60. LUST, Juni/Juli 00
Die "Männermoral"
Inwieweit widerspricht die Moral, die Männer vertreten können, ohne als Macho oder Weichei diffamiert zu werden, wenn Männer oder Frauen in der Nähe sind, der sexuellen, Beziehungs- und Lebensrealität? Haben Männer generell die Funktion in der Gersellschaft, Fragen der Moral insgeheim zu unterlaufen und sich offiziell an der Frauenmoral zu orientieren?
 
Ich bin ein Mann wie jeder Mann... (Text aus My Fair Lady)
Oberst Pickering: "Higgens, sind Sie ein Mann von Charakter, wenn es sich um Frauen handelt?"

Professor Higgens: "Haben Sie je einen Mann von Charakter getroffen, wenn es sich um Frauen handel?"

Oberst Pickering: "Jawohl, sehr oft."

Professor Higgens: "Nun, ich nicht. Ich habe festgestellt, wenn ich zulasse, daß eine Frau sich für mich interessiert, wird sie sofort eifensüchtig, anspruchsvoll, mißtrauisch, irgendeine vermammte Plage. Umgekehrt, wenn ich mich für eine Frau interessiere, werde ich sofort zum Egoisten und zum Tyrannen. So bin ich nun einmal, ein eingeschworener alter Junggeselle. Und ich gedenke es auch zu bleiben. Alles in allem, Pichkering, ich bin eine Mann wie jeder Mann.

Und ich wünsche mir nicht mehr, als daß man mir die Chance gibt, zu leben so, wies mir gefällt und nur zu tun, was mir beliebt. Jawohl ein Durchschnittmensch, der nie exzentrisch lebt, und der nur eins begehrt, unbeschwert, das zu erreichen, wonach er grade strebt, nur ein Mann, wie jeder Mann.

Doch laß ein Weib an dich heran, dann gib es auf, dein eignes Ich, bis zum Dach vom Keller aus, dekoriert sie um, dein Haus, und am Ende jubiliert sie, denn dann renoviert sie dich.

Oh laß ein Weib an dich heran, und du bist schutzlos ohne Schild. Wenn du irgendetwas planst, plant sie das, was du nicht ahnst, und weil du nicht willst was sie will, und sie das, was du willst nie will, wirst du wild. Du redest gern von Wilde und Milton, sie nur von Love, und das mit dir, und im Theater siehst du gar nichts, weil du den Hanschuh suchst von ihr.

Oh laß ein Weib an Dich heran, dann fängt der Kampf ums Dasein an. Viele macht der Trauring froh, mir gefällt mein Finger so. Lieber laß ich mir tagtäglich zwanzig Zähne ziehn wohlmöglich, aber nie laß ich ein Weib an mich heran.

Bin ein friedfertiger Mann, der gern abends sitzt im Zimmer, ungestört, ein Buch im Schoß; still, wie im unentdeckten Grabe eine alten Pharaos, ein Mann der denken kann, von Philosophen lernt, studiert und meditiert, redigiert, weit vom unmenschlichen Lärm der Welt entfernt. Nur ein friedliebender Mann.

Doch laß ein Weib an dich heran, und die Vernunft läßt dich im Stich, denn dann kommt sie statt mit Kant, mit ihren Tanten angerannt, und die reden über jeden und die ganz besonders blöden über dich. Und die Familie, die sie mitbringt, und obendrein noch Frau Mamas, so recht Walkürenhafte Stimme, wenn die nur Flüstert, bricht schon Glas. Oh laß ein Weib an dich heran. Nein ich lasse nie ein Weib an mich heran."
 
In der 59. LUST stand ein Artikel über die Frauenmoral, über die moralische Verantwortung, die Frauen für die Familien und auch die Gesellschaft übernehmen. Einige Zitate, die wir veröffentlichten, legten nahe, daß die Menschheit in einen Zustand der Barbarei verfiele, gäbe es keine Frauen.

Nun, es gibt sie, die Frauen, und sie erfüllen diese Rolle noch immer, auch wenn sie z.B. feministisch Männermacht zurückdrängen, denn gerade diese Rolle ermöglicht es ihnen, persönliche Macht auszuüben. Diese persönliche Macht wird unter heutigen Bedingungen zunehmend auch zur gesellschaftlichen Macht, was früher nicht der Fall war, denn die Moral, die Frauen in der Gesellschaft zu vertreten haben, war ja nicht ihre eigene Moral (obwohl sich viele Frauen auch damit identifizieren), es war die Moral der gesellschaftlichen Obrigkeiten, die eine doppelmoralische Rollentrennung aufrecht erhalten wollen und sie auch brauchen. Und nicht nur Männer werden dadurch gefesselt, sondern natürlich besonders auch Frauen.

Die morallosigkeit der Männer wird und wurde ja auch gesellschaftlich gebraucht, beim Soldatentum und anderen "männerbündlerischen Sozialgruppierungen", wie dies vom Soziologen Schelsky benannt wurde.

In diesem Referat kam ich zu dem Urteil: "Das traditionelle Ausgrenzen der Frau aus der Gesellschaft, das Begrenzen der Frau auf den engen Bereich der Beziehung bewirkte für Frauen die Kompetenz und Rollenzuweisung, für die Moral der Gesellschaft zuständig zu sein. Das immer größere Ausrichten des Mannes für die Berufswelt erlaubte dem Mann, sich von den zwischenmenschlichen Verpflichtungen entfernen, verlangte dies auch vom Mann.

In der Berufswelt lernte der Mann, daß das, was gerade gebraucht wird, auch geliefert zu werden hat. Kreativität und Anpasungsbereitschaft werden von zwischenmenschlichen Bereichen hin zu sachlich und fachlich zielgerichteten Aufgabenstellungen umgelenkt. Und das wirkt dann zurück auf das Freizeitverhalten. Dort wünscht sich der Mann auch zielgerichtetes und sachbetontes Verhalten. Was er gerade bräuchte, soll auch da sein. Ganzheitliche Strukturen werden zerstückelt. Arbeitsteilung überwiegt auch hier. Der berufstätige Mann bräuchte für jedes seiner Bedürfnisse eine andere 100%ig passende Frau (beziehungsweise einen Mann)."
Das Referat in der 59 LUST legt nahe, einmal zu untersuchen, wie es denn unter solchen Umständen mit der Moral der Männer bestellt ist.

Demnach wäre die Moral des Mannes die Morallosigkeit, denn alles hat zweckdienlich zu sein.
 
1. Die Moral des normalen Mannes
Männer haben drei Bedürfnisse: Vögeln, Töten und Geld machen. Ich habe jedoch fast nur Männer kennengelernt, die dem Töten weniger frönen konnten, beim Vögeln nichts besonderes leisten und Geld nur in bescheidenen Beträgen verdienen. Marilyn French
Die Männermoral ist also das, was bei dem Erreichen dieser Ziele nutzt? Frauen vertreten also die Moral in der Gesllschaft, für das Erreichen der Ziele der Männer ist Moral nur hinderlich?

Es ist keineswegs so, daß die Frauen die besseren Menschen sind; sie hatten nur bisher nicht so viel Gelegenheit, sich die Hände schmutzig zu machen. Alice Schwarzer

Ist es nicht auch so, daß Frauen durchaus beim Moralisieren ihre eigenen Ziele vertreten und daß Männer immerhin feste Prinzipien haben, nachden sie handeln?

Die Natur hat die Frauenzimmer so geschaffen, daß sie nicht nach Prinzipien, sondern nach Empfindungen handeln sollen. Georg Christoph Lichtenberg

So kann es also vorkommen, daß eine Frau das "Empfinden" hat, ein Krieg sei unmenschlich, während ein Mann aus Prinzip gegen den Krieg ist? Sicherlich ist es so, daß ein Wesen, dem es erlaubt wird, sich gemäß seiner Empfinden zu entscheiden, eher im Sinne eigener Interessen handeln kann und den ach so zwingenden Argumenten der Männergesellschaft ausweichen kann. Zu den Prinzipien eines Mannes gehört, so liest man, daß er männlch ist, sich nicht durch Gefühle und Empfindungen von seinen Hehren Zielen abbringen läßt.

Wie kann ein Mann ein Ding lieben, das ihm zum Trotze auch denken will? Ein Frauenzimmer, das denkt, ist ebenso ekel als ein Mann, der sich schminkt. Gottfried Ephraim Lessing

Männer dürfen also nicht versuchen, durch das Schminken zu gefallen, durch das Nachgeben gegenüber den Gefühlen Weichheit aufkommen zu lassen. Männer müssen sich selbst gegenüber hart sein, dürfen nicht "weibisch" sein.

Eine Uniform tragen, die die Blicke auf sich lenkt, Meldungen entgegennehmen, sich über Karten beugen, mit Gefolge durch Mannschaftsstuben und über weite Plätze traben - verfügen, besichtigen, bombastisch reden, das schafft Vorstellung von Raumausfüllung, individuelle Axpansion, überpersönliche Auswirkung, kurz jenen Komplex, dessen der durchschnittliche Mann bedarf. Gottfried Benn

Hier kritisiert Benn mit großer Kälte das, was Jungen von klein auf andressiert bekommen, um dann so zu werden, wie die Gesellschaft Männer haben möchte. Benn kritisiert nicht die Gesellschaft, sondern das gesellschaftliche Produkt. So schummelt er sich selbst auf die gute Seite. Männer, die gegen sich selbst brutal sein können, sind in der Lage auch gegen andere brutal zu ein.

Welches Ziel der Mann auch immer erreicht, er verdankt es seiner Brutalität. Karl Liebknecht

Ein Mann, der diese brutale Rolle gegen sich selbst und andere nicht in dieser Form spielt, ist der ein Versager oder ein besserer Mensch?

Alle großen Männer sind bescheiden. Gottfried Ephraim Lessing

Der bessere Mensch ist nicht gefühlvoll und versucht nicht anderen zu gefallen, er geht keinen eigenen Lustgefühlen nach, sondern er bescheidet sich, er ist altruistisch.

Hasenfüße markieren besonders gern den "starken Mann". Christian Götz

Der bessere Mensch ist so mutig, daß er nicht Stärke vorgeben muß. Der Mann als besserer Mensch ist so stark, daß er Schwäche eingestehen kann.

Die Rohheit der Männer hat ihren Ursprung in ihrer Schwäche. Ludwig Börne

Ein roher Mann ist in Wirklichkeit schwach. Er hat es nötig, nach außen hin Brutalität vorzugeben. Der größte und stärkste Mann ist aber der, der sogar Kritik anderer erträgt.

Es ist ein Lob für einen Mann, wenn man seine Fehler sagen darf, ohne daß er groß zu sein aufhört. Johannes von Müller

Große Männer haben also auch Fehler. Man darf sie in der Regel nicht ansprechen. Man ignoriert sie. Die Niederungen des Allzumenschlichen gehören in eine andere Welt, die mit der Moral des Mannes nichts zu tun hat. Eher besäuft man sich mit harten Getränken, anstatt schwach und weich zu sein.

Ein deutscher Mann mißtraut allem Fremden, es sei denn, es läßt sich trinken. Kurt Tucholsky

Wein, Weib und Gesang, das ist dann die Entschädigung? Bestimmt ist dann nicht die treue Mutter am Herd gemeint, wenn sich der Mann entschädigen will.

Für mich ändert die Frau mit sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahren das Geschlecht; sie wird etwas anderes als eine Frau, sie wird etwas, das man nicht mehr begehrt. Henry de Montherland

Mutter und Hure, das sind die beiden Rollen, die eine Frau für den Mann zu spielen hat. Eine Frau die älter als 27 Jahren ist, eine Frau, die selbständig denkt, eine Frau also, die so ist wie ein Mann, olch eine Frau ist nicht mehr begehrenswert.

Weibern, die da Herren im Haus sein wollen, zu dienen, ist nicht allein lästig, sondern auch schändlich. Sie sollen nicht über Männer, sondern über Kinder, Schafe und Esel herrschen. Martin Luther

Besonders die Frau im Hause, sie darf nicht durch Selbständigkeit dem Manne in den Rücken fallen.

Um die Ordnung in der Familie aufrechzuerhalten, müssen die Klügeren die anderen lenken. Darum ist die Frau von Natur aus dem Mann, bei dem der Verstand herrscht, untertan. Thomas von Aquin

Sie dürfen im nicht widersprechen, denn sie unterstützen damit den Mann nicht, in dessen herten Lebenskampf, in dem er bestehen muß, um die Frau und die Kinder zu versorgen.

Unter Konversation versteht die Frau die Kunst, andere nicht zu Wort kommen zu lassen. Afred Polgar

Die Worte von Frauen stören dann, wenn Mann nicht über sie hinweggehen kann. Sie verstehen nämlich in Wirklichkeit nichts von der männlichen Ehre. Fragt sich, warum sich eine Frau überhaupt in eine solche Lage begeben sollte, die ihnen aufgrunf der Männermoral zufällt? Nun, weil sie den Mann lieben. Und für Männer ist es auch besser oder edler, wenn sie sagen, sie würden diese Frau lieben, statt daß sie sagen, ihre Drüsen haben sich gefüllt, drängen nach Entladung und das geschieht am besten, wenn es unter stark aufreizenden Bedingungen geschieht. Damit bekommt man eine Frau nicht dazu, Mutter der Kinder zu werden. Aber Männer wissen ja, daß sie dann selbst auch nicht mehr Frei sind.

Die Liebe ist wie ein Fieber, das zwei Menschen gleichzeitig befällt. Wer von beiden zuerst gesundet, den langweilt der andere gräßlich. Stendhal (Henri Beyle)

Leider ist es notwendig, auch wenn der Zustand des gebremsten Schaumes sich gelockert hat, immer noch so zu tun, als befändere man sich im schwärmerischen Zustand der Vorlust, denn Kindererziehung dauert ihre Zeit.

Liebe ist die einzige Sklaverei, die als Vergnügen empfunden wird. George Bernhard Shaw

Doch die besseren Menschen unter den Männern, kritisieren, daß die wahre Liebe für Männer gar nicht existiert, und sie unterstellen damit, daß es sie irgendwo geben muß.

Sex und Lust gehören den Frauen; wir Männer spüren oft nicht einmal, was damit gemeint ist. Frederico Fellini

Und die klügeren Menschen unter den Frauen kritisieren, daß wahre Liebe un das Erotische in der Ehe für Frauen gar nicht existiert, obwohl es sie natürlich geben muß, sonst ist das Leben von Frauen an der Seite von Männer ja ohne Sinn. Und sie wissen auch, wer dafür verantwortlich ist, daß Frauen sie mit dem Wischlappen in der Hand, nicht mehr das erotische der Situation so recht empfinen können:

Vor allem anderen macht Anhängigkeit vom Mann Frauen unfähig, sexuelle Lust zu empfinden. Alice Schwarzer

Die Männermoral ist also, wenn man es so recht betrachtet, eine dreistöckige Doppelmoral.
 
2. Was ist denn nun die Männermoral?
Kluge Frauen und Männer, die wissen, daß die Zitate der Autoren aus unterschiedlichen Zeiten stammen, wenden nun ein, daß es heutzutage so nicht mehr sei.

Ist dem qualitativ wirklich so? Quantitativ würde ich ihnen recht geben. So extrem, wie es nach den Zitaten aussieht, scheinen die Geschlechterrollen nicht mehr auseinander zu liegen, wie das bei Thomas von Aquin oder Luther zum Ausdruck kommt. Und doch begegnet man heutzutage Zeitgenossen, die scheinbar im Scherz solche Phrasen von sich geben. So etwas sagt man nicht grinsend, ohne Gefallen daran zu finden.

Ob heutzutage die quantitative Veränderung in dieser Frage schon einen qualitativen Sprung verursacht hat, scheint mir fraglich zu sein. Man sollte nicht vergessen, daß wir in Europa, USA usw. nur kleine Inseln sind, mit relativ emanzipierten Verhältnissen. Man braucht nicht unbedingt in die muslimischen Staaten zu gehen, um eine sehr männerdominante Rollenverteilung erkennen zu können. Der Macho ist noch lange nicht ausgestorben.
 
Man muß innerhalb der dreistöckigen Männermoral unterscheiden. Da gibt es

1. Männer, die (als beste Freundin von Frauen) eine Moral vertreten, die ich in der 59. LUST als "Frauenmoral" definiert habe. Der empfindsame Mann ist eine Errungenschaft der Emanzipation der Frau. Diese Sorte Mann ist stolz darüber, daß sie auch von emanzipierten Frauen als mehr oder weniger gleichwertig angesehen wird. Sie sind aber nicht wesentlich anders als ein Familienvater, nur berechnender.

2. Männer, die ohne jegliche Moral nach dem Nützlichkeitsdenken vorgehen: was gerade zur Erreichung eines wirtschaftlichen, sozialen oder sexuellen Zieles dienlich ist, wird als Prinzip oder Moral vorgegeben. Erkennbar sind sie daran, daß sie selbst nicht dem entsprechen, was sie von anderen verlangen.

3. Männer, die an die Tugend des aufrechten soldatisch oder preußischen Deutschen Mannes glauben, der sein Äquivalent in allen Völkern hat. Diese Moral ist im Grunde vergleichbar mit der "großer Männer", die sich in gegenseitiger geschlechtsloser Bewunderung philosophisch über die Welt auslassen und sich in einer solchen Stimmung durch das prophane Auftreten einer Frau nur gestört fühlen, die sie an die Niederungen erinnert; beispielsweise, daß der Mülleimer immer noch nicht runtergetragen wurde, daß nach dem Kind gesehen werden müsse, daß die Nachbarin übel über die Familie geredet habe usw.
 
Noch einmal "My Fair Lady": Kann ein Frau nicht sein wie ein Mann?

Professor Higgens:
"Pickering, kann eine Frau, nicht sein wie ein Mann? Männer sind ehrlich, gediegen und echt, zu jeder Zeit nobel, historsch gerecht. Wenn du sie schlägst sie schlagen nie zurück, oh nein, kann eine Frau nicht auch so sein?
Muß denn jede so wie tutti frutti sein. Eine spricht nur was die andre sprach. Muß das Vorbild ausgerechnet Mutti sein, warum schlägt keine mal dem Väterchen nach.

Kann eine Frau nicht schaun auf den Mann? Männer sind freundlich, von Güte durchwebt. Ein besserer Mitmensch hat niemals gelebt. Wärn sie beleidigt, wenn ich stundenlang stumm denke?"
 
Oberst Pickering: "Durchaus nicht!"
 
Professor Higgens: "Wenn Ihr Geburtstag mir entfällt, schmolln sie mit mir?"
 
Oberst Pickering: "Unsinn!"
 
Professor Higgens: "Verstimmts sie, wenn ich ihnen keine Rosen schenke?"
 
Oberst Pickering: "Niemals!"
 
Professor Higgens: "Kann eine Frau nicht sein wie wir?

Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann? Männer sind taktvoll, diskret und dezent. Immer gleich hilfreich, wenns irgendwo brennt. Für den Kollegen tun sie alles allemal. Wann sind die Frauen kollegial? Redest du von Vernunft, gehn sie sofort hinaus. Logisch haben sie noch nie gedacht. Pudern sie die Stirn, dann sieht sie weißer aus, doch was dahinter ist, bleibt schwarz wie die Nacht. Wenn ich eine Frau wär; und wär es der Fall, man hätt mich Prinzessin genannt, auf dem Ball, würd ich dann heulen bis ich selbst im Wasser stehe?"
 
Oberst Pickering: "Na hörn sie!"
 
Professor Higgens:" Und mich wie etwas aufführen, was dem Zoo entwischt?"
 
Oberst Pickering: "Blödsinn!"
 
Professor Higgens:"Und nicht sagen, wenn ich weggehe, wo ich hingehe?"
 
Oberst Pickering: "Higgens!"
 
Professor Higgens: "Kann eine Frau nicht sein wie ich?"
 
3. Verhalten in der Schwulenszene
Aus der heutzutage am weitesten verbreiteten Männer-Moral, der zweiten, die ich hier definiert habe, ergibt sich in Fragen der Sexualmoral etwa die Position, die Henry de Montherland in seinem oben stehenden Zitat definiert hat. Eine Frau muß etwas Jugendlichens, Kesses usw haben, um sexuelles Interesse wecken zu können. Ist sie älter, wirkt sie in ihrer Mutterrolle, die ja als Moral-Garant steht, unerotisch. Ist sie erfolgreiche Kollegin oder Vorgesetzte, dann ist sie unerotisch.

Genau das gleiche Bild finden wir massenhaft in der männlichen Schwulenszene. Der Partner muß jugendlicher usw. sein. Ältere Männer wirken unerotisch, weil man ihnen in der Gesellschaft und im Berufsleben in unerotischen Rollen begegnet, als Vorgesetzte im Arbeitsleben, als gestrenge Aufpasser usw. Sie lassen sich auch nicht so leicht durch imponiergehabe beeindrucken. Ältere Männer in der Schwulenszene erhalten keine Zuwendung und werden nur als lästig und Konkurrenten empfunden. Ihnen traut man alles zu, was man als kritikwürdig ansieht. Sie haben nicht das begehrte Geschlecht.

In der Schwulenszene ist das am häufigsten auftauchende Ethikmodell der Utilitarismus, also das direkteste Nützlichkeitsdenken. Utilitarismus hat etwas soziales, wen es nach dem Nutzen der Allgemeinheit geht. In der Schwulenszene werden die gemeinsamen schwulen Interessen aber ständig zugunsten des eigenen Nutzens verraten. Ähnlich wie der ihm entsprechende Hetero fühlen viele schwule Männer keine Verantwortung für irgendeine Moral. Professor Lautmann hat in den 70er Jahren diskutiert, ob nicht versucht werden sollen, in die Schwulenszene eine gewisse Ethik einzupflanzen.
 
Daß er moralisch sein, das behauptet der am häufigsten auftretende schwule Mann nur, wenn er an jemanden interessiert ist, von dem er annimmt, daß der die große Liebe sucht.

Im Grunde könnte dieser Mann aber verschiedene Männer gut gebrauchen. Ein kesses Dummchen, das als Betthäschen taugt, dann einen verantwortlich denkenden und handelnden Partner, der das gemeinsame Haus zusammenhält, mit dem man ernstzunehmende, auf gemeinsamer Grundlage angesiedelte Gespräche führt, der ihm aber geschlechtslos geworden ist, wie die Ehefrau des heterosexuellen Mannes und Mutter dessen Kinder.

Wenn der normale Schwule in die Szene cruisen geht, um den spontanen Mann für die Nacht zu finden, dann erwartet er, allerhand im Angebot vorzufinden, wie in einem Selbstbedienungsladen. Ihn interessieren nicht etwaige vielleicht bestehende Beziehungen. Ihn interessiert nur der Erfolg für diese Nacht. Und damit das nicht so prinzipienlos klingt, wie es zweifellos ist, hat er ein Repertoir gut klingender moralsicher Rechtfertigungen für sein Verhalten, das ihn als Anhänger des Moralmodells 1 oder 3 ausweist, meistens jedoch 1. Eine Analyse dieser Situaton möchte er nicht lesen.

Diese Moral, die unter heterosexuellen und schwulen Männern vorherrschend ist, entspricht der Moral in der Wirtschaft unserer Tage. Junge Leute von Heute müssen sich auf eine Arbeitswelt enstellen, in der sie nur zeitweilig einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben werden. Sie werden auch zeitweilig in sozial ungesicherten Billigjobs arbeiten müssen, als Scheinselbständige, dazwischen Auszeiten usw. Bei solch zerrissenen Berufsbiographien, von der die Wirtschaftsführer unsrer Tage sagen, daß wir uns daran zu gewöhnen haben, ist ein Nützlichkeitsdenken auch in anderen Fragen schon angelegt. (Joachim Schönert)
 
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