Aufkommen vieler anderer Medien zunehmend an Bedeutung verloren.

Außerdem müssen menschliche Eigenschaften, die für zwischenmenschliche Kontakte aber auch für Beziehungen so wie für befriedigende Sexualität von Bedeutung sind, in Kurzform standartisiert werden. Bei Schwulen scheinen im wesentlichen Alter und Schwanzgröße auszureichen, damit alles gesagt ist. Bei Lesben dominieren Natürlichkeit und Ehrlichkeit. und das vesrspricht ja jede, unabhängig davon, was sie darunter versteht.

Bei Schwulen werden mit älteren Männern ”Notgeilheit” und mit jüngeren Männern Anmut und Lust assoziiert. Dass jeder gleichzeitig für jemanden zu alt ist, je nachdem aus wessen Sicht, macht dies jeden zu einem Notgeilen, was insofern stimmt, dass im Grunde alle auf Sexsuche sind und kaum jemand längerfristig zufriedenstellend fündig wird. Überall wird nach ”wahren Beziehungen” gesucht und (angeblich) bestenfalls ein Sexkontakt gefunden.

Bei Lesben werden von eher maskulinen Lesben eher feminime Lesben gesucht. Dabei wird mit als ”gut” geltenden Begriffen nicht gegeizt. Treue, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit usw. lassen sich in Anpasungsfähigkeit zusammenfassen.
 
Discotheken
Was gibt es über sie zu sagen? Sie sind Treffpunkt jugendlicher Vergnügungssüchtiger. Gemeinsames ”Abtanzen” ist hier die ”Sinngebung”, und da die zwischenmenschliche verbale Kommunikation gesellschaftlich immer schwieriger wird und in der Disko auch aussichtslos, zeigt man sich hier eher besonders modisch, besonders kraftstrotzend, besonders jugendlich, besonders aufreizend, besonders fröhlich und unbeschwert. Das zieht an. Vielen Jugendlichen unserer Szene ist es wichtiger, in einer solchen Szene lebenslustiger Gleichaltriger integriert zu sein, als in unserer Szene.

Da gibt es riesige Disco-Paläste, die sich nur rechnen, wenn am Wochenende Hunderte oder sogar Tausende Jugendlicher anwesend sind. Oftmals haben sie nur ein- bis zweimal in der Woche geöffnet. Ob hier der einzelne noch wahrgenommen werden kann, scheint nicht so wichtig zu sein. Das kann in kleineren Innenstadtdiscotheken unserer Szene noch der Fall sein. Ansonsten ist man überall tolerant und hat nichts gegen Lesben und Schwule, und in den lesbischwulen Einrichtungen auch nichts gegen Heten. Oft kann man nicht erkennen, ob gewisse Großeinrichtungen noch etwas mit unserer Szene zu tun haben.

Konkurrierend zu den Großveranstaltern gibt es Großveranstaltungen unserer Szene, meist in öffentlichen Räumen, die für ”Frauen und Lesben” oder ”Lesben und Schwulen” schon seit Jahren und deshalb erfolgreich durchgeführt werden. Hinter diesen Veranstaltungen stehen Verbände und Organisationen unserer Szene. Sie konkurrieren oftmals mit den Betrieben unserer Szene, die für ihre Veranstaltungen doch ziemlich viel Geld bezahlen müssen.

Wenn man älter wird, und das kommt unweigerlich auf uns zu, ist die Disko weniger ein angenehmer Platz für uns. Das sich Inszenieren ist ja hier eine der Hauptbeschäftigungen. Man muss ankommen, damit man vielleicht erfolg hat. Hat man mal wieder keinen Erfolg, dann ging es ja auch nur ums Abtanzen. Von den inneren Strukturen einer Disko und den Interessenslagen der Besitzer her gesehen, ist es besser, wenn sich die jungen Menschen dort nicht so oft finden jedoch durch die exhibitionistischen Selbstinszenierungen der Disco-BesucherInnen den Eindruck hat, hier könnte man jemanden für weiteres kennenlernen. Ich will damit aber nicht sagen, dass die, die es drauf anlegen, hier keine Jagdbeute machen können. Sie müssen nur auch hier die Strukturen durchschauen.
 
Die Vielfalt der Szene
Was wir also als Szene vorfinden, das das Resultat der Bedürfnisse, die die Protagonisten der Szene bei uns erkennen oder zu erzeugen versuchen und deshalb dann einrichten, wenn es sich lohnt. Tja und genau dort erfüllen wir uns dann mehr oder weniger. Das ist es. (js)
 
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