- 107. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 2011
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- 12.05.2011, Tag der Homophobie
im deutschen Bundestag
17.05.: Tag gegen Homophobie
Der 17.05. wird heutzutage weltweit als Tag gegen Homophobie
auf recht unterschiedliche Art begangen. Und das hat seine Ursache
im Umgang mit Homosexualität in den unterschiedlichen Ländern.
Anlass des Tages ist, dass international Homosexualität
nicht mehr als Krankheit angesehen wird. Man muss sich vor Augen
halten, dass nach langem Mühen erst 1992 die WHO die Homosexualität
nicht mehr als Krankheit ansah. Nun hat sich die Krankheits-Lage
nicht nur geändert, sondern umgedreht, denn nun gelten unsere
Verfolger und Diskriminierer als krank, nämlich als homophob.
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- Klar, der Begriff "Homophobie"
ist für Schwulenhass bzw. auch Lesbenhass nicht ganz korrekt,
da die an Phobie Leidenden an ihrer Angst leiden, die Homophoben
wollen aber den Lesben und Schwulen das Fürchten lehren,
der Begriff Homophobie hat sich nun aber offensichtlich eingebürgert.
In Deutschland taucht gerade an diesem Tag immer wieder der §
175 StGB auf, weil es noch viele lebende Verurteilte gibt, und
es den Schwulen im Volkmund abfällg gesagt wurde, sie hätten
am 17.05. Geburtstag, seien deshalb also Hundertfünfundsiebziger.
Und daher war der 17.05 hier schon länger ein szeneinterner
Gedenktag. Was bei vielen diesjährigen Events zum 17.05.
kaum jemand so richtig mitbekommen hat, ist das Verhalten der
Union und der FDP am 12.05., das diesen Tag auch in Fragen §
175 StGB zum Tag der Homophobie (statt gegen
Homophobie) machte.
Zum Thema
- Die Grünen haben am Donnerstag, 12.05.2011,
drei Tage vor dem Tag gegen Homophobie, beantragt, alle Verurteilungen
aufgrund des Paragrafen 175 StGB zwischen 1949 und 1994
aufzuheben und die Opfer zu entschädigen. Die menschenrechtswidrig
Verurteilten gelten ja noch immer als vorbestraft, mit allen
Nachteilen, die daraus entstanden sind und für sie z.B.
durch unfreiwilliges Outing als "Sexualstraftäter"
noch immer entstehen. Die Regierungskolition lehnte ab, und zwar
aus verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Paragraf 175 StGB ist in Deutschland ein Synonym für
die Schwulenverfolgung: In 122 Jahren (1) wurden immerhin
nach diesem Gesetz über 140.000 Männer verurteilt.
Die meisten Bestrafungen gab es während der Nazizeit und
in Westdeutschland der 1950er und 1960er Jahre. Immerhin hatte
die Bundesrepublik den 1935 von den Nationalsozialisten verschärften
Paragrafen 175 RStGB übernommen und beibehalten und damit
(Im Namen des Volkes) Recht gesprochen. Da könnte man sagen:
Vielen Dank, Deutsches Volk!

Erst 1969 beendete die Große Koalition die Nazifassung.
Danach enthielt das Gesetz nur noch (immer noch diskriminierend)
ein höheres Schutzalter (18 Jahre) gegen mannmännlichen
Sex, im Gegensatz zu lesbischen und heterosexuellen Sex (14 Jahre)
bis das antischwule Gesetz 1994 im Zuge der Rechtsangleichung
zwischen BRD und DDR vollständig abgeschafft wurde, weil
es dieses Gesetz in der DDR so nicht mehr gab.
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- Die Alternative wäre gewesen, die damals
in der BRD noch geltende Version des diskriminierenden §
175 StGB in die neuen Bundesländer einzuführen
und so die Freiheit des demokratischen Rechtsstaates Bundesrepublik
Deutschland gegenüber den Schwulen im Unrechtsstaat
DDR zu demonstrieren.
Die Grünen bezeichnen es als einen Skandal, dass weiterhin
in Deutschland Männer als verurteilt gelten, weil sie einvernehmlichen
gleichgeschlechtlichen Sex hatten. Die Grünen erhielten
im Bundestag nur Unterstützung von den Linken.
Die Regierungsfraktionen sprachen sich jedoch gegen eine Aufhebung
der Verurteilungen aus, da sie - anders als die Nazi-Urteile
- rechtsstaatlich zustande gekommen seien. Das ist anders begründet
als in den 50er Jahren, wo auch die Nazi-Version des § 175,
die ja beibehalten wurde, als rechtlich einwandfrei angesehen
wurde. Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling sieht in dem grünen
Antrag gar einen Versuch rückwirkend die deutsche
Rechtsordnung und damit unsere Rechtsstaatlichkeit"
auszuhebeln.
Zwar seien Homosexuelle von der Bundesrepublik in höchstem
Maße diskriminiert und stigmatisiert worden",
die Rechtssicherheit" sei aber wichtiger. Es
spiele dabei keine Rolle, dass ein Sex-Verbot für Schwule
aus heutiger Sicht unvereinbar mit dem Grundgesetz"
sei. Die Veränderungen können und dürfen
aber auf keinen Fall dazu führen, Entscheidungen des demokratischen
Rechtsstaates und seiner Gerichte pauschal als Unrecht zu bewerten."
Diese Begründung erinnert allerdings an das Bundsverfassungsgericht,
das in den 50er Jahren über den von den Nazis erweiterten
§ 175 StGB urteilte, dass es sich gar nicht um nationalsozialistisches
Unrecht handeln würde, so auch nicht die Ermordungen in
den Konzentrationslagern und die Haft dort, weil das Gesetz im
3. Reich ordentlich zustande gekommen sei
(2).
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- Die Verharmlosung der Folgen dieses Gesetzes
als Sexverbot kennzeichnet die homophobe Haltung,
die hinter dieser Ablehnung steht. Der § 175 StGB bedeutete
zwar tatsächlich ein Sexverbot für schwule Männer,
aber da er männliche Homosexualität als Straftabestand,
als Sexualverbrechen definierte, hing über allen mannmännlichen
Begegnungen ein Damoklesschwert, auch wenn diese freundschaftlich
und sexlos waren, besondes, wenn einer von ihnen als Homosexueller
bekannt war. Wir wissen, dass es zum Beispiel bei einem Begrüßungskuss
(in einem Prozess in Frankfurt) darauf ankam, ob sich dabei die
Zunge im eigenen Mund oder dem des Freundes befunden hatte. Infostände
wurden verboten, weil sie als Aufforderung zu einer Straftat
angesehen wurden. Hinzu kamen Psycho-Experimente und Hirnoperationen
an Homosexuellen, die aufgrund des gesellschaftlichen Druckes
auf sie nicht mehr homosexuell sein wollten.
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- Das alles wurde in den blöden aggressiven
Teilen der Bevölkerung als Aufruf verstanden, schwule Männer
zu verfolgen und auf offener Straße anzugreifen und dies
auch noch als gute Tat anzusehen bzw. hinzustellen. Zur Polizei
konnte man deshalb und auch bei Erpressungen nicht gehen, weil
man befürchten musste, in die polizeilichen Rosa
Listen eingetragen zu werden, als potenzieller Verbrecher,
der ja Sex haben könnte. Hinzu kamen herabsetzende Politikerreden
über die Warmen Brüder (F. J. Strauß:
Leber ein kalter Krieger als ein Warmer Bruder".), besonders
aus der konservativen Ecke, von den Kirchenvertretern und auch
den entsprechende Hetzartikel in den Medien, im Kino usw. Da
ist die Aussage Sexverbot extrem verharmlosend.
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- Und das alles war vom Bundesverfassungsgericht
abgedeckt und wurde von den Unionsparteien und dann an den Stammtischen
in selbstgerechten Reden begrüßt und verteidigt.
Dass vieles von den früheren Verfolgungen heute nicht (mehr)
existiert, dies hoffentlich auf Dauer, nutzt den noch lebenden
Opfern der Verfolgung durch die Bundesrepublik nichts in dem
Zusammenhang, dass sie von unserem Justizsystem immer noch als
vorbestrafte Sexualverbrecher angesehen werden.
Der FDP-Politiker Jörg van Essen sieht es genauso wie sein
CDU-Kollege: Mit Stolz schauen wir auf unsere Verfassung
und unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung",
erklärte er. Man könne deshalb nicht alles über
Bord werfen, auch wenn mir die Haare nicht nur bei den
Urteilen nach Paragraf 175 zu Berge gestanden haben".
Schließlich würde das eine Welle auslösen, sagte
er mit Blick auf den damaligen Straftatbestand der Kuppelei (3):
Die isolierte Betrachtung der Urteile wegen Paragraf
175 StGB führt zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung
gegenüber all denjenigen Opfern, gegen die Urteile wegen
ähnlicher Vergehen ergangen sind."
Na und? kann ich da nur sagen. Dann muss das auch
in Ordnung gebracht werden, und zwar schnell.
Für die Regierungsparteien sind Schwule, die vor 1945 verurteilt
wurden, Opfer des Naziregimes (was ihnen allerdings auch nichts
brachte) - später mittels der gleichen Gesetze abgeurteilte
Männer seien aber rechtmäßig als Sexualverbrecher
gebrandmarkt worden.
Bei allem Bedauern über die Verfolgung von Schwulen beharrt
FDP-Mann van Essen auf den Urteilen: Es ist schon ein
elementarer Unterschied, über die Aufhebung von Urteilen
zu diskutieren, die während eines Unrechtsregimes oder jene,
die von unabhängigen Gerichten in einem demokratischen Rechtsstaat
ergangen sind". Im "Unrechtsstaat" DDR wurde
die Nazifassung jedoch sofort abgeschafft, der Rest-Paragraph
jedoch auch erst Jahre später.
- Auch SPD-Rednerin Sonja Steffen spricht von
verfassungsrechtlichen Bedenken", will diese
aber prüfen.
Nun haben ja alle Parteien auch ihre Lesben- und Schwulengruppen,
die zumindest vor den Wahlen bei den großen CSD-Veranstaltungen
Werbung für ihre Partei machen. Wie stehen diese denn zu
diesen Begründungen ihrer Mutterorganisationen?
So schreibt die interessante, informative und wichtige Internet-Gay-Seite
www.queer.de über die Absicht der CDU/CSU-Lesben-
und Schwulenorganisation LSU, mehr Einfluss auf die Politik der
Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu nehmen:
LSU-Vizechef Björn Beck schränkte allerdings
ein: "Die Forderungen des Lesben- und Schwulenverbandes
(LSVD) nach Rehabilitation und Aufhebung der Urteile sind
aus Sicht der LSU zwar nachvollziehbar, aber realitätsfern".
Grund: Urteile, die aufgrund geltenden Rechts gefällt
und vom Bundesverfassungsgericht gestützt wurden, können
nicht aufgehoben werden". Dies gelte selbst dann, wenn
diese Rechtsprechung aus heutiger Sicht gegen die Menschenrechte
verstößt".
Daher fordert die LSU den LSVD auf, sich zu zügeln: Unrealistische
Forderungen verlängern diesen Prozess [der Stiftungseinrichtung
für die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft] nur unnötig
und bringen den wenigen noch lebenden Opfern nichts",
so Beck (CDU)."
Wir selber erinnern uns noch daran, wie wir den Aufruf des Schwulenverbandes
der DDR (SVD) und des Bundesverbandes Homosexualität (BVH)
an den Petitionsaussschuss der DDR und der Bundesrepublik mit
unterstützt haben, um zu verhindern, dass der § 175
wieder in den neuen Bundesländern eingeführt wird,
anstatt ihn endlich im Westen abzuschaffen. Oder die Unterschriftenlisten
von SVD und BVH soowie der AIDS-Hilfe gegen den § 175 StGB,
die wir auf den Festivals auslegten, letztlich die von der AIDS-Hilfe,
weil die uns am besten erschienen, und große Mengen von
Unterschriften auf diversen Festivals sammelten.
Und nun erdreisten sich die Unionsparteien und die FDP, die noch
lebenden Opfer des § 175 noch immer nicht zu rehabilitieren?
Und dann wird die LSU beim CSD wieder angeberisch auftreten und
besonders die älteren Schwulen damit beleidigen?
Also, damit die Bundesrepublik ein makelloser Rechtsstaat bleibt,
beziehungsweise das Image der Bundesrepublik in der Adenauer-Zeit
nachträglich positiver gesehen wird als es war, dürfen
die zu unrecht verurteilten Menschen nicht rehabilitiert werden?
Was staatliche Homophobie betrifft: muss man nur die Augen öffnen,
um sie zu sehen. (js)
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- Informationsquellen: Die Hompage www.queer.de
und Hans-Gerog Stümke/Rudi Finkler: Rosa Winkel,
Rosa Listen, Homosexuelle und Gesundes Volksempfinden
von Auschwitz bis heute, Hamburg 1981
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- Erklärungen zu den Fußnoten
Fußnote
1. In den meisten Geschichtsbetrachtungen
unserer Szene wird die Reichsgründung des deutschen Kaiserreichs
als Beginn des § 175 angesehen, nachdem sich der Norddeutsche
Bund 1871 in Deutsches Reich umbenannt hat, dann existierte er
123 Jahre, rechtlich 122 Jahre. Allerdings hat der Norddeutsche
Bund schon 2 Jahre vorher den § 175 StGB eingeführt,
indem er die unterschiedlichen Strafgesetze gegen mannmännliche
sexuelle Handlungen aus all den Mitgliedstaaten unter der Bezeichnung
§ 175 zusammengefasst hat. Dann müsste man sagen: 125
Jahre, rechtlich 124 Jahre.
Fußnote 2. Der Bundesgerichtshof begründete
(am 13.03.1951) sein Urteil damit, dass gegen die Fortgeltung
des Paragraphen in seiner seit 1935 gültigen Fassung (von
den Nazis verschärften Fassung) keine Bedenken bestünden:
Das Gesetz Ist in ordnungsgemäßer Form zustande
gekommen. Die bei Kriegsende geltenden Rechtsvorschriften sind
mehrfach daraufhin überprüft worden, ob sich die Weitergeltung
mit der Änderung der politischen Verhältnisse in Deutschland
verträgt.
Am 22. Juni 1951 stellte der Senat des Bundesgerichtshofes fest,
dass § 175 weder gegen den Gleichheitsgrundsatz, Artikel
3 Abs. 2, des Grundgesetzes noch gegen Artikel 2 Abs. 2 GG, Recht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, verstoße.
Damit, daß die Rechtsordnung von einem strafrechtlichen
Verbot der gleichgeschlechtlichen Unzucht der Frau absieht, verleiht
sie dieser kein Recht, auf das sich der Mann mit Hinweis aud
sie von der Verfassung gewährleistete Gleichberechtigung
der Geschlechter berufen können. Grund dafür
sei der naturgegebene Unterschied der Geschlechter
usw. Zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit meinte
das Gericht: Die Unzucht unter Männern verstößt
gegen das Sittengesetz .... (Hans-Gerog Stümke/Rudi
Finkler: Rosa Winkel, Rosa Listen, Homosexuelle und Gesundes
Volksempfinden von Auschwitz bis heute, Hamburg 1981 S.
357 f.)
Das Verfassungsgericht urteilte am 10.05.1957 im Namen
des Volkes in gleicher Angelegenheit. In einer achtzigseitigen
Begründung berief sich das höchste Gericht der Bubdesrepublik
zunächst auf Moses und das Alte Testament. ... Für
das Gebiet Homosexualität rechtfertigen biologische Verschiedenheiten
eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter ... Schon die
körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für
den Mann auf eine mehr fordernde, für die Frau auf eine
mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin.
Dieser sexistischen Argumentation fügt das Gericht noch
hinzu: Während bei der Frau körperliche
Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit
(Erotik) fast immer miteinander verschmolzen seien, fände
man gerade beim homosexuellen Mann beide Komponenten
vielfach getrennt. So gelingt der lesbisch veranlagten Frau das
Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle
Mann dazu neigt, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu
verfallen.
- Auch eine Verfassungsbeschwerde gegen Artikel
2 des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit)
wurde vom Verfassungsgericht zurückgewiesen. Dieses Recht
sei durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt,
die eine im Grenzbereich liegende Handlung bestrafen würde,
wenn feststeht, daß die soziale Gemeinschaft die
Handlung eindeutig als im Widerspruch zu dem Sittengesetz stehend
betrachtet, das sie allgemein als für sich verbindlich anerkennt
... Unsittliche Gesetze gehören nie zur verfassungsmäßigen
Ordnung ... Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt
eindeutig gegen das Sittengesetz.
Was das Sittengesetz nun sei, da meint u.a. das Gericht,
entscheidend sei jedoch, daß die öffentlichen
Religionsgemeinschaften, insbesondere die beiden großen
christlichen Konfessionen, aus deren Lehre große Teile
des Volkes die Maßstäbe für sittliches Verhalten
entnehmen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen.
( Stümke/Finkler, A.a.O. S. 360 f)
Der Antrag der Grünen am 12.05.1011, die nach dem §
175 StGB Männer zu rehabilitieren, wurde demnach von CDU/CSU
und FDP abgewiesen, um die verfassungsmäßige Rechtsordnung
der Bundesrepublik Deutschland, also auch diese Begründungen
des Bundesverfassungsgerichtes aus den 50er Jahren zu schützen,
denn die sind ja die Grundlage der Beibehaltung des von den Nazis
verschärften Paragrafes, der Männer schon für
einen Kuss ins Zuchthaus schickte. Es ging doch um die Opfer
dieser Verurteilungen zwischen 1949 und 1994.
Erst 1969 beerdigte die Große Koalition die Nazifassung
und erst 1994 wurde der § 175 StGB in Deutschland endlich
gänzlich abgeschafft, weil die SED ihn schon in der Volkskammer
der DDR abgeschafft hatte.
Fußnote 3. Der FDP-Politiker Jörg
van Essen meint, wenn man die menschenrechtswidrigen Verurteilungen
wegen Homosexualität aufheben würde, würde man
eine Welle auslösen und müsste man auch die Urteile
wegen Kuppelei infragestellen. Seit 1871 galt Geschlechtsverkehr
zwischen Unverheirateten, auch wenn sie verlobt waren, als Unzucht
bzw. als unzüchtig und stand unter Strafe (Homosexualität
zwischen Männern war "widernatürliche Unzucht").
Der sogenannte Kuppeleiparagraf bestrafte Eltern, Vermieter und
Verwandte, die unverheirateten Paaren Räumlichkeiten nicht
verweigerten bzw. sogar zur Verfügung stellten. Noch 1962
entschied der 4. Strafsenat, dass Kuppelei unter Strafe zu stellen
sei. 1969 wurde der Kuppeleiparagraf abgeschafft.
Man muss sich überlegen, was dies bedeutete: wer unverheirateten
Erwachsenen ein Hotelzimmer überließ, machte sich
ebenso wegen "Verschaffung der Möglichkeit zur Unzucht"
strafbar, wie Eltern, die den Freund oder die Freundin ihres
erwachsenen Sohnes oder ihrer erwachsenen Tochter nicht der Wohnung
oder des Hauses verwiesen bzw. sie nicht anzeigten. Zimmerwirte
mussten so bei alleinstehenden Mietern die Zimmer kontrollieren.
- Das alles und noch viel mehr (was am 12.05.2011
nicht zur Sprache kam) war von Verfassungsgerichten abgesicherte
Realität in der Adenauerzeit, wie z.B. das Verbieten von
Aufklärungsbüchern und Teilen der internationalen Literatur
als "Pornographie".
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