- 106. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2011
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- Man kanns eben nicht allen recht machen
Die Idiotie auch in unserer Szene
Der CSD in München heißt auch in diesem Jahr Christopher-Street-Day
und nicht, wie vorgeschlagen, Christina-Street-Day,
um die lesbische Teilnahme deutlich zu machen.
Verschiedene Menschen in unserer Szene wissen vielleicht noch,
warum der CSD in Deutschland CSD genannt wird. Dies geschieht
nicht etwa deshalb, weil eine bestimmte Straße bei der
Schwulenparade nach einem berühmten Schwulen
umbenannt wird, nämlich diesem Christopher. Und weil der
wohl mit der Christina zusammen diese besonders gutes Lesben-
und Schwulenparty gemacht hat, soll sie auch mal Christina-Street-Day
genannt werden. Oder?
Der Aufstand in New Yorck in der Christopher-Street, der nach
vielen unerträglichen Polizeirazzien im und um das Lokal
Stonewall Inn stattfand, zog sich einige Tage hin und Transen,
Schwule und Lesben nahmen daran teil und erkannten sich dadurch
als eine gemeinsame stolze Bewegung lustiger Menschen, die aus
diesem Anlass dann später eine Gay-Pride Parade
durchführten, wie dies nun bei Paraden in vielen Ländern
so genannt wird. Nur bei uns nimmt man den Straßennamen,
vielleicht, weil man für sein deutsches politisches Coming-out
der Lesben-, Schwulen und Transen-Bewegung, der Gay-Movement
also, gar nicht so stolz (Pride) war und ist, doch auf die gigantische
Party auch wieder nicht verzichten wollte?
Gay heiß also nicht schwul, sondern bezeichnet
die lesbisch-schwule-transsexuelle (und in gewisser Weise auch
bisexuelle) Bewegung. In Deutschland sagt man aber nicht so gerne
schwul, weil dies vom Ursprung her, ein Schimpfwort
war, das die Schwulenbewegung bewusst zivilisiert
hat, sondern gay. Und damit die Lesben auch nicht vergessen werden,
sagt man unwissend gay-lesbian-Party, obwohl sie im Wort gay
schon mitgenannt wurden.
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- Denn viele Lesben litten damals, als es noch
keine Lesbenbewegung, sondern eine Frauenbewegung gab, darunter,
dass sie in der Frauenbewegung unkenntlich waren, für heterosexuell
gehalten wurden, und sie bestanden auf die spezielle Nennung
lesbian auch durch die Schwulen. Und um die ganze
irgendwie zusammengehörende Szene benennen zu können,
sagt man nun Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle, also
LSBT, das versteht nun jede und jeder. Oder?
Und da man sich eher englisch ausdrückt, weils modern und
nicht nach deutschen Schimpfwörtern klingt, sagt man gerne
GLT (Gay, Llesbian, Tarnsexual) oder GLBT im die Bisexuellen
als eigenständige Gruppe auch noch zu benennen.
Da man auch heutzutage noch alles irgendwie Homosexuelle einerseits
sowie auch das vom genormten Männerbild Abweichende andererseits
traditionell besonders bei Männern intensiv verfolgt oder
verlacht oder diskriminiert, kommt es dazu, dass beim CSD in
den Heten-Medien immer Schwulenparade oder Schwulenfest gesagt
wird, denn die Lesben nimmt man nicht ernst und so mancher Mann
fand es damals bei der staatlichen Schwulenverfolgung oder fände
es auch heute gut, wenn er nicht als schwul erkannt wird, und
andere, wenn sie bei den Lesben als Dritte mitmischen könnten.
Daher ist lesbisch eher ein schlüpfriges Wort
statt ein derart verachtendes agressives wie schwul. Hinter den
unterschiedlichen Formen der Diskriminierung von Lesben, Schwulen
und Transen steht eben die Männerrolle und die Frauenrolle
in der Gesellschaft.
Ein Mann, der sich eher feminin verhält, ist eben eine Tunte,
ganz gleich, ob er wirklich Sex mit Männern bevorzugt, denn
das können die verachtenden Idioten ja nicht so genau wissen.
Und in den schwulen Kontaktanzeigen findet man auch solche Sätze
wie Tunten zwecklos, man übernimmt also die
antischwule Tuntenverfolgung. Unsere Szene ist also auch nicht
gerade emanzipierter als die Hetenwelt.
Klarer wäre es schon, wenn wir immer sagen würden:
Lesben-Schwulen-Transenparade, da wären alle genannt und
niemand bräuchte sich nun beim Diskriminiertwerden benachteiligt
fühlen.
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- Stattdessen sagt man lieber gay
und dann auch noch lesbisch, schließlich zusammenfassen
LSBT, dann weiß niemand mehr, wer und was hier gemeint
ist und niemand braucht mehr zu sich zu stehen, wenn er auf einer
LSBT-Parade gesehen wurde. Deshalb sagt man lieber, dass man
bei einer Christopher-Straßen-Parade war statt stolz zu
seiner Homosexualität zu stehen, wie das in einer Gay-Pride
Parade der Fall wäre.
Ihr seht, es war in den 68ern sinnvoll, sich das damalige Schimpfwort
kämpferisch bei allen offiziellen Gelegenheiten als Bezeichnung
anzuziehen, um den homophoben Idioten ein Schimpfwort zu stehlen,
das nun schrittweise wieder eines wird oder gar schon ist.
Und es war damals von den Lesben sinnvoll, die Frauenbewegung
zu verstärken, weil es als Lesben darum ging, dass Frauen
überall die gleichen Möglichkeiten wie Männer
bekommen, damit Lesben als Lesben leben konnten. Nur haben viele
den Absprung nicht geschafft, die eigene Sache nun zu betreiben
statt dann den Heten Schwan-gerschaftsvorbeugungsberatung zu
geben.
Und nun sind wohl die (schwulen) Männer daran schuld, wenn
Lesben nicht genügend genannt werden und die Straße
in New Yorck muss umgenant werden, damit Lesben nicht dadurch
noch schlimmer verfolgt und diskriminiert werden als die Schwulen,
indem sie einfach verschwiegen werden. Wie gesagt, gerade in
der Nazizeit und der nachfolgenden Adenauerzeit wäre es
den Schwulen sicher besser gegangen, wenn man sie dort ebenfalls
verschwiegen hätte.
Das zeigt jedenfalls, das unterschiedliche Ver-folgungszusammenhänge
auch unterschiedliche Traumata und Ängste erzeugt haben,
und dass unsere gemeinsame Szene mit einer Schwulenbewegung einerseits,
einer schwächeren Lesbenbewegung, verstärkt durch die
Frauenbewegung mit heterosexuellen Mann-Frau-Auseinandersetzungen
andererseits noch lange nicht soweit ist, ihre eigene Sache gemeinsam
in die Hände zu nehmen.
Man muss sich wundern, warum wir dennoch schon derart viel erreicht
haben, wenn auch noch nicht alles. Doch unseren Aktivisten und
Aktivistinnen (ich nenne die geliebten Männer zuerst, denn
den Frauen mache ich ja nicht den Hof) sei ein bisschen mehr
Vernunft gegönnt. (js)
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