- 63. LUST, Dezember00/Januar01
- Esoterik und Homosexualität
- PartnerInnen finden, PartnerInnenwahl:
Helfen Horoskope, Auspendeln, die Altersangaben, Karten Legen,
Haarfarbe, Glücksteine legen usw. herauszufinden, welche
PartnerInnen sexuell zusammenpassen und ob eine Beziehung möglich
und glücklich werden könnte?
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- (im Anschluss zu dem Artikel befindet
sich noch ein Beitrag zur Entstehung der Tarot-Karten)
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- Was ist Esoterik?
Esoterisch ist altgriechisch und kommt von esoteros innerer
und bedeutet, dass es nur für einen ausgesuchten Kreis von
Eingeweihten bestimmt ist. Esoterische Literatur verbindet meist
unterschiedliche Elemente aus Astrologie, Okkultismus und Religion.
Okkultismus (von lateinisch ocultus verborgen, geheim)
ist eine Sammelbezeichnung für Lehren und Praktiken, die
auf außersinnlicher Wahrnehmung (Außersinnliche
Wahrnehmungen sind Wahrnehmungen außerhalb der Sinnesorgane)
beruhen bzw. Erscheinungen betreffen, die durch Naturgesetze
nicht erklärbar sind.
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- Was ist Okkultismus?
Zum Okkultismus zählen Wahrnehmungen des Hellsehens, Bewegung
von Gegenständen ohne physische Ursache (Psychokinese),
das Phänomen des Schwebens (Levitation), die Entstehung
neuer körperlicher Gebilde (Materialisation) sowie alle
durch Medien vermittelten parapsychischen Escheinungen. Der Okkultismus
beruht zum einen auf dem Glauben an die Übermacht menschlicher
Seelenkräfte gegenüber den Naturgesetzen und an die
Existenz von Geistern, zum andern nimmt er eine Beseeltheit der
Natur an und rechnet schließlich mit der Möglichkeit
einer Korrespondenz der menschlichen Seele mit der beseelten
Natur.
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- Was ist Seele?
Seele ist das geistige lebensspendende Prinzip des Menschen.
In verschiedenen Religionen gilt der Atem als Träger der
Seele (griechisch pneuma). Daneben gibt es die Vorstellung
einer freien, nur gelegentlich dem Körper innewohnenden
Außenseele (engl. external soul), die dann auch nach dem
Tod des Menschen in andere Lebewesen, sogenannte Seelentiere
(z.B. Schlange, Eidechse, Rabe, Taube) eingehen kann. Es gibt
auch die Vorstellung von der ständigen Einwohnung der Seele
in einem Tier oder einer Pflanze (alter ego). Das Ich- der Ego-Seele
wird als Geist, Wille und Gemüt eines Menschen verstanden
und soll im Kopf oder im Herzen des Menschen ansässig sein.
Diese Vorstellung nähert sich der christlichen Theologie,
die die Seele als von Gott geschaffene geistige und unsterbliche
Wesensform des Menschen ansieht, die seine unverwechselbare Individualität
bestimmt.
Als Träger (Substrat) psychischer Vorgänge und Escheinungen
war die Seele bis zum 19. Jahrhundert Gegenstand der Psychologie
als Teilgebiet der Philosophie. Mit der Entwicklung der Psychologie
zur eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin, die sich
naturwissenschaftlicher Methoden bedient, wurden Fragen nach
der substanziellen Natur der Seele als empirisch nicht entscheidbar
aufgegeben. (Mayers großes Taschenlexikon in 24 Bände;
Mannheim, Wien, Zürich 1992)
Der Begriff Seele in der modernen Psychologie bezeichnet seit
Freud die Triebe, Empfindungen und Gefühle, die dem Menschen
innewohnen, wie den Sexualtrieb usw., das sogenannte Es,
das durch die Gesellschaft, das Über-Ich, in gesellschftlich
gewünschte Bahnen gelenkt wird, sodass dadurch das Ich
entsteht. Durch Sublimation der gesellschaftlich unerwünschten
aber vorhandenen Gefühlsanteile (Projektion auf andere Dinge,
Personen, Werte, Anschauungen usw.), entsteht die Identifikation
mit diesen Identifikationsobjekten.
Die gesellschaftlichen Normen bewirken, dass es Menschen gibt,
deren Abweichungen gegenüber diesen Normen auffällig
werden. Seelische Krankheiten, Sammelbezeichnung für
Störungen bzw. Abweichungen des Verhaltens und Erlebens
von der Norm.
Was ist die Aufgabenstellung der Psychologen, wenn sie solche
Diagnosen erheben? Fragen wir das kluge Lexikon: Seelisches
Gleichgewicht, psychologischer Begriff, der den Zustand einer
relativ stabilen Balance (Ausgeglichenheit) bezeichnet, dessen
Erreichen nach Störungen durch innere oder äußere
Reize ... angestrebt wird. Also, das seelische Gleichgewicht
ist erreicht, wenn der Mensch sich so verhält, dass er in
der Gesellschaft nicht auffällt oder aneckt, und wenn er
dieses Verhalten als sein eigenes Verhalten akzeptieren kann.
Es geht also um das Verinnerlichen gesellschaftlicher Normen,
damit man ohne Schaden zu nehmen und zu verursachen leben kann.
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- Was sind gesellschaftliche Normen?
Zu diskutieren wäre in diesem Zusammenhang, ob die Religion,
die Esoterik und der Okkultismus, oder andere Werteorientierungen
oder alle zusammen in derLage sind, die integrative, also die
anpassende Leistung zu erbringen, die die Gesellschaft verlangt.
Es geht um eine solche integrative Leistung, dass der Mensch
sich durch die Anpassung zufrieden fühlt, unabhängig
davon, wie groß dabei seine individuellen Verzichtsleistungen
sind.
Und wann fühlt man sich zufrieden? Wenn man kein verachteter
Außenseiter ist, wenn man sich mit seinen Bedürfnissen
aufgehoben in der Gesellschaft fühlt, wenn man vielleicht
aufgrund gesellschaftlicher Stärkezeichen eine positive
Beachtung findet. Man muss zugeben, dass bei allen diesen Ansätzen
die Normen und Werte der Gesellschaft nicht infrage gestellt
werden.
Die Normen der Gesellschaft infrage zu stellen, sofern man nicht
in die Isolation geraten möchte, geht nur, wenn Viele oder
zumindest eine größere Gruppe von Menschen zusammen
diese Normen brechen. Der massenhafte Normbruch, der zur Normenwandlung
führt, scheidet aber bei unserer Fragestellung aus.
Der Individuelle Normbruch, mit dem sich Menschen gelegentlich
einen größeren Anteil an Erfüllung innerer unbefriedigter
Triebkräfte gegen die Vorgaben der Normen lösen wollen,
führt zu Sanktionen der Gesellschaft, führt also zu
Konflikten mit der auf Integration bedachten Gesellschaft und
den verinnerlichten gesellschaftlichen Normen, was von der Gesellschaft
so gelöst wird, dass die Konflikte der Gesellschaft, die
durch den Normbruch entstehen, zu individuellen Konflikten der
Norbrecher gemacht werden.
Nehmen wir die homosexuelle Identität, die das gesellschaftliche
Normenbild der liebenden Ergänzung von Mann und Frau infrage
stellt. Diese wurde und wird zum Problem der Menschen mit homosexueller
Identität gemacht, und das, obwohl die Art, wie Homosexuelle
leben, doch nur die Antwort darauf ist, wie Homosexualität
gesellschaftlich behandelt wird, welche Nieschen uns zugewiesen
werden. Unsere Nieschenzuweisung besteht in der Zuweisung der
Orte, an denen wir uns begegnen, in der Zuweise der Rolle, die
Homosexuelle in der Gesellschaft zu spielen haben, in der Zuweiseung
der Wertschätzung, die der Homosexualität und den entstandenen
subkulturellen Sozialformen entgegengebracht wird, in der sie
einigermaßen erträglich gelebt werden können.
Und das führt uns zu der eigentlichen Fragestellung dieses
Referates, ob nämlich Esotherik im weitesten Sinne oder
andere okkulten, gläubigen oder abergläubigen Vorstellungen
oder Handlungen in der Lage sind, unsere Kontaktfähigkeit
also unsrer Kontakt-Attraktivität und unsere Beziehungsfähigkeit,
also der Beziehungs-Attraktivität zu verstärken, und
ob solche Normen- und Wertegeber in der Lage sind, uns zu befähigen,
zu erkennen, wer sexuell oder in Fragen des Zusammenlebens für
uns attraktiv erscheint.
Es ergeben sich also zwei Fragestellungen:
1. Wie werden wir für andere attraktiv?
2. Wie erkennen wir ob ein(e) andere(r) für uns attraktiv
ist?
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- 1. Wie werden wir für andere attraktiv?
Nun, sind wir es denn nicht? Wir sind unsicher, ob wir dem Urteil
genügen, das andere über uns fällen oder fällen
könnten. Wir müssten ihre Werte und Maßstäbe
kennen, um das beurteilen zu können. Im allgemeinen gilt
aber, dass alle Menschen genau das für gesellschaftlich
erstrebenswert halten, was allgemein in der Gesellschaft als
erstrebenswert gilt. Das Erfolgsrezept ist also: wir sind dann
attraktiv, wenn wir zum Beispiel viel Geld haben. Dann, wenn
wir zum Beispiel jung, schlank, modisch sind. Dann, wenn wir
demonstrieren können, dass wir Siegertypen sind und keine
Looser, Weicheier, Warmduscher usw. Denn niemand möchte
von einer Beziehung belastet werden, sondern durch sie eher aufsteigen,
durch sie geadelt werden.
(PS.: Was das kalte Duschen betrifft, so soll es dazu dienen,
sexuelle Gelüste zu verdrängen. Die kalte Dusche wurde
durch Kirche und Moralisten den Jugendlichen empfohlen, bevor
sie verheiratet waren. Es ist erstaunlich, dass das warme Duschen
heutzutagen wieder negativ betrachtet wird.)
So einfach ist das? Nur wer sich anpasst hat Erfolg? Ja, so primitiv
einfach ist das. Aber wir können ja nicht mit mehr Geld
rumwedeln, als wir haben. Das Fitnessstudio macht uns nur begrenzt
körperlich attraktiver, wer viel arbeitet, hat nicht so
viel Zeit, seinen Körper zu trainieren. Und ob wir sexuell
attraktiv sind, hat im konkreten Fall etwas damit zu tun, ob
wir mit unseren Praktiken als Ergänzung zu den sexuellen
Wünschen des/der anderen passen. Wie kriegen wir das raus?
Da meine ich ja: Probieren geht über Studieren.
Vielleicht möchten wir uns aber auch attraktiv dadurch machen,
dass wir auf Anpassung an Normen verzichten und unser Anderssein
zelebrieren. Das hat den Nachteil, dass der Kreis der Leute,
die uns mögen könnten, kleiner wird, möglicherweise
sehr klein, denn die meisten sind so konditioniert, dass sie
ihre Werturteile relativ unkritisch aus der Gesellschaft übernommen
haben. Das darf man ihnen aber nicht sagen, weil sie dann beleidigt
sind. Es gefällt ihnen, wenn wir ihnen trotzdem schmeichelt,
ihre doch recht üblichen Werturteile seien das Ergebnis
ihres individuellen kritischen Denkens.
Ich will das an einem Beispiel erklären. Nehmen wir an,
sehr viele Leute, die sich irgendwo begegnen, seien Christen.
Ich könnte mich davon absetzen, indem ich als Teufelsanbeter
auftrete und so die Normen und Werte der Christen anzweifle.
Aber eine Sache zweifel ich dabei nicht an, nämliche den
Glauben daran, dass es einen Gott und einen Gegenspieler zu ihm
gibt, den Teufel. Ich bin also weiterhin im christlichen Denk-
und Wertemodell gefangen, habe, anstatt es insgesamt infragezustellen,
nur trotzig die Normen, die ich kenne und an die ich weiterhin
glaube, umgedreht, indem ich systematisch gegen sie zu verstoßen
versuche. Die Teufelsanbeterei stellt im übrigen auch nicht
den Gegensatz der Gottesanbeterei dar, denn das Christentum ist
ja hierarchisch, von oben nach unten strukturiert, und die Teufelsanbeterei
nicht etwa von unten nach oben.
Ich könnte mich auch von den Verbrechen der Christen distanzieren,
von den Kreuzzügen, den Zwangstaufen, den Hexenverbrennungen
und dem Unterstützen reaktionärer Regimes mit seinen
Folgen. Ich könnte mich auch vom hierarchischen Kirchenaufbau
und der Vormundschaft der patriarchalischen christlischen Ethik
distanzieren und mich dennoch Christ nennen. Es steht mir nämlich
frei, aus der Vielfalt christlicher und anderer religiöser
Aussagen einfach das auszusuchen, was mir passt.
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- Ich bastle mir also eine eigene Religion
zurecht, zum Beispiel indem ich die Gottesinterpretation eines
gütigen Gottes oder vielleicht auch einer Göttin verwende.
Als Lesbe oder Schwuler ignoriere ich einfach entsprechende lesben-
und schwulenfeindliche Bibelaussagen, wittere hinter anderen
Aussagen Lesbisches und Schwules und möchte, dass gerade
meine Lebensart gesegnet wird. Da frage ich mich aber, wozu ich
überhaupt noch einen übermenschlichen Vormund benötige,
wenn ich selbst die Souveränität verspüre, ihn
selbst zu kreieren.
-
- Auch wenn ich mich von dem oftmals recht
skrupellosen Machtapparat Kirche distanziere, das Christentum
ist dennoch der ideologische Überbau einer Gruppe von Organisationen,
die mit dieser patriachalischen Ideologie weltliche Macht und
gesellschaftlichen Einfluss ausüben. Und die Informationen
über den gütigen Gott, das gerechte Überwesen,
die ich zu haben glaube, haben ihre Quelle dennoch in den Aussagen
dieser hierarchischen Organisationen. Ohne deren Wirken wäre
ich möglicherweise nie auf die Idee gekommen, auf ein wie
auch immer geartetes Überwesen zu vertrauen, das mich für
meine Unterwerfungen vor menschlichen Obrigkeiten belohnen wird,
wenn ich dann tot bin. Obwohl ich mich dann also für viel
besser als die anderen Christen halte, bin ich dennoch auch ein
Anhängsel der Ideologie dieser von mir abgelehnten Organisationen.
In meinem eigenen Wirken schaffe ich um mich herum ideologischen
Platz in den Köpfen meiner Mitmenschen, der von der Organisation
Kirche belegt werden kann.
Da fragt man sich doch, wozu benötigen Menschen eigentlich
den Glauben an irgeneine übermenschliche Obrigkeit? Ist
nicht eine menschliche Ethik, die sich an sozialen und humanistischen
Werten orientiert besser geeignet? Will ich das Übermenschliche
nicht doch nur nutzen, um besser, stärker, schöner
als all die anderen Menschen zu sein? Oder brauche ich den Glauben
an ein Leben nach dem Tod, um mein Leben zu verlängern?
Können Esoterik und andere Wertmodelle mir also helfen,
mich attraktiver zu machen? Ja, sie können es wie auch Philosophien
und Religionen und andere Orientierungshilfen. Sie können
es deshalb, weil sie erfolgreich im Anpassen von mir an die von
der Gesellschaft erwarteten Sympatie-, Stärkezeichen usw.
sind, weil sie in Wirklichkeit nur verschiedene Seiten des gleichen
Gesellschaftsmodells sind und die gleiche anpassende Wirkung
haben. Und wer sich anpasst, hat es eben leichter, weil die möglichen
PartnerInnen ebenfalls angepasst sind.
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- Psychologisches Zwischenspiel
Unsere marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft gewährt
für die erbrachten Leistungen, die auch Verzichtsleistungen
im Bereich unserer Bedürfnisse sind, den Konsum. Teilweise
die Lesben- und ganz besonders die Schwulenszene ist sehr stark
konsumorientiert.
Bevor ich auf den zweite Fragestellung unserer Betrachtungen
zurückkomme, möchte ich noch aus einem Text zitieren,
den Werbepsychologen erarbeitet haben, die menschliche Probleme
sehr richtig analysieren, um genau dort ihre Werbemaßnahmen
ansetzen können. Ihren ideogischen Ansatz, den sie zu erzeugen
versuchen, nennt man Konsumismus. Mit Konsum sollen alle Probleme,
die aus der Reibung zwischen den ursprünglichen Bedürfnissen
des Menschen und den gesellschaftlichen Vorgaben und Normen entstehen,
befriedigt werden.
Seelische Motive und Umwelteinflüsse: Als Seele wird
in der Psychologie die Summe der Gefühle und Empfindungen
bezeichnet, die einem Menschen innewohnen, beziehungsweise die
aus den Trieben und Gefühlen resultierende Wünsche
und Sehnsüchte.
Jeder Mensch hat reale Bedürfnisse, aufgrund derer er gezwungen
ist, sich Eßwaren, Kleider und viele andere Dinge für
seinen persönlichen Bedarf zu beschaffen. Aus einer Vielzahl
psychologischer Untersuchungen wissen wir heute aber auch, dass
diese Art der Bedarfsdeckung allein den Menschen nicht glücklich
macht. Denn er hat daneben auch eine Vielzahl seelischer Strebungen,
die alle nach Befriedigung drängen. Diese seelischen
Strebungen sind aus folgenden Gründen für sein
Verhalten wichtig:
Die direkte Befriedigung der seelischen, gefühlsmäßigen
Bedürfnisse ist dem Einzelnen in den meisten Fällen
verwehrt, weil er in einer Umgebung lebt, die dies zu verhindern
sucht. Sie schreibt ihm nämlich vor, wie weit er sich ausleben
darf resp. seinen persönlichen Wünschen nachgeben darf,
ohne Konflikte heraufzubeschwören.
Aber nicht nur die Umgebung engt den Einzelnen ein. Der Mensch
in unserer Gesellschaft wird von Beginn seines Lebens an dazu
erzogen, seine eigenen Wünsche den Forderung der Gruppe
zu unterordnen, d.h. ein nützliches Glied dieser
Gesellschaft zu werden und nicht als egoistischer Individualist
zu leben. Aus der Erziehungsarbeit der Umgebung resultiert im
heranreifenden Menschen eine seelische Instanz, die ihn quasi
von innen daran hindert, sich frei auszuleben: das Gewissen.
Die hemmenden Einflüsse von Umgebung und Gewissen wirken
sich auf das Verhalten des Einzelnen auf vielen Ebenen aus. Der
Mensch findet sich nämlich in der Folge in einem ständigen
Konflikt zwischen dem, was er wirklich tun möchte
(d.h. zu dem, was ihn seine inneren Wünsche treiben) und
dem, was ihm seine Umgebung und sein Gewissen zu tun erlauben.
Weil es dem Menschen verwehrt ist, seine Grundstrebungen direkt
zu befriedigen, ist er ständig (wenn auch oft ohne es zu
realisieren) auf der Suche nach Möglichkeiten, sich trotzdem
seelisch entlasten zu können.
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- Der Ausweg aus diesem Dilemma: wenn er entweder
den Konflikt mit der Umgebung in Kauf nimmt oder wenn er sich
bescheidet, seine verbotenen Wünsche symbolisch,
d.h. indirekt in sozial erlaubter Form auszuleben. Ansatzpunkte
für solche indirekten Entlastungsmöglichkeiten sucht
und findet der Einzelne in seiner näheren Umgebung.
Die moderne Motivforschung hat in einer Vielzahl von Untersuchungen
festgestellt, daß der Mensch sich mit seiner Umgebung identifiziert.
Er zieht - so zeigen diese psychologischen Analysen - sein Heim,
seine Familie, seinen Arbeitsplatz oder auch sein Auto (oder
andere Dinge, die ihn Nahe gehen, wie seine Religion, sein Vaterland,
seine politische Partei) in seinen persönlichen Erlebnisbereich
ein und reagiert auf Impulse der Umwelt auf diese Identifikationsobjekte
so, wie wenn sie ihm gegolten hätten. Dabei lebt er vieles
aus, was eigentlich gar nichts mit diesen Produkten, Dingen oder
Personen zu tun hat. In der Identifikation schafft sich der Mensch
einen Rahmen für ein verschlüsseltes und indirektes
Ausleben seiner verbotenen Wünsche. Er muß
sich dabei weder bloßstellen noch kompromittieren.
Kompensatorische Auslebungsmöglichkeiten vermitteln aber
immer nur Ersatzbefriedigungen. Diese können wohl kurzfristig
entlasten; Grundspannungsprobleme werden dabei aber nicht beseitigt.
Sie sind eine Art Ventile, um Dampf abzulassen. Der
Mensch bleibt im Grunde seines Herzens aber unzufrieden. Das
ist einer der Gründe dafür, warum der Käufer immer
nach neuen Produkten sucht, obwohl er mit den alten zufrieden
ist. Oder warum ein Mann drei Wochen nach dem Kauf eines neuen
Autos zu überlegen beginnt, was für eine Marke er das
nächste Mal kaufen will. Oder warum jemand, der behauptet,
mit seinen Zigaretten zufrieden zu sein, lediglich aufgrund einer
Werbung eine neue Marke ausprobiert.
Die Werbepsychologie erklärt auch das Bilden der Normen:
Der Mensch wird tagtäglich mit einer unübersehbaren
Vielfalt von Eindrücken konfrontiert. Diese Umwelt wäre
verwirrend, chaotisch, würde er sie nicht gliedern.
Der Mensch erfindet nämlich Systeme, die ihm ermöglichen,
die Umwelt so einzuteilen, daß er sich darin orientieren
kann. Im Großen schafft er reale Wertmodelle, die ihm die
Übersicht ermöglichen. Wenn wir von Wertmodellen
reden so meinen wir damit: Der Mensch spricht Gefühlen,
Handlungen und Objekten mehr oder weniger willkürlich einen
bestimmten Wert zu und erhält so die Möglichkeit, die
Dinge und Geschehnisse um ihn herum in bestimmten Gruppen zu
vereinigen. Wertmodelle werden aber nicht nur zur Lösung
der großen menschlichen Probleme errichtet. Auch für
den kleinen Alltag hat der Mensch seine Wertmodelle.
(Beide Texte aus: Konsumentenpsychologie bei Werbemaßnahmen,
Zürich 1978)
Dies also zum Überbau, über die Sehnsuch nach Werten,
die uns zu unserer Fragestellung zurückführen. Kommen
wir zum Unterbau, zum Leben von Lesben und Schwulen, das in einer
heterosexuell genormten Welt schwierig genug ist, obwohl unser
Leben doch durch diese heterosexuell genormten Welt erst zu dem
Lesbenleben und Schwulenleben wurde, das wir heute vorfinden.
Im täglichen Leben suchen wir Lesben und Schwule ständig
die individuelle Lösung, um uns durchs Leben zu schlagen
und die Nieschen zu finden, in denen wir uns einigermaßen
entfalten können. Wir haben den Konflikt mit der Gesellschaft
in Kauf genommen, als wir unser Coming-out zu bewältigen
hatten, und bekamen es dabei sowohl mit den anerzogenen und verinnerlichten
Normen der Gesellschaft zu tun, unserem Gewissen, und mit den
Barrieren, die die Gesellschaft um unsere Entfaltungsmöglichkeiten
errichtet hat.
- Bei der Partnerinnenwahl und bei der Gestaltung
unseres Lebens geht es um die egoistische individuelle Befriedigung
unsrer Bedürfnisse. Überhaupt ist lesbisches und schwules
Leben ein egoistisches Beharren auf dem Ausleben unserer sexuellen
Lust, in Abgrenzung zu gesellschaftlichen Strukturen, die uns,
da es in Richtung Heterosexualität nicht geht, wenigstens
in eine Lebensweise drängen wollen, die den vorhandenen
Strukturen nicht widerspricht.
Damit der/die begehrte Partner(in) auch der/die Richtige für
uns ist, wollen wir es also mit Esoterik, mit Übersinnlichen,
versuchen? Wir wollen uns also stärker machen, als wir sind,
anders als wir sind, stärker, als die anderen sind? Das
entspricht dem Erfolg der Kinderbuchserie Harry Potter, denn,
wenn man zaubern könnte, gelänge einem Vieles besser
als den anderen. Wir wollen auf jeden Fall solche Zusammenhänge
erkennen, von denen wir annehmen, dass wir sie nutzbringend verwenden
können.
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- 2. Wie erkennen wir, ob ein(e) andere(r)
für uns attraktiv ist?
Nun, dazu benötige ich keine RatgeberInnen wie z. B. die
Religion, ich verlasse mich dabei auf mein Lustgefühl, das
sich bei einigen Leuten einstellt. Ich persönlich habe mich
von der Religion gelöst, mit der ich als Kind gequält
wurde und die mir bei meinem recht späten Coming-out im
Wege stand. Ich halte mich an die Naturwissenschaften, und dort,
wo mein so verstandenes Wissen nicht ausreicht, benötige
ich keine Pseudowissenschaft. Aber in meinem Zimmer liegen einige
Steine rum, die mir ein Freund geschenkt hat, der an ihre Wirkung
glaubt, die mir angeblich nützlich ist. Gehe ich nur aus
Freundschaft darauf ein oder glaube ich auch ein Bisschen daran?
Ich räume sie nicht weg, sondern sie gefallen mir auch,
sie sehen gut aus. Manchen Morgen sehe ich mir im Fernsehen das
Horoskop an, und wenn dort ausgesagt wird, dass ich in der Liebe
eine Glückssträhne habe, ertappe ich mich, dass ich
gutaussehende Typen etwas verwegener ansehe. Natürlich tut
sich dadurch nichts. Ich fühle mich trotzdem beschwingter.
Kommt eine Aussage, dass es in der Liebe nicht klappt, dann erinnere
ich mich daran, dass das ohnehin Unsinn ist und versuche auch,
etwas verwegener zu sein. Natürlich klappt es dadurch auch
nicht. Ist das Horoskop deshalb zu 50% wahr? Ich erkenne, dass
ich Teile der Kinderreligion noch in den Knochen habe, auch wenn
sie mir absolut nicht mehr glaubwürdig erscheint.
Ich klammere mich allerdings an soziale Werte, auch ohne dass
ich eine Bestrafung nach dem Tode befürchten würde,
wenn ich sie nicht verfolgen würde. Ich bin ein richtiger
Sozialromantiker und beute mich ständig für als richtig
empfundene soziale Ziele aus. Ist das der Beweis, dass ich immer
noch religiös bin oder der Beweis dafür, dass ich sie
losgeworden bin und das Gegenteil dieser Christen tue, von denen
ich in meiner Kindheit gequält wurde? Orientierungmaßstäbe
benötige ich, wie die wohl jeder Mensch benötigt, an
die ich mich halte. Oft bin ich darüber erschüttert,
wie unmenschlich, genauer: unsozial sich manche Menschen äußern
und verhalten. Dann komme ich mir auch besser vor, besser als
die anderen, und so ziehe ich persönliche Kraft aus aus
meinen Werten.
Ich denke, dass es uns als analytisch denkende Menschen gut ansteht,
über Anhänger esoterischer Praktiken nicht herablassend
zu urteilen. Legen wir doch die Tarot-Karten, lassen wir Pendel
schwingen oder lesen wir Horoskope. Wenn die uns sagen, dass
es klappen könnte, verhalten wir uns viel aufgeschlossener
und unser Verhalten könnte nun dadurch dazu beitragen, dass
der/die andere sich uns gegenüber auch mehr öffnet.
Wenn wir allerdings schlechte Nachrichten erhalten, kann man
sich ja daran erinnern, dass sicherlich gar nichts dran ist,
an den Tarokarten. So kann man dann immer irgendwie gut drauf
sein.
In den Buchläden finden wir Bücher über Okkultismus
wie auch wissenschaflich aufgearbeitete Psychologie in der Rubrik
Esoterik, Lebenshilfe. Selbstverständlich kann
es sich um Lebenshilfe handeln, so lange man sich selbst nicht
aufgibt und der jeweiligen Religion oder Sekte blind folgt. Aber,
ob der/die andere mögliche Parner(in) für uns geeignet
ist, bekommen wir wahrscheinlich besser raus, wenn wir den/die
anderen besser kennenlernen, also ausprobieren, und
dabei unseren Menschenverstand behalten.
Die KIartenlegerInnen, HandlinienleserInnen, Kaffeesatz- oder
EingeweideleserInnen, die Pendelschwin-gerInnen, die AstrologInnen
können uns vielleicht gerade dann helfen, wenn wir nicht
ganz daran glauben, dass sie uns helfen können und sie etwas
Psychologie gelesen haben oder das Talent haben, allgemeine Erkenntnisse
über die Struktur des Zusammenlebens der Menschen erfahren
zu haben. Wir benötigen nicht die uns überwältigenden
Religionen oder Sekten. Von denen wurden uns in unserer Geschichte
schon viele Lehren erteilt, die wir hoffentlich nicht immer wieder
neu erteilt bekommen müssen.
Mit Kirchen und Sekten haben gerade wir Lesben und Schwule schon
genügend Erfahrungen gesammelt. Man kann davon ausgehen,
dass es keine Überwesen gibt, die sich dann noch in unser
Leben einmischen würden. Aber es scheint so zu sein, dass
wir Menschen über unseren klaren naturwissenschaftlichen
Verstand hinaus noch etwas für unsere Seele brauchen (immer
vorausgesetzt, dass wir uns einrichten wollen und Emanzipation
nicht unser Ziel ist).
Das bringt uns dazu, immer neue übernatürliche Dinge
zu erfinden, von ihnen zu träumen und mittels solcher Suggestionen
auch manipulierbar zu sein. Darin liegt natürlich ihre eigentliche
Gefahr. (js)
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- Die Entstehung der Tarotkarte
Zur Herkunft der Spielkarte ist zu
sagen, daß sie sich, entgegen der esoterisch angehauchten
Meinung, wahrscheinlich aus dem Schach- und Domino- oder Würfelspiel
entwickelt hat. Chinesische Schach- und Dominokarten und auch
die Augen des Würfels weisen eine gewisse Ähnlichkeit
mit den Farbzeichen der Spielkarten auf.
Heute ist bekannt, daß es in China schon zur Tang-Zeit
(618-908 n. Chr.) Spielkarten gegeben hat. Auf diesen historischen
Fakten beruht auch die häufige Annahme, die Spielkarte habe
aus Indien oder China den Weg zu uns gefunden. Dort kannte man
schon 1000 Jahre früher als in Europa die Herstellung von
Papier und bereits 600 n. Chr. wurde von geschnitzten Holztafeln
gedruckt.
Trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeit unterscheiden sich die
europäischen Karten sehr in Format und Gestaltung von den
asiatischen, auch war Papier keine unbedingte Voraussetzung zur
Herstellung von Spielkarten, es wurden zum Beispiel alternativ
Materialien wie Metallplättchen und Pergament verwendet.
Kunsthistoriker nehmen an, daß unsere heutigen Spielkarten
europäischen Ursprungs sind. Spätestens um 1370 gab
es Spielkarten in Europa und vermutlich zuerst in Italien, sie
fanden durch die rasante Entwicklung der abendländischen
Druckgraphik und den billigen Einsatz von Papier rasche Verbreitung,
so wurde die erste Papiermühle 1389 in Nürnberg errichtet.
Die vorherigen Spielkarten waren handgemalt oder -gezeichnet,
sie wurden dann koloriert und gelegentlich mit Blattgold und
Blattsilber verziert.
Heute spielt man hauptsächlich mit dem französischen
Blatt, doch es gibt auch die sogenannten Wahrsagekarten, die
um 1500 das erste Mal auftauchten. Hierzu muß ich einfügen,
daß auch das französische Blatt bis zum heutigen Tage
oft zu Wahrsagezwecken gebraucht wird.
Gegen 1800 entstanden Karten mit besonderen Darstellungen, die
auch dem Laien das Wahrsagen ermöglichten und so wurde der
Blick in die Zukunft zum Gesellschaftsspiel.
Zu diesem Zwecke nahm man am häufigsten das Tarock-Spiel,
welchem seit Ende des 18. Jahrhunderts eine besondere mystische
Bedeutung zugeschrieben wurde.
Immer mehr wurden die Tarock-Karten nun für Okkultismus
und Wahrsagerei gebraucht und man bezeichnet sie seit dem bei
ihrem französischen Namen: Tarot.
Im Laufe der Zeit kamen astrologische Zeichen hinzu, Symbole
der Magie und Stichwörter als Hilfsmittel für die Deutung.
(dg)
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