- 62. LUST, Oktober/November 00
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- Die Lesbenbewegung
Gibt es sie? Gab es sie? Was wissen wir
von ihr? Es gibt eine Lesbenszene, lesbische Feministinnen, Lesben
in der Gay-Szene, Lesben in Frauenprojekten, die FrauenLesben
usw. Wo ist die Lesbenbewegung?
Diese merkwürdige Fragestellung hört sich ein bisschen
herabsetzend an, so als werde unterstellt, dass eine Lesbenbewegung
gar nicht existiere. Und solche anmaßende Unterstellung
könnte als beleidigend empfunden werden, besonders wenn
Frauen sie hören, die sich seit Jahren krummlegen, um die
Bewegung voranzubringen. Eine solche Fragestellung könnte
aber auch hilfreich sein, sozusagen als Anregung einer Analyse
der Situation.
Wieso wäre eine solche Analyse (Bestandsaufnahme) sinnvoll?
Weil sie Ansatzpunkte für lesbenpolitisches Handeln eröffnen
könnte. Für uns als Lesben und Schwule, die die Zussammenarbeit
praktizieren und wollen, ist es zudem gerade deshalb nicht egal,
wie sich die Lesbenszene entwickelt. Wenn man der Zusammenarbeit
die Türe von beiden Seiten öffnet, dann muss das beiden
Seiten einen Sinn machen.
Aufgrund der Zusammenarbeit müssen ja auch Rücksichten
genommen werden, und diese begrenzen die Handlungsmöglichkeiten
und Politikfelder. Mit Recht kritisieren Lesben manche Schwule
und Schwulenmedien, die nur behaupten, eine Zusammenarbeit mit
Lesben zu wollen, aber in Wirklichkeit nur die Basis für
ihre Politik vergrößern wollen.
Wenn wir jedoch aus Höflichkeit gegenüber geleisteter
Arbeit die Frage weglassen würden, ob es eine Lesbenbewegung
gibt, dann würden wir uns verantwortungslos verhalten. Eine
solche Verantwortungslosigkeit gibt es überall dort, wo
gut klingende Komplimente dem kalten analytischen Blick vorgezogen
werden, zum Beispiel wo der balzende Chef seiner jungen Sekretärin
die Türe aufhält.
Dieser Text ist durch ein Referat von Professor Rüdiger
Lautmann, Universität Bremen, angeregt worden, das dieser
zur Gründung des (inzwischen selbstaufgelösten) BVH
(Bundesverband Homosexualität) gehalten hat und uns (damals
NUMMER) zur Veröffentlichung ausgehändigt hat. Der
Text bezieht sich teilweise auf dieses Referat.
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- 1. Was ist eine Bewegung
Zuerst einmal: eine Bewegung bewegt sich, und zwar von einer
Situation, die als unangenehm empfunden wird, zu einer Situation,
die als erstrebenswert angesehen wird. Eine Bewegung setzt sich
aus vielen unterschiedlichen Strömungen zusammen, die sich
aus den eigenen jeweiligen Betroffenheiten ableiten. Beispielsweise
finden lesbische Mütter ihre soziale Lage unerträglich,
finden lesbische Managerinnen ihre Karrieremöglichkeiten
eingeschränkt, finden lesbische Feministinnen die geschlechtsbezogenen
Rollenzuordnungen in der Gesellschaft unakzeptabel. Lesben finden
möglicherweise so manches lesbische Verhalten in der Szene
unangenehm usw. Diese unterschiedlichen Motive, sich für
die gemeinsame Sache zu engagieren, müssen vorhanden sein.
Wer nichts unerträglich findet, geht höchstens in die
Szene, um nicht alleine zu sein. Dieses Motiv können bewegte
Lesben zusätzlich auch noch haben, warum auch nicht, aber
es trägt keine Bewegung.
Der Soziologieprofessor Rüdiger Lautmann gliedert den Sozialstatus
von Menschen, die von gesellschaftlichen Vorgaben abweichen (am
Beispiel der Schwulen), nach einem Modell (siehe Seite 12).
Es bleibt zuerst einmal die Kritik, dass unserer Meinung nach
in seinem Modell bei den politischen Zielen ein Fehler vorliegt.
"Emanzipation", "Integration" und "Autonomie"
sind nicht das politische Endziel der Bewegung, sondern drei
ganz unterschiedliche Ziele mit sehr unterschiedlichen Konsequenzen,
möglicherweise Ziele völlig unterschiedlicher Bewegungen.
Wenn wir das gegenwärtige "Homo-Ehe-Thema" nehmen,
so sehen wir in den unterschiedlichen Auffassungen zur Homoehe
eben als Hintergrund die unterschiedichen politischen Zielsetzungen;
nämlich ob es uns beispielsweise um die Integration der
Lesben und Schwulen in die bestehende Gesellschaft geht. Oder
ob wir für Lesben und Schwule einen besonderen Spielraum,
eine gewisse selbstbestimmte Autonomie wollen oder ob es uns
um gesellschaftliche Emanzipation geht.
Wer Intergration will, möchte auch heiraten, nämlich
die Gleichstellung. Wer die Autonomie will, möchte einen
speziellen Freiraum, beispielsweise ein Sondergesetz von und
für Lesben und Schwule, das die unterschiedliche Lebensart
von uns berücksichtigt. Und wer die Emanzipation will, stellt
das Ehe-Modell infrage und möchte die Privilegien der hierarchischen
Struktur Ehe abgeschafft wissen.
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- Was wir nun zu bekommen scheinen, ist nicht
die Ehe, sondern ein schwaches Sondergesetz für Lesben und
Schwule. Dies ist freilich nicht selbstbestimmt im Sinne der
Autonomie entstanden, sondern es wurde ein von der Ehe abgeschautes
Gesetzeswerk, von unseren GegnerInnen beschnitten und zurechtgestutzt,
vergleichbar mit dem Rückdrängen in ein vorbestimmtes
Ghetto.
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- 2. Die Szene
Definieren wir zuerst, dass es unterschiedliche Szenen gibt,
in denen sich Lesben aufhalten. Während Schwule in der schwulen
Subkultur viel Zeit (und Geld) verbringen, hat sich nur eine
kleine Subkultur der Lesben entwickelt, und diese meist noch
in Anlehnung an die schwule Szene. Das ist schon aus den Einrichtungen
zu erkennen. In einer Stadt wie Frankfurt mit einer so großen
Anzahl von Treffpunkten aller Geschmacksrichtungen für Schwule
finden wir nur ein einziges Lesbenlokal.
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- Das ist freilich eine Institution und muss
es wohl auch sein, wenn es über Jahre Bestand haben will.
Dann aber finden sich noch viele Lesben dort ein, wo sich Schwule
treffen (Diskotheken, Cafes usw.), und so könnte man beinahe
sagen, dass es sich hier um eine Schwulen-Lesben-Szene handelt.
Allerdings, in der Leder-Szene, in Saunen und in der Stricher-Szene
sind Schwule unter sich. Und das ist auch gut so. In einem Frankfurter
Lederlokal war einmal, so erzälte uns ein früheres
Gruppenmitglied, der dunkle Fernsehraum, der der Anbahnung dient,
völlig leer. Es saßen dort nämlich zwei Lesben,
die sich langweilten. Sie schauten sich die schwulen Pornos an
und ekelten sich lautstark. Manche Dinge passen einfach nicht
zusammen.
Warum soll es nicht Bereiche der Szene geben, wo einerseits Lesben
und andererseits Schwule unter sich sein können? Klar, die
schwule Szene ist eine Kontaktmarktszene und da geht es oftmals
recht "männlich" sexuell zu. Hier auftauchende
Lesben müssen das entweder irgendwie mögen und/oder
sie fungieren (dennoch) als moralische Bremse, also einen Teil
der dortigen Männer störend.
Große Frauenveranstaltungen (oder sagen wir auf frauenneudeutsch:
FrauenLesbenEvents) sind geeignet, viele Frauen zusammenzubringen.
Solche Events sind eigentlich lesbische Veranstaltungen, jedenfalls
empfinden Lesben sie so. Selbstverständlich kommt die interessierte
Lesbe an so manche Hete nicht ran. Aber sie kommt ja auch an
so manche Lesbe nicht ran. Dennoch, hier kommt sie doch auch
recht oft an so manche Hete ran, die diesen Aspekt ihres Seins
nicht so radikal abwehrt wie manche Heten-Männer ihre schwulen
Anteile.
Dann gibt es noch Frauen- oder Lesbenzentren, die Veranstaltungen
unternehmen, wo sich also gelegentlich Lesben treffen können.
Das wars dann auch schon.
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- 3. Organisierte Lesben
Vielfach ist der Unterschied zwischen Lesben und Schwulen auch
in dem Umstand zu beobachten, dass bei den Schwulen die Szene
und auch die politische Organiation Erfolg durch Mitgliederzulauf
hat, wo der schwule Mann viele junge Schwule anzutreffen hofft.
Da ist man sehr oportunistisch, die Hauptsache, man kommt bei
ihnen an. Das ist natürlich ein politisches Hindernis, und
Kontakt- bzw. Beziehungswünsche scheinen wichtiger zu sein
als politische Inhalte.
Das ist in der Lesbenszene völlig anders. Wenn nicht alles
genau so ist, wie es die lesbische Frau inhaltlich gerne hätte,
geht sie lieber gar nicht aus als dort hin. Und mit politischen
Gruppen scheint es sich ebenso zu verhalten. Wenn die nach außen
vertretenen Positionsbeschreibungen nicht mit dem übereinstimmen,
was sich die lesbische Frau bisher politisch so denkt, organisiert
sie sich lieber gar nicht politisch. Das ist freilich ein politisches
Handicap und mag damit zu tun haben, dass auch politische Gruppen
wie Beziehungen empfunden werden, auf die sich frau lieber nicht
einlässt, wenn kein Vertrauen empfunden wird.
Vertrauen und Politik haben aber gar nichts Gemeinsames, weil
es sich bei politischen Interessensvertretungen um Zweckbündnisse
handelt, wo Vetrauen nur ausgenutzt wird, und nicht um Beziehungen,
wo allerdings Vertrauen auch ausgenutzt werden kann.
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- 4. Verbindendes
Lautmann meint in seinem Referat, dass Reform und Revolte die
beiden Pole der Schwulenbewegung darstellen. Wir meinen dagegen,
dass es sich hierbei lediglich um zwei unterschiedlich erfolgreiche
Methoden der Durchsetzung von Zielen handelt. Übereinstimmend
können wir aber sagen, dass keine Methode ohne die andere
auskommt. Freches und aufmüpfiges Infragestellen vorgegebener
Normen und für selbstverständlich gehaltene Geschlechtsrollenverhalten
zu unterlaufen zum Beispiel gehören wohl zum Bereich der
Revolte.
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- Dies bedarf aber der Ergänzung der Reform,
der Gesetzesänderung zum Beispiel, damit ein Spielraum für
anderes Leben auch abgesichert werden kann. Andererseits können
Freiheiten nicht juristisch abgesichert werden, bevor sie gewollt,
formuliert, propagiert, gelebt, einfach genommen wurden.
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- 4.1. Geschlechtsrollen
Die feministische Frauenbewegung hat die Geschlechtsrollen zwar
nicht deshalb infrage gestellt, weil dies Lesben und Schwulen
helfen könnte, sich freier von ihnen zu lösen, aber
doch in ihren Kampf gegen patriarchalische Männerrollen-Vorherrschaft
unsere Spielräume erweitert. Dies gilt allerdings dann nicht,
wenn Feministinnen als Frauen in ihrem angeblich naturgegebenen
Frausein gegen Männer kämpfen, die eben angeblich aggressiver
Natur seien, weil dies lesbische Frauen und schwule Männer
in diesen Rollen fesseln würde.
Die maskulin auftretende Butch und die feminin auftretende Tunte
durchbrechen die vorgegebenen Geschlechtsrollen, und das entspricht
in der offiziellen Berufswelt der Tatsache, dass z.B. immer weniger
von Männer- und Frauenberufen die Rede ist, dass selbst
die männerbündlerischen Sozialgruppierungen wie Polizei
und Militär keine sicheren Männerrefugien mehr sind.
Die Anzahl der Politikerinnen und der Frauen in Führungspositionen
erhöht sich ständig.
Anhängerinnen der "Integration" unter den Feministinnen
nutzen feministische Ideologieteile, um sich selbst damit in
Führungspositionen zu bringen. Emazipation, das Infragestellen
von jedweder Führung stört sie dabei nur, und deshalb
geht es ihnen um biologisch begründete weibliche Macht gegen
biologische Männer, ihren Konkurrenten, darunter natürlich
auch Schwule. Und auf Intergration bedachte Schwule zeigen sich
doch oft auch als männliche Chauvinisten.
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- Sie bemühen sich, keine Tunten zu sein
und, um in unserer Szene politische und wirtschaftliche Vorteile
über andere bekommen zu können, würden sie z.
B. gerne ihre Basis um Lesben vergrößern. Endlich
wollen sie "richtige Männer" sein bzw. wie das
auch bei den Heten ist, als solche gelten. Aus diesen Beispielen
erklärt sich für uns, warum wir (die Lesben und Schwulen
der ROSA LÜSTE) weitergehende emanzipatorische Ziele haben.
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- 4.2. FrauenLesben
Schon in den 60er Jahren erschien eine Broschüre von Bea
Trampenau und anderen im Hamburger Magnus-Hirschfeld-Zentrum,
in dem nachgewiesen wurde, dass Frauensolidarität mit lesbischen
Frauen kaum existiert.
Lesben wurden in Frauenzentren im Thekendienst eingesetzt und
durften bei Fragen der Emfängnisverhütung, dem Recht
auf Abtreibung und in Fagen der Mann-Frau-Beziehung mitdiskutieren,
sie durften in Frauenhäusern mitmachen usw. Wenn es allerdings
darum ging, für eine Lesbengruppe zu werben, gab es Widerstand
in verschiedenen Frauenzentren mit dem Hinweis, dass Hausfrauen
dadurch abgehalten würden, ins Frauenzentrum zu kommen.
Trampenau schlug damals vor, dass lesbische Frauen in Fragen
ihres Homosexuell-Seins sich mit Schwulen zusammentun sollten,
denen es in Fragen des Homosexuell-Sein auch um die Abgrenzung
zur Normalität des Mannes gehe. Tatsächlich kam es
damals auch dazu, dass zum Beispiel lesbische Frauen, die von
ihren lesbischen Freundinnen misshandelt wurden, nicht in Frauenhäusern
aufgenommen wurden, weil dies ja dem schrägen Weltbild widersprach,
dass Männer immer die Täter und Frauen immer die Opfer
seien.
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- In Büchern (z.B. "Ketzerinnen"
von Sheila Jeffreys, auf Deutsch erschienen 1994 im Verlag Frauenoffensive
München) tauchten Feministinnen auf, die davon sprachen,
dass es eine lesbische Identität im eigentlichen gar nicht
gäbe, dies sei eine Erfindung schwuler Sexualwissenschaftler,
sondern dass alle Frauen die Fähigkeit zum Lesbischsein
hätten, und dass dies die kämpferische Lebensform der
Frau sei, um die Männerherrschaft zu beenden. Gleichzeitig
kritisierte sie maskulin auftretende Lesben (Butches) als Frauen,
die dem Manne nachstreben. Das Bild der heterosexuellen feministischen
Ideologin, die den Lesben ihr Weltbild überstülpen
wollte, drängte sich da auf.
Heute gelten diese engen biologistischen Zuordnungen in der feministischen
Bewegung als überholt. Und das (patriarchalische) Ignorieren
weiblicher Sexualität, die sich nicht auf einen Mann richtet,
sollte nun in der Frauenbewegung überwunden werden. Deshalb
wählte man völlig unhistorisch und auch unpassend den
Begriff FrauenLesben zum Beispiel für eine Party, an der
die Teinahme von Lesben nicht mehr verschwiegen werden sollte.
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- Da dies allerdings assoziiert, dass Frauen
Heten sind und die Lesben keine Frauen, ist diese Begrifflichkeit
höchst fragwürdig. Es handelt sich um eine Party für
Heten und Lesben oder schlicht für Frauen, die es bekanntermaßen
in heterosexueller und homosexueller Identität gibt.
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- 4.3. "Lesben und Schwule"
Lesben kommen in ihren Beziehungen ohne Männer aus, und
das ist auch ihr gutes Recht, wird ihnen aber von so manchen
Männern (und einigen Frauen) übelgenommen. Wenn aber
immer nur von Lesben im Zuammenhang mit Männern, nämlich
Schwulen, die Rede ist, werden sie um ihre frauenbezogene Identität
gebracht.
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- Zu den schwierigsten Bereichen des lesbischen
Selbstbehauptens gehört es ja (ebenso wie analog dazu die
Schwulen sich auf Beziehungen mit Männern einstellen müssen),
sich im Coming-out auf eine männerlose weil doppelweibliche
Beziehungswelt einzulassen. Auch schwule Männer und lesbische
Frauen haben ja von klein auf ihre Geschlechtsrollen erlernt;
und genau diese Rollen sind es ja, die Männer und Frauen
als sich ergänzende Wesen festlegen.
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- Kinder haben große Mühe, sich
entsprechend der Rollenerwartung zu entwickeln. Jungen sollen
zu Machomonster werden und Frauen zu tugendhaften Gefühlswesen.
Beide Verhaltensweisen und sicherlich noch viel mehr, als sie
in diesem Dualismus unserer Zeit entwickelt wurden, gehören
zum Spektrum der Verhaltensmöglichkeiten des Menschen, und
zwar jedes Menschen, wenn er auf die entsprechende Eigenschaft
angewiesen ist.
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- 4.4. Die "Lesben"
Zur Zeit aber gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Lesben und Schwulen,
wenn es um die Verteidigung ihrer jeweiligen Lebensweisen geht,
die nicht den Mann-Frau-Dualismus zur Grundlage haben, sondern
das mündige selbstbewusste Individuum. Dazu müssen
allerdings auch feministische Frauen weiterhin um ihre Emanzipation
in ihren Beziehungen und in der Gesellschaft streiten, bis es
keine geschlechtsspezifischen Vor- oder Nachteile mehr gibt.
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- Und das verbündet uns auch mit einem
Teil der feministischen Bewegung. Nicht mit dem Teil, der statt
des patriarchalischen Gottvaters nun Göttinnen verehrt,
sondern mit dem Teil, dem es um die Emanzipation geht, bis man
keinen Vormund mehr akzeptiert und benötigt.
Wir brauchen eine selbständige Lesbenszene und Lesbenbewegung,
die dann und dort mit der feministischen Frauenbewegung paktiert,
wo diese mit ihrer Zielsetzung nicht die Weiblichkeit mystifiziert,
sondern das Aufheben der Geschlechtsrollen anstrebt.
Wir brauchen eine selbständige Lesbenszene, die dann und
dort mit den Teilen der schwulen Szene paktiert, wo diese etwas
anzubieten hat, und zwar das gemeinsame Bekämpfen der Geschlechtsrollenvorgaben.
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- 5. Problematisches
Wie schaffen wir es, in die Spaß- und Feierszene der Schwulen,
deren Anhang die dortigen Lesben sind, wieder ein paar politische
Inhalte einzubringen, die mehr sind als das Reagieren auf primitive
Angriffe gegenüber harmlosen und eher flauen Integrationsbemühungen?
Wie schaffen wir es, eine innerszenische Kommunikation zu erreichen?
Unsere eigenen Medien werden (wie zum Beispiel die LUST) kaum
wahrgenommen, oder sie sind wirtschaftlich erfolgreich und deshalb
eher unpolitisch und für diese Aufgabe kaum mehr von Bedeutung.
Wie schaffen wir es, in der Lesbenszene eine eigenständige
lesbische Meinungsführerinnenschaft aufzubauen? Wie schaffen
wir überhaupt eine eigenständige lesbische Meinungsbildung,
gegenüber heterosexuellen Meinungsführerinnen und Meinungsführern,
gegenüber schwulen Meinungsführern und auch gegenüber
feministischen Meinungsführerinnen?
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- 6. Zukunftsaussichten
Derzeit gibt es in keinem politischen Bereich mehr starke emanzipatorische
Bewegungen, die sich in kritischer Distanz zum Vorgefundenen
entwickeln (Emanzipationsbegriff), also auch nicht in der Lesben-
und Schwulenszene.
Weder im Bereich Umweltschutz geht es vorwärts noch in der
Friedensbewegung. Das Problem liegt wohl zum Teil darin, dass
sich die Bewegungen das Handeln von einer Partei aus den Händen
nehmen ließen, die angeblich dafür zuständig
sei, dass die von dieser Partei geweckten Hoffnungen das Selbstengagement
überflüsig zu machen schienen. Doch in Wirklichkeit
geschah ein schrittweises Wegdrängen von emanzipatorischen
Forderungen hin zur Integration der früheren Bewegungen
in die offizielle wirtschaftsinteressensgebundene Politik. Man
lese nur Lautmanns Referat von damals, das seinerzeit als bürgerlich
und anpasslerisch galt.
Da es derzeit keine emanzipatorischen Offensiven gibt, auch nicht
in unserer Szene, versuchen wir von der LUST zumindest für
die kleine Schar der LUST-Gemeinschaft, die Erinnerung an als
richtig erkannte Ziele aufrechtzuerhalten.
Eine Jugendbewegung scheint allerdings derzeit zuzunehmen, die
Bewegung der Rechtsradikalen. Dass die all unsere Diskussionen
zunehmend zunichte machen können, sei hier am Schluss dieses
Referates angemerkt. Und genau solche Zukunftsaussichten besiegt
man auch nicht durch Anpassung.
Herr Koch von der Hessen-CDU, der mit seinem Kampf gegen die
Staatsbürgerschaft in Deutschland geborener Menschen schon
erfolgreich war, indem er Ministerpräsident wurde, kritisierte
die Warnungen des Kanzlers vor der rechtsradikalen Gewalt. Sie
seien übertrieben und würden sich in Wirklichkeit gegen
Menschen konservativer Gesinnung wenden. Die CDU wolle sich national
gesonnenen Menschen öffnen, um sie dem Einfluss der Rechtsradikalen
zu entziehen.
Mit dieser oder ähnlichen strategischen Begründungen
um die Mitte lässt sich gut ein allgemeines Abrutschen der
Parteienlandschaft nach rechts vorstellen. Dies wird das politische
Klima in einer Weise verändern, dass immer weniger Möglichkeiten
für emanzipatorische Politik besteht.
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- Da wird es Zeit, in den Bewegungen deutliche
Profile zu erarbeiten und damit auch zu werben. Diese Politik
erscheint uns notwendig und alternativlos. Eine Alternative zur
offensiven emanzipatorischen Politik wäre die Anpassung
bis zum Verschwinden.
(Mitgliedertreffen der RoLü am 01.09.00)
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