110. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2012
 
Beziehungen von Schwulen
im Vergleich mit Beziehungen von Lesben
und den gesellschaftlichen Hetenvorgaben
Denen geht es immer nur um Sex. Schwule sind Sexbetont. Die ganze Schwulenszene ist sexbetont. Dies wird von der normalen Gesellschaft als unormal angesehen, wird von den Schwarzer-Lesben als unnormal angesehen und eben auch von Schwulen im Coming-out.
Und deshalb gibts ja auch viele Frauen und doch eine Reihe von konservativen Schwulen, die es wichtig finden, auf das Coming-out von Jungschwulen Einfluss zu nehmen.
 
Geht denn das? Kann man/frau denn auf die Moral von schwulen Männern Einfluss nehmen, indem man versucht, ihr Coming-out einerseits anzuerkennen und andererseits auszurichten?

Und weil wir in einem heterosexuell normierten Umfeld leben, dominieren zuerst heterosexuelle Normalitäten unser Leben. weil diese allgemein als normal angesehen werden.

Das Wesentliche für schwule Männer modernen Typus, die ganz selbstverständlich schwul sind, ist das schwule Beziehungsleben. Und wenn sie ihr Coming-out schon in jungen Jahren bewältigen konnten, suchen sie gleich bei der Ablösung der Herkunftsfamilie schon gleich eine Beziehung mit anderen Schwulen oder dem einem Schwulen aufzubauen.
 
Unsere Formen des Zusammenlebens
Für uns aber heißt dies also, dass es gar keine traditionelle beziehungsweise übergeordnete Notwendigkeit gibt, eine ganz bestimmte Form des Zusammenlebens für irgendwie natürlich oder normal zu halten: wir haben die Möglichkeit, uns in Absprache völlig frei zu entscheiden und das zu wählen, was uns im Moment, für einige Zeit oder überhaupt als am sinnvollsten erscheint.

Dabei stoßen wir allerdings auf Schwierigkeiten, nämlich dass frei gewählte Formen des Zusammenlebens und Liebens in der Gesellschaft auf die für selbstverständlich gehaltenen Gewohnheiten treffen, die als normaler, besser, moralischer gewertet werden.

Dies lässt unsere frei gewählten Beziehungen teilweise besser oder schlechter erscheinen, je nachdem wie nahe sie der sogenannten „normalen Ehe” kommen.

Und noch mehr: die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind parteiisch, indem sie nur die eine vorherrschende Lebensform unterstützen. Wer anders leben möchte, muss entweder viel Geld haben oder kann in Isolation geraten. Dies wurde auch durch die Einführung der Homo-Ehe in unsere Szene beschleunigt, die sich an die patriarchalische Ehe anlehnt, statt dass der Staat alle selbst gewählten Formen des Zusammenlebens so akzeptiert, wie es die Beteiligten wollen.

So funktioniert also die Integration in eine Gesellschaft, indem die Minderheiten nun nach langen Kämpfen auch so leben dürfen und nun sollen, wie die Mehrheit, wie es die anderen müssen.

Daher bleiben für uns im eigentlichen nur zwei Modelle in engerer Wahl, wobei das zweite Modell sich aufteilt, sodass es in Wirklichkeit 3 Modelle sind:
 
1. Die “Alles-oder-Nichts-Form”,
die es ja auch im Hetenbereich gibt, nämlich eine Ehe als Lebens-(ab-schnitts)partner-schaft, also eine auf sexuelle Ausschließlichkeit ausgerichtete und vielleicht für ewig geplante Partnerschaft, so lange sie eben dauert.

Kanzler Schröder war ebenso wie sein grüner Außenminister Fischer in der jeweils 4. Ehe (nicht miteinander). Diese Ehe bzw. Beziehungsform scheitert, wenn das brisante sexuelle Verlangen aneinander nachlässt, die Beziehung also nicht mehr „alles” ist und das sexuelle Interesse an einem anderen Menschen immer stärker hervortritt.

Besonders bei Jugendlichen ist wieder genau diese Lebensform Mode. Sie möchten diese Lebensform bei Beginn diese Beziehung für ewig haben, und sie ist doch erfahrungsgemäß die kürzeste aller Lebensformen.
 
2. Die normale Ehe, Version 1
Sie überlebt auch dann, wenn das eine oder andere nachlässt, beispielsweise das gegenseitig befruchtende intellektuelle Anregen oder/und die beiderseitige sexuelle Lust aneinander.

Das hat zur Folge, dass man dann eben auf die intellektuelle Anregung verzichtet und auf Sexualität. Die Beziehung bzw. Ehe bleibt bestehen, die Partner leben so zusammen, wie ihnen das nun möglich ist, nachdem sie noch eine Zeitlang versucht haben, sich gemeinsam aufzupeppen.
Dazu gibt es Paartherapien usw.
 
Diese Eheform wird von Staat und Kirche als die Ehe angesehen, die den Anspruch einer moralischen Ehe erheben kann.
 
3. Die normale Ehe, Version 2
Diese Beziehung bleibt bei den oben definierten Bedingungen auch bestehen, jedoch verzichten die Partner nicht auf intellektuelle Anregung und brisante sexuelle Lust, indem sie sich eben die jeweilige Anregung von außen holen. KollegInnen vom Arbeitsplatz, Stammtische usw. sorgen für den intellektuellen Input.

Prostitution, Verhältnisse und Liebschaften, Swingerclubs, Porno-Sessions, Stöhntelefonsessions und Internetsessions usw. lassen das individuelle Sexuelle nicht ersterben. Die Beziehung ist ihnen zu viel Wert, als dass sie diese abbrechen wollen. Daher beschreiten sie einen Weg, der in gewisser Weise an den Volksstamm der Moso und ihre matriarchalische Beziehungsformen erinnert.

Die Beziehungspartner werden sozusagen zu Geschwister, leben in enger partnerschaftlichen Vertrautheit und akzeptieren, dass die Partner sich von außen die Anregungen holen (jeder für sich oder vielleicht beide zusammen mit den gleichen „flüchtigen Besuchen” oder mit jeweils anderen), die ihnen angenehm erscheinen.
 
Was ist denn bei uns Schwulen üblich?
Bei Schwulen finden wir auf ersten Blick auch im wesentlichen die Alles-oder-Nichts-Beziehung vor, aufgebaut auf sexuelle Monogamie, besonders bei Schwulen im jugendlichen Alter.

Diese Beziehungsform wird von ihnen als eine Alternative zur beziehungslos gelebten Promiskuität angesehen, die in der Szene stattfindet. Zwar gibt es auch einige Beziehungen der normalen Ehe Version I, aber unter den Beziehungen, die 3 Jahre oder länger andauern, findet man nahezu ausschließlich die normale Ehe Version II.
(Was überhaupt nicht untersucht wurde, sind viele schwule Männer, die in ihrer Herkunftsfamilie leben bleiben und reine Sexkontakte mit Männern suchen, beziehungsweise die heterosexuell verheirateten Männer, die ihre Homosexualität nur außerhalb ihrer Ehe suchen.)

Zurück zu den normalen Ehe Version II. Diese Beziehung als Mehrheitsform ergibt sich nicht nur aus unseren eigenen Beobachtungen und unseren Sex-Umfragen, sondern auch aus der empirischen Untersuchung von Rolf Pingel und Wolfgang Trautwetter, erschienen 1987 in der Reihe „Sozialwissenschftliche Studien zur Homosexualität”, herausgegeben von Rüdiger Lautmann mit dem Titel „Homosexuelle Partnerschaften”, Verlag rosa Winkel, Berlin.

In dieser Untersuchung gibt es zwei Vergleichsgruppen:
In der 1. Gruppe handelte es sich um zusammenlebende Männer in einer mindestens dreijährigen und fortdauernden Beziehung.

In der 2. Gruppe handelt es sich um beziehungslose aber beziehungssuchende Männer, die schon Erfahrung mit kurzen Beziehungen hatten (Alles-oder-Nichts-Beziehungen).

Der homosexuelle Mann fürchtet offensichtlich generell, seine Unabhängigkeit einzubüßen, und hält auch in einer Beziehung an seiner Unabhängigkeit über seinen Körper aber auch über andere Lebensbereiche bei, zum Beispiel seine wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Die Beziehungsfähigkeit homosexueller Männer beziehungsweise ihr Wunsch nach mitmenschlicher Nähe ist unterschiedlich stark, je nachdem wie beängstigend und verletzend sie vorher ihre Her-kunftsfamilie oder frühere engere Freundschaften erleben mussten, wie also z.B. ihr Coming-out verlief.

Daraus ergaben sich auch die beiden hier unterschiedlichen Gruppen. Ihre jeweilige Be-ziehungsfähigkeit ist die Folge von mehr oder weniger stark auftretender Beziehungsangst bzw. Angst vor zu großer Nähe.

Und so findet sich bei den Partnern in länger andauernden Beziehungen kein Interesse (mehr), eine sogenannte sexuelle Treue vom Partner zu erwarten beziehungsweise sie einzuhalten. „Diese Voraussetzungen führen beispielsweise zu anderen Vorstellungen über die `Treue‘ als sie in der heterosexuellen Welt dominant vorherrschend sind. Homosexuelle Männer sehen einander vielfach auch dann als `treu‘ an, und stellen die Beziehung nicht infrage, wenn sexuelle Treue im Sinne einer Ausschließlichkeit nicht gegeben ist.” (a.a.O. S. 85).

Die Autoren schreiben weiter, dass die länger zusammenlebenden Paare sich „... weder heterosexuellen Paaren bloß anpassen noch ein radikales Kontrastprogramm entwickeln. Die Partner werden vielmehr ihre Werte und Ideale so bestimmen, wie es ihnen gemäß ist.” (a.a.O. S. 86).

Eine neue empirische Untersuchung wäre wichtig, weil in Zeiten einer größeren gesellschaftlichen Integration, der normativen Wirkung der erlaubten Verpartnerung homosexueller Menschen und somit die Integration in das patriarchalische Beziehungsmodell sich die sexuellen und die Parameter in Beziehungsvorstel-lungen verändert haben.

Martin Dannecker und Reimund Reiche kritisieren übrigens überhaupt den Denkansatz der Fragestellung als eine eher heterosexuelle Fragestellung, weil homosexuelle Männer generell promisk leben und daher die Frage, ob sie dies ohne oder mit Beziehung machen, unerheblich sei. Diese Auffassung kann ich in ihrer Ausschließlichkeit nicht ganz teilen.
 
Lesbische Beziehungen
Bei Lesben dominiert die patriarchalische Alles-oder-Nichts-Beziehung, in anderen Fällen die normale Ehe Version I, in sehr wenigen Fällen auch Version II.

Für die Version II gibt es aber nur einen kleinen Kontaktmarkt unter Lesben, und die z.B. im Internet inserierenden Frauen wollen eher eine Alles-oder-Nichts-Beziehung und kein Date, weil sie das zumeist als unmoralisch empfinden.

Die aus der patriarchalischen heterosexuellen Ehe stammenden und von vielen lesbischen Frauen als positiv gewerteten Auffassungen über eine moralische oder unmoralische Frau steht einer sub-kulturellen lesbischen Kontaktszene im Wege. Im Gegenteil wirken auch die häufig benannten und beschriebenen subkulturellen Les-bencliquen hier eher moralbestätigend.

Für diese Behauptungen müssen wir auf unsere Beobachtungen und die Einschätzungen lesbischer Freundinnen zurückgreifen, was natürlich keinen empirischen Anspruch erheben kann. Sie werden aber durch unsere beiden Sexumfragen, an denen über 1.000 Personen teilnahmen, bestätigt.

Es gibt unseres Wissens keine empirischen Forschungen über lesbische Beziehungen, beziehungsweise sind uns keine bekannt, wir sind aber sicher, dass wir mit unseren Behauptungen über die Formen lesbischer Beziehungen richtig liegen.

Wir fühlen uns auch durch Ilse Kokula bestätigt, die in Ihrem Buch „Wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten – Lesbisch leben in Deutschland”, 1987 bei KiWi die Interviews von 17 Frauen darstellt. Außerdem hat Helma Eller bei den Lesbenfrühlingstreffen Frauen zu unterschiedlichen Themen befragt, u.a. in einem Jahr auch zu ihren Beziehungsvorstellungen. Auch diese Antworten bestätigen unsere Behauptung. Das alles sind natürlich keine empirische Forschungen.
 
Das lesbisch-schwule homosexuelle Umfeld
Die Szene ergänzt für die homosexuellen Frauen und Männer das, was ihnen in ihrem täglichen Leben fehlt. Auf diesem Markt wird das angeboten, wofür es einen Bedarf gibt.

Will man untersuchen, wie Lesben und Schwule leben, reicht die Struktur der vorgefundenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Beziehungsform nicht, sondern es bedarf auch der Untersuchung des Lebens in der Subkultur, die sie um das lesbische und schwule Leben gebildet hat und die in den Nischen der vorherrschender (vorherrschcenden) Kultur angesiedelt ist.

1974 legten Martin Dannecker und Reimut Reiche eine soziologische Untersuchung über männliche Homosexuelle in der Bundesrepublik vor, unter dem Titel „Der gewöhnliche Homosexuelle”, erschien sie im Fischer-Verlag. In diesem dicken Wälzer finden sich u.a. auch empirische Untersuchungen darüber, welche Funktion die unterschiedlichen Einrichtungen der Subkultur, die Kneipen, Klappen usw. für die Bedürfnisse homosexueller Menschen haben.

Wir lesbischen und schwulen Menschen benötigen neue Untersuchungen
Eine neue Untersuchung wäre notwendig, denn das Internet als Kontaktfaktor, die Generationsspaltung innerhalb der Szene, die Möglichkeit der gesetzlichen Verpartnerung sowie die Auswirkungen der AIDS-Pandemie haben hier viel geändert.

1983 legte Ilse Kokula in der Reihe „Sozialwissenschaftliche Studien zur Homosexualität”, herausgegeben von Rüdiger Lautmann, ihre Beobachtungen in Treffpunkten lesbischer Frauen in Westberlin vor, von ihr mit „Feldforschung” benannt. Dieser 3. Band der o.a. Reihe heißt „Formen lesbischer Subkultur – Vergesellschaftung und soziale Bewegung”.

Hier untersucht sie die Bars, die Cliquen und die Emanzipationsgruppen, unter denen sie auch subkulturelle Gemeinsamkeiten erkennt.

Auch hier muss gesagt werden, dass es unterdessen neuerer Untersuchungen bedarf. Die Insellage der westberliner Subkultur ist verschwunden, die Subkultur der Lesben hat sich entschieden verändert und ist auch wieder deutlich unsichtbarer geworden.

Wie wir Lesben und Schwule uns unsaer Leben einrichten ist von vielen Rahmenbedingungen und unterschiedlichen Wissen um diese Zusammenhänge geprägt. Und da ist es durchaus anmaßend, wenn sich unterschiedliche PolitikerInnen in der medialen Öffentlichkeit bewertend dazu äußern.

Man sollte nicht übersehen, dass es für uns nicht so einfach ist, ständig neue gangbare Wege zu erarbeiten, wenn die Umwelt und ein unbedachter Teil unserer Szene anders tickt.

Die Beziehung als wirtschaftliche Einheit
Die heteosexuelle monogame Ehe sowie die daraus entstehende Familie mit Kindern werden steuerlich begünstigt, doch werden ihre Mitglieder auch für die anderen Familienmitglieder zur Kasse gebeten, wenn diese lange keine Arbeit haben, wenn sie nicht (mehr?) selber für sich sorgen können usw.

Der Staat sieht in der gesetzlich anerkannten Familienform auch eine Versorgungseinheit, und das kann für unsereins ganz schön ins Geld gehen, es kann uns auch ruinieren.

Die sogenannte Verpartnerung ist auch so aufgebaut, dass der eine Partner wirtschaftlich für den anderen eintritt, doch ein Ausgleich durch gewisse steuerlichen Entlastungen, die der heterosexuellen Ehe und Familie zugute kommen, fehlen. Der Staat sagt uns damit, dass unsere Form des Zusammenlebens nachrangig ist, also dass wir homosexuelle Menschen vom Staat als Menschen geringeren Wertes behandelt werden.

Je mehr sich eine Lebensform von dem Grundmodell der heterosexuellen patriarchalischen Ehe unterscheidet, um so nachteiliger wird dies daher wirtschaftlich und gesellschaftlich für die Beteiligten.

So wissen gemeinsame Bewohner einer Wohngemeinschaft wahrscheinlich gar nicht, dass sie verpflichtet sind, für einen ihrer Mitbewohner wirtschaftlich zu sorgen, sofern dieser wirtschaftlich in Not gerät. Bevor dieser Sozialhilfe beziehen kann, wird erst einmal auf die Konten der anderen Mitbewohner geschaut.

Versicherungen, auch die gesetzlichen Versicherungen, treten jedoch nur für Mitmenschen ein, wenn diese zusammen in einer Lebensform entsprechend des vorherrschenden gesetzlichen Modells leben, an dem die Kirchen mitgestrickt haben, die also gesetzlich als Ehe und Familie privilegiert und anerkannt ist.

Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft sind auch weniger wert, und erst nach langen Bemühen ist die sogenannte Stief-kindadoption auch für homosexuelle Partnerschaften gesetzlich möglich gemacht worden, zum Beispiel nachdem Bayerns Verfassungsklage dagegen abgewehrt wurde.

Dass die Ehe eine Versorgungseinheit ist, wird den Frauen für heterosexuelle Beziehungen wohl auch heute noch von klein auf beigebracht, auch noch in einem Zeitalter in dem beide Ehepartner Geld verdienen.
Dennoch, Frauen (auch lesbische Frauen) heiraten gerne nach oben, das ist geblieben, und sie sehen die Finanzen des Partners distanzlos als ihre eigenen an.

Dieses Verhalten von Frauen in patriarchalischen heterosexuellen Familien wird von Frauen oft, ohne darüber groß nachzudenken, in eine lesbische Partnerschaft mit übernommen. Die führt zu viele Beziehungskonflikten und das unterscheidet so manche Lesbenbeziehung von so mancher Schwulenbeziehung, in der eine größere auch wirtschaftiche Distanz aufrechterhalten wird.

Die Strukturen der patriarchalischen Familie mit dem dort vorherrschenden Geschlechtsrollenverhalten greifen ohne-hin in unsere Beziehungen über, zumal das alles von außen verstärkt wird und anerzogene Rollenbilder somit einfach weitergetragen werden.
 
Die Lehren daraus für unsere lesbischen und schwulen Beziehungen
Es ist also in unseren Beziehungen nicht einfach, etwas Eigenes aufzubauen, was nur zwischen uns beiden (oder uns drei usw.) lebt und nichts mit den Strukturen von außen zu tun hat.

Aber viele Konflikte, die in unseren Beziehungen aufkommen, haben etwas mit der Geschichte der Beziehungen in der Gesellschaft zu tun, von denen ich hier berichtet habe.

Und mit den unreflektierten Gewohnheiten des Umfeldes, die wir in unsere Beziehungen übertragen, bringen wir Elemente mit, die für uns oft gar nicht sinnvoll und nützlich sind. Hinzu kommt noch der staatliche Eingriff, hinter denen oft auch Vorgaben religiös dominanter Vorstellungen stehen, was ebenfalls für uns eher schädlich ist.

Liebe Leute, bevor Ihr also Eure Partnerin bzw. Euren Partner für Streit und Konflikt verantwortlich macht, versucht doch einmal gemeinsam darüber nachzudenken, durch welche Vorstellung aus ganz anderer Quelle wir selber oder der/die Partner/in ihre Ansprüche abgeleitet hat. Eine sogenannte “normale” Beziehung gibt es gar nicht, jede Beziehung ist ein Unikat, unabhängig davon, was um uns herum für selbstverständlich gehalten wird.

Das wichtigste ist, dass wir unsere Fähigkeit nicht verlieren, mit-einander über die Dinge zu sprechen, die zwischen uns stehen, statt aufeinander sauer zu werden. Oft sind das unausgesprochene Ansprüche aneinander, die nur eine/r von und für sich selbstverständlich hält, weil es ihm gerade Vorteile bringt. Über Dinge, die uns gefühlsmäßig angesprochen beziehungsweise verletzt haben, ist es nicht einfach, fair zu sprechen. Sätze wie „wenn Du mich liebst, dann ...” sind erpresserisch und unfair.

Überhaupt sich etwa folgende Aussagen völlig inakzeptabel: „Du hast doch schon einen Freund, warum suchst Du denn hier nach Partnern?”
Denn da wird von einem Alles-oder-Nichts-Modell einer Partnerschaft ausgegangen.

Und unter all den Beziehungsformen, die es bei uns gibt, sind gerade diese die kurzlebigsten, denn hier wird Eifersucht, eine der schlimmsten Egoismen in Beziehungen, gezüchtet.

Und dass wir uns gerne durch unseren Partner bestätigt fühlen wollen, das kann uns dann im Wege stehen, wenn es darum geht, etwas zu akzeptieren, was er/sie lieber mit anderen erleben möchte, weil wir es nicht so recht mögen oder können.

Über solche und noch viele andere Beziehungsfragen muss neu nachgedacht und soll auch in unserer Zeitschrift LUST weiter geschrieben werden. (js)
 
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