- 110. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2012
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- Der Weg in die 50er Jahre?
Wenn man als betagter schwuler Mann durch Zufall ins Gespräch
mit einem jungen Mann kommt, wundert man sich doch, dass dieser
einen durchaus freundlichen und verbindlichen Tonfall an dern
Tag legt. Ds passiert mir auf der Straße sonst kaum.
Doch beim Überdenken fällt mir dann auf, es ist wohl
die soziale Schicht beziehungsweise der Bildungsstand, der den
Unterschied ausmacht. Das ist wohl neu, junge Männer mit
ein wenig Achtung?
Kann man das generell sagen, dass die sozialen Schichten am Umgang
wieder mehr erkennbar werden oder war das ein Zufall? Meistens
erlebe ich ja eher Ignoranz und/oder Ruppigkeit.
Vielleicht liegt es ja auch an meinem eigenem Alter, dass ich
eher eine gewisse Höflichkeit mir gegenüber bemerken
kann. Denn das höfliche Gespräch führt kaum zum
tieferen Gespräch. Es ist knapp und im Grunde unverbindlich,
es ist die professionelle Höflichkeit der 50er Jahre.
Die 50er Jahre bermerke ich auch an den Inhalten der jungen Leute,
mit denen ich ins Gespräch komme. In Beziehungsfragen wird
von dem Ziel einer monogamen tiefen Freundschaft geredet, die
angestrebt oder angeblich vorhanden sei. Bei Normen und Werten
erkenne ich freiwillig vertretene konservative Tendenzen statt
die Rebellion dagegen.
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- Selbst wenn über Sex die Rede ist, begegnen
mir konservative und eher religiös anmutende Normen. Ach
ja, gegen religiöse Eingriffe in unser Leben wehrt man sich
offensichtlich auch nicht, sondern man achtet darauf, dass religiöse
Bekenntnisse wieder geachtet werden.
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- Rebellion? ja, die gibt es auch, nämlich
bei den hilflosen Versuchen, das inhaltlich Erarbeitete an die
folgende Generation weitergeben zu wollen, darauf wollen sich
die meisten nicht einlassen, ihre Werte stammen aus den Erfordernissen
ihrer eigenen Tagesinteressen und die sind nicht an zöhere
emanzipatorische Ziele, sondern an die Alltagsbewältigung
durch vorübergehende Anpassung gebunden. Das ist natürlich
nicht neu, auch wir haben uns eigene Werte erarbeitet und diese
schceinen heute kam noch einen Wert zu haben.
Gleichzeitig ist bekannt, dass im heimlichen heimischen Bereich
sowie im Verborgenen natürlich schon vieles passiert, was
nicht so artig ist, aber eben nicht mehr offen und als Recht
erkämpft, sondern eher als heimliche und schuldbewusste
Handlung.
Diese Trends scheinen unmerklich politisch begleitet zu werden.
Erotische Darstellungen gibt es kaum mehr zu sehen, es sei denn,
man legt es drauf an, sie zu sehen und geht gezielt vor. Aufgrund
der Gesetzgebung dürfen in Deutschland im Internet keine
erotischen Darstellungen mehr gezeigt werden, die sonst überall
zu finden waren. Einrichtungen unserer Szene wie Gayromeo und
Gayroyal sind in die Niederlande umgezogen, weil nach den neuen
deutschen Gesetzen die Darstellung von Nacktheit und besonders
die der erregten Nacktheit eher zu großen Problemen führen
beziehungsweise von zuständigen Menschen geblockt werden.
Die Selbstzensur der Betreiber eigener Seiten hat etwas Moralisches
und durchaus Wohlerzogenes. Im Fernsehen werden bei Filmen über
sogenannte Naturvölker die sogenennten Schamregionen dieser
Menschen, selbst die von Kindern, gepickselt. Was vor einigen
Jahren noch unbefangen und selbstverständlich schien, scheint
vergangen zu sein.
Bei einer Diskussion über Prostitution, wo Volker Beck die
Position vertrat, dass es sich um eine Erwerbsarbeit handele,
und Schwarzer fordete, dass Freier strafrechtlich verfolgt werden
müssten, wurde als 3. Position die Ehefrau eines Ehemannes
befragt, der die Teile seines Sexuallebens, die mit seiner Ehefrau
unbefriedigt bleiben, mit Prostituierten ergänzte, die das
natürlich ganz schrecklich fand, was der Mann und die Prostituierte
dort machen. Dies würde die Ehe gefährden.
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- Wo bleibt denn da das Selbstbestimmungsrecht
über den eigenen Körper? Von solch einer Position war
nicht die Rede. Ehe bedeute eben auch Verzicht, hieß es
und wenn es die lebenslange Unterdrückung männlixcher
sexueller Sensüchte ist. Die Frau bestimmt eben in der Ehe,
was er darf.
Frau von der Leyen regte seinerzeit die Errichtung von Kinderkrippen
an, damit Frauen überhaupt berufstätig sein könnten,
wenn sie es wollten. Damals regte sich besonders die katholische
Kirche darüber auf, weil deren Selbstverständnis von
den Aufgaben der Geschlechter in der Ehe dadurch eine reale Alternative
zu bekommen drohte.
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- Heute bietet Frau Schröder denn Frauen
Geld an, die zuhause am Herd bleiben und ihre Kinder nicht in
die Krippe schicken wollen. In Streitgesprächen mit Kritikerinnen
dieses Palnes erklärten CDU-Frauen, dass mit diesem Geld
erst eine Wahlfreiheit erreicht würde, und damit solle erreicht
werden, dass nicht aus dem Auge verloren würde, was die
Normalität für eine verheiratete Frau sei. Darum geht
es also, um eine bestimmte Form der Normalität, die es in
den 50er Jahren noch gab.
Damals durfte eine Frau nur ein selbständiges Konto führen,
wenn der Ehemann zustimmte, sie durfte auch nur einer Berufstätigkeit
nachgehen, wenn sie ihre Haushaltspflichten dadurch nicht vernachlässigt,
bestätigt durch den Ehemann.
Es stimmt, ganz so weit sind wir noch nicht wieder. Und die Bestrafung
homosexueller Männer für ihre homosexuellen Handlungen
ist auch noch nicht wieder eingeführt worden. Die katholische
Kirche meint ja, sie habe ein großes Mitgefühl mit
homosexuellen Männern, die ohne Sexualität leben müssten,
weil Sex nur in der Ehe ohne Sünde möglich sei und
die christliche Ehe gibt es ja nur zwischen Mann und Frau. Alles
andere sei eine Verirrung, die die Familie in ihrer Grundstruktur
gefährde.
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- Sie versucht daher die Staaten dazu zu bewegen,
keine Homoehe zuzulassen und tritt dafür ein,
Staaten nicht anzuprangern, die Homosexuelle bestrafen, weil
es ein Menschenrecht sei, die Sexualität der Bevölkerung
durch Strafen zu reglementieren.
Es ist schon eine Plage mit diesen älteren schwulen Männern,
die die 50er Jahre noch miterlebt haben und die hellhörig
werden, wenn sie Tendenzen entdecken, die sie an die 50er Jahre
des vergangenen 20. Jahrhunderts erinnern.
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- Die neuen moralischen Jugendlichen, die jegliche
Doppelmoral weit von sich weisen, haben ja die 50er Jahre noch
nicht kennen gelernt, nur die Unmoral ihrer 68er Eltern bzw.
Großeltern. Aber von 2012 bis 2050 ist es auch nicht mehr
so weit.
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- Leider sieht es bei meinem Alter nicht so
aus, dass ich ein 2068 noch erleben kann. Und außerdem,
vielleicht kommt es ja ganz anders. RoLü
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