108. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 2011
 
„Das“ waren in der Schwulenbewegung nicht unsere Ziele ...
Als der „hässliche Fettfleck“ (Thesatergruppe Brüharm) auf den sauberen roten und schwarzen (oder rotschwearzen) Fahnen der 68er Revolte unübersehbar wurde, als also auch eine Schwulenbewehung den Mut hatte, ebenso offen und frech aufzutreten wie die übrige Jugend der „sexuellen Revolution“, war klar, dass es dieser schwulen Bewegung bedurfte, nicht nur, weil die hetersexuellen Freiheitskämpfer von dem „Makel“ der Homosexualität und den Fragestellungen drumherum unbehelligt sein wollten und schon garnicht selber hinterfragt sein wollten, sondern auch aus anderen Gründen.

Ihnen ging es (wie auch uns) um die Befreiung aus der kirchlich-staatlichen Zweierkiste, die sie von ihren Eltern vorgelebt bekamen und die sich der elterlichen Familie traditionell anschloss, verknüpft mit der entsprechenden Position im Arbeitsleben und somit in der Gesellschaft für den Mann. Ihnen, den 68er (und also uns auch) ging es speziell um die Befreiung aus den Zwängen der heterosexuellen Enthaltsamkeit bis zur Ehe.
Das waren es aber auch gerade homosexuelle Männer, die den (heterosexuellen) Zorn gegen die sexuelle Bevormundungen artikulierten. Ob es in den USA Kinsey war oder bei uns Kolle oder Amendt. Bei uns verstärkt von Sozialwissenschaftlern (Lautmann) und Sexualwissenschaftlern wie Dannecker, Reiche und Sigusch.

Für eine Befreiung homosexueller Männer im Schoße der sexuellen Befreiung war es gesellschaftlich noch nicht die rechte Zeit, so schien es den Heterosexuellen.
In der bürgerlichen Gesellschaft tauchten homosexuelle Männer nur als Sexmonster auf, homosexuelle Frauen wurden weitgehend schlicht verschwiegen. An den Stmmtischen und in Freundeskreisen waren Lesben etwas, worüber man sprach, wenn keine Frauen in den Männerrunden anwesend waren, Mann wollte lüsternd im Bund sein, wenn LÖesben miteinander spielten. Und Schwule waren etwas, um diskriminierende Witze und aggessive Tiraden auszulösen. Dies wurde durch die extrem schwulenfeindliche Gesetzgebung und Rechtsprechung noch verstärkt. Besonders Schwule waren daher auch Opfer von Gewalt und Erpressung.

Die linke Studentenbewegung, die 68er Bewegung, bemühte sich um die Beendigung der staatlichen Bevormundung der Betten. Viele Wortführer der sexuellen Revolte waren, wie sich später herausstellte außerdem schwule Schwule Männer und lesbische Frauen, die sich auf die sexuelle Befreiung in der linken Szene verlassen hatten. Doch sie mussten schlimme Rückschläge hinnehmen, denn die Frauen und Männer in der linken Szene waren oft überhaupt nicht Schwulen- bzw Lesbenfreundlich, doch sie wollten aber als tolerante Menschen angesehen und dafür gelobt werden.

Das „linke Mackertum“ war derart macho-männlich selbstgerecht,dass eine neugegründete Frauenbewegung gerade daraus ihre Rechtfertigung ableiten konnte, obwohl es in dieser Zeit wirklich zahlreiche andere Gründe für eine Frauenbewegungin der Gesellschaft gab, die ihre Auswirkungen eben auch in der linken Szene hatten: nämlich den CDU-Staat, bei dem Frauen nur arbeiten gehen durften, wenn ihr Eheman dies erlaubt, da sie ihre Hauhaltspflichten zuerst erledigen konnten. Frauen durften alleine kein Konto führen usw. In der linken Szenme drückten jedoch zuerst die Macker.

„Unsere“ linke Szene
Aber so ergab es sich, dass die neugegründeten studentischen Schwulengruppen, die sich ja innerhalb dieses linken Umfeldes entwickelten, ebenfalls an den Mackrn in der linken Szene abarbeiteten, obwohl es noch immer den § 175 StGB gab, nach dem Männer für männliche Homosexualität bestraft wurden.

Dies wurde, wie konnte es auch anders sein, gegenüber der Gesellschaft mit dem Schutz der Jugend begründet und wurde von den Religionen verstärkt und gerechtfertigt. In den Medien gab es entsprechende Sex & Crime Geschichten und an den Stammtischen der Männer wie den Kaffeekränzchen der Frauen wurden Gerüchte, besonders über schwule Männer, verbreitet.
Diesen schlimmen gesellschaftlichen Zustand fanden wir in unserem doch recht schwierigen Coming out vor, und darauf müssen sich möglicherweise die Jungen schon jetzt in altersgleichen Gruppen und zukünftig einstellen, wenn der religiöse und der nationale Konservatismus weiter schleichend zunehmen, der nationale und religigiöse Konservatismus, der ja ohne klare Grenzen gegenüber der radikalen Rechten ist.

Und auch in der jugendlichen politischen Linken sind die antihomosexuellen Vorbehalte gegenüber homosexuellen Männern wieder stärker auf dem Vormarsch, während man sich gleichzeitig aufgeklärt vorkommt und gegen Homophobie protestiert und argumentiert.

Auch das, was wir heute wieder beobachten können, ist uns aus früheren 68er Zeiten recht bekannt.

Und damals wie heute verknüpfte sich diese Homophobie mit „Ageism“ (amerikanischen Frauenrechtlerinnen, die kritisierten, dass ältere Frauen zugunsten junger Frauen gekündigt werden) oder Ätatismus, zwei Worte für die gleiche Sache, also mit der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschen unterschiedlichen Alters. Es ging damals und geht heute ebenfalls um die Lebensform bzw, das gelebte offene Leben homosexueller Männer unabhängig der Frage einer bestehnden oder nichtbestehenden Verpartnerung.

Und so müssen sich immer mal ältere schwulenbewegte Männer von jungen Heten erklären lassen, wie Schwule leben bzw. zu leben haben, um zu rechtfertigen, warum man sich mit „dem da“ (dem Älteren) nicht inhaltlich abgeben möchte.

Da gibt es diese sattsam bekannte Homophobie, die sich in antischwulen oder manchmal auch in antilesbischen und antischwulen Strafgesetzen und religiöser wie gesellschaftlicher Diskriminierung in vielen Ländern zeigt. Dagegen findet man auch unter vielen Heten zunehmend Verbündete. Und dann gibt es die versteckte Homophobie, die bewirkt, dass wir doch im konkreten Fall keine Solidarität erfahren, und die kann es durch die gleichen Leute geben, die sich vorher für uns eingesetzt haben.
Viele Erlebnisse und Begebenheiten belegen mir, dass es tatsächlich noch eine versteckte Homophobie gibt, die sich zum Teil sogar hinter Anti-Homophobie tarnt.

Wir 68er Schwulen hatten die guten Analysen und wollen, wie die Heten eben auch, alles besser machen.

Wenn sich die 68er Frauenbewegung gegen die linken Macker richtete, so war das Mackertum in de linken Szene nichts was die bürgerlichen Gesellschaft interessierte, wo man darüber nicht einmal reden konnte. Vielleicht doch, weil es Linke waren, die hier kritisiert wurden, aber nicht, um das Mackertum abzuschaffen.

Und die Schwulen in der linken Szene richteten sich gegen die dortigen linken Männer eben auch wegen deren Mackertum.

Ich weiß nicht, wie sich jeweils das Mackertum gegenüber den schwulen Männern in der linken Szene äußerte, ich kann nur davon berichten, wie es sich gegenüber uns äußerte. Mit uns meine ich nun meine Frau, die gerade im lesbischen Coming-oht war und ich, der ich mein schwules Coming-out auch noch nicht ganz fertig hatte. Das ist aber kein Wunder, denn das Coming-out dauert ja ein ganzes leben lang, man kann immer noch dazu lernen. Wir sind altersmäßig 3 Jahre auseinander und ich war damals wohl 25 Jahre alt oder etwas mehr.

Wir fanden, dass wir trotz unseres Coming-outs zusammenbleiben konnten, weil wir gut miteinander zurecht kamen und weil eine Ehe uns vielleicht auch hilfreich sein könnte, beispielsweise bei der Wohnungssuche und bei anderen Fragen des Alltages.

In der linken Szene wussten alle, dass wir unser lesbisch-schwules Coming-out gemacht hatten, zumal wir daraus kein Geheimnis machten. Und die Spießer in den K-Gruppen fürchteten um ihr Image, wenn sie mit uns zusammen gesehen würden oder uns zugerechnet würden, denn wir waren damals politisch links aktiv, es war unsere politrische Heimat, was sich jedoch nach unserem Coming-out zunehmend schwieriger gestaltete.

Zwar hatten wir als mögliche Sex-Partner die Menschen der linken Szene als „emotionales Einzugsgebiet“, das klappte auch hier und da mal. Wir machten in unserer Wohnung auch Parties, zu der wir die FreundInnen unserer kleinen linken Schwulengruppe sowie Linke aus der linken Szene einluden. Einige davon sind uns unvergessen, weil wir mit der Musikgruppe „Rontheo“ befreundet waren, die auf unseren Parties dann Musik machten. Gitaare mit Gesang und Geige mit Gesang. Doch die Leute der Schwulengruppe, die eigentlich immer eine Lesben- und Schwulengruppe war, gesellten sich in das eine Zimmer, die linken Gäste in das andere. es gab also auch emotional und zwischenmenschlich keine wirkliche Gemeinschaft. Als Scharnier zwischen zwei Szenen taugten wir nicht, weil die beiden Flügel nichts zusammen hatten.

Aber die Moral der Linken, die wir kennenlernten, die ihre heterosexuellen Schäfchen in den eigenen Stall führten und die mit der Kommune 1 nur so viel geman hatten, dass sie sich dennoch zugehörig fühlten, obwohl sie traditionell die „raffgierige Konsumeinheit Ehe“ absicherten oder anstrebten.

Schon bald hatten wir in der miefigen Wiesbadener Linken den Ruf weg, ganz schlimme Leute zu sein. Zu dem, was man hinter unserem Rücker erzählte, dass ich meine Frau auf den Strich schicken würde, dass ich junge Männer zu mir einladen würde und sie mit Drogen gefügig machen würde, manch anderen seltsamen Unsinn usw., brachte Leute, die uns kannten, zum ungläubigen Lachen, manche aber auch zum Abscheu gegen uns, was wir nicht verstanden. Ersat jetzt verstehe ich, dass dies eben die versteckte Homophobie war, nach der man uns (Lesben udn Schwule) so ziemlich alles zutrauen konnte. Wir waren Projektionsfläche antilesbischer und antischuler Vorstellungen.

Wir gingen beide davon aus, dass die lesbisch-schwule Subkultur kommerziell also nicht links sei und dass die Linken der emanzipiertere Teil der Bevölkerung sei, der sich sexuell und in Freundschaften allem öffnen würde, im Gegensatz zur Normalbevölkerung. Dies stellte sich trotz einiger weniger glücklicher Momente als tragischer Irrtum heraus, denn die Perfidie der üblen Nachrede gegenüber uns und unserer links-homosexuellen Gruppe wurde für uns immer belastender.
Alle Themen, die sehr willkommen aus der Sexualwissenschaft kamen, wurden von uns in Gesprächen, Zeitungsartikeln und in anderen Medien zu Gesprächthemen gemacht, gegen die sich die ach so aufgeklärte linke Szene wehren musste, zum Schutz ihrer traditionellen heterosexuellen bürgerlichen Ehe, verknüpft mit Frendgehen usw.

Nur wenn wir aus irgendeinem Anlass in andere Städte gingen, beispielsweise „Homolulu“ in Frankfurt (Es fand vom 23. bis 29. Juli 1979 statt und war der politische Initiator für einige weitere schwule und lesbische Projekte.) glaubten wir, in der richtigen Szene zu sein.
Was in der linken Lesben- und besonders Schwulenbewegung gedacht wurde, geht aus Liedertexten hervor, (aus Datenschutzgründen kann ich sdie hier nicht veröffentlichen) die damals überall gehört wurden. Die linke (herterosexuelle) Mann soll sich seiner schwulen und weiblichen Anteile bewusst werden.

Dies verärgerte besonders die linken Frauen, die von ihren Partnern Monogamie erwarteten, obwohl sie es nicht immer so sagten und diese wohl auch nicht immer selber einhielten. Mit unseren Forderungen gerieten wir also in die heterosexuellen Beziehungsauseinandersetzungen.
Daher ging man derart gegen uns vor.
Ich erinnere mich noch an ein Open-Ohr-Festival, wo am letzten Tag dauern Männer an unseren Stand kamen, die Papier brauchten, um Adressen aufzuschreiben. Dazu missbrauchten sie unsere Flugblätter, wo die Rückseite frei war. Fürs nächste Jahr fertigten wir kleine Blöckchen an und steckten auch Ikea-Bleistifte mit in ein Tütchen.

Die wurden aber von diesen Hetenmännern nicht angenommen, da ein kurzer Hinweis auf die ROSA LÜSTE dort mit draufstand. Und sie wollten ja nicht als Schwule gelten, doch schwule und lesbische Flugblätter zerreißen, um auf der Rückseite ihre Adresse draufzuschreiben, das wollten sie.

Wir machten über die von uns mitgegründete Medieninitiative „Radio Quer“eine lesbisch-schwule Radiosendung, die in einer Pause über die Lautsprecheranlage beim linken Open-Ohr-Festival abgespielt wurde, und wir wurden danach dafür beschimpft, denn das alles wisse man (in der linken Szene) bereits, man brauche hier keine Aufklärung. Man sah sich bzw. hielt sich sich für schwulenfreundlich und wollten über die Inhalte von Schwulenfreundlichkeit nichts hören.
 
Man war nicht offen homophob, dieses Wort war noch nicht erfunden und wurde damals daher nicht benutzt, sondern man übte uns als Personen und Mitmenschen gegenüber (und nicht wegen unserer Meinung, die man ja sagen darf) „repressive Toleranz“ aus. Herbert Marcuse (1898 - 1979) erfand diesen Begriff und meinte damit, dass in der modernen Demokratie natürlich jeder seine Meinung sagen dürfe. Es gibt aber gleichzeitig auch einen Druck zur gesellschaftlichen Konformität, der über Ausgrenzung, üble Nachrede und Verweigerung von Anerkennung funktioniert, und die Menschen dazu bringt, sich „freiwillig“ in ihrem Verhalten - besonders in der Gruppe - nicht allzu stark von ihren Nachbarn zu unterscheiden. Man war also schwulenfreundlich und lesbenfreundlich, so lange die Schwulen und Lesben sich so verhielten, wie sie die Lesben und Schwulen haben wollten oder sahen.

Als Schwuler und als Lesbe waren wir per se Nonkonformisten, als Linke in einer konservativen Gesellschaft und in eher konservativen Strukturen der Schwulenszene in den plüschigen Lokalen ebenso. Nonkonfomisten sind in allen Gesellschaften nicht besonders gerne gesehen und werden als anstrengend empfunden empfunden.

Unser Nachteil war also, dass wir uns nicht anpassend genug in den nichtkonformen Szenen der Linken und der Schwulen verhielten, weil wir dies nach Lage der Dinge gar nicht konnten und wollten.

Wir sahen uns hier wie dort als Aufklärer und stellte so manche Lebenslügen in beiden Szenen an den Pranger. das war aber deshalb auch unser Vorteil, weil man dem zuhörte, was ewir sagenten und schrieben, um sich darüber aufzuregen. Einige erreichten wir doch. Während wir von der Mehrheit abgelehnt wirden, sammelten sich um uns andere Nonkonformisten der linken und der schwulen und lesbischen Szene, der lesbischen Szene erst etwas später, die ihrerseits wie auch wir Aktivisten waren.

Und solche Schwule waren da, die aus der zweiten Reihe nach dem jungen Gemüse Ausschau hielten und für Vorteile auf diesem Gebiet immer bereit waren, uns in den Rücken zu fallen.
Zu uns kamen auch solche jungen Typen, die z.B. Erfahrungen in der Inianerkommune in Nürnberg gesammelt hatten, und die die Gruppengespräche in Richtung pro-Pädophilie drängten. Und solche Jungs zogen auch eher konservative Schwule an, die aber weniger an der Gruppe Interesse hatten, solche Richtungs-Gespräche machten uns im Inneren und nach außen Schwierigkeiten.

Joachim nahm dann später das Buch von Rüdiger Lautmann, „Die Lust am Kind“, um uns von diesem Thema und den dahinterstehenden Problemen zu trennen: Nur bei 5% der kinderliebenden Männer handelt es sich um „echte Pädophile“, die nach Auffassung der Indianerkommune angeblich keinen Schaden beim Kind verursachen, vielleicht aber eben doch, meinten wir älteren, was von uns nicht abschließend festgestellt werden kann und wohl eine Glaubensfrage bleibt.

Da aber alle anderen Männer (und Frauen?), die wegen Sexualität mit Kindern auffällig wurden, also 95% von ihnen, Schaden verusachen, können wir solche Auffassungen nach der Relativierung der Schäden durch Pädophilie unterm Strich nicht akzeptieren.

Bei einer Schwulengruppe (und auch bei einer Lesbengruppe) geht es darum, die Freiheit zu haben, ohne Bevormundung die erwünschte und angestrebte Sexualität erleben zu dürfen aber es geht nicht darum, das Recht zu haben, Kinder, die darüber hinaus noch abhängig und ausgeliefert sind, sexuell zu nötigen oder zu unterdrücken.

Wir hatten hier junge Schwule, die in Heimen groß geworden waren und junge Schwule aus besserem Hause. Joachim, Renate und Herwig, später Joachim, Renate und Thomas waren (und sind) das Herz der Gruppe und sie sind immer noch das Scharnier zwischen der linken Szene und der Lesben- und Schwulenszene.

Wenn uns die Doppelmoral wie die politischen Pseudo-Analysen zu sehr auf den Geist gingen, flohen wir in die Lesben- und Schwulenszene. Und wenn uns dort die unpolitische Oebrflächlichlichkeit auf den Geist ging, flohen wir in die linke Politszene.

Eine Gesellschaft, in der sich die (mündigen) Menschen bei Verlangen sexuell begegnen können, ohne darüber nachzudenken, welches Geschlecht sie haben oder ob ein Anderer Mensch einen sexuellen Alleinverfügungsanspruch auf sie hat, nur sie selber entscheiden, eine solche Gesellschaft ist offensichtlich in der 68er linken Szene in Ansätzen spürbar gewesen, hat sich aber in Wirklichkeit so nicht entwickelt.
 
Schwule Bewegung
In der schwulen Bewegung gab es auch Untersuchungen und Fragestellungen, wie hier die Partnerschaften verlaufen. (Siehe entsperchende Bücher auf dieser Seite), besonders Rolf Pfingel, Wolganng Trautwetter: Homosexuelle Partnerschaften, eine empirische Untersuchung, im Verlag rosa Winkel.
Dabei stellte sich heraus, dass bei Schwulen in längeren Beziehungen (über 3 Jahren) eine eifersüchtige gegenseitige Sexüberwachung nicht stattfindet. Und so findet sich bei den Partnern in länger andauernden Beziehungen kein Interesse (mehr), eine sogenannte sexuelle Treue vom Partner zu erwarten beziehungsweise sie einzuhalten.

„Diese Voraussetzungen führen beispielsweise zu anderen Vorstellungen über die `Treue‘ als sie in der heterosexuellen Welt vorherrschend sind. Homosexuelle Männer sehen einander vielfach auch dann als treu an, und stellen die Beziehung nicht infrage, wenn sexuelle Treue im Sinne einer Ausschließlichkeit nicht gegeben ist.” (a.a.O. S. 85).

Die Autoren schreiben weiter, dass die länger zusammenlebenden Paare sich „... weder heterosexuellen Paaren bloß anpassen noch ein radikales Kontrastprogramm entwickeln. Die Partner werden vielmehr ihre Werte und Ideale so bestimmen, wie es ihnen gemäß ist.” (a.a.O. S. 86).

Eine neue empirische Untersuchung wäre wichtig, weil in Zeiten einer größeren gesellschaftlichen Integration, der heterosexuellen Ehe als Muster für eine normativen Wirkung der erlaubten Verpartnerung homosexueller Menschen und somit die Integration in das patriarchalische Beziehungsmodell sich die sexuellen und die Parameter in Beziehungsvorstellungen verändert haben.

Martin Dannecker und Reimund Reiche kritisieren übrigens überhaupt den Denkansatz der Fragestellung der Partnerschaften als eine eher heterosexuelle Fragestellung, weil homosexuelle Männer generell promisk leben und daher die Frage, ob sie dies ohne oder mit Beziehung machen, unerheblich sei.
In schwulen Beziehungen ist es außerdem üblich, dass die Partner ihr wirtschaftliche Autonomie grundsätzlich beibehalten und in der Regel nur in Sonderfällen gegenseitige wirtschaftliche Hilfe leisten.

Was in der schwulen Bewegung erarbeitet wurde und eng verflochten war mit der 68er Sexrevolte, war noch lange nicht Standart in der schwulen Szene in den Kneipen, Saunen und an anderen Tummelplätzen.

Anders als in der studentischen Schwulenbewegung, wo zumeist relativ offen über die homosexuelle Praxis diskutiert wurde, diese aber allzuoft nicht ebenso ausgelebt wurde, war es in der schwulen Szene, wo man sich in den Gesprächen an der heterosexuellen bürgerlichen Moral orientierte, jedoch in der Realität recht viel miteinander in Parks, Klappen und Saunen miteinander, meist anonym erlebte. Die Leute, die sich in der Kneipe eben noch über die Parkbesucher lautstark aufregten, traf man einige Stunden später eben in diesem Park an, wo sie rasch erklärten, dass sie den Hund ausführen mussten oder mal sehen wollten, was der oder der dort so mache.

„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, war ein analytischer Film, vielleicht ein Dokumentarfilm, von Rosa von Praunheim über die real existierende Schwulenszene, der auch im Fernsehn übertragen wurde (der Bayerische Rundfung hat stattdessen einen Western gezeigt).

Am Ende des Filmes, nachdem er alles durchprobiert hat, wird dem Protagonisten geraten, weder in eine monogame Beziehung zu gehen, noch promisk jede Nacht auf Achse zu gehen, sondern mit Freunden in eine Wohngemeinschaft zusammenzuziehen, um so ein zufriedeneres Leben leben zu können.

Der Denkansatz, der hinter dieser Aufforderung stand, war, neue Lebensformen zu erproben, die für schwule Männer tragfähig sein können und die nicht in die Isolation von monogamen Paarbeziehungen münden, die letztlich heimlich unterlaufen werden.

Ich hatte als schwuler junger Mann (als ca. 25Jähriger bis ca. 35Jähriger) den Eindruck, dass ich nun, was meine sexuellen Bedürfnisse betrifft,
nicht in einer sexuellen Zweierbindung leben müsste, wohl aber in einer Partrnerschaft meine einem oder mehreren Menschen, in der Sexualität nicht völlig ausgeschlossen ist, denn ich war sexuell mit allen Schwulen der Welt sozussagen verheiratet, und in jeder Stadt und jedem Land, wo eine Schwulenszene existiert, würde ich Sexpartner, Gesprächspartner und Hilfe finden. Es kann sein, dass es heutzutage noch junge Schwule gibt, die dies ebenso empfinden, aber ich bezweifel es. Nun als älterer schwuler Mann, der stark auf die 70 zugeht, glaube ich nicht, dass sich in der Schwulenszene irgendjemand noch mit mir derart verheiratet fühlt.

In einer Podiumsdiskussion aus Anlass von 40 Jahren 68er wurde auch über die sexuelle Befreiung gesprochen, die für uns ja die Hauptsache war. Einer der Gesprächsteilnehmer meinte, dass diese nicht stattgefunden habe, nur die Schönsten unter den 68ern hätten viele Möglichkeiten gehabt. Da ist tatsächlich was dran. Aber wäre dies ein Grund für die Ehe, weil man immer 2. oder 3. oder 8. Wahl wäre? Wer eher durchschnittlich aussah, hätte weniger bis keine Chancen gehabt. Genau dies ist der Zustand in der promikuitiven Schwulenszene. Corny Littman und die Theatergruppe „Brühwarm“ meinten in einem ihrer Songs, dass man von einem Land träume, in dem es nicht nur auf das Alter und darüber hinaus einem möglichst großen Schwanz ankomme.

Anders ist wohl die lesbische Szene, zwischcen der im täglichen Leben die Männer der Schwulenszene kaum Berührungspunkte haben. Dort sind enge monogame Partnerschaften ebenso üblich wie übrigens auch die Selbstverständlichkeit, das Gehalt der Partnrerin als eigene Einnahme zu sehen, das der gemeinsamen Lebensführung zufließt und somit ganz selbstverständlich dem Zugriff der Partnerinnen ausgesetzt ist.

Wir entdeckten in der zwischenzeitlich auftauchen Männerbewegung und ihren Texten sehr sinnige Denkansätze, indem die Zuordnungen von Familienaufgaben auf die Geschlechter hinterfragt wurden. Muss es denn so sein, dass die Männer als harte Kämpfer das Geld nachhause bringen, die Familie gegen außen beschützen, und die Frauen bestimmen, was schön und hässlich ist, was moralisch und unmoralisch ist, was harmonisch und unharmorisch ist und sind für die Werte des Zusammenlebens verantwortlich?

Diese Fragestellungen wurden in unserer Wiesbadener Gruppe diskutiert, wie überhapt die Geschlechtsrollen bei uns hinterfragt wurden, während es auch schon damals schwule Männer gab, die Angst vor einer „Deklassierung“ in Richtung Weiblichkeit hatten, mit Tuntenhass verknüpft, und die behaupteten, dass schwule Männer ganz „normale“, also „richtige“ Männer seien, mit dem kleinen Unterschied, dass sie statt Frauen eben Männer lieben. So sahen wir das nicht.

Unser Ziel war, dass man sich als Mitmensch in einer zukünftigen Gesellschaft nicht fragt, om man nun Mann oder Frau, homo- oder herterosexuell sei, sondern ob es fastzinierende Menschen gibt, mit denen wir das eine oder andere erleben wollen, ohne damit gleich eine Lebensplanung zu verknüpfen. In einer zukünftigen sozialen Gesellschaft seien die unmündigen Menschen (z.B. die Kinder) eine gesellschaftliche Aufgabe, an der alle teilhaben. Wir hatten damals als 68er die Wohngemeinschaften, auch Kommunen genannt, als zukünftige Lebensform im Kopf. Später kam zusätzlich noch das Bezierhungsnetz auf.

Unsere Wiesbadener Gruppe, in der viele Schwule und einige Lesben waren, sammelten sich ganz unterschiedliche Leute mit unetrschiedlichen Bedürfnissen. Und weil es nicht so viele in dieser Stadt existierenden Lesben und Schwulen gibt, kamen nur wenige infrage, in einer Gruppe wie unserer mitzumachen.

Hier ging es nicht nur ums Kontakte-Finden, sondern auch ums lernen und sich über solche Fragen, wie es dieser Artikel nahelegt, auseinanderzusetzen.

Wir bildeten eine Theatergruppe und führten unsere Erfahrungen mit den Eltern, KollegInnen, mit der linken und der schwulen bzw. lesbisch-schwulen Szene eher schlecht öffentlich auf, gaben Flugblätter heraus, stellten Zeitschriften her, kontaktierten PolitikerInnen, schrieben an Zeitungen, machten alles, was eine Gruppe machen kann.

Das konnten wir deshalb alles machen, weil in einer derart kleinen Szene wie die in Wiesbaden alle möglichen Leute zusammen in einer Gruppe waren und sich gegenseitig mochten oder ertragen mussten.

In einer größeren Stadt wären daraus vielleicht ein Theatergruppe, eine Coming-out-Gruppe, eine Zeitungsgruppe, ein Stammtisch usw. geworden, die keinen Anteil an den anderen haben, wir waren im Grunde alles zusammen.

Das wichtigste Ziel, was wir wollten: dass wir zu dem vor uns selber und öffentlich stehen können, was und wie wir sind und wie wir leben.

Also keine heimlichen Seitensprünge, sondern diese als Teil unseres Lebens akzeptieren und in der Öffentlichkeit kein Hetero-Ehe-Abklatsch, sondern unser Leben in seiner Zerrissenheit und Schönheit, wie es nun mal ist, akzeptieren lassen.
 
Die schwul- lesbischen Zustände heutzutage
Heutzutage wird das lesbishe und schwule Leben überall nach den Maßstäben und Normen der heterosexuellen Paarbeziehungen gemessen und beurteilt.

Wie verschiedengeschlechtliche Beziehungen mit und ohne Kindern ge-sellschaftlich normiert wurden und ausgestattet sind, mit all der Doppelmoral und all den Ehetragödien sowie den inneren Widersprüchen, versuchen die nachwachsenden Generationen zu leben und und werden von heterosexuellen Mitmenschen so gesehen, so verstanden, so bewertet usw. Der Freiraum, uns jeweils so zu finden, wie es für uns jeweils angemessen ist, dieser Freiraum ist zunehmend verschwunden. Die hetero/-homosexuelle Ehe ist der Maßstab, wer anders lebt wird als Sonderling angesehen.

Die häufig vorkommende Jünglingsliebe zwischen Jünglingen und älter werdender Männer, wird als eine Anrüchige Sache angesehen, die einen regierenden Bürgermeister von Hamburg u.a. dazu bringt, aufzugeben.

Der wunderbare Film „Tod in Venedig“ wurde mir in den 70er jahren so vorgestellt: „Das ist ein Film über einen Schwulen, der sich in Venedig verliebt und dort stirbt“. Ich ärgerte mich damals über die Etikettierung „Film über einen Schwulen“. Ein homosexueller Mann im Coming-out projizierte seinen Konflikt mit dem Männerbild in den Film, indem er mir sagte, es gehe in dem Film um einen weibischen alten Mann.

Heutzutage mag das von einem Teil der Gesellschaft noch immer so oder so gesehen werden. Es ist für sie kein Künstler, der aus Gründen seiner Herz- und Kreislaufprobleme eine Zeit Urlaub fern von seiner Familie und seiner künstlerischen Arbeit macht und dort zunehmend von der Schönheit eines unbekümmerten Jugendlichen angetan ist.

Auf dem Couver der DVD, die ich im Ramsch preiswert gefunden habe, steht „Die berühmte Geschichte eines vom Jugendwahn besessenen Mannes.“

Die Vergötterung des Jüngling eben auch durch Männer, was im Kunstschaffen vieler Jahrhunderte einen hohen Stellenwert hatte und eine Art Beziehungsmuster für viele schwule Lebensformen war, zumindest eine Sehnsucht danach darstellte, dies wird normierend als Perversion bzw. als Krankheit oder als Wahn angesehen, weil in der gesellschaftlichen Diskussion zunehmend die Altersnormierung dominant wird, angeblich nur zum Schutz der unschuldigen Kinder.

Man fragt sich da, wann man beginnt, alle diese Bilder und Skulpturen, Skizzen und Fotoarbeiten von der Antike bis in die heutige Zeit als Abbildung des sexuellen Missbrauchs zu verstehen, die Bilder usw. vebrennt oder verbirgt und die Künstler als pervers und kriminell ansieht, indem man Jünglinge bzw. Jugendliche auch zu unschuldigen Kindern erklärt, denn faktisch wird gegenwärtig das Alter unberührbarer Kinder juristisch auf 18 festgesetzt.

Während einerseits behauptet wird, in unseren Ländern in Europa, USA usw. seien die homosexuellen Männer (mit ihnen die Frauen) an ihrem Ziel angekommen, sie hätten alles erreicht, wären anerkannt und könnten sogar offen Außenminister werden (können sie nicht, wie man sieht), geschieht durch die Integration der Homosexuellen in die heterosexuelle Normalität eine Normierung, die fast alle homosexuellen Träume in Realität gesellschaftlich ausgrenzt und die Träumer im Inneren daran glauben lässt, die seien perverse Kriminelle. Wie von mir oben dargestellt: es geht mir hier wirklich nicht um vorpubertäre Kinder.

Das ist eben auch das Wesen von Integration: sie schafft Ordnung, eine vorherrschende Ordnung. Sie nimmt nicht den Druck von den bisher Nichtintegrierten, sondern verlagert ihn. Wir hatten es kommen sehen, dass durch diese Integration das Leben schwuler Männer derart normiert wird, dass es als kümmerliches Zerrbild des vorherrschenden heterosexuellen Ehemoral eher lustloser und enger wird.

Die Ehe ist widerum eine soziale Einrichtung, mit sentimentaler und verlogener Romantik umkleidet. Sowohl die Sozialversicherungen als auch die Sozialfürsorge, der soziale Wohnungsbau wie auch die Altenpflege, alles ist auf die eine Form der Ehe und Familie ausgerichtet, sogar die gegenseitige Entmündigung und die wirtschaftliche Verantwortung füreinander, was alles gefährdet ist, wenn sich die Haut mal an der Haut eines anderen Menschen reibt. Alles ist nun als gesetzlich festgehalten und wird als Teil der gesellschaftlichen Ordnung, des Überbaus, verbucht.

Auch das homosexuelle promikuitive Leben, das sicherlich als männlich und nicht als schwul angesehen werden kann, also die Möglichkeit, sich sexuell auch mit anderen Männern zu verlustieren, gehört nun zunehmend in den Bereich, der im heterosexuellen Millieu immer noch als größter Fehltritt angesehen wird.

„Du hast doch einen Freund“, sagt ein neiderfüllter schwuler Mann zu einem anderen, der sich gerade auf jemanden einlässt, und unterstellt damit, dass ein solcher Freund der Ein-und-Alles zu sein hat, wie die Außenstehenden gegenüber einer Wohngemeinschaft bzw. Kommune diese als Abbruchhalde für ihre monogame Beutesuche ansehen.

Als ich Pfingsten 2011 beklagte, dass wir keinen öffentlichen Raum für das Anbieten unserer Referate haben, um so wieder an der linken gesellschaftlichen Debatte teilnehmen zu können, wurde uns der Nebenraum eines Antifa-Jugendclubs angeboten, worauf ich erfreut einging, zumal uns seitens dieser Jugendlichen eine große Offenheit entgegegebracht wurde.
 
Doch dann traf sich das Kollektiv dieser Organisationen, um darüber zu befinden, und dort war, wie mir später berichtet wurde, eine skeptische Haltung uns gegenüber vorherrschend. jemand sagte dann, dass es Gerüchte gab, ich würde jugendliche anbaggern, und jemand aus der Runde wertete dann auch noch ein Gespräch als Anbaggerversuch, und dann sei die Stimmung gegenüber uns vollens gekippt, den „So jemand“ wolle man hier nicht haben.

Die klare Grenze zwischen „Wir“ und „Ihr“ bleibt weiterhin gezogen, hat sich wohl auch noch vefestigt, denn wie ich bei Sigusch gelesen habe, gibt es nun, seit man sich an offene Schwule gewöhnt habe, die jugendliche Neugier gegenüber Männersex zurückgedrängt, dies werde nun mit Schwulsein identifiziert und schwul wolle ja niemand sein. Das stimmt wohl, Schwule wollen ja auch nicht schwul sein.
 
„Neue“ Werte
In früheren Jahren hielt man sich vor Kontakten mit der Polizei eher zurück, weil diese ja auch die Straftaten gegen den § 175 StGB zu verfolgen hatte. Außerdem konnte man ja die Analysen des Spziologen Schelsky von so genannten männerbündlerischen Sozialgruppierungen durchaus auch als Warnung verstehen. Heute gibt es Organisationen der Lesben und Schwulen bei der Polizei und heute erwartet man Schutz vor homophoben Übergriffen durch die Polizei.
 
Schwule Polizisten gehören unterdessen zu unseren guten Bekannten, mit denen wir auch über unsere Befürchtungen sprechen können, beispielsweise wegen der Auseinandersetzungen mit Nazis.

Während man früher aus der Lesbenszene hörte, dass frau sich als Lesbe endlich aus der zugeordneten Rolle der Ergänzung des Mannes und als Mutter befreit habe und befreien könne, erfahren wir heute, dass lesbische Paare (wie einige schwule Paare) einen Kinderwunsch haben und viel unternehmen, um zu einem Kind zu kommen.
 
Sie glauben wohl daran, dass alle Möglichkeiten erlebt erden sollten oder dass es keinen Unterschied zwischen Heten und Homosexuellen gibt, außer der Partnerwahl. Wir sehen dies ganz anders. Dennoch, nur weil sie Lesben sind, müssen sie nicht auf ein Kind verzichten. Selbstverständlich treten wir für ihre Rechte auch auf diesem Gebiet ein.

Sicher, viele Frauen machen erst nach ihrer ersten Beziehung (mit einem Mann) ihr Coming-out, und oft bringen sie so ein oder mehrere Kinder in eine lesbische Beziehung mit. Das ist dann eine sogenannte Regenbogenfamilie. Andere denken, sie versäumen etwas, wenn sie ihr Leben lang ohne Kind(er) leben.

Was machen wir, die wir den Protest gegen die gesellschaftliche Festlegung auf die geschlechtstypischen Rollen unterstützen? Wir unterstützen selbstverständlich auch solche Lesben und Schwulen, die bei Erfüllung ihres Kinderwunsches benachteiligt werden, weil sie lesbische oder schwule Paare sind.

Wir hinterfragten mit der 68er Bewegung zusammen die Ehe-Normen der Gesellschaft, uns ging es um die sexuelle Befreiung. Wir mussten feststellen, dass viele zu organisierende Strukturen des Zusammenlebens gesetzlich an die Ehe und Familie gekoppelt sind, so dass man fordern musste, dass der Staat auch anderen selbtgewählten Formen des Zusammenlebens diese Strukturen zubilligen muss, statt nur der einen monogamen Form christlichen Ursprungs. Andere verlangten, dass Lesben und Schwule als Paare zusammenleben und auch heiraten können.

Natürlich protestieren wir auch dagegen, dass diese Paare benachteiligt werden, weil sie lesbisch bzw. schwul sind. Doch weil beim Zusammenleben so viel zu regeln ist, was man bei anderen Lebensformen außer der Ehe auch regeln müsste, lassen sich viele auf die Partnerschaft bzw. Ehe 2. Klasse für Homosexuelle ein, um so Manches zu regeln: Erbschaftsfragen über gemeinsam angeschaffte Güter, Steuer- und Versicherungsfragen, Besuchsrecht, wenn der/die Partner-(in) in der Intensivstation liegt, Fragen der Beerdigung usw. im Todesfall, Bleiberecht für PartnerInnen mit anderer Staatsbürgerschaft, Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht, gegebenenfalls Pflegschaft für den Partner, Sozialhilfefragen und Fragen bei der Wohnraumsuche, gemeinsame Rundfunkgebühren oder eben doppelte, Anerkennung der finanziellen Belastung in der Partnerschaft für den Fall der enormen Pflegekosten der leiblichen Eltern usw.
Modalitäten bei einer Trennung der Partnerschaften für den Fall, dass zum Beispiel jemand keiner Erwerbsarbeit nachgegangen ist, aber die Familienarbeit erledigt hat, usw.

Das alles und noch viel mehr musste und muss weiter Schritt für Schritt juristisch für die Verpartnerung erstritten werden, es ist da noch immer nicht alles zufriedenstellend geregelt. Und das alles ist (wäre) wohl für enge Wohngemeinschaften mit mehreren zusammengehörigen und ähnliche Lebensformen ebenfalls zu regeln, wenn diese eingedenk des dominanten Druckes des einen Weges der monogamen Verpartnerung überhaupt noch eine Realisierungschance hätten.
Wie leben besonders die Schwulen denn heutzutage?
 
Sie leben meistens in sexlosen Beziehungen durch die Herkunftsfamilie, oder sie lösen sich von dieser um in unterschiedlich gearteten Wahlfamilien zu lieben, oder sie ziehen es vor, alleine zu leben. Sie haben darüber hinaus schwule Freundschaftskreise und einen oder mehrere recht engbefreun-dete Bezugspersonen. Hinzu kommen noch enge oder weitläufig bekannte oder gelegentliche Sexpartner und heterosexuelle PartnerInnen, beispielsweisen über KollegInnen oder über politische oder kulturelle zusammenhänge, für einige auch religiöse Zusammenhänge. All dies zusammen könnte man als Beziehungsnetz definieren. Jeder hat sein eigenes Netz, in das manchen Menschen ganz eng eingeknöpft sind, andere eher weiter weg, oder er wünscht sich eins, und die Positionen im Netz können sich immer mal wieder ändern. in meinem Netz ist jemand ganz nahe bei mir eingeknüpft, während er das so soieht, dass ich in seinem Netzt eher weiter weg eingeknüft bin.
 
Und dies alles ist wohl so, unabhängig davon, ob außerdem eine gesetzliche monogame Verpartnerung mit einem Menschen existiert oder auch nicht. Alle Benachteiligungen gegenüber heterosexuellen Familienformen müssen wir selbstverständlich ans Tageslicht zerren und beklagen.
Soldatentum war uns immer ein Graus. Einerseits waren und sind solchen männerbündlerischen Sozialgruppierungen Brutstätten gemeinsamen homophoben Handelns genau wie frauenfeindlichen Handelns, andererseits ändert sich natürlich auch die Gesellschaft um die Soldaten herum.
 
Letztlich ermöglichen verfügbare Soldaten Politikern anders politisch aufzutreten als ohne diese. Schließlich werden Soldaten, auch wenn sie nur zu Verteidigungszwecken geschaffen werden, doch auch in andere Lander gesandt, als „Politik mit anderen Mitteln“. Und um ihre „Arbeit“ als Soldaten auch machen zu können, wird ein brutales und unmenschliches Männerbild gepflegt, dass viele Gewalttaten und Brutalitäten erst ermöglicht, und das dann auch in der Zivilgesellschaft sowie als Vorbild für die Männer in der Zivilgesellschaft. Eine Freiburger Schwulengruppe machte ein Tuntenplakat und schrib darauf: „Männer müssen zur Bundeswehr - wir nicht!“
 
Ich habe das Plakat leider nirgendwo mehr gefunden, fand es aber passend, denn immer und immer wieder wird und wurde von den Macho-Männern behauptet und gesagt, Schwule seien kein „richtigen“ Männer. Unter Schwulen gibt es allerdings solche extremen machos, die ich unter Heterosexuellen sonst nirgendwo gesehen hatte. Aber den brutalen unmenschlichen Unmenschen als nor-matieves Männerbild zu hinterfragen, fand ich das Plakat gut. Weril ich es nirgendwo mehr gefunden habe, habe ich es hier nachgemacht.

Als die erste soldatische Schwulenorganisation BASS auftauchte und die schwulenfeindlichen Benachteiligungen unter den Soldaten anprangerte, begann eine heftige Diskussion unter den Soldaten. Natürlich müssen wir Ungelichbehandlungen und Diskriminierungen auch hier anprangern, obwohl wir es besser gefunden hätte, wenn kein Schwuler Soldat würde, noch besser: wenn überhaupt kein Mann Soldat mehr würde, natürlich auch keine Frau, niemand mehr, auch die allerhärteste Lesbe nicht.

Nun weiß ich ja, dass ich mit dieser pazifistischen Meinungsäußerung zu spät komme. Nicht weil es so viel schwule Männer gab, die gerne Soldat werden wollten. Doch die Diskriminierungen sind ja zurückgegangen, nachdem die damalige rotgrüne Bundesregierung einen Bundeswehrerlass gegen die Diskriminierung Homosexueller bei der Bundeswehr erließ und so die Möglichkeit schuf, alle Männer zu Soldaten zu machen. Doch durch die Automatisierung der Industrie braucht man weder so große Arbeiterarmeen mehr in der Wirtschaft mehr noch die riesigen Sol-datenheere, die man zu hundert-tausenden gegeneinanderhetzte und so in den Tod trieb, man kommt mit weniger aus. Zwar ist die Wehrpflicht noch nicht abgeschafft, doch die Bundeswehr wird wie so viele Staatsbetriebe wohl privatisiert.
 
Und nun?
Die staatliche Verfolgung ist erst einmal weg, die Gleichstellung aber noch nicht erreicht. Wir haben uns integriert, indem wir in fast allen Lebensbereichen die Normen und Gewohnheiten der Heten zu unseren gemacht haben, auch wenn dabei viel von unserem Leben auf der Strecke gebleiben ist.

Die Hetenmänner haben ihre Homosexualität nicht entdeckt, sondern grenzen sich noch deutlicher davon ab als früher, wir sind außer einer Kleinigkeit gänzlich so geworden, dass wir uns von den Heten gar nicht mehr unterscheiden. Das ist ja das Wesen der Integration.
 
Man wird wegen seiner Abweichung nur noch selten gedemütigt oder totgeschlagen, weil wir nicht mehr auffallen, man nimmt uns nicht mehr wahr. Aber man verschwindet mit seiner gesamten Kultur bzw. Subkultur, man wird zunehmend normalisiert aber auch vereinzelt.

Aber in Wirklichkeit liebt man uns nicht, hasst uns eher, denn das traditionelle Männerbild, das durch die Abgrenzung von allem Weiblichen existiert, ist nicht im geringsten angekratzt worden. (js)
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