106. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2011
 
Zukunftspolitik
Die neue deutsche Politik, die angeblich derzeit notwendig ist, erscheint den deutschen Wählern in der nun existierenden Berliner Republik völlig fremd nach dem Ende der vertrauten rheinischen Republik. Die politische Kenngrößen, die sich jedoch schon längere Zeit anbahnten, heißen nun Globalisierung, Parteienverdrossenheit und neue Bürgerbewegungen. Im Hintergrund wirken eine neue Geopolitik, Sozialabbau, Schrumpfung des Mittelstandes und die „Wirtschaftskrise", die wohl "neuere Weltwirtschaftsordnung" genannt werden müsste.
Kenngrößen
Was als Globalisierung definiert ist, zeichnet sich nun auch in unserem Lande schrittweise ab. Es geht darum, dass alle großen internationalen Wirtschaftsunternehmen oder „multinationalen" Unternehmenszusammenschlüsse überall in der Welt investieren d.h. wirtschaftlich tätig sein können und sich bemühen können, überall die Infrastruktur der Länder nach ihren Gewinnerwartungen umgestalten können. Staatliche oder öffentlich-rechtliche Strukturen wirken auf sie wie Kapitalmärkte, die noch nicht für sie bzw. von ihnen erschlossen, also in Besitz genommen wurden.

Für die WählerInnen bedeutet dies, dass sie zunehmend tendenziös und entsprechend den wirtschaftlichen Interessen der internationalen Konzerne „informiert" werden, und be-sonders vor den Wahlen werden von denen, die gewählt werden wollen, Illusionen über die gesellschaftliche Zukunft geweckt, die in der Realität dieser Menschen dann keine Entsprechung mehr haben.

Dass sich infolgedessen immer weniger Menschen an die sogenannten Volksparteien gebunden fühlen, wird Parteienverdrossenheit genannt, es ist jedoch in Wirklichkeit eine Verdrossenheit über die Politik von nahezu der gesamten politische Klasse, die in einer Verrechtlichung durch die Gesetzgebung, die sie selber zu verantworten haben, über raffinierte und von Konzernen subventionierten Wahlkampagnen Wählerstimmen auf eine Weise sammeln, als seien dies wirtschaftliche Profite.

Und mit diesen Profiten können sie (die Politiker) dann eine Zeitlang selber wirtschaftlich sorglos leben, bezahlt von den Menschen, die sie ja gewählt haben. Den WählerInnen bzw. der Bevölkerung erklären sie dann, dass sie das einst Versprochene nicht halten können, weil die über ihnen stehende Zusammenhänge dies verhindern, und sie treffen politische Entscheidungen, die legal nach den Gesetzen sind, die sie selber vorher verabschiedet haben, und deshalb so sein können. Nur nutzen diese Entscheidungen eher den internationalen Konzernen statt den Menschen des Landes.

Es entzünden sich daher, je nach den Ereignissen der Tagespolitik, politische Kristallisationspunkte, um die herum sich von Gruppen geführte Proteste und von Gruppen geführte Gegenproteste bilden, und dort zeigt es sich, dass diese neuen Bürgerbewegungen irgend etwas von der Wahlpropaganda ernst genommen haben und dies durchgesetzt haben wollen oder etwas von den politischen Machenschaften nicht dulden wollen. Nun ist aber nicht sicher, dass sich die Strukturen dieser Bürgerbewegungen wirklich gegen die Funktionalisierung durch Konzerne oder deren Lobby-Gruppen gefeit sind. Es ist durchaus möglich, dass diese viel besser als politische Parteien vor den Karren deren Wirtschaftsinteressen gespannt werden können.
 
Es ist daher anzunehmen, dass die gegenwärtig auftauchenden neuen Bürgerbewegungen nur eine Vorstufe zukünftiger politischer Interessengruppen darstellen, und noch neuere Formen entstehen, nachdem die Bevölkerung ihre hinreichenden Erfahrungen in und mit solchen Bürgerbewegungen machen konnte.
 
1. Soziale und politische Schichtungen in der Gesellschaft
Glaubt man den Parteien, sind sie im wesentlichen Parteien der Mitte. Die politische Rechte, die Konservativen also, sind Parteien der Mitte, behaupten sie. Die Liberalen sind überhaupt die Mitte und die Sozialdemokraten unter Schröder/Münte-fering/Steinmeier waren/sind auch in der Mitte.
 
Das bestreiten die Konservativen. Und weil die Konservativen behaupten, dass sie in der Mitte sind, seien folglich die Sozialdemokraten links. Und was links der Sozialdemokraten ist, das sind nach der Lesart der Konservativen dann Linksradikale. Sehen wir uns die politische Strukturierung der Gesellschaft genauer an, müssen wir uns bei den politischen Aktionen dieser Strömungen, die in Parlamentsparteien ihren Ausdruck finden, fragen, welchen sozialen Schichten deren Handlungen und Aktionen nützlich sind.

Die demokratische Rechte ist darum bemüht, die sozialen Schichtungen der Gesellschaft und also auch die Privilegien einzelner Schichten gegenüber den anderen zu unterstützen, also zu konservieren. Als politische Parteien treten zu diesen Zielen sowohl die konservativen wie auch die Liberalen auf. Die Konservativen bemühen sich auch um den Schulterschluss mit den religiösen Organisationen im Lande, zum gegenseitigen Nutzen. Als Parteien sind hier vorrangig die CDU und die CSU vorzufinden. Die FDP hat hier auch ihre politische Heimat. Sie ist tatsächlich die Partei der Besserverdienenden und der Interessen der Banken und der Wirtschaft.

Die politische Mitte bemüht sich ebenso um den Erhalt der vorgefundenen gesellschaftlichen und politischen Ordnung, möchte jedoch soziale Auseinandersetzungen verhindern und ist daher auch darm bemüht, dass die Arbeitnehmer-Innen in der Gesellschaft ihr Auskommen haben. Als politsche Parteien finden sich hier besonders die Sozialdemokraten aber auch der arbeitnehmerflügel der Union sowie solche Liberale, die die individuellen Freiheitsrechte in der Gesellschaft verteidigen. Diese finden sich bei den Grünen.

Die demokratische Linke ist darum bemüht, eine Politk zu machen, die den Gegebenheiten in der Gesellschaft entspricht, die sich aber besonders den Arbeitnehmern in der Gesellschaft verpflichtet fühlt, deren Bildungs- und Aufstiegschansen ebenso befördert wie auch deren gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben. Her finden wir als Parteien besonders die LINKE, aber auch Teile der Grünen und Sozialdemokraten wieder.

Parteien: Wie aus dieser Aufstellung zu erkennen ist, sind die Parteigrenzen nicht identisch mit den politischen Strömungen, die sie angeblich vertreten, denn die Parteien haben ihr Eigenleben, sind gesellschaftlich weit verzahnte Organisationen, die auch besonders das wirtschaftliche Wohlergehen des eigenen Apparates und die für diese Partei arbeitenden Menschen sowie die politischen Einflussmöglichkeiten sowie die politische Bedeutung der jeweiligen Partei im Auge haben.

Radikale: Das Wort „radikal“ wird im parteipolitischen Zusammenhang als Schimpfwort für Konkurrenten und Gegner benutzt, da ja alle in der Mitte sein wollen. Radikal sein, heißt, an die Wurzeln zu gehen, wir kennen dieses Wort als Radieschen, was Würzelchen heißt. Die einen sagen, dass man an die Wurzeln geht, die anderen sagen, dass man an das Fundament geht. Der Begriff „Fundamentalismus“ wird eher für religiös gerechtfertigte politsche Bestrebungen benutzt, „Radikalismus“ eher für politische Parteien.

So finden sich in der politischen Rechten Menschen und Gruppen sowie Parteien, die die Wurzeln oder Fundamente der Gesellschaft radikal verändern möchten und als ideologische Grundlage dafür den Rassismus, den Sozialdarwinismus, den Sexismus (angebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern) benutzen, die als ewig und unverrückbar gelten sollen und daher erst einmal gewaltsam hergestellt werden müssen. Diese treffen sich mit religiösen Radikalen oder Fundamen-taliten, die einen wie auch immer gearteten „Gottesstaat“ zum Ziel haben und als Rechtfertigung für ihr politisches Handeln den jeweiligen „Wille Gottes“ als ihre jeweilige Gottesvorstellung dazu vorgeben. Dieser ist natürlich auch für die Ewigkeit angelegt.

In der politischen Auseinandersetzung werden bei der politischen Linken solche Personen oder Gruppen linksradikal genannt, die die vorherrschenden gesellschaftlichen Strukturen radikal oder fundamental verändern möchten. Dazu gibt es auch recht unterschiedliche Vorstellungen zur Rechtfertigung der gewünschten Änderung.

Bewertung des Radikalismus bzw. Fundamentalismus: Wer in der vorgefundenen gesellschaftlichen und politischen Ordnung sein Auskommen hat, gut leben kann, besser also als andere, wer sich so zufrieden fühlen kann und daher von der politischen Mitte ausgeht, möchte keine wirklichen Veränderungen. In den Entwicklungen der menschlichen Gesellschaften gab und gibt es jedoch ständig gesellschaftliche Veränderungen. So wurde und wird seit der Erfindung des Monotheismus die politische Herrschaft religiös begründet, die den einen nutzt und den anderen nicht. Die, denen die vorgefundene Ordnung nicht nutzt, möchten natürlich ihre Lage verbessern. Und wenn sie nicht erst für ihr Sklavendasein oder Ähnliches belohnt werden wollen, wenn sie tot sind, wie das die Religionen versprechen, dann müssen sie etwas unternehmen, um ihre Lage zu ändern.
 
Dabei gibt es die Vorstellung, dass nun sie mal oben sein wollen und die anderen ihre Sklaven sind, oder die Vorstellung, dass Sklaverei abgeschafft gehört und daher die Menschen gleich behandelt werden sollen und gleiche Chancen haben sollen. Dies ist ein fundamentaler Unterschied und nicht so sehr die frage, wie radikal die Auseinandersetzungen zum Ändern der unerträglichen Zustände sind. Änderungen gehen nur, wenn die Gesellschaft für eine solche Änderungen offen ist. Geht dies nicht, gibt es zumeist gewaltsame Auseinandersetzungen. Die von den Zuständen bisher Profitierenden werden sich nicht so einfach die Butter von Brot nehmen lassen. Nur wenn sie unter anderen Umständen zumindest einen Ausweg für sich sehen, werden sie sich vielleicht weniger wehren.

So wurde zum Beispiel die Macht des Adels zurückgedrängt, und der Adel hat nur noch repräsentative Funktion, oder wo das nicht ging, wurde er gestürzt und es entstand nach einigen blutige Auseinandersetzung eine andere Ordnung der Gesellschaft und des Staatswesens. Ob solche Auseinandersetzungen also radikal sind, hängt wohl davon ab, wie radikal die Ordnung ist, gegen die sich die Auseinandersetzung richtet.

Das Bürgertum ist durch den Sturz des Adels oder zumindest das Zurückdrängen der wirtschaftlichen und politischen Macht des Adels selber zur politischen Macht geworden.
 
1.1. Das deutsche Bürgertum
Die ehemals neue linke Partei „die Grünen" oder dann Bündnis90/Die Grünen sei in Wirklichkeit nun eine Partei des Mittelstandes und des Bürgertums, heißt es in den Medien. Diese Partei sei gerade im Kommen, doch es würde eine Grenze des Wachstums für die Grünen geben, denn aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation schrumpfe der Mittelstand. Und die neuen Bürgerbewegungen sind also ebenfalls Bewegungen des Bürgertums. Was genau ist eigentlich das Bürgertum und was ist der Mittelstand?

Als Bürgertum wurde der soziale Stand definiert, der nach oben von dem Adel und dem Klerus abgegrenzt werden konnte und nach unten von den Bauern und den lohnabhängigen Arbeitern sowie natürlich auch dem „Prekariat“ oder dem „Lumpenproletariat", also von Menschen, die sich auch nicht mehr von Lohnarbeit ausreichende ernähren konnten und können.

Die führenden Köpfe des Bürgertums kommen aus zwei Schichten, nämlich den Besitzern (Eigentümern) und Führern (Managern) der großen Konzerne, flankiert von kleineren Gewerbetreibenden sowie den höheren Beamten (z.B. Regierungsangehörige), flankiert von den unterschiedlichen gut bezahlten Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die eher konservativen Teile des Bürgertums kommen eher aus der Wirtschaft, während die eher reformerischen Kräfte aus dem öffentlichen Dienst kommen, aber dies ist nicht durchgängig.

Das Bürgertum stürzte den Adel und die daraus folgenden Gesellschaften, die vom Staatsaufbau auf den Nationalstaat und dem Parlamentarismus basierten, setzten gesellschaftlich auf die „humanistische Bildung“ und auf ein naturwissenschaftliches Grundwissen sowie wirtschaftlich auf das Gewinnstreben. Heutzutage werden alle Staatsbürger bzw. staatsangehörige Einwohner eines Nationalstaates als Bürger bezeichnet, was diesen Begriff „Bürgertum“ oder die Eigenschaft „bürgerlich“ zur Kennzeichnung sozialer Schichten folglich zunehmend unbrauchbar macht.

Nach der marxistischen Definition ist die Arbeiterklasse die kommende soziale Schicht, die den bürgerlichen Staat stürzen wird und die „Diktatur des Bürgertums“ über alle soziale Schichten durch eine „Diktatur des Proletariats“ ablösen wird, die letztlich in die klassenlose Gesellschaft münden bzw. übergehen wird. Dass die Macht der Arbeiterklasse nicht gestürzt werden kann, hängt dann damit zusammen, dass unter ihr deshalb keine Klasse mehr ist, die gegen sie revoltiert, weil die Arbeiterklasse ja schon die unterste Klasse sei. Was ist aber mit dem Lumpenproletariat bzw. dem Prekariat?
 
Unter „Diktatur" wird hier die wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorherrschaft durch eine soziale Schicht verstanden und nicht die Führung des Staates nach innen und außen durch ein diktatorisch vorgehendes Regime. Allerdings kann dies durchaus immer dann entstehen, wenn die individuellen Freiheitsrechte aus irgend einem Grund eingeschränkt werden.

Und so war in den Staaten, die sich selber realsozialistisch nannten, beispielsweise der DDR, das politische Spielchen zu beobachten, dass die Arbeitnehmer aber auch der gesellschaftliche Überbau des Staates mit seinen führenden Funktionären als Arbeiterklasse angesehen wurden, und in der Bundesrepublik wird die wirtschaftliche und politische Führung wie auch die Mehrheit der lohnabhängigen Arbeitnehmer als „Bürger" und „Mittelstand" bezeichnet.

Gut bis sehr gut verdienende Menschen sind heutzutage nicht gerade in ihrer Mehrheit unabhängige Unternehmer, sondern auch Arbeitnehmer, ob lohn- beziehungsweise gehaltsabhängig, und es gibt Unternehmer, die durchaus zu den armen Menschen der Gesellschaft gehören. Es gibt auch viele lohnabhängige Arbeitnehmer, deren Lohn nicht ausreicht, davon zu leben, was sie dem Prekariat zuordnet. Also hilft man sich nun mit dem Begriff „Besserverdienende", wenn man die Wohlhabenden benennen möchte, was aber auch sprachlich nicht sauber ist, weil das „Verdienen“ zum Arbeitnehmer zugerechnet wird und nicht dem Arbeitgeber, der ja seine Reichtun erwirtschaftet.

Die wie auch immer finanziell abzugrenzenden Besserverdienende sind also der sogenannte Mittelstand, von besserverdienenden MitarbeiterInnen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst bis zu mittleren Unternehmern, Managern bis Lehrern und Menschen in der Verwaltung usw., die durchaus ein Einkommen haben können.

Diese besserverdienenden sozialen Schichten, dieser Mittelstand also, ist gegenwärtig in Gefahr, seine Stellung zu verlieren und man hat dort deshalb verstärkt Angst, zu Hartz-IV-Fällen zu werden und den Kindern nicht mehr den reibungslosen Übergang auf die besseren Plätze der Gesellschaft ebnen zu können. Dies zeigte sich zum Beispiel in der Hamburger Kampagne gegen die kleinen Verbesserungen der Bildungschancen für untere soziale Schichten.

Auch bei der Bahnhofsgeschichte in Stuttgart geht es vorrangig nicht so sehr um Interessen der unteren sozialen Schichten, sondern um die Interessen des städtischen Mittelstandes, der während der jahrelangen Bauphase alle seine Möglichkeiten verliert, im Umfeld des Bahnhofes Geld zu verdienen, und die Neuplanung des bisherigen oberirdischen Bahnhofsgelände mit vielen kleinen Gewerbebetrieben ermöglicht anderen Kapitalanlegern, nämlich großen Konzernen, dort Geld durch eine völlig neue Bausubstanz zu verdienen. Diese Sorgen treffen sich mit der urbanen Bevölkerung, die in ihrer Stadt wohnlich wohnen möchte, während die Arroganz der Macht der entsprechenden Politiker die Menschen sehr erbittert. Dies ist also eine „bürgerliche Bewegung".

Im Mittelstand gibt es auch Strukturen, die generell die Migranten-familien und anders religiöse Familien mit großem Misstrauen sehen und die daher für die entsprechende Demagogie empfänglich sind. Eine große Gefahr ist also eine anti-Mgranten-Bürgerbewegungen und die Nazis in Deutschland sehen gerade dies als Chance für einen bürgerlichen Schulterschluss mit Rechtsradikalen.
 
Dort verbinden sich scheinbar die wirtschaftlichen Ängste mit der traditionellen Ideologie des konservativen Bürgertums. Aber auch Menschen des linksliberalen Bürgertums sind für Vorbehalte gegenüber Migrantenfamilien empfänglich. Sowohl die Frauenbewegung als auch die Schwulenbewegung (bzw. Lesben- und Schwulenbewegung) bieten den Ansatzpunkt, ihr endlich Erreichtes verteidigen zu wollen, auch gegen die religiöse Frauenfeindlichkeit und Homophobie von solchen Religionen, die hier traditionell fremd waren und nun als fremd dargestellt werden und wurden. Das legitime Verteidigen der erreichten Rechte homosexueller Menschen nach vielen Jahren der Demütigung und Verfolgung kann nicht in einem dumpfen Klima pauschaler Verurteilungen gelingen, das auch nicht gerade für andere unserer Belange förderlich sind.
 
Es handelt sich hier jedoch um bürgerlich-linke Interessen, viele linke Interessenwahrnehmungen sind eher bürgerlich. Der bürgerliche Mittelstand weiß offensichtlich schon, auf vielfältige Weise seine Interessen zu erkennen und auf unterschiedlichen Wegen zu verteidigen.

In der politischen Linken wird davon ausgegangen, dass die unteren sozialen Schichten nur etwas zu ihren Gunsten erreichen können, wenn sie ihre eigene Lage und ihre Interessen erkennen und nicht glauben, mittelständige Bürger zu sein. Dieses Erkennen ihrer Lage gelingt ihnen aber häufig eher nicht, weil sie selber glauben, jede/r könnte es individuell nach oben schaffen.

Lohnarbeit wird nicht aufhören zu existieren. Wichtig ist nur, unter welchen Bedingungen diese Arbeit verrichtet wird, was leider immer schlimmer aussieht, und wie sich die Menschen an den gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können oder nicht beteiligen können, erleben sie zu ihrem Unmut ständig. Und sie wollen nicht immer nur mit ihrem Verlangen und gesellschaftspolitischen Ansätzen auf Wahlen vertröstet werden, was dann auch enttäuschend ausgeht, weil sich um die Parteien herum längst Lobbyverbände gruppiert haben.

Die gesellschaftliche Beteiligung der Bevölkerung von unten nach oben gehört zu den grundlegenden Prinzipien einer Demokratie. Es geht anscheinend nicht darum, dass Teile des mittelständigen Bürgertum mehr Einfluss möchte, sondern dass es zunehmend autoritärer werdende konservative bürgerliche Strukturen gibt, die ihrerseits eine für sich selber wirtschaftliche und politische Machtbasis gegenüber unten absichern wollen, um vom Niedergang der Mittelschichten selber nicht betroffen zu sein, sondern davon zu profitieren.

Der Staat handelt also zunehmend autoritärer und baut Strukturen aus, die ihm dazu befähigen, die Wirtschaft versucht die Arbeitnehmerrechte und Gehälter in den freien Fall zu bewegen, was auch den Mittelstand abbaut. Der Niedergang der unteren Mittelschichten wurde aber vom konservativen Bürgertum in Wirtschaft und Politik selber eingeleitet, um davon zu profitieren, darüber an anderer Stelle mehr. Wie dem auch sei, eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung scheint nur gegeben zu sein, wenn es eine akzeptable wirtschaftliche Untergrenze für alle Menschen gibt.
 
1.2. Die heutige deutsche politische Linke
Die deutsche politische Linke, die sich ja hauptsächlich um die soziale Lage der Bevölkerung kümmert und zu kümmern hat und sich überhaupt als die Arbeiterbewegung sieht, hat unterschiedliche Hintergründe in der Geschichte und unterschiedliche ideologische Wurzeln sowie historische Erfahrungen und bekämpft infolgedessen lieber sich gegenseitig selber als ihre eigentlichen politischen GegnerInnen, das konservative Bürgertum und besonders auch die Nazis, die immer bereitstehen, dem konservativen Bürgertum gegen die Linken beizuspringen. Das führt übrigens dazu, dass das konservative Bürgertum auch gelegentlich den Nazis beispringt.

Aufgrund der Zweistaatlichkeit nach dem 2. Weltkrieg war die Lage der politischen Linken in den beiden deutschen Staaten natürlich völlig unterschiedlich. Während im heutigen bürgerlichen Deutschland über die tragische Lage konservativer und bürgerlicher Menschen im Osten viel in den Medien die Rede ist, ist die politische Linke noch immer das Feindbild.
 
Zumindest nutzen die eher konservativen und bürgerlichen Parteien noch immer gerne dieses Feindbild, indem sie damit verhindern, dass aus dem Zusammenschluss linker Kräfte eine politische Vereinigung entstehen kann. Eher mobilisieren sie gesellschaftliche Bilder und Töne mit, die näher an die Zeit vor dem Zusammenbruch des „tausendjährigen Reiches" angesiedelt sind und der restaurativen Phase der Bundesrepublik vor der befreienden 68er Revolte. Die wollen derzeit eine neue restaurative Stimmung gegen die 68er Wende erzeugen.

Die politische Linke aus diesen beiden Staaten hätte also alleine deshalb viel zu tun. Gegenwärtig finden wir die politische Linke Deutschlands in einer ganzen Reihe von sozialen Projekten und Bewegungen sowie Gewerkschaften, viele politisch eher linke Menschen sind auch in Parteien zu finden, wie der Partei "die LINKE", auch noch den GRÜNEN und in gewissen Mengen noch in den stark angeschlagenen Sozialdemokraten. Die meisten sind aber parteilos und in sozialen Projekten usw. engagiert.

Es haben sich nach der für Linke unvergleichlichen Katastrophe des Nazistaates, teilweise der KZ-Erfahrung oder des Lebens im Untergrund oder in der inneren Emigration und dem folgenden Untergang des Nazi-Staates im 2. Weltkrieg dann in den beiden deutschen Staaten nicht nur zwei völlig voneinander getrennte linke Bewegungen gebildet. Es entstand sowohl die jeweils unter den unterschiedlichen Linken dominierende linke Ideologie wie das aus den politischen und sozialen Auseinandersetzungen in beiden Staaten sich bildende eigene Selbstverständnis der linken Menschen in diesen beiden deutschen Staaten.
 
1.2.1. Linke in der DDR
Der mit Hilfe der Sowjetunion implantierte sozialistische Staat war in seinen Grundlagen autoritär, von oben nach unten aufgebaut. Diese Form des „Sozialismus" als Ergebnis der geostrategischen Lage nach dem 2. Weltkrieg wurde schrittweise ausgebaut und es scheint so, dass die Obrigkeit der eigenen Bevölkerung nicht traute: Einerseits, weil man sich in Konkurrenz zum Westen befand, der einerseits in gewisser Weise mit Wohlstand winkte, die Staatsbürger der DDR als Staatsbürger des eigenen westlichen kapitalistischen Staates ansah und Einfluss auf die inneren Strukturen der DDR zu nehmen versuchte, indem der Westen viel tat, um die DDR zu destabilisieren.
 
Es war nämlich der Teil Deutschlands, in dem dieser Nachkriegsstaat eingerichtet wurde, auch kein wirtschaftlich günstiges Gebiet. Andererseits war die sozialistische Führung aufgrund des hierarchischen Aufbaus ihrer Machtbasis nicht gerade sicher, was die innerstaatliche Kontrolle der Bevölkerung verriet. Diese Unsicherheit der Führung macht es aus, dass die herrschenden Funktionäre bei ihrem eigenen Machtverlust um das Ganze des sozialistischen Ordnung fürchten mussten, weshalb viele repressive Maßnahmen der Regierung notwendig zu sein schienen. Das war schlecht für kreative Entwicklungen.

Viele linke EmigrantInnen der Nazizeit aus dem deutschen Kulturleben gingen nach dem 2. Weltkrieg in die neugegründete DDR und befruchteten dort tatsächlich das Kulturleben erheblich. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass die gesamte Bevölkerung der DDR politisch gegen diesen Staat eingestellt war. Allerdings gab es durchaus auch linke Strömungen oder Bemühungen, die andere bzw. ergänzende Vorstellungen von einem sozialistischen Staat hatte, ohne den Staat infrage zu stellen.

Da der Staat DDR selber nicht das Ergebnis einer Revolution, sondern eines administrativen Aktes der Sowjetunion und der von ihr eingesetzten Regierung war, stützte sich die Regierung im wesentlichen auf einen bürokratischen Apparat, der möglichst alles verwalten wollte/sollte. Und da die Bundesrepublik viel unternahm, die DDR zu entstabilisieren, traute der Staat seinen Bürgern nicht, was sehr autoritäre Strukturen förderte. Der Staat rechtfertigte seine gesellschaftlichen und politischen Aktionen, die nur teilweise begrüßt oder akzeptiert wurden, mit der Aussage, dass dies, was er dort zu seinem Staatserhalt machte, eben der „real existierende Sozialismus“ sei.

Damit wurde bei den politisch linken Kräften in der DDR, die zum DDR-Staat standen, und deren befreundete Organisationen im Ausland (z.B. in der Bundesrepublik) der Sozialismusbegriff auf das festgelegt, was sich nach Lage der Dinge in der DDR entwickeln musste und daher auch entwickelte.

Der Begriff „Sozialismus" wird von unterschiedlichen Linken recht unterschiedlich gesehen. Im „Kalten Krieg" zwischen dem so genannten „Sozialistischen Lager" oder „Ostblock" einerseits und dem angeblichen „freien Westen" andererseits, der durch heiße Kriege um die Gebiete der sogenannte „3. Welt" rund um die Welt gewürzt wurde, in dieser Zeit war im Westen „Sozialismus" etwas Schlimmes, Kommunismus etwas noch schlimmeres. Es versteht sich von selbst, dass dies in den Ländern des Ostens ganz offiziell anders zu sehen war und vielfach von der Bevölkerung auch gesehen wurde.

Nun hatte die DDR auch durchaus Errungenschaften vorzuweisen, was dazu führt, dass die Partei „Die Linke" in den „neuen Bundesländern" durchaus ein starker Faktor ist, weil sie verloren gehen oder gingen, außerdem gibt es in der Bundesrepublik genug Gründe, die eine politische linke und deren politisches Wirken notwendig machen. Es gab aber auch politisch „linke" Kräfte in der DDR, zum Beispiel in den Kirchen und anderen Organisationen des Übergangs, die, nachdem sie sich in der Bundesrepublik wiederfanden, sich sehr schnell mit konservativen Kräften der Bundesrepu-blik in der CDU oder CSU zusammenschlossen.
Und die meisten politischen Parteien der DDR fanden sich auch recht schnell zurecht.
Die LDPD (Liberaldemokratische Partei) und die NDPD (Nationaldemokratische Partei) traten der westlichen FDP bei, CDU der DDR und die BP (Bauernpartei) traten der bundesrepublikanischen CDU bei. Außer der SPD vergrößerten sich also die Parteien der Bundesrepublik durch die sogenannten Blockflöten, die ja viele Mitglieder und Parteivermögen hatten.
Die SPD-Landesverbände in den "neuen Ländern" waren tatsächlich Neugründungen.
Die SED (Sozialistische Einheitspartei, einstmals aus KPD und SPD der DDR gegründet), stellte zusammen mit gesellschaftlichen Organisationen und mit den anderen Parteien, der CDU der DDR, LDPD, NDPD und BP der DDR die Regierung der Nationalen Front der DDR. Nach der Übernahme der DDR durch die Bundesrepublik verlor die SED den größten Teil ihrer Mitglieder, nämlich alle solche, die nun in anderen Parteien oder Strukturen vorankommen wollten. Die Rest-SED wandelte sich um in die PDS.
Die PDS schloss sich in der Bundesrepublik später mit den Teilen der SPD zusammen, die sich unter Schröder in ihrer Partei nicht mehr wiederfanden und mit Gewerkschaftlern der Bundesrepublik (beide in der WASG - Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit), außerdem mit isolierten aber eben noch immer existierenden 68er Linken, die nicht in die Grünen gegangen waren, zur Partei Die LINKE. Innerhalb dieser neuen Partei Die LINKE gibt es große inhaltliche Auseinandersetzungen, die etwas mit der neuen Lage der Menschen aus der DDR in der Bundesrepublik und der unterschiedlichen Geschichte der politischen Linken in beiden Staaten zu tun haben, aber auch mit den Dauerauseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Linken aus der alten Bundesrepublik.
 
1.2.2. Linke in der BRD
Die KPD entstand nach dem Untergang des Nazistaates ebenso schnell wie z.B. die Sozialdemokraten und die Liberalen, auch die Konservativen, sie hatte anfänglich durchaus beachtliche Wahlerfolge, aber sie wurde dann recht bald verboten und war somit wieder illegal. Anfänglich bauten die Kommunisten im Westen die Bundesrepublik mit auf.

In der Bevölkerung war die Stimmung nach dem Krieg und dem Hitlerstaat mit seinen Anhängern eher links. In Hessen gab es zum Beispiel eine Volksabstimmung, die zum Ziel hatte, die Industrie zu verstaatlichen und über 80% der Bevölkerung stimmte zu, die ameri-kanische Besatzung verbot die Durchführung.

Dennoch hat z.B. die hessische Verfassung durchaus einen linken Zungenschlag: im Arbeitskampf dürfen die Unternehmer nicht aussperren, der Krieg ist verboten und alle Maßnahmen, die einen Krieg vorbereiten können, sind verfassungswidrig. Die hessischen Lehrer haben die Pflicht, in allen Fächern für Frieden und Völkerverständigung einzutreten usw.

Übrigens, die Landesverfassungen entstanden vor dem Grundgesetz, sie wirken wie Verfassungen souveräner Staaten. Würde die Bundesrepublik zerfallen, wären die Landesverfassungen die Grundlage der Gesetzgebung der jeweiligen Länder.

Nach der Gründung der Bundesrepublik begann eine lange restaurative Phase. Richter und Polizisten aus der Nazizeit wachten wieder über die Bevölkerung und nach der Gründung der DDR begann in den Medien und in der Gesetzgebung der Kalte Krieg.

Durch das Verbot der KPD waren nicht nur Mitglieder dieser Partei verfolgt, sondern auch Anhäng-erInnen anderer linken Strömungen und ganze Gruppierungen. In vielen Fragen bekamen die Kirchen großen Einfluss, besonders im Bereich der Familie und auch der Kindererziehung und Heimerziehung.

Frauen durften kein eigenes Konto führen, nur mit Zustimmung des Ehemannes einen Beruf ausüben. Männliche Homosexualität wurde nach den in der Nazizeit verschärften Gesetzen weiterhin verfolgt, wer unverheirateten Erwachsenen die Möglichkeit gewährte, Sex zu haben, wurde wegen Kuppelei verurteilt usw.

All diese Umstände werden auch heute noch eher verschwiegen, wenn über die junge Bundesrepublik berichtet wird. Erst in den späten 60er Jahre änderte sich im Westen Vieles.
Eine von den Universitäten ausgehende linke antiautoritäre Jugendrevolte durchdrang die Schulen und die Kulturszene, wehrte sich gegen die deutsche Unterstützung des amerikanischen Vietnamkrieges und gegen die miefige Familien- und Sexualmoral der Adenauer-Republik. Das war dann auch die Zeit des parteipolitischen Wandels.

Die lange CDU-Zeit ging mit einer großen Koalition zu Ende, der die SPD-FDP-Zeit folgte. Die Zeit der SPD-FDP-Regierung und der Notstandsgesetze mit einer ganzen Reihe von Reformen und der Anerkennung der DDR, den Berufsverboten für linke LehrerInnen usw. und der Lockerung des Sexualstrafrechts usw.

Doch die linke antiautoritäre Jugendrevolte hatte außerhalb der Parlamente bis tief in die Provinz hinein ihre Eigendynamik. Häuserkampf mit Hausbesetzungen usw.
Es entstanden andere Lebensformen in Wohngemeinschaften und Kommunen, auch Landkommunen, eine breite linke Kulturszene und eine immer befreitere Sexualität. Das Spektrum linker Gruppen reichte von den Libertären über die Antiautoritären und Radikaldemokraten bis zu Sozialisten und maoistische Kommunisten.

Auch eine terroristisch vorgehende RAF entstand, die den Bürgerkrieg versuchte, der Linken mit Ihrer „Propaganda der Tat" ihre Politik aufzuzwingen versuchte und die sich als ein Teil des Versagens der bundesrepublikanischen Linken erwies.

Und die Juso kamen mit ihrem integrativen „Marsch durch die Institutionen“.
Die bundesdeutsche Linke führte durch ihre antiautoritäre Jugendrevolte zu einer Erneuerung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik und versickerte in den Angeboten der Marktwirtschaft.

Sozialistische Errungenschaften blieben auf die betriebliche Mitbestimmung reduziert und dem vermögensbildenden Sparen.

Die neue Linke der Bundesrepublik war genau genommen eine linksbürgerliche Bewegung.
Durch das Lesen von Hegel, Feuerbach, Marx, Trotzki, Bakunin und anderen, aber auch mit Macuse, Pilgrim, Amendt, Mc. Neill, von Braunmühl und Makarenko bildete man sich weiter und erging sich in verkopften theoretischen Auseinandersetzungen und argumentierte mit den Klassikern alten sozialistischen und anarchistischen Ikonen sowie neuen Theoretikern der neuen Linken.

Man war antiautoritär und glaubte im wesentlichen sich selber und nur solchen Theoretikern, denen man abnehmen konnte, dass sie sich mit dem, worüber sie schrieben und sprachen, auch hinreichend auseinandergesetzt hatten. Die Bewegung war also verkopft, sexualisiert und schließlich bekifft.

Aus diesen ganzen Bewegungen entstand immerhin auch die neue Frauenbewegung und die studentische Schwulenbewegung.

Später ging es gegen die Statio-nierung von Raketen, woraus eine breite Friedensbewegung entstand und eine breite Umweltbewegung. Dies alles veränderte das gesamte politische Klima auch zu mehr individueller Freiheit.

Mit eher autoritären realsozialistischen Strukturen in Osteuropa hatte man weitgehend nichts zu tun, das lag doch zu weit weg von den Auseinandersetzungen, die man hierzu-lande gegen die konservativen Autoritäten führte, außer in der DKP, die sich gründen durfte und nicht verboten war.
 
1.2.3. Die heutige Linke im heutigen Deutschland
Keative Kräfte die notwendige soziale, gesellschaftliche und zwischenmenschliche Veränderungen durchführen wollen, um besonders den unteren Schichten der Bevölkerung bessere Chancen zu ermöglichen, werden die politische Linke genannt.

Die politische Linke in ihrer Vielfalt wäre auch nicht am Ziel ihrer Hoffnungen, wenn sich die jeweilige linke Bewegung politisch durchgesetzt hätte, weil es immer etwas zu verändern und zu verbessern gibt mit dem Ziel, dass ein Zustand sozialer und gesellschaftlicher Gerechtigkeit erreicht wird. Auch wenn es in der Geschichte linker Bemühungen furchtbare Entgleisungen gab, geht es in den Grundlagen immer um individuelle und gesellschaftliche Emanzipation, besonders bei der sozialistischen Ausrichtung dieser Bewegung.

Große Teile der DDR-Bevölkerung sahen offensichtlich in der Marktwirtschaft und der durch die 68er erneuerte bürgerliche Gesellschaft die Erfüllung ihrer Sehnsucht nach mehr individueller Freiheiten. Dass dies ihren persönlichen wirtschaftlichen Niedergang bedeuten würde, kam ihnen dabei offensichtlich trotz der polytechnischen Oberschule nicht in den Sinn. Und bei uns im „freien Westen" machte der Zusammenbruch einer scheinbaren gesellschaftlichen Alternative in Osteuropa, die, wie auch immer sie war, immerhin existierte, eine „neue Weltordnung" mit neoliberalen Strukturen möglich. Und die durch den Zusammenbruch dieser Alternative machte es nahezu überall möglich, Sozialstrukturen abzubauen, Löhne zu senken und so die Gewinne deutlich zu erhöhen.

Da die SPD und die Grünen nach ihrer Wiederwahl selber den Sozialabbau betrieben, verloren immer mehr linke Sozialdemokraten ihre politische Heimat und sind aus der SPD ausgetreten. Sie sammelten sich in kleinen parteiähnlichen Organisationen, die sich nach und nach zur Wählerinitiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, WASG, zusammenfanden bzw. in sie einbanden. Gleichzeit entstanden auch in vielen west-bundesrepublikanischen Städten PDS-Ortsgruppen, die sich auch in Landesverbänden zusammenschlossen.

In diese Landesverbände bzw. Ortsgruppen, die oft auch von PDS-Mitgliedern aus dem Osten gegründet wurden, die wegen ihrer Arbeit umgezogen waren, traten linke Gewerkschaftler und isolierte frühere alt-68er Linke ein, die eine neue linke Heimat suchten und die sich nicht (mehr) in den Grünen wiederfanden. Linke Sozialdemokraten hatten somit 2 neue Möglichkeiten.

Schließlich kam es im Westen und in Berlin und zu einem festgelegten Zeitpunkt zum Zusammenschluss von WASG und PDS, wodurch diese vereinigte Linke arbeitsfähiger wurde und nun überall wählbar wurde. Der Beitritt des langjährigen Saarbrücker Oberbürgermeisters und dann jahrelangen saarländischen Ministerpräsidenten sowie ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oscar Lafontaine half entscheidend, dass die Partei Die LINKE für breitere Bevölkerungsteile nun auch im Westen wählbar wurde.

Natürlich versuchen alle anderen Parteien, die Partei die LINKE zu isolieren, um sie so unbedeutend werden zu lassen, um eine Konkurrenz um die gleichen WählerInnenstimmen loszuwerden oder um anderen Parteien einen möglichen Koalitionspartner zu nehmen.

Es geht aber auch darum, zu verhindern, dass es etwas einigermaßen Bedeutendes links von der SPD und den Grünen geben soll. Es geht also auch darum, Stimmen zum Verstummen zu bringen, die den Sozialabbau kritisieren, damit dieser wie durch ein Naturgesetz bedingt erscheint und nicht durch die mit durchgesetzt, die wir deshalb gewählt haben, damit sie den Sozialabbau verhindern, weil sie ihn im Wahlkampf kritisiert hatten.

Wo finden wir also nun Menschen, die man weitläufig als links bezeichnen kann? Nun, da gibt es in unserem Lande also gegenwärtig zwei sozialdemokratische Parteien, die in die bürgerlich Mitte verschobene SPD, und ich unterstelle, dass man dort auch noch „Linke" finden kann. Die anderen Sozialdemokraten sind links von der SPD angesiedelt, in der Partei "Die LINKE". Dann gibt es noch Linke bei den Grünen. Sie arbeiten natürlich zusätzlich in Gewerkschaften und den verschiedensten Organisationen mit, wo es ihnen aus politischen oder persönlichen Gründen sinnvoll erscheint.

Außerhalb der Parlamentsparteien gibt es natürlich auch noch Linke, die es aus politischen Gründen ablehnen in und mit Parlamentsparteien zusammenzuarbeiten oder mit diesen Parlamentsparteien. Sie arbeiten politisch in anderen Organisationen z.B. der Friedensbewegung, der Frauenbewegung, der Schwulenbewegung usw. oder haben eigene Organisationen gegründet, die ihren emanzipatorischen Vorstellungen entsprechen. Es kann auch sein, dass sie bürgerlich oder alternativ leben und auf Organisationen persönlich verzichten.

In der jetzigen Bundesrepublik geht es gegenwärtig nicht so sehr nach links, es sieht im Gegenteil so aus, als ob bestimmte gesellschaftliche Kreise lieber die politische Rechte hochpäppeln und mobilisieren möchten, um ihre wirtschaftlichen Vorteile auch in Zukunft sicher ernten zu können.
 
2. Der Zorn über die „Sozialfuzzis“ und die „Gutmenschen“
In der politischen Rechten und in konservativen bürgerlichen Kreisen wird immer mal von den Sozialfuzzis geredet. Und es gibt viele Menschen, die über Hartz-IV klagen, weil dort den Faulenzern Geld in den Rachen gesteckt würde. Wer hier politisch die Steuergelder mit vollen Händen verschwenden würde und die ausführenden Angestellten in den betreffenden Büros, diese alle sind also die Sozialfuzzis. Es geht auch gegen gesetzliche Sozialversicherungen, man ist eher für privat für die besser stehenden Leute, überhaupt geht es gegen alles, was in irgendeiner Weise irgendwie sozial ist, weil es die „Faulenzer und Versager" fördern würde.

Der Hintergrund einer solchen Haltung ist Sozialneid, besonders bei solchen Leuten, die es auch nicht einfach haben, zu ihrem Geld zu kommen, beziehungsweise, die der Ansicht sind, dass die öffentlichen Gelder eigentlich anders ausgegeben werden müssten, in ihrem Sinne nämlich.

Sozialsysteme machen das Soziale der Gesellschaft aus, besonders einer marktwirtschaftlichen, denn nicht jeder Mensch hat so viel Geld, um sich das, was er in jedem seiner Lebensabschnitte benötigt, erkaufen kann. Genau genommen haben nur wenige so viel Geld. Daher sind öffentliche Kindergärten, Schulen, Universitäten usw. wichtig, damit sich jeder Mensch anständig versorgen, anständig bilden und ausbilden kann und anständig leben kann Außerdem werden Einrichtungen zum Versorgen von Menschen benötigt, die sich aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht, noch nicht oder nicht mehr aus eigenen Mitteln ausreichend versorgen können.

Wichtig wäre hier auch ein sinnvolles Gesundheitssystem für alle, die dieses aus irgendeinen Grund benötigen. Überall an diesen Stellen arbeiten Menschen, die hier ihren Lebensunterhalt verdienen. Diese Menschen als „Sozialfuzzis" zu beschimpfen, weil sie im öffentlichen Dienst anstatt in der Wirtschaft arbeiten, ist absurd.

Es gibt aber auch noch andere GegnerInnen der hier vorzufindenden Sozialfuzzis, nämlich links Engagierte, die ein gut ausgebautes Sozialsystem absolut für sinnvoll halten, nicht aber Profiteure von Sozialstrukturen, an denen diese ganz gut verdienen, jedenfalls besser und mehr als solche, für die die Sozialstrukturen eingerichtet wurden.

Selbstverständlich gibt es auch in den verschiedensten als Sozialdienst angesehenen Einrichtungen Menschen, die recht profitorientiert denken, wenn sie schon in der Marktwirtschaft leben. Und da suchen sie nach Möglichkeiten, in die Marktwirtschaft umzusteigen und Unternehmen für die Lücken zu gründen, die sich gerade wegen Sozialeinsparungen auftun. Tja die Marktwirtschaft setzt schon ganz gut gewisse Kreativitäten frei.

Menschen, die sich für sozial Benachteiligte einsetzen, die das Ausbeuten, Erniedrigen und Diskriminieren anderer Mernschen bekämpfen und sich oft schützend vor sie stellen, werden von zynischen Profiteuren ungerechter Verhältnisse als „Gutmenschen“ verhöhnt. Mitmenschlichkeit und Solidarität sind für so manche Menschen, die gerne von Sklaven bedient würden der gar werden eher Schwächen statt Tugenden. Sie betrachten Menschen, die sich nicht wehren können als Opfer, auf denen sie zu ihrer eigenen Belustigung gerne rumtrampeln wollen.
 
3. Politik
Das Handeln für die Allgemeinheit wird politisches Handeln genannt. Mit der Ableitung des Wortes aus den griechischen Stadtstaaten, Polis genannt, kommt man heutzutage nicht so sehr weiter, wo man es mit Flächenstaaten auf der Grundlage von Nationalstaaten mit multikulturellen Ergänzungen zu tun hat, die vom internationalen Kapital dominiert werden. In diesen modernen Staaten heutzutage muss der Politiker natürlich die wichtigen und als bedeutend geltenden Verbände und Interessengemeinschaften im Auge haben, die Interessen der wirtschaftlichen Oberschicht und ihren wirtschaftlichen und politischen Handlangern also.

Und dann gibt es ja auch noch die anderen BewohnerInnen des Landes, die nicht wirklich etwas zu sagen haben, die aber für die Wahlen von gewisser Bedeutung sind, nämlich dann, wenn sie sich doch anders verhalten als es über die Medien vorausbestimmt wurde.

Diese an und für sich unwichtigen Bürger sehen sich gerne als Mittelstand, haben aber Angst zu Hartz-IV-Fällen zu werden, zur Unterschicht also, wie sie meinen. Und diese Leute des angeblichen Mittelstandes, also Leute, die genügend verdienen, um davon mehr oder weniger gut leben zu können, die sind gesellschaftlich aufzuteilen in die, die sich mit den bedeutenden Interessengemeinschaften, der Oberschicht, identifizieren und die sich in der Situation wähnen, dass alles, was den Wohlhabenden nutzt infolgedessen auch ihnen nutzt.

Die PolitikerInnen müssen sich hier also auf eher bürgerlich denkende Menschen einstellen, und diese stehen nur zum Teil im Gegensatz zu den wirtschaftlich dominierenden Schichten.
Aber die eher machtlose Bevölkerung eines Landes setzt sich auch noch aus einem Teil von Einwohnern zusammen, die zwar wirtschaftlich der gleichen Gruppe wie der bürgerlich denkenden machtlosen Bevölkerung angehören, die aber eben nicht bürgerlich denken und sich nicht am Bürgertum orientieren und die deshalb im Prinzip nicht völlig machtlos sind. Sie haben eher das Bewusstsein, dass ihre Interessen, die sich aus ihrer Lage in der Gesellschaft ergeben, nicht darin bestehen, hinter der Oberschicht herzulaufen, wenn sie schon für sie arbeiten müssen. Und die Oberschicht findet, dass diese nur dann in ihre Interessen passen, wenn es zwischen ihnen und diesen „Unterschichtlern“ einen möglichst großen Abstand gibt.

Politiker möchten in ihrem Beruf Karriere machen, und dazu gehört, dass sie erkennen, wem zuliebe sie zu handeln haben, damit sie reibungslos von ihrem Amt her für die Leute arbeiten können, die an den Geldschlüssel sitzen. Des weiteren müssen sie lernen, wie sie möglichst große Teile der Bevölkerung entweder für ihre Politik gewinnen können oder ihnen gegenüber den Eindruck erwecken können, dass sie für ihre WählerInnen arbeiten.

Wir 68er haben gerne und lustvoll Politik gemacht und eher konservativ bürgerliche Leute meinten, uns immer aufklären zu müssen, indem sie uns sagten, dass Politik ein schmutziges Geschäft und sehr verlogen sei. Und es ist wahr, die Parteipolitik ist sehr korrumpierend. Es ist schon bezeichnend, dass unter dem Begriff Politik den Leuten immer nur Parteien einfallen.
 
Unsere politischen Aktionsfelder waren die Schule, die Uni, oft auch der Arbeitsplatz, Vereine und Verbände, Jugendzentren und Gemeinschaftshäuser, politische und kulturelle Veranstaltungen, selbstverständlich immer wieder die Straße, Kneipen und Szenekneipen usw. Und unsere politischen Ziele richteten sich gegen den Vietnamkrieg und die Eroberungspolitik bzw. anmaßendes autoritäres Verhalten, gegen verlogene Politiker, gegen Unterdrückung und Ausbeutung und für Aufklärung und Entlarvung sowie für die Befreiung der Individuen aus ihrer Unmündigkeit sowie der Sexualität der Menschen, die ja sehr reglementiert und beinahe verunmöglicht war.

Ganz wichtig war uns das Aufarbeiten der Nazizeit, was ja damals nicht geschah, im Gegenteil, bekannte höhere Nazis waren ja in der jungen Bundesrepublik schon unter Adenauer in Amt und Würden. Man setzte bei uns nicht so sehr auf Wahlen, sondern auf direkte Aktionen z.B. in Schulen, sogar in Kinder- und Jugendheimen usw. Das alles war für uns lustvolle Politik.
In Republiken wie den unseren Heutigen ist Politik im wesentlichen auch wieder nur Parteipolitik, zumindest in den meisten Medien, was es den Nutznießern der Verhältnisse ermöglicht, die Politik aus allen anderen Bereichen fernzuhalten und dem Markt immer größeren Raum zu geben.
 
3.1. Parteipolitik
Parteien sind im Grunde Interessenverbände, denen es in erster Linie darum geht, ihren Mitgliedern gut bezahlte Arbeitsplätze in der Politik zu verschaffen. Dazu benötigen sie ein oder mehrere Themen, die sie von den Werbethemen der anderen Parteien unterscheiden.

Es mag sein, dass sich einige Parteien ursprünglich um diese Themen herum gebildet haben, die großen Teilen der Bevölkerung wichtig waren, und dass auch themenorientierte Bürgerbewegungen die Gründer sind oder zu den Gründern gehören. Aber das ändert sich dann ziemlich schnell im Parlamentsbetrieb, denn bezahlte Posten sind stärkere Argumente als hehre Gesinnungen. Und wenn die Führung einer Partei es mit ihrer Propaganda und ihren unterschiedlichen Abteilungen nicht schafft, einen nennenswerten Teil der führenden interessierten Mitglieder in angestrebte Posten zu bringen, wird sie schnell ausgetauscht, denn dann ist sie für die Politiker, die sich von dieser Partei etwas versprachen, wirtschaftlich gesehen wertlos.

Warum ich eine solche Meinung hier verbreite? Es ist ja richtig, dass die unterschiedlichen Mitglieder von Parteien unterschiedliche ernst hinter der Ideologie der Partei stehen, sofern eine zu erkennen ist, dass sie also selber an ihre eigene Propaganda glauben, was unter routinierten Politikern nur Gelächter hervorruft. Ein erfogreicher Politiker ist der, der mit Meinungen spielen kann und nicht der, der an sie glaubt.

Ihr glaubt nicht, dass dies so ist? Wart Ihr schon mal auf einer Parteiversammlung und habt ihr schon mal erlebt, dass alle plötzlich sehr hektisch werden, wenn es um die Kandidatenlisten geht und die Verteilung der Posten? Und Parteien können eigentlich ihren Laden zumachen, wenn es ihnen über Jahre hinaus nicht gelingt, ihre Leute auf die bezahlten Posten zu bringen, die darüber hinaus noch den Vorteil haben, angeblich einem höheren Ziel zu dienen.
 
Zusätzlich kann man ja ständig beobachten, dass sich die über Jahre und dauerhaft in den Parlamenten vertretenen Parteien in vielen Fragen nicht wirklich unterscheiden. Da geht es in den Wahlkämpfen gar nicht um die Themen, sondern darum, dass gerade dieses Team und nicht ein anderes die sich gleichende politische Arbeit übernehmen kann und somit auch die bezahlten Posten bekommt. Und man kann diese Posten zusätzlich noch benutzen, eigene Leute in unterschiedliche flankierende Positionen zu bringen, in der Justiz, in den Medien und in der Verwaltung.

Parteien die derart denkende Berufspolitiker in ihren Schlüsselpositionen haben, sind meistens sehr effizient und erfolgreich, weil gerade sie kühl taktisch denkend ihrer Aufgaben besonders gut leisten: in der Öffentlichkeit derart unverschämt zu lügen, dass fast alle dies glauben (mit Unglaublichen kann man nicht gewinnen), und dennoch sind sie oft nur Wirtschaftsbosse bzw. deren höhere Angestellte. Zu ihren Aufgaben gehört auch, nicht nur in der Wirtschaft, sondern in den Medien sowie in der Werbung verzahnt zu sein, und die alkoholgetränkte Luft über den Stammtischen zu beherrschen, Teil von Bürger- und Basisorganisationen zu sein. Besonders gut kommt an, wenn Politiker von großen Teilen der Bevölkerung selbst schwerwiegende Fehler bzw. Betrügereien, die aufgeflogen sind, verziehen bekommen, wenn ihnen dafür vielleicht noch eine gewisse augenzwinkernde Achtung zukommt. Dann sagt man, dass sie Charisma haben.
Politische Parteien bemühen sich, überall ihre Finger drin zu haben, und das gelingt ihnen um so mehr, als sie AnhängerInnen aus allen Bereichen der Gesellschaft haben.

Und diese parteigebundenen Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft machen sie in Verbänden und Bewegungen gerne nützlich, was ihnen Ansehen bringt. Dann werden ja immer mal wieder bestimmte wichtige Positionen besetzt, zum Beispiel in der Justiz und Verwaltung, und daher ist es wichtig, dass die Partei auch dort möglichst ihre Leute unterbringen kann oder andere Leute dort einschüchtern und locken kann. Parteien sind in einer Gesellschaft vielarmige Kraken, und dies werfen sich die Parteien dann auch gegenseitig vor, nach dem Motto: wenn ich andere damit angreife, kommt keiner auf die Idee, bei mir genauer hinzusehen.

Und weil 1. in der Gesellschaft Politik vorrangig als Parteipolitik für normal gehalten wird und 2. unter diesen Bedingungen gerade diese Organisationsform auch tatsächlich erfolgreich sein kann, deshalb geraten alle oder viele neue Bewegungen in die Parteifalle. Sie organisieren sich als Partei, sind erfolgreich, müssen sich dann aber auch wie die anderen Parteien verhalten und erfüllen ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr, sondern dienen den wirtschaftlichen Obrigkeiten, um erfolgreich zu bleiben.

Nun scheint es so zu sein, dass viele WaählerInnen auf die Partzeien dshalb sauer sind, weil man schon mal auf ihre Versprechungen hereingefallen ist. Also meint man, dass man nun die anderen wählt, um mit deren Handlungen zufiedener sein zu können. Und dann erlebt man, wie Sozialdemokraten unsoziale Gesetze machen, z.B. Hartz IV, wie pazifistische Naturschützer den Kriegseinsatz auf dem Balkan anordnen usw. Denn als gewählter Abgeordneter hat man zwar ein recht gutes Gehalt, aber zu entscheiden hat man nix mehr, man hat sich an die Parteibeschlüsse zu halten, wenn man bei der nächsten Wahl wieder aufgestellt werden will, und die Beschlüsse werden an anderer Stelle entschieden.

Die Beschlüsse sind gegenüber den Versprechungen jedoch kaum nachvollziehbar. In der Konkret 4/2011 auf S. 8 finden wir Webung für ein neues Buch von Jutta Ditfurth vor: Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen. Wir lesen: „JJutta Ditfurth, die die ehemalige Sprecherin der Partei, entfaltet in ihrem Buch (...), das binnen drei Wochen schon die dritte Auflage erreicht hat, eine Enzyklopädie des intriganten Mitläufertums. In ihr ist en détail nachzulesen, wie die Partei und ihre FührerInnen mit List und Tücke die Atomkraftwerke am Laufen gehalten, Deutschland in seine Kriege geführt, die Armen degradiert und damit die Herzen des Mittelstandes erobert haben.“
 
Nun Gleiches oder Ähnliches lässt sich auch über die SPD sagen. Für die Oberschicht des Landes gibt es eigentlich nur einen Grund, die sogenannte politische Linke ans Ruder zu lassen, nämlich die links stehende Bevölkerung dazu zu bringen, die Oberschichtspolitik zu dulden. Parteien, die das nicht einsehen, sind noch nicht politikfähig und deshalb über die Medien nicht protegierend zu behandeln.

Das wichtigste für Parteien sind die Medien, denn es ist nicht unwichtig, wie man über sie spricht. Und es gibt doch noch immer Menschen, die glauben, was sie dort sehen, lesen und hören.
 
3.2. Die Medienpolitik
Es gibt einen uralten Streit zwischen den Parteien, den Verbänden und Bürgerinitiativen sowie Religionsgemeinschaften um Einfluss auf die Medien. Alle solche, denen es nicht egal ist, wie die Menschen über das eine oder andere denken, versuchen, auf die Inhalte der Medien Einfluss zu bekommen. Dass hier nicht immer alles sauber lief, dass hinter unterschiedlichen Modellen der Medienpolitik natürlich auch Interessen standen, versteht sich von selber.

Sowohl die Kirchen wie die Parteien haben ihre unterschiedlichen „Sprachreglungen" hinter denen jeweils ihre Deutungen standen und stehen.

Wenn beispielsweise nun die Union im Verbund mit den Kirchen und den Wirtschaftsverbänden und in Kooperation mit den Liberalen eine ganz bestimmte Deutung der Ereignisse in unserem Land und in der Welt als offizielle Sprachreglung der Medien, besonders im Fernsehen durchsetzen könnte oder kann, haben es sowohl Atheisten als auch andere Parteien sowie anders interessierte Verbände sehr schwer, sich in der Öffentlichkeit verständlich zu machen, denn sie sind dann der Bevölkerung schon alleine aus den Gründen der Deutung der Ereignisse schon fremd.

Natürlich ist es den Konservativen am liebsten, wenn möglichst alle Medien in Privatbesitz sind, denn diese Medienunternehmen sind dann Unternehmen, die die gleichen Gewinne machen können oder Probleme haben, je nachdem wie sie sich dann wirtschaftlich und politisch verhalten. Die Presse ist bei uns überwiegend privat. Aber auch öffentlich-rechtliche Unternehmen wie die Rundfunk- und Fernsehanstalten, die unter Kohl noch private Konkurrenz bekommen haben, meist sind es die gleichen Konzerne, die schon die Presse besitzen, können leicht beeinflusst werden. Man kann bei Bedarf die Geldhähne auf- und zudrehen, und man kann die Lands-Rundfunk-Gesetzgebung verändern. Schließlich kann man noch dafür sorgen, dass überwiegend die eigenen Leute im Rundfunkrat sitzen.

Und deshalb braucht man sich nicht zu wundern, dass alle Medien im gleichen Tenor berichten, was dort oder dort passiert.
 
3.3. Meinungsfreiheit usw.
Wenn über Meinungsfreiheit diskutiert wird, sollte man genau zuhören. Meist wird über eine fehlende Meinungsfreiheit geklagt, wenn es nicht (mehr) möglich ist, freche Lügen so einfach zu verbreiten. Und oft beklagen gerade die eine fehlende Meinungsfreiheit, wenn ihre Propaganda für das Abschaffen der Meinungsfreiheit nicht breit veröffentlicht wird. Aber wer bestimmt eigentlich, was eine Lüge ist?

Was ist eigentlich Meinungsfreiheit? Meinen die Leute, dass man seine Meinung artikulieren bzw. veröffentlichen dürfte, wenn jemand zuhört oder wenn man die Möglichkeit hat, sie in die Medien zu bringen? Eine durch den Staat, durch religiöse Gemeinschaften oder Wirtschaftsverbände begrenzte Freiheit, sich zu äußern, das wäre schon diktatorisch und sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich behindernd. Und dennoch gibt es Länder, in denen das so ist und noch mehr Länder, in denen es so war.

Aber wie ist es, wenn gegen Personen oder ganze Menschengruppen in einer Weise gehetzt wird, dass daraus nur noch mörderische Folgen zu erwarten sind? Ist so etwas durch die Meinungsfreiheit gedeckt? Und wenn gleichzeitig noch Aufklärer daran gehindert werden, zu erklären, dass an solchen Unterstellungen und Verleumdungen überhaupt nichts dran ist, und wenn es noch gelingt, die Notlagen, in denen sich viele Leute befinden, als von dieser Menschgruppe verursacht darzustellen ... diese Liste lässt sich verlängern, wenn so etwas geschieht, wer hätte dann überhaupt noch die Macht, darüber zu entscheiden, ob dies Volksverhetzung oder Meinungsfreiheit ist?

Die Meinungsfreiheit hat noch eine andere Seite, nämlich die Seite der Informationsfreiheit. Es ist nämlich für vernünftige Entscheidungen wichtig, dass man auch gute, richtige und interessante Informationen bekommt und nicht nur vorsortierte Propaganda, die sich vielleicht noch moralisch gibt, wenn jemand von den linken Parteien erkennen lässt, dass er ein Mensch ist, während man sich sehr verständnisvoll gibt, wenn jemand aus den eigenen konservativen Reihen ein Blender, Angeber und Betrüger ist. Also, man muss schon aufpassen, wenn irgendjemand definieren will, was Freiheit und was Meinungsfreiheit beziehungsweise Informationsfreiheit ist.

Bei uns ist Meinungs- und Informationsfreiheit nicht immer gewahrt, trotz der vielen Medien, die alle irgendwie ihr Geld machen und über die große finanzielle Transaktionen geschleudert werde, denn in einer Warenwelt ist eine Nachricht nicht daran gebunden, ob sie irgendwie einer Wahrheit entspricht, sondern ob sie sich gut verkaufen lässt und mit ihr eine guter Gewinn realisieren lässt.
 
3.4. Bürgerbewegungen, Bürgerpolitik
Die neuen Bürgerbewegungen werden in den Medien immer mal gelobt und es wird dort als rätselhaft angesehen, woher sie auf einmal kommen. Ich denke, sie kommen nicht „auf einmal" in die Öffentlichkeit, sondern es gab sie schon immer. Nur hatten sie früher nicht die technische Möglichkeit zur übergreifenden und schnellen Kommunikation miteinander, wie es zum Ärger der Medienmeinungsmacher über Handys und dem Internet möglich ist.
 
Denken wir zum Beispiel an die 68er Bewegung, die war deshalb sehr erfolgreich, weil sich die Notwendigkeit für Änderungen schon geraume Zeit zeigte. Hätte die 68er Bewegung über die heutigen technischen Möglichkeiten verfügt, wären sie sicherlich derart erfolgreich gewesen, dass diese Kommunikationsmöglichkeiten sicherlich sofort verboten bzw. abgeschaltet worden.

Bürgerbewegungen können außerhalb der Parteipolitik durchaus recht erfolgreich sein, zum Beispiel als die Bevölkerung in Berlin bei einem Volksbegehren den Ethikunterricht beibehalten wollte und den Versuch der Kirchen zurückweisen konnten, die Schulpflicht für den Religionsunterricht auch in Berlin einzuführen, und das bei einer derart multikulturellen Bevölkerung, die doch über die Religionsgrenzen hinaus zusammenleben muss.

Die Parteipolitik verführt zum Mauscheln. Da können leicht Absprachen getroffen werden, von denen die Bevölkerung gar nichts mitbekommt, und schnell sind einige Absprachen in trockenen Tüchern, alle müssen sich dann an neue Regeln und Gesetze halten, die nur einigen nutzen.

„Verrechtlichte Strukturen" sind solche Strukturen, die ganz schnell und bevor die Bevölkerung mitbekommen hat, was da los ist und dahinter steckt, zu Gesetzen, Bestimmungen, Anordnungen ect. wurden. Und wenn man in einer Initiative etwas machen möchte, was soziale oder kulturelle Verbesserungen mit sich bringt, oder wenn man Grund hat, etwas nicht zu wollen, beispielsweise Stuttgart 21, dann muss man feststellen, dass alles schon in verrechtlichten Strukturen ist, dass man also kaum noch was machen kann.
 
Das Schlichtungsverfahren im Zusammenhang mit Stuttgart 21, von Heiner Geißler geleitet, sollte den Druck von den CDU- und FDP-Politikern wegnehmen, damit es nicht zu einer immer größeren Eskalation kommen sollte. Die Eskalation kam aber von dem unangemessen brutalen Polizeieinsatz gegen die DemonstrantInnen, so nicht von ihm angeordnet behauptete Mappus, und das „Schlichtungsverfahren" war lediglich dazu in der Lage, den immer heftige werdenden Druck der Straße von den Parteipolitikern und ihrem ausführenden Dunstkreis zu nehmen. Der Protest gegen Stuttgart 21 ist und war eine bürgerliche Bewegung, also zum Beispiel keine Arbeiterbewegung, und sie hat die Obrigkeiten tatsächlich beunruhigt, weil es ihr möglich war, das selbstherrliche Schalten und Walten dieser parteipolitischen und wirtschaftlichen Obrigkeiten öffentlich vorzuführen.

Solche Bürgerinitiativen und/oder Bürgerbewegungen sind in der Lage, den Bürgerwillen zu bündeln und als eine politische Größe sichtbar zu machen, sie sind aber auch trotz ihrer gelegentlichen Vitalität und Stärke anfällig, manipuliert zu werden. Die Bürgerinitiative "Wir wollen lernen" in Hamburg hatte das Ziel, den Kindern der unteren sozialen Schichten den Zugang zu höherer Bildung weiterhin zu erschweren, weil das Ziel der vorbereiteten Schulreform war, den Unterschichtskindern eine karge Chance zuzubilligen. Es ging den Anwälten, die diese Bürgerinitiative gründeten und führten, darum, es ihren Sprösslingen so leichter zu machen, möglichst reibungslos in die Führungspositionen der Gesellschaft zu schlüpfen, wie das durch das dreigliedrige System schon recht lange der Fall ist.

Solche Schulreformen, die es Schülern allen Schichten der Bevölkerung ermöglichen könnten, möglichst gleiche Bedingungen für sich vorzufinden, sind für sie so schlimm wie der Sturz des Adels durch das Bürgertum oder wie die zehnklassige polytechnische Oberschule der DDR, die keine soziale Schicht bevorzugte.

Im Falle dieser Bürgerinitiative reichte wohl ihre Propaganda und ihre Wortwahl, um die wahren Absichten zu verschleiern, während die Eltern unterer sozialer Schichten nicht zu mobilisieren waren, sie durchschauten die Folgen nicht. Das war ja auch von einer konservativen Partei (zwar im Bündnis mit den Grünen) nicht zu erwarten.

Wenn man die bürgerlichen nordafrikanischen Revolutionäre gegen ihre prowestlichen autoritären und korrupten Regimes mit den Bürgerbewegungen unserer Breiten vergleicht, miss man zugeben, das sich hier die Schwäche solcher Bürgerbewegungen zeigt, nämlich durch konservative gesellschaftliche Kräfte und konservative Parteien leicht manipulierbar zu sein.

Nachdem dieser aggressive Polizeieinsatz gegen die Stuttgart-21-Demonstration stattfand, als dann diese "Schlichtung" stattfand und dann in den Medien nichts mehr über Stuttgart 21 berichtet wurde, fand auch am Sonntag der „Internationale Frühschoppen" statt, genaues Datum weiß ich nicht mehr. Es ging nun auf einmal um Bürgerbewegungen und dem Misstrauen gegenüber den Parteien. Es war schon interessant, wie viele Journalisten willfährig das taten, was letzten Endes den Parteien nutzt und dazu beitrug, dass die Stuttgart-21-Bewegung erheblich Rückschläge hinnehmen musste.
 
Bei dem Internationalen Frühschoppen ging es um die "neuen Bürgerbewegungen", als ein Phänomen, das möglicherweise "der Politik" Ärger macht. Ich hatte schnell mit-notiert und erhebe hier keinen Anspruch auf Genauigkeit, gebe also wohl nur den Trend wieder.

Zeit, Mariam Lau: Dies Bürgerbewegungen sind Anzeichen von einem veränderten Verständnis von Politik und nicht Verständnislosigkeit voneinander.

Fokus, Wolfram Weimar: Mehr Teilhabe für die Bürger, Plebiszite gegen Parteienoligarchien.
taz, Bettina Gaus: Aber die ganz großen Fragen sind von den Bürgern nicht mehr lösbar, daher ist man den Parteien ausgeliefert, und in diesen Fragen bestehen ja zwischen den Parteien keine nennenswerten Unterschiede.

Süddeutsche Zeitung, Heribert Prantl: Die Parteien haben sich mehr und mehr Macht angeeignet. Sie haben zu viel Macht. Die Bürger engagieren sich jetzt, die Politik muss das akzeptieren, während und außerhalb der Wahlen.

Fokus: Bürgerbewegungen führt zum Erstarken der Volksparteien.

taz: Viele Menschen haben sich die Anhörung angehört. Die Probleme bei größeren Projekten sind sehr diffizil. Ich delegiere mein vertrauen in die Sachkompetenz der Politiker.

Süddeutsche Zeitung: Durch formalistische und legalistische Strukturen werden die Argumente der Bürger einfach weggewischt.

Zeit: Im Wahlkampf wurde den Bürgern Versprechungen gemacht, es wurde zum Beispiel mehr nette vom brutto versprochen, aber die gleichen Politiker werden durch die Strukturen behindert und machen dann das Gegenteil.

Moderation: Wie groß ist die Gefahr, dass die Parteien bzw. die Sachkundigen eigene Interessen verfolgen?

Fokus: Das wäre in Ordnung, das ist eben die Demokratie, dass man bei Kritik der Medien das Ziel verfolgt, dass endlich das ZDF privatisiert wird.

Zeit: Und so macht die Bevölkerung die Erfahrung, dass fast alle wichtigen politischen Entscheidungen gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden.

Süddeutsche Zeitung: Nicht immer, es wird auch Lobbyarbeit eingebunden. Solche wichtigen Entscheidungen müssen von den Politikern in Maßen eingesetzt werden.
Es geht auch darum, ob die Politiker Zutrauen zur Bevölkerung haben. Adenauer hat zum Beispiel gesagt: "Ich glaube nicht an den Menschen", während zum Beispiel Carlo Schmidt die anders sah.
(...)

Wir können als zusammenfassen, dass das Bürgertum teilweise auf Parteien vertraut, andererseits sich aber zunehmend besonders dann in Bürgerbewegungen politisch engagiert, besonders wenn die konservativen Parteien die Interessen konservativer Teile des Bürgertums nicht ausreichend berücksichtigen, also die Teile der demokratischen Rechten, das kann auch Parteien der Mitte (SPD, Grüne) oder sogar der demokratischen Linken (die Linke) treffen. Da sich viele ArbeitnehmerInnen in der Gesellschaft als Bürgertum und Mittelstand verstehen und die Politik sowie die Medien dies auch fördern, kommt auch nichts anderes dabei raus, als eben dabei rauskommt.

Die Landtagswahl in Baden-Würtemberg, so erklärte die Kanzlerin, sei eine Volksabstimmung über den Bahnhof Stuttgart 21 und legte somit die politische Linie für die CDU gegen das Verlangen von SPD und Grünen fest, eine Volksabstimmung über dieses umstrittene Bauprojekt durchzuführen. Die in den Medien breit übertragene „Schlichtung“ durch den CDU-Politiker Geisler führte dann dazu, dass Mappus und die CDU trotz des gewaltsamen Polizeieinsatzes wieder Aufwind bekam.
 
Die Verlängerung der Atomeilerlaufzeiten führte dann zu neuen und weiteren Protesten. Ein weiterer großer Atomstörfall kurz vor den Wahlen, genauer ein GAU in Japan, ermöglicht es nun der Partei die GRÜNEN, in einer Koalition mit der SPD den Ministerpräsidenten zu stellen. Der steht freilich auf einem Medienprüfstand, und jede Maßnahme, die gegen ihn ausgelegt werden kann, wird natürlich von den Medien und den konservativen politischen Kräften gegen ihn genutzt werden, wie wir das schon in NRW mit den diversen Verfassungsklagen der CDU und der FDP sehen.

Die Atombefürworterparteien CDU, CSU und FDP (die SPD hat in der rotgrünen Koalition mit dem Atomkompromiss in dieser Frage die Richtung gewechselt und war nun auch für den Ausstieg) versuchten nun noch schnell vor den Landtagswahlen in Baden-Würthemberg und Rheinland-Pfalz nach außen hin die Seiten zu wechseln, das machten aber die WählerInnen der FDP und die Mitglieder und WählerInnen der Union zum Teil nicht mit. Sie hatten eben noch den Kompromiss aufgekündigt und die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert.
 
Die Kanzlerin ließ noch schnell für 3 Monate die unsicheren Meiler abschalten und gab somit zu, dass man die ganze Zeit von ihrer Unsicherheit gewusst hat und dennoch ihre Laufzeit verlängert hat. Dann kündigte sie ein Atom-Moratorium für 3 Monate an, denn dann ist auch die Wahl in Bremen (22.05.) vorbei. Die Sprachmächtigen wussten, dass Moratorium nur heißt, dass die Entscheidungen bis dahin aufgeschoben werden. Die anderen, die nicht wissen was Moratorium heißt, hatten den Verdacht, dass nach 3 Monaten der alte Kurs weiter geht.

Eine Indiskretion über eine Rede des Wirtschaftsministers Brüderle in Wirtschaftskreisen schaffte aber nicht nur für die Wirtschaft Klarheit. Den Wirtschaftsbossen verkündete Brüderle, dass die Sache mit dem Moratorium nur eine Wahlkampfveranstaltung sei und sie auf ihre erhöhten Gewinne aus den Atomkraftwerken weiter hoffen könnten. Die Medien waren wegen des Wahlkampfes und den Bürgerbewegungen sowie der Vorgänge in Japan auch für oppositionelle Regungen sensibilisiert.

Den GegnerInnen des Parteiensystems und AnhängerInnen der Bürgerbewegungen kann es nicht so recht sein, dass ihre Aktivitäten wieder vom Parteiensystem aufgesogen wurden, wie durch Geisler und ins Parteipolitische integriert werden, wie bei der Möglichkeit eines grünen Ministerpräsidenten.
 
3.5. Basispolitik
Wikipedia schreibt: „Basis- oder Graswurzelbewegungen haben ty-pischerweise basisdemokratische und konsensorientierte Strukturen, da sie den gewöhnlichen lobbyis-tischen oder parteipolitischen Mei-nungsbildungsprozess umgehen wollen. Der Wandel soll durch engagierte Artikulation von Bürgerinteressen gegenüber als starr empfundenen staatlichen Organisationen erreicht werden. Das Internet hat eine große Bedeutung für die „Graswurzelorganisierung” von Interessen, da es gerade für Ideen außerhalb des Mainstreams eine kostengünstige Plattform bietet, zum Beispiel in Form von sozialer Software.

Das Ziel von einigen Graswurzel-Initiativen ist es, gesellschaftliche Alternativen zum Bestehenden aufzubauen, bis hin zum revolutionären Anspruch, grundsätzliche Systemveränderungen zu bewirken. Dabei wird sowohl auf den langfristigen Aufbau von Netzwerken gesetzt, als auch auf „spektakuläre“ Einzelaktionen, die in erster Linie Öffentlichkeit schaffen sollen. Nicht selten bedient man sich hierbei der Methoden des zivilen Ungehorsams.
 
Einige Vertreter dieser Richtung haben sich ein gemeinsames Dach in der Art eines Netzwerks gegeben, das sich dem Pars pro Toto-Prinzip folgend auch „Graswurzelbewegung” nennt. Ein wichtiges Sprachrohr dieser Bewegung, die mit einem basisdemokratischen und anarchopazifistischen Anspruch auftritt, ist die seit 1972 erscheinende Zeitschrift Graswurzelrevolution.

Andere Basisbewegungen lehnen einen umfassenden Ansatz ab, und wollen stattdessen in erster Linie Sacharbeit an einem konkreten Thema leisten. In diesem Licht können etwa private Hilfsorganisationen betrachtet werden."

Ich möchte aber solche engagierten Organisationen nicht mit Basisbewegungen gleichsetzen, obwohl sie Basisarbeit leisten, weil dies zwar Engagement bedeutet, aber nicht die Basis, die Identität. Aber der „allumfassende Ansatz“ hat damit gar nichts zu tun.

Der Ansatz, der die Basis ausmacht, setzt sich wie die Identität eines Menschen, bildhaft gesprochen, aus Mosaiksteinen zusammen. Dass sie alle mit denen anderer Menschen der gleichen Basisbewegung übereinstimmen, ist nicht nötig und auch nicht möglich, denn das Leben der Individuen stimmt einfach nicht in allen Punkten überein, sondern nur in dem Bereich, der ihnen eine wichtige Basis ist und mit dem sie in der Gesellschaft daher ähnliche Erfahrungen machen wie andere, die doch in anderen Fragen eben andere Erfahrungen machen mussten.

Um eine Basisbewegung zum Zuge zu bringen, benötigt man eine Basis, die sich für eine Sache einzusetzen bereit ist, mal sehr engagiert und mal weniger engagiert ist, je nachdem, wie notwendig ihr auf-grund äußerer oder eigener Umstände den betreffenden Menschen das Engagement als geboten erscheint. Dies ist die Stärke aber auch zugleich die Schwäche von Basisbewegungen.

Diese Basis hat etwas damit zu tun beziehungsweise ist eine Basis, weil die Menschen dieser Bewegung genau diese Sache als ihre Basis ansehen. So können zum Beispiel nur solche Menschen Teil der Schwulenbewegung sein, die sich mit ihrem Schwulsein mehr identifizieren als mit ihren Sein in der vorgefundenen Gesellschaft, ihrer bevorzugtern Partei oder ihrem sozialen Stand.

Solche Schwulen, die mehr oder weniger von ihrer Homosexualität Gebrauch machen, aber ansonsten die Strukturen der heterosexuell genormten Gesellschaft mehr als ihre Basis ansehen als ihr Schwulsein, diese haben nicht die gleiche Basis wie die der Schwulenbewegung.

Solche Lesben, die ihr Lesbischsein mehr als ihre Basis ansehen als zum Beispiel den Feminismus haben eine andere Basis als die feministischen Frauen, die außerdem auch noch lesbische Erlebnisse erproben oder bevorzugt praktizieren, was auch Familienfragen aufwirft.

Basisbewegungen lassen sich nicht willkürlich gründen und ausweiten, sie lassen sich auch nicht einer eindeutigen Ideologie unterordnen, weil in allen Ideologien die Auseinandersetzungen der Gegenwart einfließen, und somit fließen die Hintergründe der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen in negativer Weise in die Ideologie einer Basisbewegung ein, gegen die man sich gerade wehren muss. Es gibt eben nichts Statisches oder Ewiges, sondern im wesentlichen eher Vorgänge und Prozesse des Agierend und des Reagierens.

Basisbewegungen oder Strömungen lassen sich zwar besiegen oder politisch in die Defensive zwingen bzw. ausschalten, aber wenn Menschen leben, deren Basis sich in dieser oder einer anderen Sache aus ihrem Leben ergeben, werden auch immer wieder neue Basisinitiativen entstehen, aus denen Bewegungen entstehen können.

Basisbewegungen bzw. Menschen in Basisbewegungen können eben-falls manipuliert werden, ganze politische Strömungen können das, doch ist die Manipulation dann erschwert, wenn die Basis der Bewegung nicht willkürlich ideologisch ist, sondern sich aus dem Leben der betreffenden Menschen notwendig ergibt. Das ist eine Stärke der Basisbewegungen.

Wichtige und bedeutende Basisbewegungen sind die pazifistische Bewegung, die kriegerische Auseinandersetzungen zum Durchsetzen wirtschaftlicher oder politischer Ziele ablehnt. Es geht nicht um diesen oder jenen speziellen Krieg, sondern gegen den Krieg generell. Der Krieg beginnt schon mit seiner Mög-lichmachung und Vorbereitung, weil sich dadurch 1. die politische Durchsetzungsmöglichkeit von Zielen vom Sinnvollen und Ethischen zum technisch Machbaren verlagert, unabhängig davon, welcher Ethik dies folgt. Und 2. schafft die Vorbereitung der Möglichkeit, Kriege zu führen, auch Strukturen in der Bevölkerung, sowohl im gesellschaftlichen als auch im ideologischen Bereich.

Nehmen wir auch die feministische Bewegung, die aus der Situation entsteht, dass man die Menschen in 2 Gruppen Teilt, festgemacht an der Form und Funktionalität der Geschlechtsorgane, diese beiden Men-schengruppen von klein auf in zwei gegensätzliche Verhaltens- und gesellschaftliche Aufgabenrollen erzieht und alle Menschen in eine der beiden Rollen integriert. Und die eine Geschlechtsrolle wird zum Kämpfen und zum Unterdrücken der eigenen Gefühle ausgebildet, die andere wird zum Fühlen und Zuarbeiten ausgebildet. Da diese sexistische Aufteilung und Zuordnung des Menschen absolut wider die menschliche Natur ist, wehren sich solche Menschen gemeinsam, die nur zuarbeiten und fühlen sollen, denn sie können auch denken, gegen die Menschen, die denken sollen und sich Privilegien verschafft haben, denn sie können auch fühlen.

Oder die Schwulenbewegung, die entsteht, wenn den Menschen pauschal zugeordnet wird, wer mit wem sexuelle Erlebniss haben soll und dass verfolgt, gedemütigt, bestraft oder ermordet wird, wer dies anders empfindet und dementsprechend handelt.

Der Heterosexismus geht ideologisch davon aus, dass der Mensch erst dann vollkommen ist, wenn er sich durch sein Gegengeschlecht ergänzt, dies eben auch körperlich. Wer sich mit Menschen des gleichen Geschlechts ergänzen will, weil ihm danach ist und schon immer danach war, gilt nicht als vollwertig und hat gesellschaftliche Nachteile.

Alle Basisbewegungen wehren sich gegen für sie unerträgliche Zustände und hoffen, damit eine Beendigung dieser Zustände zu erreichen. Zusammengenommen wenden sich die unterschiedlichen Basisbewe-gungen gegen die Funktionali-sierung der Menschen zugunsten von Zielen, die anderen Menschen nutzen und die mit angeblichen höheren Zielen oder Mächten begründet werden, oftmals auch religiös, pseudowissenschaftlich, biologisch oder mittels Neid, Unterstellungen und Volksverhetzung.

Die jeweiligen Basisbewegungen dulden nicht mehr die Macht ihrer Peiniger über sich. Und damit nicht die einen Bekämpfer der Macht über sich gleichzeitig durchaus Macht über andere ausüben, sondern das Machtausüben auch bei sich selber überdenken, ist eine gewisse Ver-knüpfung und Zusamenarbeit der unterschiedlichen Basisbewegungen nötig, indem man sich auch mit deren Kämpfe beschäftigt.
Zusammengenommen wollen die ganzen Basisbewegungen dann keine Macht über niemand.
 
4. Zukunftspolitik
Das Handeln für die Allgemeinheit wird politisches Handeln genannt. Mit der Ableitung des Wortes aus den griechischen Stadtstaaten, Polis genannt, wird Politik technokratisch definiert.
Für unsere Zukunft jedoch muss Politik durchaus über Inhalte, also über Ziele definiert werden. Warum sollten wir uns auch politisch einsetzen? Damit irgend jemand dann einen besseren Job als Politiker bekommt oder andere ordentlich dabei verdienen?

Selbstverständlich muss es uns darum gehen, dass wir und unsere Mitmenschen zufriedener und besser leben können. Es muss uns darum gehen, dass Menschen nicht wirtschaftlich ruiniert werden, damit andere große Gewinne machen, das Menschen nicht in Rollen hineinerzogen werden, mit denen sie sich dienstbarer für Obrigkeiten machen und es ihnen daher besser geht als denen, die in andere Rollen erzogen werden.

Es darf nicht sein, dass Menschen in der Entfaltung ihres Lebens deshalb eingeschränkt werden, weil sie andere PartnerInnen begehren als man es gerne von ihnen möchte, jeder Mensch soll sich satt essen können mit Nahrungsmittel, die ihn nicht krank werden lassen usw.

Nicht zu vergessen: es dürfen keine Technologien genutzt werden, die bei einem Unglück oder Versagen Teile eines Landes mit den dort lebenden Menschen vernichten würden, nur um gute Gewinne zu mache, denn bei noch so raffinierten Sicherheitsmaßnahmen kann es dennoch zu einem Unglück und dadurch zu einer Katastrophe kommen. Politiker, die das Wohl der Menschen im Auge haben, können sich auf solche Technologien überhaupt nicht einlassen.

Dieses und anderes können und sollten auch unsere Ziele sein, die uns zum politischen Engagement anspornen. Es wäre, genau genommen die fortwährende menschliche E-manzipation aus der (selbstver-schuldeten?) Unmündigkeit.

Doch welche Methoden sind für unser eigenes zukünftiges politisches Engagement überhaupt sinnvoll? Ist es den eine Frage der Methoden? Wir dürfen uns nicht belügen lassen und uns nicht auf eine Methode festlegen lassen, wenn wir keine gläubigen Kinder sein wollen.

Wo Bürgerbewegungen tätig sind und wo deren Ziele unserem emanzipatorischen Ansatz gegenüber förderlich sind, da ist es sinnvoll, sich von außen als Lesbenbewegung oder Schwulenbewegung erkennbar (oder beides zusammen), zu beteiligen. Wir selber lassen uns wohl ganz gut als Basisbewegung einordnen, wenngleich es auch Parteigruppen gibt, die teilweise auch von sich aus tätig werden, besser aber ist es, dass man sie von außen anstößt, wo es Sinn macht.

Parteien haben meistens die Eigenschaft, dann tätig zu werden, wenn Bewegungen zeigen, dass sie erfolgreich existieren und wenn sie „politikfähige Ziele“ als Forderung formulieren, zum Beispiel so: „Diese Reform bringt zudem der Wirtschaft noch ungeahnte Investitionsmöglichkeiten und Gewinne“.

Wir haben auch einen Verband, den LSVD, in dem sowohl Parteilesben und Parteischwule wie auch andere Lesben und Schule mehr oder weniger aktiv mitmachen. Der leistet ganz gute Arbeit für seine Möglichkeiten.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Handlungsfreiheit für Lesben und Schwule immer dann größer ist, wenn sich Religionen nicht offen in die Politik einmischen können, wenn eine gewisse Freiheit bezüglich unserer sexuellen PartnerInnenwahl allgemein akzeptiert wird und wenn sich der Staat überhaupt nicht in unsere Betten einmischt.

Es ist eine etwas offenere Gesellschaft für unsere Belange besser und je enger der Bürger reglementiert und überwacht wird, um so mehr besteht die Gefahr, dass auch unser Leben zunehmend reglementiert wird. Bei politischen und wirtschaftlichen Krisen sollten wir sehr wachsam sein.

Die Bürgerbewegungen werden gegenwärtig als die politische Kraft der Zukunft diskutiert, die die Allmacht der Parteien in ihre Schranken weisen. Sie nutzen auch neue technische Kommunikationsmittel, die deshalb durch die Anhänger der Parteipolitik, die die Medien kontrollieren, zwar überlegen sind, doch, wenn man es durchsetzen kann, einfach abgeschaltet werden können.

Der Begriff „Wutbürger" ist schon wieder ein Manipulationsversuch, denn Bürgerbewegungen werden damit ideologisch in den Bereich der Gewlttätigkeiten gedrängt. (js)
 
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