- 33. Lust: Dez 95/Jan 96
- Auswertung eines taz-Artikels
- Lesben, gibts die noch?
- Vom 29.9. bis 1.10. trafen sich 120 feministische
"Lesbenforscherinnen" in Hamburg zum dritten Symposium
unter dem Titel "Lösen wir uns selbst auf?", bei
dem es hauptsächlich um das Thema "Zur Krise der Kategorie
Lesbe" ging.
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- Der Titel alleine schon zeigt, um was es
den 120 feministischen Kongreßteilnehmerinnen ging. Es
ging den Professorinnen, Publizistinnen und anderen bedeutenden
lesbischen Feministinnen um die Definition, was eine Lesbe sei.
Und der Streit ging darum, ob eine Erweiterung der Kategorie
"Lesbe" zu mehr feministischer Macht führe oder
zu Selbstauflösung der, ja, wessen denn? Der Lesben? Oder
der feministischen Macht der Lesben?
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- Oder der Macht der Feministinnen über
die Lesben, die sie als ihre Machtbasis ansehen? Viola Roggenkamp
beschreibt in der taz vom 5.10. dann auch ihre Position zu der
Fragestellung. Unsere Fragestellung ist eher, wie eine selbsternannte
Elite dazu kommt, die Lesben nach dem Gesichtpunkt des Machterhalts
zu erforschen und bei der Gefahr des Machtverlustes über
die Lesben von einer Selbstauflösung der Lesben zu sprechen.
Wie auch die Schwulen werden Lesben existieren, unabhängig
von dem Versuch, sie über Definitionen manipulieren zu wollen.
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- Die Frage, ob die Ausweitung der Kategorie
"Lesbe" zur Machterweiterung oder zur Auflösung
der Kategorie führt, beantwortet die Autorin dann auch in
ihrem kommentierenden Bericht über das Symposium, indem
sie die Statements der anderen Frauen gar nicht ausführlich
darstellt, sie aber dann durch lange Statements ihrerseits widerlegt
und kommentiert.
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- Und das liest sich dann beispielsweise so.
"Aus welchen Gründen fragt heute die Wissenschaftlerin
Sabine Hark: 'Wi1l Girls be Boys?' Ablehnung von Weiblichkeit
am eigenen Körper? Lust an Irrungen und Wirrungen? Lust
an der Konkurrenz und der Kategorie Mann? Um im Gegenzug den
männlichen Körper verschwinden zu lassen?
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- Lust an der Auflösung von allem? Alles
zu sein? Mehr war nicht zu erkennen. Sabine Harks kam in Hosenträgern
und Fliege. Und da wir gerade dabei sind, alle kamen in Hosen.
Dreimal war an diesem Wochenende ein Rock, einmal ein Kleid zu
sehen. Kleidung ist kategorisch zugeordnet. Mit Kleidern läßt
sich augenfällig am einfachsten eine Geschlechtskategorie
demontieren. Einzelne Stücke aus einem anderen Kleiderschrank
herauszunehmen, kann dem Raub von kategoriefremden Geschlechtsmerkmalen
gleichkommen. "
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- Auffallend ist in ihrem Beitrag, daß
nicht mehr von heterosexuellen und homosexuellen Frauen die Rede
ist, sondern von Mann, Frau und Lesbe. Abgesehen davon, daß
hier in feministischer Weise der Mann an sich als Gegner kategorisiert
ist, der schwule Mann ist eben auch ein Mann, wird die Hetera
zur Frau per se.
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- Manche Beiträge muten aufgrund dieser
Kategorisierungen schon beinahe lächerlich an. Und zwar,
wenn die Linguistinnen Silka Martens und Michaela Blomberg van
der FU Berlin im Projekt "Lesbische Identität und Sprache"
irritiert erkennen, daß die "Versuchslesbe" im
Gespräch mit der Hetera gleichviel Platz einnahm wie der
Mann mit der Hetera.
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- Graphische Linien zeigten, daß die
Lesbe im Gesrpräch mit dem Mann ihm noch mehr unterstützende
"mhms" gegeben hatte als der Hetera und als die Hetera
dem Mann. Am erfreulichsten, kommentiert da Roggenkamp, sei da
die Paarung Lesbe/Frau gewesen, im Gegensatz z.B. zur langweiligen
Paarung Versuchslesbe/Lesbe.
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- Roggenkamp schreibt, daß die Möglichkeiten,
sich als lesbisch wahrzunehmen, bei Ausweitung des Begriffes
vielfältiger und sporadischer würden. Und sie nennt
als Beispiele: "Neben der tradierten Subbevölkerung
butch (die Frau, die als Mann auftritt) und femme (die Frau,
die als Hetera begehrt sein will) wären etwa auch einzelne
Angehörige katholischer Bildungsstätten Lesben, oder
Mannequins - da sie sich für Frauen schön machen -
ganz einfach als Angehörige eines lesbischen Berufes.
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- Ebenso Besucherinnen von Frauendampfbädern,
für die ihr Saunatag ihr Lesbentag wäre ..." Mit
diesen Beispielen will sie natürlich den Versuch lächerlich
machen, daß jede frau selbst für sich definieren kann:
"Ich bin eine Lesbe", was das gegenseitige Akzeptieren
von Lesben überhaupt möglich machen würde.
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- Auch ihre Definition, was butch und femme
sei, führt vom selbstbestimmten Sichausleben weg in die
von ihr verurteilenswerten Kategorien Mann und Hetera. So hat
sich also Roggenkamp entschieden, eine Ausweitung des Lesbenbegriffes,
wie sie ihn definiert, nicht zuzustimmen, weil sie dadurch feministischen
Machtverlust über die Lesben befürchtet. Dies bringt
uns zu dem Urteil, daß ein weiterer Schritt der Emanzipation
der Lesben eigentlich nur stattfinden kann, wenn die Lesben sich
von der feministischen Bevormundung befreien.
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- Der Feminismus ist von seiner ursprünglichen
Absicht eine Ideologie zum Erreichen der Gleichberechtigung der
Geschlechter und zum Abbau der Männerprivilegien. So verstanden
ist er auch von Lesben zu unterstützen. Aber bei diesem
Feminismus wird ja sogar die einfache Tatsache einer sexuellen
Identität, nämlich die durchaus körperliche Liebe
der Frau zur Frau, zu einem ideologischen Begriff umgewandelt,
bei dem die körperliche Tatsache gar keine Rolle mehr spielt.
Das Erkennen, eine Lesbe zu sein, ist nämlich ein individueller
Prozeß. Hieraus ist nicht abzuleiten, wie sich diese Frau
dann später fühlt, kleidet, verhält usw.
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- Der feministisch-ideologische Begriff "Lesbe"
will aber den frauenliebenden Frauen vorschreiben, wie sie sich
zu fühlen, zu kleiden, zu verhalten haben. Die Lesben werden
sich einen Dreck darum scheren. Es macht den Anschein, daß
nicht die Lesben sich selbst auflösen, sondern der Feminismus
in der Krise ist. Renate Schönert/Joachim Schönert
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