66. LUST, Juni/Juli 01
Halt! Vorsicht! Noch Nichts unterschreiben!
Über die Riester-Rente
Unter Blüm hieß es noch wie seit dem 2. Weltkrieg: Die Rente ist sicher! Trotzdem wurden unter Kohl (CDU) und besonders der FDP die Weichen in eine Richtung gestellt, die zum Abbau der öffentlich-rechtlichen Versicherung und zur Bereicherung privater Versicherungen führen sollte. Die neue Regierung hat vieles von der Kohl-Seilschaft Verursachtes rückgängig gemacht, aber nicht alles. Nun zeigt sich, dass der ”Staat” den Staatsvertrag nicht mehr einzuhalten gewillt ist, der zwischen den öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungen und dem Staat besteht

Die jungen Schnöselchen, die sich von Älteren nichts sagen lassen wollen, weil die nach ihren sexuellen Normen nichts mehr wert sind, sollten sich vielleicht nun doch mal etwas von einem Älteren sagen lassen. Es geht hier nämlich um viel Geld, und zwar natürlich um das Geld, das kleine Leute zusammenkratzen, zu denen die jungen Schnöselchen aufgrund irgendwelcher billiger Propagandatricks nicht gehören, wie sie meinen.. Sie gehören natürlich zu den Besseren, meinen sie.
 
Das gesetzliche Versicherungswesen
Öffentlich-rechtliche Sozialversicherungen sind sogenannte Selbstverwaltungsorganisationen. Das heißt, niemand kann Gewinne abschöpfen, aber sie dürfen auch keine Verluste machen. Die Versicherten verwalten sich selbst, und bei den sogenannten Sozialwahlen (alle 6 Jahre) wählen wir unsere VetreterInnen, die ihrerseits den Vorstand einsetzen und kontrollieren. Wenn Überschüsse da sind, kassiert die Staatskasse diese, und wenn Verluste da sind, müssen die aus der Staatskasse ausgeglichen werden. Der Staat kann sich dieser Pflicht entziehen, indem er die Gesetze einfach ändert. Und genau da sind wir jetzt.
 
Dass sich die Staaten der industrialisierten Welt solcher Verpflichtungen entziehen, habe ich schon in den 36. LUST und im Internet dargestellt. Für jedes durchschnittliche Jahresgehalt erwirbt ein Arbeitnehmer hier einen Entgeltpunkt. Verdient man mehr, dann erhält man z.B. 1,3 Entgeltpunkte oder 1,8 oder wenn man weniger verdient oder einige Monate nichts dann für dieses Jahr z.B. 0,8 Punkte. Diese Punkte werden dann mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert und heraus kommt die Monatsrente, die man ab dem 65. Geburtstag erhalten würde. Der aktuelle Rentenwert beträgt heute (01.05.01) 49,51 DM. Wenn also jemand sein Leben lang gearbeitet hat, dann erwirbt er z.B. 51,8517 Punkte und erhält eine monatliche Rente von 2.567,18 DM.
 
Den vollen Entgeltpunkt hat er erhalten für sein Gehalt von z.B. 3.500 DM netto heute (das sind ca. 5.500 DM brutto) und auch für sein Gehalt von 1.500 DM netto (ca. 2.500 DM brutto) vor 30 Jahren. Unabhängig von der Höhe seiner realen Einzahlungen erhält er also einen vollen Punkt für ein durchschnittliches Gehalt, der Geldwertverfall wird also ausgeglichen.
 
Private Versicherungen
Im privaten Versicherungsmarkt soll die Rente nun kapitalgedeckt erfolgen. Wer heute als ca. 20-Jähriger damit beginnt und monatlich z.B. 100 DM einzahlt, muss nach 45 Arbeitsjahren feststellen, dass die damaligen eingezahlten Summen, die man trotz Zinsen ansparen konnte, im Verhältnis zu den Löhnen und Preisen unbedeutend sind, eben aufgrund des Geldwertverfalls. Hier wird nichts ausgeglichen, hier verliert man real, da die Zinsen geringer sind als der Geldwertverfall. Die Differenz ist nämlich der Gewinn der Banken und Versicherungen.
 
Die Gewinnorientierte Privatwirtschaft ist nun, seit das Riestergesetz seine Bundesratzustimmung bekam, mit ihren Versicherungen schon in den Startlöchern. Dass Leute in ihrem Alter nicht an Altersarmut leiden wollen, ist ein Anreiz, der sich sehr profitabel versilbern lässt. Unabhängig von diesen Geschäften steht die Frage, ob die Betreffenden tatsächlich von diesen Einlagen in ihrem Alter ein Zeitlang leben können.
 
Es wird viel Unseriöses geben, und die Privatwirtschaft hat eben die Eigenart, dass sich die Aktionäre der Versicherungskonzerne gesundstoßen, ob da aber eine anständige Zusatzrente erworben wird, ist dann noch lange nicht klar.

Deshalb werden die Verschiedenen Produkte (Rentenverträge) der Privatwirtschaft auch amtlich kontrolliert werden. Dazu muss erst ein Apparat aufgebaut werden. Ab Herbst werden dann vermutlich die ersten überprüften Verträge entstehen können. Natürlich will nun jede Versicherung ein großes Stück Kuchen von dem zu erwartenden Gewinn abhaben. Deshalb versuchen sie, uns schon jetzt Verträge aufzuschwatzen. Die steuerliche Förderung aber gibt es nur für die überprüften Produkte. Also: bitte noch nicht unterschreiben! Abwarten!
 
Viele Alte, besonders Behinderte, müssen in Pflegeheime. Es ist eben so, dass ein hoher Prozentsatz von Menschen im Alter körperlich und/oder geistig behindert sind und so noch längere Zeit leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen unserer Szene Pflegefälle werden, ist sehr groß, weil eben sehr viel Menschen im Alter Pflegefälle sind.
 
Da kostet der Pflegeplatz in einem Heim mehr, als die Pflegeversicherung zahlt, und für Kost und Logis geht im Heim mehr als die Rente drauf, rechnen wir zusammen vielleicht mit 6.000 DM. So ist man dann in der Regel ein Sozialhilfeempfänger, trotz einer opulenten Rente von 4.000 DM und bekommt nur ein kleines Taschengeld zugeteilt.
 
Die Zusatzrente
Man könnte sich nun fragen, warum überhaupt eine solche kapitalgedeckte Zusatzrente nötig ist. Die ist nötig, weil die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Rente nicht sehr hoch sein wird, also nicht ausreichen wird, um davon zu leben. Erstens ist gerade heutzutage die Berufsbiographie von vielen Menschen durch Arbeitslosigkeit, Zusatzausbildungen und aus anderen Gründen durchbrochen, so dass entsprechend weniger Punkte gesammelt werden konnten.
 
Dann bekommen höchstens 20% noch ihre volle Altersrente zum 65. Geburtstag. Viele gehen aus gesundheitlichen Gründen schon früher in Rente. Wenn man früher in Rente gehen muss, hat man nicht nur weniger eingezahlt, sondern man bekommt pro Monat 0,3% seiner Rente abgezogen, im Jahr also 3,6%. Wer mit 60 in die Rente geht, bekommt von seiner Rente also 18% abgezogen. Da man dann auch noch die Krankenkasse weiter von seiner Rente zahlen muss (und da gibt es keinen Arbeitgeber, der die Hälfte übernimmt), ist das sehr wenig, was man erhält. Es reicht nicht.
 
Kinder
Kinder kosten Geld. Die Gesellschaft benötigt natürlich ihre eigen Reproduktion. Nun besteht bei uns der Grundkonsens, dass die Frage, ob man sich Kinder zulegen will, eine private Frage der eigenen freien Entscheidung ist. Deshalb haben die Eltern auch alleine für die Kinder zu sorgen. Das stimmt natürlich nicht durchgängig, denn das öffentlich geförderte Schulwesen ist ja ein hoher gesellschaftlicher Kostenfaktor, für den auch die Kinderlosen Steuern zahlen.
 
In den öffentlichen Sozialversicherungen sind die Beiträge höher als in den privaten Versicherungen. In die privaten Versicherungen bezahlt man für sich und erhält je nach Höhe der Zahlung dann Versicherungsleistungen. In die gesetzlichen Versicherungen zahlt man nach der Höhe seines Einkommens für die Solidargemeinschaft ein und erhält nach den Bedürfnissen oder Notwendigkeiten.
 
Familienmitglieder sind mitversichert, also z.B. Frauen und Kinder, und die Kinderlosen und Alleinstehenden bezahlen dies mit, deshalb sind die Versicherungsbeiträge dort höher. Das ist ein gesellschaftlicher Beitrag, den die Alleinstehenden und Kinderlosen entrichten.
Die Solidargemeinschaft ist eben so eingerichtet, dass die zahlen, die gerade arbeiten, dass die erhalten, die nicht arbeiten (können). Wenn Du gesund bist, zahlst du, was du kannst, wenn du krank bist, erhältst du, was du benötigst, zum Beispiel.
 
Und während du arbeitest, zahlst du ein, und die erhalten das Geld, die nun alt sind, als Ausgleich für ihre früheren Einzahlungen. Ich denke es ist gerecht, dass wir Alleinstehenden und Kinderlosen einen Teil der Kosten mittragen, die solche Menschen alleine aufbringen müssten, die sich gerne Kinder zulegen. Schließlich wollen wir ja auch, dass es Menschen gibt, die uns pflegen können, wenn wir alt sind, und die Geld verdienen und in die Rentenversicherung einzahlen, wenn wir alt sind.
 
Aber nun kommt ein neuer Faktor mit ins Spiel, denn der Staat versucht zunehmend, Bevölkerungspolitik zu betreiben und mit einem finanziellen Anreiz einerseits zu verführen, Kinder zu produzieren, und das Geld sollen die aufbringen, die keine Kinder produziert und versorgt haben. Diese sollen also zusätzlich bestraft werden.
 
Dies betrifft natürlich nahezu alle Menschen unserer Szene. Man tut so, als seien wir schuldig, dass wir keine Kinder produziert haben. Das Modell: Mann, Frau, Kinder soll als einziges Modell immer stärker dominieren, andere Modelle des Zusammenlebens werden belastet. Das ist, meiner Meinung nach, nicht in Ordnung. Ohne als Kinderfeind gelten zu wollen, kann man nicht unbegrenzt die Kinderlosen bestrafen.
 
Man muss natürlich die Kosten der Kinder nicht den Frauen oder Familien alleine aufhalsen. Aber man kann die Menschen hier nur gleich belasten und darf nicht die Kinderlosen immer stärker zusätzlich belasten. Auch die Kinderlosen haben ihr Leben lang gearbeitet und in die Versicherungen eingezahlt. Deshalb haben sie den gleichen Anspruch erworben wie die anderen. Hinzu kommt, dass die Kinderlosen und ganz besonders die Alleinstehenden ganz besonders viele Steuern entrichtet haben. Das muss nun aber auch genügen.
 
Wenn Ihr Fragen zu den Versicherungen habt, stellt sie uns, wir werden sie so gut wir können beantworten. (js)
 
Dein Kommentar zum Artikel: hier

 Zum Artikelarchiv

 Zur Artikelhauptseite

 Zur LUST-Hauptseite