61. LUST, August/September 00
 
Backlash
Wir sind durch. Wir haben es geschafft. Es gibt (fast) keine staatliche oder juristische Diskriminierung mehr, die Medien sind lieb zu uns, wir haben jährlich überall große Straßenfeste, die wir CSD nennen. Man darf jetzt beim Militär Karriere machen (aber nicht mehr verweigern, weil man schwul ist). Selbst heiraten dürfen nun bald die, die das wollen, und die anderen werden (wie die Singels bei den Heten) bald zu spüren bekommen, dass für die Homo-Ehe bessere Lebensbedingungen existieren als für andere Versuche.
 
Die Szene wird sich auf diese „Normalität” einstellen. Die Gleichstellung ist also nahezu erreicht, wir Lesben und Schwulen werden das, was man normal nennt. Und wenn die Adoption durch ist, passen wir auch in die Dreieinhalbzimmerwohnung mit Kinderbettchen. Was wollt Ihr eigentlich mehr?
 
Unsere Lage
Als die Strafgesetze einigermaßen liberalisiert waren, war die Lage noch nicht gut, denn die gesellschaftliche Diskriminierung war noch überall spürbar.

Die einen machten aus ihrer Lage als Diskriminierte was, machten daraus politische Karrieren und holten sich Streicheleinheiten von solchen Heten, die sich gut fühlen, wenn sie jemanden tolerieren, solange der es nicht übertreibt, nämlich Akzeptanz verlangt.

Die anderen hatten aufgrund der Diskriminierungen große Schwierigkeiten, ihr Coming out zu schaffen. Aber da die Diskriminierungen nun mal derzeit nicht mehr “in” sind, schafften sie es doch irgendwie. Wenn heute noch jemand Lesben oder Schwule diskriminiert, ist er/sie oftmals selber schwul oder lesbisch und tuts aus Neid oder aus Karrieregründen.

Es gibt aber in diesem Zusammenhang noch eine dritte Seite, die wir in unsrer immer stärkeren Integration in die bestehenden Strukturen fast aus den Augen verloren haben: die traditionellen Lesben- und SchwulenfeindInnen.

Die haben erstaunt registriert, dass sie beim Erzählen ihrer miesen Witzen gar nicht mehr die Lacher auf ihrer Seite hatten. Wenn man im Betrieb gegen jemanden vorgehen wollte, weil der ja nur ein Schwuler, die doch nur eine Lesbe sei, dann mussten sie sich anhören: „Na und?” Und selbst der Papst in Rom konnte den Welt-CSD in Rom nicht verhindern, obwohl er doch die Stadt zur „Heiligen Stadt” und das Jahr zum „Heiligen Jahr” ausgerufen hatte.

Zwar haben einige rechtradikale Parteien hier dem Papst rechtgegeben, der sozialistische Bürgermeister ist umgekippt und glaubte, er könne es sich nach der Verkündung des Heiligen Stuhls politisch nicht leisten, sich an das den Lesben und Schwulen gegebene Wort zu halten.

Dennoch ist der Staat in religiösen Fragen zur Neurtalität verpflichtet. Rom ist schließlich keine Bayrische Schule. Es kann auch nicht angehen, dass der Staat zum moralischen Erfüllungsgehilfen der Kirche wird, wie es im Mittelalter war, denn es gibt ja auch Staatsbürger, die mit dieser Firma gar nichts zu tun haben wollen.

Und die, die bereit sind, auf ihr Lebensglück zu verzichten, weil sie dann dafür belohnt werden, wenn sie tot sind, freuen sich vielleicht, dass die ausgelassen feiernden römischen CSD-TeilnehmerInnen dermaleinst dafür bestraft werden, wenn sie dann tot sind. Lieber wärs ihnen allerdings zur Sicherheit, dass sie schon heute bestraft werden.

Machen wir uns nichts vor. Unsere Lage, in der wir uns in Mitteleuropa, Nordamerika (dort nur einige Gebiete) und Australien sonnen, diese Lage ist eine Insellage. Gehen wir nach Russland, Indien, China, in die meisten moslemischen Gebiete usw., in die bevölkerungsreicheren Gebiete der Erde, in die neuen afrikanischen Staaten usw., da ist die Lage wirklich absolut anders. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Und diese Strukturen greifen natürlich auch nach uns. Eben weil wir eben doch auf keiner Insel leben. Unter den Christen bekommen die Fundamentalisten dann Oberwasser, wenn man es z.B. auf der Welt oftmals mit islamischen Fundamentalisten zu tun bekommt.

Dennoch, die Lage der Lesben und Schwulen in unserer Gesellschaft ist so entspannt, wie sie es noch nie in der Geschichte war. Wir profitieren davon, dass die Geschlechterverhältnisse, die Geschlechtsrollenvorgaben, die Beziehungsstukturen, die staatlichen Familienmodelle in einige Unordnung geraten sind. Das gibt uns unsere Freiräume. Je mehr sich in diesen Fragen stabilere Zustände einstellen, um so enger wird auch unser Spielraum werden.
 
Unsere GegnerInnen
Nach einigem sturerstaunten Schweigen, nach verblüfftem Zurkenntnisnehmen der Lage, nach feigem Zurückweichen (wenn sich Widerstand zeigt) beginnen sie mit neueren zeitgemäßeren Methoden, den alten Schwulenhass einerseits und das Totschweigen der eigenständigen weiblich Homosexualität fortzuführen.
 
Religiöse GegnerInnen
Selbstverständlich die Amtskirchen (Siehe in dieser 61. LUST auf S. 12) und auch die Sekten (Siehe 60 LUST auf Seite 22) bauen Macht auf Schuldgefühle, die sich einstellen, wenn aus der menschlichen Sexualität etwas Anrüchiges gemacht wurde, die nur dann als sündenlos zugelassen wird, wenn sie dem Zeugen von Nachwuchs dient (der menschlichen Reproduktion also) und in Ehen oder eheänlichen Strukturen (der Stätte der Reproduktion der Arbeitskraft also).
 
Lesben und Schwule haben aber Sexualität, die „biologisch zwecklos” ist, und die allzuoft außerhalb dieser halbwegs lebenslangen Bindung stattfindet. Die AnhängerInnen dieser Moral können sich nicht damit zufrieden geben, dass homosexuelles Leben nun als normal anzusehen sei. Da es für heterosexuelle Abweichungen die „Sünde” als Erklärung gibt, bei der homosexuellen Abweichung von diesen Zielen aber nicht die Sünde sondern die Identität dafür „verantwortlich” ist, versuchen sie zu verhindern, dass sich eine homosexuelle Identität bilden kann, wenn das homosexuelle Begehren vorhanden ist. Ohne Identität kann es als Sünde ausgelegt werden.
 
In der 60. LUST berichteten wir von einer Sekte, die religiöse Schwule, die das Problem in ihrer homosexuellen Neigung und nicht den religiös-moralischen Skrupel sehen, von ihrer homosexuellen „Neigung” befreien wollen. Das hat Schule gemacht. Die gleiche Argumentation finden wir auch bei anderen Sekten, und die Informationen darüber sammeln sich in unserem Eingangskorb. Es ist dies ein neues Tätigkeitsfeld für solche Sekten.
 
Schon tauchen die ersten politischen Sekten auf, die dies vertreten, so die fundamentalistische Partei „Christliche Mitte”. Diese Steilvorlage ermöglicht es dann auch einigen rechtradikalen Sekten damit hausieren zu können. Und dann gibt es die FundamentalistInnen in den Amtskirchen und den bürgerlichen Parteien, die mit solchen Argumenten einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung versuchen. Sowohl die Amtskirchen wie auch die bürgerlichen Parteien haben sich ja nie grundsätzlich von dieser Ideologie entfernt.
 
Schwulenfeindliche Banden und Cliquen
Solche Jugendbanden, überwiegend aus Jungens bestehend, üben Gewalt überwiegend gegen Schwule aus. Selten sind Lesben Opfer solcher Banden. Zunehmend sind es auch Jugendliche, die in 2. oder 3. Generation aus anderen Kulturkreisen stammen, die es beinahe als Mannbarkeitsriten ansehen, wenn sie sich „in Gefahr” begeben, nähmlich in die Möglichkeit der Zuneigung durch einen schwulen Mann, um sich dann gewaltsam von ihm und der möglicherweise empfundenen Faszination „zu befreien”.
 
Die neue Jugendsprache „Kanakdeutsch” benutzt ständig das Wort schwul in der Bedeutung von weibisch und unangenehm. Überhaupt scheint die Offenheit für Experimente, auch mal Sex mit Menschen des eigenen Geschlechts auszuprobieren, aus den Kulturgewohnheiten der Jugendlichen verschwunden zu sein. Homosexualität ist etwas wogegen man sich deutlich stärker abgrenzt. Entweder dagegen oder selber schwul. Das bedeutet, dass es Jugendlichen im Coming-out nicht einfacher gemacht wird.

Uns liegen Informationen vor, dass jugendliche Cliquen langjährig zusammenwohnende schwule Paare durch vielerlei Methoden terrorisieren, wie Schmierereien, anpöbeln, beschuldigen, mit Gegenständen bewerfen usw., so dass die Betreffenden sich schließlich dazu entschlossen, umzuziehen. Von solchen Umzügen wissen wir aus mehreren Städten. Wir wissen auch, dass BesucherInnen von Lokalen und Läden, die Utensilien für Schwule verkaufen, angepöpelt und attackiert wurden, so dass die Betriebsinhaber zu Umzügen genötigt waren. Die strahlende heile Schwulenwelt wird über die konkreten Geschäfte nichts erfahren, weil es für die Betriebe selbstmörderich wäre, wenn dies bekannt würde.

Auf den Cruisingplätzen an Autobahnraststätten und an anderen Orten treiben sich jugendliche angeblich Sexsuchende rum, die so manchen schwulen Balzhahn ganz scharf machen, und wenn sie folgen, sehen sie sich einem Schlägerhaufen gegenüber.
Auch an Stricherkontaktplätzen treiben sich Gewalttäter als vermeindliche Stricher rum, um in die Wohnungen ihrer Opfer zu gelangen.
 
Gegnerische Funktionsträger
Besonders gut haben es unsere GegnerInnen, wenn sie in einer Macht- oder Schlüsselposition sitzen. Besonders ärgerlich ist es für sie, wenn Lesben oder Schwule auch in Macht- oder Schlüsselpositionen sitzen. Je großkotziger jemand sein Selbstbewußtsein aus einer solchen Position zieht, um so „reiner” will er diese Position halten. Also nutzen sie ihre formale Macht um „Moral” walten zu lassen. Ganz besonders ist dies an dem Fall zu beobachten, der sich zur Zeit in der sauberen Schweiz zuträgt.
 
Da gibt es einen grünen und offen schwulen Untersuchungsrichter (in der Schweiz Bezirksanwalt) Adrian Ramsauer, der von dem „Ersten Staatsanwalt”, Hansruedi Müller, angezeigt wurde: „Ausgelöst wurde die Strafuntersuchung durch Internet-Kontaktanzeigen, in denen Ramsauer - wie er selber einräumt - Sexpartner zwischen 16 und 30 Jahren gesucht hatte. Der Erste Staatsanwalt Hanruedi Müller begründet die Untersuchung damit, dass ein BA, der 16jährige Sexualpartner suche, sich damit in der Altersgrenze zum Kind bewege und in seinem Amt nicht mehr tragbar sei.“ (NZZ 16.6.00). Nun ist in der Schweiz “das Alter der sexuellen Selbstbestimmung” (Definition der ehemaligen Bundesrätin Kopp) 16 Jahre, und so hat der Untersuchungsrichter keine strafbares Verhältnis angestrebt und schon gar keines begangen. Weshalb also die Anzeige?
 
„Für mich ist das eine politische Attacke gegen einen schwulenbewegten Bundesrichter”, sagte Ramsauer auf Anfrage. (TA 15.6.00). Bezirksanwälte müssen nämlich gewählt werden. „Nach Auskunft von Thomas Manhart, Generalsekretär der Justizrektion, liegen gegen Ramsauer bis jetzt keine Hinweise auf strafbare Handlungen vor ... Er verweist darauf, dass im internationalen Recht und in Kinderschutzkonventionen die Altersgrenze bei 18 und nicht bei 16 liege. (NZZ 16.6.00). “Schließlich sei der Jugendschutz ein wichtiges Anliegen” (TA 15.06.00). Alle, die sich in die Argumentation des Staatsanwaltes hereinziehen lassen, ergeben sich folgende Fragen.
 
Wenn sich auf die Anzeige Ramsauers nun kein z.B. 25jähriger, sondern tatsächlich ein 16jähriger Schwuler melden würde, und wenn der mit Ramsauer das eine oder andere Sexerlebnis hätte, was wäre dagegen zu sagen? Schließlich billigt die Schweiz dem 16jährigen Jugendlichen sexuelle Selbstbestimmung zu. Es ist aber tatsächlich Mode geworden, dass sich viele Leute eingeladen fühlen, nach ihrem eigenen Gutdünken und ihrer eigenen Moral über einvernehmliche sexuelle Verhältnisse anderer zu Gericht zu sitzen.
 
Dies ist ein unhaltbarer Zustand. Da bietet derzeit die Gesetzgebung davor doch einige Sicherheit. „Derzeit” deshalb, weil es homosexuellen Männern bis in die 60er Jahre in Deutschland gesetzlich verboten war, überhaupt Sex zu haben. Begründet wurde dies mit Jugendschutz und Schutz der Ehe. Selbstverständlich fand schwuler Sex dennoch statt. Damals konnte die Gesetzgebung von Schwulen nicht für sinnvoll und gerecht gehalten werden. Es ist durchaus denkbar, dass sich unsere Lage wieder ändert.
 
Die lesbischen und schwulen GegnerInnen
Man kann nun nicht verlangen, dass Angehörige von Minderheiten (zum Beispiel Lesben und Schwule) sich untadeliger und intelligenter verhalten als andere Bürger der Gesellschaft. Idioten und miese Leute gibt es überall.

Ich selbst wurde auch schon einmal Opfer einer ähnlichen Diffamierungskampagne wie die des schweizer Bezirksanwaltes, allerdings nicht durchgeführt von einem Ersten Staatsanwalt, sondern von Schwulen und Lesben, die sich in Konkurrenz zu unserer Gruppe, unserer Arbeit und den von uns veranstalteten CSD sahen. Ich möchte das hier nicht näher ausführen, aber die Dokumente dazu, die wir sammeln konnten, werde ich demnächst als Lehrbeispiel zusammenstellen und veröffentlichen.
 
Ergo
Solche und andere Situationen belegen, dass es einen schleichenden Rückschlag gibt, den wir in Rechnung zu stellen haben. Die Blödheiten von Lesben und Schwulen halte ich nicht für sehr dramatisch, sie bewegen sich im Rahmen von renomiersüchtigen Jugendlichen, allerdings mit für mich persönlich und meine langjährige Arbeit unangenehme Auswirkungen. Für am gefährlichsten halte ich die Aktivitäten der Sekten, die längerfristig in der Lage sind, das Klima in der Gesellschaft für uns schrittweise zu verschlechtern und damit unsere GegnerInnen in jedweder Szene und Stellung ermutigen, gegen uns wieder stärker vorzugehen. (js)
 
Dokument der Schwulenfeindlichkeit:
NEIN zur Homosexualität
Homo-Männer und Homo-Frauen fordern Anerkennung und Gleichberechtigung. Sie werden unterstützt von pseudowissenschaftlichen Publikationen angeblicher Experten, von großen internationalen Organisationen und dem sog. Kinsey-Report.
Dieser Report ist Betrug:
Nicht 10 Prozent, sondern nur 1 bis 2% der Bevölkerung haben homosexuelle Neigungen.
Homosexualität ist keine Liebe!
Homosexualität ist Verirrung, Verführung, Neurose.
Einschlägige psychologische Untersuchungen ergeben:
Homos haben eine unreife, egozentrische und infantile Persönlichkeit. Sie sind Neurotiker und Sklaven pervertierter Sex-Sucht.
Homobeziehungen sind voller Eifersucht, Einsamkeit, Depression und Selbstmordgefahr.
94% aller Homo-“Ehen“ scheitern innerhalb eines halben Jahres.

Alle Studien seit 1860 bestätigen eine dramatisch verkürzte Lebensdauer von Homosexuellen.
Der neurotische Homo-Komplex wird erworben durch traumatische Jugenderfahrungen der Einsamkeit unter gleichgeschlechtlichen Altersgenossen.

Homos leiden unter mangelhafter Identifikation mit der eigenen Geschlechterrolle.
Menschen mit homosexuellen Neigungen brauchen Hilfe auf dem Weg zu einem gesunden Empfinden und einem gesunden Selbstwertgefühl.

Homosexualität ist kein Menschenrecht.
Homosexualität ist ein schwerer Verstoß gegen das 6. Gebot Gottes: Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!
Homosexualität ist freiwillige Selbstzerstörung der eigenen Menschenwürde (Immanuel Kant)
oIch bin gegen die Praxis der Homosexualität.

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CHRISTLICHE MITTE
für ein Deutschland nach GOTTES Geboten.
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