- 65. LUST, April/Mai 01
-
- Gotteslästerung
Ist es Gotteslästerung, wenn man
in einem Theaterstück spielt, dass es sich bei Jesus und
seinen Jüngern um homosexuelle Freundschaften handelt? Worin
besteht die Lästerung? Ist denn Homosexualität so schlecht
und sündhaft, dass sie für religiöse Symbolfiguren
völlig undenkbar ist, oder muss eine Gruppe von Männern
etwas Geschlechtsloses sein, um als gut anerkannt zu werden?
Was sogenannte Religionsvergehen sind, Gotteslästerung oder
Blasphemie, scheinen die entsprechenden religiösen Organisationen
gerne selber bestimmen wollen, und der Staat hat dann ihren religiösen
Willen mit Strafgesetzen und Polizeigewalt zu vollziehen. Sie
setzen nicht auf die Kraft ihrer Worte oder Überzeugung,
sondern auf die Gewalt des Staates. Diesen Eindruck kann man
zumindest erhalten, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die politischen
Christen Deutschlands, also die Parteien mit den C,
den Gotteslästerungsparagraphen 166 des Strafgesetzbuches
verändern möchten. Seit 14.11.00 liegt ein entsprechender
Entwurf der Union zur Änderung vor.
Seit der Strafrechtsreform 1969 ist das individuelle religiöse
bzw. weltanschauliche Empfinden kein Schutzgut des Staates mehr.
Als Verunglimpfung religiöser Gefühle gilt in Deutschland
nur das, was zur Störung des öffentlichen Friedens
geeignet sein kann. Und wenn nur eine Minderheit gegen das oben
im Beispiel angegebene Theaterstück Corpus Christi
zu mobilisieren ist, dann ist auch der öffentliche Friede
nicht gestört.
Diesen Zustand möchte die Union nun ändern. Äußerungen
sollen zum Beispiel zukünftig dann strafbar werden, wenn
sie eine durch Form und Inhalt besonders verletzende Äußerung
der Missachtung von religiösen Bekenntnissen darstellen.
Durch diese gewundene Äußerung wollen die ReligionsschützerInnen
eine offene Kollision mit der im Grundgesetz verbrieften Meinungsfreiheit
und Kunstfreiheit vermeiden.
Die Bundesrepublik ist (mit Ausnahme der Frage um die Kirchensteuer
für die beiden Amtskirchen und einiger nebensächlicher
anderer Fragen) ein laizistischer, also ein weltlicher Staat.
Im Grunde bedeutet dies, dass der Staat die Religion des Staatsbürgers
als dessen private Angelegenheit betrachtet. Dass er dies noch
nicht vollständig so sieht, ist ein zweifelhaftes Verdienst
der christlichen Parteien. So gibt es immer noch den Versuch
der Kirchen, zu definieren, was eine Lebensgemeinschaft, was
eine Ehe oder Familie ist. Den Religionsgemeinschaften ist nämlich
nicht gleichgültig, welche Gesetze existieren. Sie trachten
nach Einfluss auf die Gesetzgebung, um sich den Staatsapparat
zum Handwerkszeug zu machen.
-
- Und es gibt politische Strömungen und
so auch Parteien, die ihrerseits glauben, nicht ohne die Kirche
auszukommen. Das sind dann die Sachwalter der Kirchen und Religionsgemeinschaften
in den Parlamenten, der gesetzgebenden Versammlung. Besonders
deutlich konnte man dies an dem Streit um das Kruzifix in den
bayerischen Schulen bemerken. Als das Bundesverfassungsgericht
ganz zu recht urteilte, dass religiöse Bekenntnissymbole
in öffentlichen Gebäuden, und Schulen sind öffentliche
Gebäude, nicht staatlich angeordnet werden können,
ging ein Aufschrei der Entrüstung durch Kirche, CSU und
Bayerische Staatsregierung. Offensichtlich brauchen sie sich
gegenseitig, die CSU, die bayrische Regierung und die katholische
Kirche.
Würde sich die Union mit ihrem Begehren durchsetzen, kämen
eine ganze Reihe von Rechtsstreitigkeiten gerade auf uns zu.
Was kann da nicht alles die religiösen Gefühle irgendwelcher
Leute verletzen. Wenn zum Beispiel Lesben oder Schwule überhaupt
zusammenleben möchten, würden sich doch viele religiöse
Menschen finden, die sich dadurch in ihren Gefühlen verletzt
fühlen. Und da es bei uns natürlich auch christliche
Fundamentalisten, Hindus, Budhisten, Muslime oder gar Islamisten
usw. gibt, könnten alleine schon unbedeckte Haare einer
Frau die religiösen Gefühle von einigen Menschen verletzen.
Im Koran oder in den essentiellen Aussagen ihrer Religionen sind
solche Reglungen oftmals gar nicht zu finden, aber wenn, werden
viele, die nicht in die Zeit passen, einfach zu marginalen Fragen
erklärt, zum Beispiel die christliche Aussage, dass das
Weib in der Gemeinde zu schweigen habe. Andere Aussagen werden,
wenn es politisch in den Kram passt, ganz schnell zu wichtigen
essentiellen Thesen umgewandelt.
-
- Die alten Religionen mit ihrer Angst vor
dem Überwesen überleben ja gerade deshalb, weil die
Interpreten immer wieder zeitgemäße Formen in den
Mittelpunkt rücken. Und so ist die Aussage, dass man da
eben nichts machen könne, es stünde so in der Bibel,
dem Koran oder anderen Quellentexten, doch nur eine zeitgemäße
politische oder wirtschaftliche Feststellung.
Religiöse Gemeinschaften, die sich auf Religionsfreiheit
berufen, haben selbst eigentlich nie die Neigung, anderen Gemeinschaften
Religionsfreiheit zuzubilligen oder gar die Freiheit vor der
religiösen Bevormundung generell. Das ist das entscheidende
Problem. Man könnte ja sagen, es solle doch jeder nach seiner
Fasson selig werden, wenn dies dann wirklich der auch der Fall
sein könnte.
-
- Ich persönlich halte es für das
Recht eines jeden Menschen, in einer Debatte seine Meinung zu
einer Sache auch religiös zu begründen. Und wenn ein
Frau tatsächlich den Wunsch hat, sich die Haare zu bedecken,
geht es niemand anderen etwas an. Aber niemand hat das Recht,
eine Frau zu quälen, weil sie es vorzieht, ohne Kopfbedeckung
rumzulaufen.
Das beste, was uns in dieser Frage passieren kann, ist ein Staat,
der sich aus religiösen Fragen vollkommen raushält,
aber das Recht auf individuelle Selbstbestimmung schützt.
Das kann aber durch eine Wiedereinführung des Gotteslästerungsparagraphen
nicht erreicht werden. Eher im Gegenteil. (js)
-
- Dein Kommentar zum Artikel: hier
-