109. Print-Ausgabe, Winter-LUST 2011/2012
 
Wer sind wir denn?
Es ist schon eine mühsame Angelegenheit, sich schrittweise bewusst zu werden und dann einzugestehen, lesbisch bzw. schwul zu sein. Dann ist es auch nicht so einfach, als Lesbe bzw. als Schwuler in einer heterosexuell dominierten Gesellschaft für sich einen gangbaren Weg zu findn. Da ist frau/man ja froh, dass es überall eine große Szene lesbischer und schwuler Menschen gibt.

Wir lesbischen Frauen
Eines haben wir schon durchmachen müssen, nämlich das Erkennen, dass das, was wir bevorzugen, ein tiefe erotische Freundschaft mit einer Frau ist. Und das geht vielleicht so:

„Sie war die beste Freundin, mit der ich mich über alles unterhalten konnte, was mich umtrieb. Da waren die Streitereien in der Klasse, ihr konnte ich alles erzählen. Sie beklagte sich auch bei mir über ihren Freund. Es waren dann die Kon-taktspielchen mit einigen Jungs, leider wurde es mit einem Jungen etwas mehr. Es war nicht schlecht und er war auch wirklich nett. Und weil der immer so drängelte, habe ich mich halt auf ihn eingelassen. Aber als ich mit ihr immer enger befreundet war, da war das ganz anders, es war das, was ich wirklich wollte. Das habe ich dann gleich gemerkt.
 
Nur sie merkte gar nicht so richtig, was mit mir los war. Auch als wir uns geküsst haben und im Bett iteinander rumgemacht hatte. Als ich ihr sagte, dass ich sie lieber mag als den Jungen, wurde sie stutzig und wollte saich dann nicht mehr mit mir treffen. Das war sehr schlimm für mich. Mir war dann aber auch klar, was mit mit los ist und was ich so suchte. Mit einem schwulen Freund in der Klasse bin ich in ein Schwulenkaffee gegangen, wo auch Frauen waren. Von denen erfuhr ich, dass es auch ein Lesbenlokal gibt. Naja, und so kam es dann.“

So also kann es kommen, oder auch völlig anders. „Mir ist eine gute Beziehung sehr wichtig. ONSs sind nichts für mich. Doch das soll jede halten, wie sie will.

Ich bin glücklich dafür, dass ich lesbisch bin. Die lesbische Gemeinschaft ist mir sehr wichtig, weil dort Frauen sind, die mich verstehen und die ich verstehe. Natürlich gibts dort auch andere, die noch nicht wissen, was sie wollen. Ich hoffe für sie, dass sie sich bald finden.

Mit den schwulen Männern verbindet uns so etwas ähnliches wie eine Kollegialität. Und gemeinsame Feste wie den CSD lassen mich über diese Kollegialität und die vielen Lesbenvereine glücklich sein und freuen.

Das Leben einer lesbischen Frau ist vielseitiger als das einer heterosexuellen Frau, denn die heterosexuelle Frau spielt immer nur die Rolle der Frau eines Mannes. Ich kann auch das Weibchen spielen, aber mir gefällt es auch, eine selbstbewusste Fraue zu spiele, deren Auftreten bei Heterosexuellen als Maskulin diffamiert wird. Selbstbewusstes und zielgerichtetes Auftreten ist für mich nicht maskulin. Kokettes und anschmiegsames Aufrteten ist für mich nicht feminim. Das ist eine heterosexuelle Kategorisierung. Alle Rollen stehen mir zur Verfügung. Ich habe es als Lesbe nicht nötig, mich in die Heten-Frauenrolle drängen zu lassen und vielleicht auch noch die Hausfrau und Mutter zu spielen. Ich genehmige mir da größere Freiheiten.“
Lesbisches Leben kann also viel mehr als das vorgezeichnete „Frausein“ sein. Und lesbisch zu leben ist für viele Frauen ein selbstbewusster und guter Weg, für sie selber angemessen und nach Lage der Dinge angemessen zu leben.

Wir schwulen Männer
Eines ist für mich eindeutig, ich bin nicht der bisexuelle und heterolike Typ, ich bin ein schwuler Mann mit vielen vergnüglichen schwulen Facetten. Ich bin auch nicht grundsätzlich feminim oder im Grunde maskulin, sonders ich bin ich, genau so, wies mir gerade gefällt.

Ich kann sagen, dass ich jetzt nicht nur zufrieden, sondern sehr glücklich bin. Ich lebe mit einem schwulen Mann und zwei lesbischen Frauen in einer WG zusammen. Ich kann nämlich nicht ohne Beziehung leben. es gibt viele schwule Männer, die lieber alleine leben, als sich vereinnahmen zu lassen. Das kann ich gut verstehen. Meine engeren Bezugspersonen, also meine WG, die haben sich jede/r seine/ihre individuelle Autonomie erkämpft, Schritt für Schritt, und doch leben wir in enger Freundschaft und sorgen uns um jede/n unserer WG.

Ich hatte eigentlich immer eine Beziehung. Das began schon in meiner Kindheit, da war ich in einer Beziehung mit meinen Eltern und meiner Schwester. In der Schule mit meinen Mitschüler-Innen, später dann auf der Uni und auf der Arbeit erst im Komilitonen-Kreis, dann unter Kolleg-Innen, immer war ich in Beziehungen. Und diese Beziehungen hatten immer etwas gemeinsam, nämlich keinen Sex.

Sex war mir immer etwas Privates. Heute habe ich enge Freunde, die mich mit meiner Sexualität weitgehend verstehen. In meinen Beziehungen früher kams gar nicht darauf an. Die hatten so ihre Denkschubladen über mich, in die ich nie reinpasste. War aber auch egal.

Sex war bei mir immer Mangelware. Also Sex mit anderen Männern. Daher war ich auch immer auf der Suche nach Sexkontakten. Am liebsten mag ich es, wenn ich Sex mit jemanden habe, mit dem ich mich immer mal wieder treffen kann. Da hat man nicht ständig den Stress des 1. Mals, man weiß, was man gegenseitig voneinender hat. Aber wenn mir jemand über den Weg läuft, mit dems gut geht, lass ich mir ihn nicht entgehen.

Als ich anfing, zu bemerken, dass mich die anderen Jungs mehr faszinierten als die Mädels, also einige von den Jungs, und zwar richtig sexuell, wusste ich noch nicht, dass dieses Gefühl etwas mit den Leuten zu tun hat, über die wir in meiner Schule immer blöde Witze erzählten.

Da ich dann hier und da, leider viel zu selten, jemanden kennen lernte, mit dem ich lustig rummachen und experimentieren konnte, war mir der Weg ziemlich vorgezeichnet. ich entdeckte, dass in der schwulen Szene lauter junge und alte Männer rumstanden, die alle Sex wollten. Naja, oft wollten die gerade nicht, die ich sehr scharf fand, und andere, die mir nicht so lagen, wollten häufiger als ich mich aus Verlegenheit mit ihnen halt einließ. Die schwule Szene ist eigentlich dazu da, Sexkontakte zu finden.

So also habe ich mir mein Leben eingerichtet, so lebe ich also mit Freunden und mit Freunden, wenn ihr wisst, was ich meine. Alleine bin ich nicht. Doch hätte ich eigentlich gerne häufiger Sexerlebnisse, als sie mir möglich sind.
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