59. LUST, April/Mai 00
- Unsere Lebensträume
Sind unsere Wunschträume für
unser Leben genau so spießig und "normal" wie
die der Heteros an ihr Leben? In
der Frage steckt, daß die Wünsche der Heteros spießig
und "normal" sind. Und sind Schwule bzw. Lesben denn
nicht "normal", nicht mal in den Träumen?
Was ist eigentlich spießig? Der Spießbürger
ist ein nur mit dem Spieß bewaffneter städtischer
Bürger, der die Stadtrechte gegen fürstliche Übermacht
zu verteidigen versuchte. Heute, als Menschen einer bürgerlichen
Gesellschaft, sehen wir die bürgerlichen Werte als fortschrittlich
gegenüber den Werten der monarchistischen Gesellschaft an.
Der Spießbürger hatte aber auch für das Einhalten
der städtischen Ordnung zu sorgen.
-
- Der Spießer ist heutzutage ein kleinlicher
engstirniger Mensch (lt. Meyers Lexikon). Was also ist kleinlich
und engstirnig? In dem berühmten türkisch-kurdischen
Film YOL empffindet ein kurdischer Mann die Frauen als spießig,
die darauf achten, daß er mit einer sexuellen Begegnung
mit seiner Verlobten bis zur Ehe wartet, und ihn und seine Angebetete
auf Schritt und Tritt überwachen.
-
- Der gleiche Mann, dann als Ehemann, verbietet
seiner Frau, mit anderen Männern ohne seine Genehmigung
zu sprechen. Das finden er und auch sie nicht als spießig.
Später verurteilt er seine Frau zum Tod durch Erfrieren
durch Ausschluß aus der Gemeinschaft, da sie in seiner
Abwesenheit zur Prostituierten wurde. Ihm bleibt keine andere
Wahl, da er sonst in der Gesellschft und vor seinen Söhnen
als ehrlos gilt, was schlimme gesellschaftliche Folgen hat.
Was also als kleinlich und engstirnig empfunden wird, ist jeweils
abhängig von den eigenen Interessen gegen gesellschaftliche
Zwänge und den unkritsch übernommenen moralsichen Zeitgeistströmungen
in der Gesellschaft. Letztere werden durch die Gesellschaft sanktioniert,
das heißt daß das Einhalten belohnt, das Abweichen
bestraft wird.
Und was ist "normal"? Es heiß, daß "normal"
ist, was der jeweils geltenden Norm entspricht. Was aber ist
in Fragen der ausgelebten Sexualität die Norm? Ich würde
antworten, daß die ausgelebte Sexualität in eine sogenannte
Liebesbeziehung eingebaut ist, wenn nicht gar in eine Ehe. Die
massenhaft stattfindende Prostitution taucht zwar historisch
zusammen mit der monogamen Ehe auf, ist sozusagen eine Randerscheinung
der Ehe, gilt aber als unmoralisch und gehört daher nicht
zur Norm. Bei solch einer Sexualität gehe es nämlich
nur um Triebbefriedigung und nicht um das höher Ziel der
Liebe.
Mir geht es in diesem Referat um die Frage, ob innerhalb der
Lesbenszene, der Schwulenszene die gleichen Normen und Verhaltensrichtlinien
gelten wie für die Heten.
Um die Frage, die der Titel uns stellt, beantworten zu können,
sind eine Reihe von Punkten zu untersuchen:
1. Was ist gesellschaftliche Normalität bei heterosexuellen
Frauen und Männern?
2. Gibt es Lebensträume der Heten, die die heterosexuelle
Normalität bestätigen oder die ihr widersprechen?
3. Was ist die gesellschaftliche Normalität bei Lesben und
bei Schwulen?
4. Gibt es Lebensträume (wenn ja, welche?), die der Normalität
entsprechen oder ihr widersprechen?
5. Lassen sich Widersprüche zwischen den Realitäten
und Träume der Heteroszene und der Lesben- und Schwulenszene
erkennen?
- 1. Was ist gesellschaftliche Normalität
bei heterosexuellen Frauen und Männern?
Als Student für das Lehramt habe ich in den frühen
70er Jahren, mein schwules Coming-out und die studentische Sexrevolte
nicht nur im Hinterkopf, beauftragte ich eine 8. Klasse mit einem
Aufsatzthema, bei dem sie von ihrem Freizeitleben träumen
durften, wenn sie dereinst mit der Schule und Berufsausbildung
fertig sein sollten. In einer 8. Klasse sind die SchülerInnen
zwischen 13 und 15 Jahre alt. Während die Jungs sich in
solcher Weise äußerten, die von Frauen als jugendliche
Unreife abgetan wird, las ich etwas ratlos die Texte der Mädchen.
Als unreif bei den Jungen wird gewertet, daß sie zwar von
einer Freundin träumen oder über sie berichten, aber
diese in ihr geträumtes zukünftiges Freizeitverhalten
nicht einbeziehen. Sie gehen mit anderen Jungen aus, erleben
Abenteuer in der Welt, bei denen eine feste Partnerin gedanklich
nicht auftaucht, lernen ansonsten immer neue Mädchen kennen
usw. Die Freundinnen sind schlicht da, wenn sie von den Jungen
gebraucht werden - abends und alleine. Jungen seien in diesem
Alter noch unreif, hört man besonders von Lehrerinnen.
Bei den Mädchen aber las ich: "... dann wasche ich
ihm das Geschirr ab, ..." oder "Im Urlaub versorge
ich die Kinder und wasche die Wäsche" oder Ähnliches.
Mir kamen damals die Anworten der Mädchen als unreif und
eng vor, die der Jungen dagegen nicht. Ich wußte ja nicht,
daß "Reife" oftmals als das erreichen genormter
Verhaltensweisen gilt Mir waren allersding die Antworten der
Junen näher. Hatte ich doch vor meinem schwulen Coming-out
mit Mädchen auch die Erfahrung gemacht, daß meine
damaligen Freundinnen zu meinem Ärger eher meine ganze Freizeit
mit mir teilen wollten, was ich als zu eng empfand, weil es mein
ganzes Leben liebgewordene Marotten zu verändern drohte,
während sich die Sache mit dem Bett weit schwieriger anließ,
als ich hoffte. Offensichtlich muß ein Mann in der Heteroszene
erst eine Reihe von Anpassungesprüfungen ablegen, bevor
er mit seiner Freundin Sex haben darf.
Das sahen meine Lehrer-Kolleginnen aber ganz anders, denn das
Anpassungsverhalten des Mannes an die Normen der Frauen seien
ja nur ein Beweis der Liebe. Aus der Sicht von heterosexuellen
Frauen kann ich deren Interessenswahrnehmung nachvollziehen.
Es wird von ihnen eine ganz andere Hingabe erwartet als beispielsweise
bei einer flüchtigen Begegnung zwischen zwei Männern.
Offensichtlich gibt es aber einen Interessensgegensatz zwischen
heterosexuellen Frauen und Männern in Sachen Sex.
Gibt es keine gesellschftspolitischen Utopien und Wunschträme
über das Zusammenleben und das aktive Ausleben sexueller
Begierden? Was läßt sich aus den Ergebnissen unseres
Sexfragebogens zu diesem Thema erkennen?
Zunächst einmal ist er kein Lebens-Traum-Fragebogen. Aber
es gab die Frage nach den sexuellen Wunschträumen. Von 981
Menschen gaben 311 an, daß sie ihre Sexualität derzeit
"treu in einer festen Beziehung" erleben, das sind
nahe 32%. Von den heterosexuellen Männer gaben dies 52%
an, 26% leben ihre Sexualität überwiegend alleine aus,
also mit sich selbst. 56% wären gerne treu in einer festen
Beziehung, 30% mit Seitensprüngen, 27% wünschen sich
aber auch Sex mit mehreren Frauen gleichzeitig. Das ist ein Widerspruch
zwischen Treuewunsch und der gewünschten sexuellen Sensation.
Von den heterosexuellen Frauen gaben 58% an, treu in einer festen
Beziehung zu leben, 15,3% erlebten ihre Sexualität überwiegend
alleine. In ihren Wunschträumen wären gerne 62% treu
in einer festen Beziehung, 9% wären gerne mit mehreren Männern
gleichzeitig im Bett aber 31% gaben an, sich heimliche Seitensprünge
zu wünschen.
Hier überwiegt also das, was man Normalität nennt,
bei den Frauen mehr als bei den Männern. Und das nicht nur
in der Realität, sondern auch in den angekreuzten Wunschträumen.
Sexualität wird außerhalb vorgeschriebener Schienen
immer noch als Minderwertig empfunden. Die Einbindung der sexuellen
Handlungen in das kirchlich ideologisch flankierte und staatlich
sanktionierte Wirtschafts- und gesellschaftliche Arbeitsteilungsmodell
ist hier in der Realität wie in den Wunschträumen deutlich.
Man kann also sagen, daß Normalität vorherrscht.
-
- 2. Gibt es Lebenswünsche der Heten,
die die heterosexuelle Normalität bestätigen oder die
ihr widersprechen?
Demnach gäbe es auch in der Alternativszene der großen
Festivals (wo der Fragebogen auslag) keine Krise der Ehe, alle
können zufrieden sein und man könnte, wie damals Kanzler
Schmidt, die Unzufriedenen fragen: "Was wollt Ihr eigentlich
noch?" Aber Unzufriedenheiten lassen sich auch im Fragebogen
erkennen.
-
- Doch werten heterosexuelle Frauen ihre Unzufriedenheiten
als eigenes Versagen oder als Folge einer Beziehung mit dem falschen
Mann. Daß möglicherweise die Beziehungstruktur nicht
in der Lage ist, den Zufriedenheitsstatus zu erzeugen, den man
sich in dieser Überhöhung von der Zweierkiste verspricht,
braucht dabei nicht erkannt zu werden. Und heterosexuelle Männer
wollen zwar sexuelle Sensationen außerhalb ihrer Ehe ausleben,
oder unter Einbeziehung der Ehepartnerin, aber der Rahmen, der
von Gesellschaft und Ehe vorgezeichnet wird, geht vor.
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- 3. Was ist die gesellschaftliche Normalität
bei Lesben und bei Schwulen?
Ob sich jemand an der gesellschaftlichen Normalität orientiert
(für die geworben wird, der man sich nicht entziehen kann,
die gesellschaftlich sanktioniert wird) hat etwas damit zu tun,
ob er einen Fluchtweg in die Normalität für ihn offenstehen
sieht.
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- Die gesellschaftlichen Sanktionen, die Anpassen
belohnen und das Ausscheren bestrafen oder verunmöglichen,
haben nämlich eine durchschlagende Wirkung im eigenen Wohlbefinden:
Gewissen, Schuldgefühle, sich in der Umwelt aufgenommen
fühlen usw., so daß man bestrebt ist, sich lieber
entsprechend zu verhalten. Erst wenn man keine Möglichkeit
mehr erkennt, gesellschaftlich integriert halbwegs zufriedenstellend
zu leben, ist man bereit, den Konflikt mit sich selbst, seinem
näheren Umfeld und der gesellschaftlichen Norm zu wagen.
Das kennen Lesben und Schwule zumindest anssatzweise aus ihrem
eigenen Coming-out.
Hat man sein lesbisches oder schwules Selbstbewußtsein
erworben, daß man also für seine Vorlieben sich nicht
mehr selbst verachtet, wünscht man sich, daß man in
unserer Szene die Normen und Werte der heterosexuellen Gesellschaft
erfüllt bekommt, die ja dann noch in uns stecken, als erstrebenswerte
Lebensziele. Das ist natürlich ein Widerspruch in sich und
belegt, daß das Coming-out uns nur die allerkleinsten unbedingt
notwendigen Schritte gehen ließ.
Was sagt uns unsere Sexumfrage über die Lebensrealität
und die Wünsche von Lesben und Schwulen?
Von den schwulen Männern leben nach eigenen Angaben 30%
ihre Sexualität treu in einer festen Beziehung aus, 25%
in One-Night-Stands, 23% überwiegend alleine. 55% geben
an, sich Sex in der treuen Beziehung mit einem Partner zu wünschen,
43% haben mit mehreren Männern gleichzeitig Sex und 42%
mit festem Partner und zusätzlichen Seitensprüngen.
Mehrfachnennungen sind möglich, Kombinationen zwischen den
Aussagen häufig.
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- Daß dies deutliche Widersprüche
in sich trägt, hat etwas mit der Lebensrealität und
den dazu widersprüchlichen Normen- und Wertevorstellungen
zu tun. Man bekennt sich zu treue und springt lustig seitwärts,
man vergöttert den einen Freund und ersehnt sich Sex mit
mehreren Männern gleichzeitig in der Masturbationsphantasie.
Niemand scheint zu versuchen, diese unterschiedlichen Handlungsweisen
ehrlich zusammenzubringen.
Erklärungsversuch: Noch immer können schwule Männer
am besten im Berufsleben, schwule Jugendliche in der Schule mit
MitschülerInnen zurechtkommen, wenn sie sich heterosexuell
geben. So ist es auch kein größerer Widerspruch, daß
man im sexuellen Ausleben heterosexuelle Normen und Strukturen
als Realität anstrebt und vorgibt, während gelebte
Realität und Wunschträume außerhalb stehen. Es
läßt sich jedoch bei schwulen Männern der deutlichste
Gegesatz zwischen Wunschträumen und oft auch Lebensrealität
mit den Normen und Werten erkennen, an die sie selbst glauben.
65% der lesbischen Frauen erleben ihre Sexualität treu in
einer festen Beziehung, 24% überwiegend alleine. 73% der
lesbischen Frauen wünschen Sex in ihren Wunschträumen
mit ihrer treuen Partnerin, 26% wollen dabei gelegentliche Seitensprünge
und nur 7% mit mehreren Frauen gleichzeitig verkehren.
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- Hier ist also die größte Monogamierate
zu erkennen, weit größer als unter Hetero-Frauen und
natürlich Männern (siehe oben). Interessant ist aber,
daß gerade bei lesbischen Frauen eine relativ große
Skepsis gegenüber der Institution Ehe existiert, andererseits
eine starke Anlehnung an eheähnliche Strukturen als lesbische
Norm. In Kontaktanzeigen lesen wir aber gerade in letzter Zeit
immer öfter, daß man aber nicht klammern möchte
oder vielleicht etwas genauer, daß man Frauen sucht, die
nicht klammern. Wie das aber gehen soll, in einem Monogamie-Modell
in Anlehnung an die kirchlich-staatliche Ehe, scheint mir noch
nicht derart beantwortet zu sein, daß lesbische Frauen
damit im realen Leben auch zufriedenstellend umgehen könnten.
Wenn lesbische Zweierbeziehungen und schwule sexuelle Begegnungen
an sich nicht mehr durch direkte gesellschaftliche Verteufelung,
durch Strafgesetze oder Ermordung von Lesben und Schwulen verfolgt
werden, dann können die gleichen Normen der Gesellschaft,
die für unsere Verfolgung und Unterdrückung verantwortlich
waren, in unserer Szene ungehinderter Raum greifen und Einfluß
gewinnen, weil niemand die Notwendigkeit mehr erkennt, sie in
Frage zu stellen.
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- 4. Gibt es Lebenswünsche der Lesben
und Schwulen, die die heterosexuelle Normalität bestätigen
oder die ihr widersprechen?
Augenfällig - nicht nur in unserer Sexumfrage - ist, daß
es artikulierte Lebenswünsche gibt, die den normalen Vorgaben
entsprechen. Dies ist überwiegend bei Lesben zu erkennen.
Vielleicht sind aber im heterosexuellen Sinne "normale"
Lebenswünsche bei Lesben gar nicht normal? Vielleicht ist
der Bruch, nun so mit einer Frau zu leben, wie sich das eine
heterosexuelle Frau mit einem Mann erhofft, dies aber kaum erhält,
für lesbische Fraue ein sehr großer Schritt, so daß
sie das heterosexuelle Monogamie-Gebot gar nicht in Frage stellen
wollen?
In lesbischen Beziehungen scheinen sich die Wünsche so wie
gewünscht auch nicht zu erfüllen. Constanze Ohms hat
mit ihrem Buch über Gewalt in lesbischen Beziehungen eine
grundlegendere Fragestellung aufgeworfen, als der Autorin selbst
klar zu sein scheint. Die Autonomie der geliebten Person wird
von Frauen seltener geachtet als von Männern, von lesbischen
Frauen ganz besonders selten. Die Autonomie eines anderen Menschen
wird von Frauen generell selten geachtet. Das wurde uns auch
am Infostand beim Ausfüllen der Sexfragebögen deutlich
demonstriert.
Augenfällig ist aber auch, daß es überall eher
zaghafte Widersprüche dagegen gibt. Wenn in Kontaktanzeigen
zunehmend Frauen gesucht werden, die nicht "klammern",
dann ist dies ein Reflex auf unangenehme Erfahrungen. Unklar
ist, ob die Suchende selbt ihre Beziehungsvorstellung überprüfen
möchte, oder ob sie das nur von der anderen Frau verlangt.
-
- Die Lesbenszene hat noch nicht lange die
Möglichkeit, sich selbständig untereinander zu verständigen,
ohne von außen eingreifende Normierungsversuche. Es ist
zu erwarten, zumindest möglich, daß erlebte Erfahrungen
auch ausgetauscht werden und dadurch emanzipatorische Trends
entstehen.
In der Schwulenszene ist die eigenständige Reflektion über
angemessene Lebens- und Beziehungsmodelle, wie man sie in den
70er Jahren beobachten konnte, durch die Aidskatastrophe nachhaltig
zurückgeworfen wenn nicht gar ausgelöscht worden. Damals
war von schwulen Wohngemeinschaften, von Beziehungsnetzen und
anderen Formen des Zusammenlebens- und liebens die Rede, die
eine gangbare Aternative zur unbefriedigenden Szenen-Promikuität
darstellen sollte. Es ging darum, solche Beziehungen zu erarbeiten,
die dem schwulen Leben entsprechen und keine Lügen mehr
benötigen.
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- Und die Ehedebatte der bürgelichen Schwulen
mit gehobenen Verdienst hat der Beendigung eines emazipatorischen
Prozesses noch die Krone aufgesetzt. Das heterosexuele Zwangsmodell
kommt ideologisch zunehmend in Mode, das Unterlaufen dieses Modedells,
oft unter persönlichen Schuldgefühlen, zumeist aber
Schuldzuweisungen an andere führt zunehmend wieder zu einem
widersprüchlichen Doppelleben, dem Gegenteil einer emanzipatorischen
Entwicklung. Die Folgen, z.B. auch für die Aidsaufklärung,
liegen auf der Hand.
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- 5. Lassen sich Widersprüche zwischen
den Realitäten und Wünschen der Heteroszene und der
Lesben- und Schwulenszene erkennen?
Zunächst einmal lassen sich sowohl bei den Wunschträmen
als auch bei den Realitäten, besonders aber bei den Wertevorstellungen
deutliche Widersprüche zwischen Frauen und Männern
erkennen, sowohl bei den Heten als auch bei uns. Es ist sehr
deutlich: Hetero-Frauen leben in einer anderen Realität
als Hetero-Männer, Lesben leben in einer anderen Realität
als Schwule.
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- Auch wenn wir die gleichen Worte benutzen,
stehen jeweils andere Welten dahinter. In der Lesbenszene leben
sich Vorstellungen und Werte aus, die heterosexuelle Frauen mehr
oder weniger vergeblich gegenüber ihren Männern durchsetzen
wollen. Und schwule Männer haben oftmals eine Lebensrealität,
die sich heterosexuelle Männer nur erträumen können.
Dennoch sind alle unzufrieden.
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- Die Unzufriedenheit rührt aber meiner
Meinung nach aus dem Widerspruch zwischen Ansprüchen und
Normen der Gesellschaft her, die oftmals verinnerlicht sind,
während im Leben Anderes passiert und darüber hinaus
noch andere Sehnsüchte vorhanden sind.Dies zu ändern
würde von uns emanzipatorische Anstrengungen nötig
machen. Voraussetzung für Emanzipation: kritische Distanz
gegenüber dem Vorgegebenen. (Joachim Schönert)
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