- 38. Lust: Okt/Nov 96
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- Sind wir noch zu retten?
- Wir, also wir Frauen meine ich, leiden seit
einiger Zeit an akuter Persönlichkeitsspaltung. Vielleicht
sollte ich sagen, wir rasen wie verrückt gewordene Hennen
durchs Leben und wissen nicht, wo wir unser Ei legen sollen,
aber für diese Bemerkung reißen mir alle Feministinnen
die Ohren ab.
Dennoch stellt sich bei den meisten weiblichen Wesen eine gewisse
Sinnleere ein, die weder durch Alkohol und Tabletten, noch durch
Gurus gefüllt werden kann.
Sie schwärmen aus und suchen, nach was wissen die wenigsten,
aber sie suchen. Die einen meditieren, andere gründen Kegelvereine.
Ja, ja, die fröhlichen Keglerinnen, die ein oder zweimal
im Jahr ihre Kegelkasse auf den Kopf hauen und in riesigen Herden
die Hotels unsicher und sich selbst Iächerlich machen.
Dann gibt es noch die sogenannten Work-Shops, Wörk-Schopps,
Würg-Shops, eben solche Veranstaltungen, in welchen das
eigene Ich gemeinsam erforscht wird.
Töpfern in der Toscana ist zwar ein alter Hut aber immer
noch recht beliebt, besonders bei Chianti-Liebhaberrinnen. Am
Tage steckt frau oder man also bis über die Ohren in Ton
und abends wird über die dabei gemachten Erfahrungen diskutiert.
"Nun, ich wußte gar nicht, daß Ton so glitschig
ist."
"Aber was hast Du dabei empfunden?"
"Ich hab' bald gekotzt."
Na, das war sicher noch der Rotwein vom Vorabend, aber gut, daß
wir mal 'drüber geredet haben.
Ich denke nicht, daß solche Unternehmungen zur Selbsterkenntnis
beitragen, aber wenigstens hat frau am Ende genug Geschirr um
die ganze Verwandtschaft auf Jahre hinaus zu beschenken.
Seminare. Hochtrabender Begriff mit wenig Inhalt. Neuerdings
kann frau sich auf die Suche nach der verborgenen Wölfin
in ihr selbst begeben. Natürlich nur unter sachlicher Anleitung
und gegen gutes Geld.
Frau zeltet im Wald, nachdem sie stundenlang durch die Pampas
gefahren ist und dreimal die Abfahrt verpaßt hat. Weit
weg von jeglichem Komfort traben die Frauen durch den Wald und
horchen in die Natur, wahrscheinlich hören sie nicht viel
außer ihren eigenen knurrenden Mägen.
Zerschlagen wieder im Camp, ein paar Cola aus der Kühlbox,
Fraß aus Konservendosen. Zurück zur Natur - Nichts
wie weg!
Und dann, am Lagerfeuer Auskotzen der Seelenschmerzen bis zum
beklatschten Zusammenbruch. "Gut gemacht, Schwester!"
- Wenn's nicht so traurig wäre, würde ich lachen, bis
mir das Mittagessen hochkäme. Wir heulen wie die Wölfe,
pardon, Wölfinnen. Oh ja, was sind wir doch für Tiere!
Starke Frauen, die nichts mehr erschüttern kann, außer
der nächsten Telefonrechnung, den Daheimgebliebenen, der
Hausarbeit, den Kollegen, dem Finanzamt oder der defekten Waschmaschine.
Wozu braucht eine starke Wölfin all das? BIöde Frage,
aber im Wald sehen die Dinge ein kleines Bißchen entfernter
aus. Die gestärkten Wölfinnen kehren zurück zu
nörgelnden Kindern , wehklagenden Ehemännern und eifersüchtigen
Freundinnen.
"Bei so vielen Frauen lasse ich dich auch noch alleine hingehen?!"
"Deine Scheiß-Bälger haben mich nächtelang
auf Trab gehalten!!"
Und nun, meine Damen? Heulen wir sie an oder zerreißen
wir sie nach Wolfsart?
Einen Dreck tun wir, kriechen in unseren Bau zurück, warten
auf bessere Zeiten und darauf, daß die Kinder erwachsen
werden oder unsere Freundin in die Wechseljahre kommt, weil wir
ihre allmonatlichen Marotten nicht mehr ertragen können.
Das bringt mich auf eine Idee! Wie wäre es mit einem Seminar
für gemeinsames Menstruieren? Alle Frauen werden von einer
Sachkundigen an frühere Kultstätten geführt und
warten gemeinsam auf das Einsetzen der Periode.
Sie hocken bei Vollmond im Kreis und machen Atemübungen
während die Wissende von keltischen Kulten erzählt,
von kultischen Kelten, keltischen Kelten.
Solche Seminare hätten immer Zulauf, denn das Mystische
hält wieder Einzug in unser weibliches Leben. Auf der Suche
nach der Großen Mutter, der Muttergöttin. Ob es irgendwann
einmal eine Wiederentdeckung Hollas gibt?
Schön wäre es, außerdem belebt Konkurrenz das
Geschäft. Meine Mutter sagte früher immer: "...und
wenn du tot bist, dann sitzt du auf Gottes Schoß".
Welches Entsetzen tat sich auf! Gottes Schoß?
Ich wollte weder auf seinem, noch auf dem eines anderen männlichen
Wesens sitzen. Dann schon viel lieber im Schoße der Göttin.
Eine Schelmin, die Böses dabei denkt.
(Daniela Gonschorek)
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