106. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 2011
 
Homophobie
Am 17. Mai ist der Tag gegen Homophobie. Sind wir weitergekommen oder eher nicht? Kann sich unsere Bewegung aus den gesellschaftspolitischen Entwicklungen raushalten?
 
Die Untersuchungen, wieso manche Menschen grundlos hasserfüllt auf Menschen reagieren, die auf die eine oder andere Weise angeblich anders sind, gehen von einem psychischen Krankheitsbild aus. Im Falle der Homophobie wird angenommen, dass dies mit akzeptierten religiösen oder gesellschaftlichen Normen zu tun hat und der Angst, diesen nicht zu entsprechen. Normen positionieren willkürlich in gut und schlecht.
 
Da Homosexualität zu den ursprünglichen menschlichen sexuellen Möglichkeiten gehört, müssen sich auch solche Menschen mit ihr auseinandersetzen, die sich für nicht betroffen halten. Homophobes Handeln, das subtil oder offen gewalttätig in Erscheinung treten kann, ist für homophobe Menschen ein Weg, mit ihrem Dilemma umzugehen, indem sie dann gegen Menschen vorgehen, die sie für homosexuell lebend halten.
  Homophobie ...
- durch den Staat

In noch ca. 70 Staaten auf der Erde gubt es Strafgesetze gegen homosexuelle Verhalten. Die Srafen gehen über Geldstrafen bist zur Todesstrafe. In Deutschland wurden bis 1994 Männer für homosexuelle Handlungen bestraft.

- durch Religionen
Die staatliche Homosexuellenverfolgung ist häufig auf die vorherrschenden Religionen zurückzuführen. Nahezu alle Religionen und fast alle Religionsorganisationen verbieten homosexuelle Handlungen und behaupten, dass dies von einem Überwesen verkündet worden sei und sie deshalb das Recht haben, mit Sexualverboten Macht auszuüben.

- durch Mitmenschen
Besonders junge und ungebildete Menschen wären gerne etwas Besonderes, und deshalb hätten sie gerne Leute unter sich. Männer glauben, sie wären besonders männlich, wenn sie gegen Homosexualität sind. Manche Frauen denken, über Männer triumphieren zu können, wenn sie bei Männern homosexuelle Neigungen unterstellen können. Es geht ihnen um Macht. Sie haben Angst, vielleicht für homosexuell gehalten zu werden und schützen sich davor, indem homosexualitätsfeindlich auftreten.

Dabei wird auf bizarre Weise oft die jeweilige sexuelle Orientierung mit dem Grad an maskulinem bzw. an femininem Auftreten verwechselt.

Was für die an homophobie erkrankten Menschen als ein Teil der Krankheitssymptome in Erscheinung tritt, stellt für Männer, die als nicht „männlich“ genug oder Frauen, die als nicht „weiblich“ genug angesehen werden eine Gefahr dar, vor der sie zu schützen sind. Ebenso zu schützen sind Menschen, die eine aufs gleiche Geschlecht gerichtete sexuelle Ausrichtung bei sich erkannt haben und mit anderen davon Betroffenen danach leben möchten.

Über die Homophobie hinaus, ermöglicht die sexuelle Denunziation im Konkurrenzstreit in der Wirtschaft oder in der Politik die Möglichkeit, sich Vorteile zu verschaffen. Dies kann funktionieren, wenn es gelingt, bestimmte sexuelle Verhaltensweisen in der Gesellschaft als negativ ansehen zu lassen.

ArbeitnehmerInnen und Politiker-Innen usw. können jedoch durch sexuelle Denunziation nicht gefährdet sein, wenn sie die Tatsache ihrer Homosexualität nicht verschweigen. Unter solchen Bedingungen können homosexuelle Menschen sogar die Denunzianten in das schlechte Licht stellen, in das sie gehören. Das Outing gelingt aber nur dann, wenn man es im Betrieb oder in der Gesellschaft nicht mit mehrheitlich homophoben Menschen oder homophobie erzeugender Hintergrundideologie zu tun hat. Die kann in religiösen Einrichtungen oder konservativen Parteien oder Organisationen der Fall sein.

Gegen Homophobie, die ansteckend sein kann, können wir nicht alleine bestehen. Wir benötigen dabei die Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Dies geschieht zum Beispiel an Schulen durch heterosexuelle Lehrer, die ein Projekt wie „Vorurteile gegen Homosexualität“ durchführen (Siehe 100. LUST Herbst 09) oder zum Beispiel durch das Bündnis gegen Homophobie in Berlin. Es lassen sich sicherlich noch weitere solcher Beispiele finden.

Das Datum des Tages gegen Homophobie wurde zur Erinnerung an den 17. Mai 1990 gewählt, den Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel strich. Zugleich ergeben sich in der Schreibweise zufällige Parallelen zwischen dem Datum 17.5. und dem ehemaligen Paragraphen 175 des deutschen Strafgesetzbuches, weswegen der 17. Mai in Deutschland bereits seit der Einführung des § 175 RStGB im Volksmund spöttisch als „Feiertag der Schwulen" bezeichnet wurde, Schwule wurden 175er genannt.

Viele deutsche Schwule reagierten in den Zeiten der Illegalität so darauf, dass sie sich gegenseitig Blumen schenkten und so „ihren Geburtstag“ feierten. Bei diesen Ge-burtstagsfeiern feierte man trotzig, dass man nicht in Haft war, dass man noch lebte und trotz allem vielleicht auch ein bisschen Lebensglück erlebt hatte.
 Aufruf des Berliner Bündnisses gegen Homophobie: Anerkennung und Respekt für gleichgeschlechtliche Lebensweisen
Am 23. September 2009 wurde auf Initiative des LSVD Berlin-Brandenburg e.V. im Roten Rathaus das Berliner "Bündnis gegen Homophobie" gegründet. Als Erstunterzeichner haben sich in dem Bündnis 24 relevante gesellschaftliche Organisationen, Institutionen und Unternehmen zusammengetan, um ein klares Zeichen zu setzen gegen Homosexuellenfeindlichkeit, Diskriminierung und Gewalt.
Homophobie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Sie zu bekämpfen, ist die Pflicht der ganzen Gesellschaft. Die Unterzeichner dieses Aufrufes sind sich einig, dass Homophobie nicht tatenlos hingenommen werden darf. Wir wollen der verbreiteten Homosexuellenfeindlichkeit gemeinsam entgegentreten. Deswegen haben wir uns im „Berliner Bündnis gegen Homophobie“ zusammengeschlossen.
Homophobie geht uns alle an. Denn Homophobie ist ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft. Die Berliner Verfassung gebietet, dass kein Mensch aufgrund seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf – ebenso, wie sie die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und der Herkunft, des Glaubens und der religiösen oder politischen Anschauungen verbietet. Wir wollen, dass die Verfassungswirklichkeit für Homosexuelle in Berlin auch zur Lebensrealität wird. Bei der Freiheit des Einzelnen und dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung dürfen in einer demokratischen Gesellschaft keine Abstriche gemacht werden.
Wir, die Unterzeichner dieses Aufrufes, verpflichten uns, im Alltag jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzutreten. Wir engagieren uns für Anerkennung und Respekt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern. Unser Ziel ist ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Homophobie, das Hass und Intoleranz offensiv entgegentritt und die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen fördert.
Gründungsmitglieder:
Akademie der Künste, AOK, Berliner Fußball Verband e.V., Berliner Bank, Berlin Tourismus, Berliner Stadtreinigungsbetriebe BSR, Coca Cola, Deutsche Bank, Deutsche Oper Berlin, Deutscher Fußball Bund, Deutsches Rotes Kreuz, DGB, Friedrichstadt Palast, Hertha BSC Berlin, Howoge, Internationale Filmfestspiele Berlin, Jüdische Gemeinde zu Berlin, Kaisers, Lan-dessportbund Berlin, Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin Brandenburg e.V., Polizeipräsidium Berlin, Pfizer, SAP, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, TBB Tennis Borussia Berlin, Terre des Femmes, Theater an der Parkaue, Türki-yemspor Berlin e.V., Verein iranischer Flüchtlinge, Wall AG, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Unterdessen sind noch weitere zahlreiche Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen diesem Bündnis beigetreten.

Am 17. Mai 2011 können wir auf einige Errungenschaften blicken, müssen aber einräumen, dass wir bei der Frage der Gleichstellung immer noch von den deutschen christlichen Konservativen, der CDU/CSU ausgebremst, außerdem werden wir auch ständig von der katholischen Kirche angegriffen.

Eine der absurdesten Angriffe auf unsere Menschenrechte geschah durch Erzbischof Tomasi vor der UNO, der dort behauptete, die staatliche Homophobie sei ein Menschenrecht, während homosexuelles Leben eine „Sünde“, also im kirchlichen Sinne ein Verbrechen sei (Siehe S. 25 in dieser LUST).

Solche Verdrehungen der Tatsachen sind zurückzuweisen und als das zu bezeichnen, was sie sind, als homophobe Entgleisungen.

Die Kirche ist dabei in Sorge, dass homophobe Regierungen und Menschen als homophob bezeichnet werden, und damit letztlich auch sie selber.
 
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