- LITURGIE VOM HAUCH
Von B. Brecht
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- Einst kam ein altes Weib einher
Die hatte kein Brot
zum Essen mehr
Das Brot, das fraß das Militär
Da fiel sie in die Goss´,
die war kalte
Da hatte sie keinen Hunger mehr.
Darauf schwiegen die Vöglein
im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kam einmal
ein Totenarzt einher
Der sagte:
Die Alte besteht auf ihrem Schein
Da grub man die hungrige Alte ein
So sagte das alte Weib nichts mehr
Nur der Arzt lachte noch
über die Alte.
Auch die Vöglein schwiegen
im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kam einmal
ein einziger Mann einher
Der hatte für die Ordnung
keinen Sinn
Der fand in der Sache
einen Haken drin
Der war eine Art Freund
für die Alte
Der sagte, ein Mensch
müsse essen können, bitte sehr
Darauf schwiegen die Vöglein
im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kam mit einemmal
ein Kommissar einher
Der hatte einen
Gummiknüpel dabei
Und zerklopfte dem Mann
seinen Hinterkopf zu Brei
Und da sagte auch
dieser Mann nichts mehr
Doch der Kommissar sagte,
daß es schallte:
Und jetzt schweigen die Vöglein
im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kamen einmal
drei bärtige Männer einher
Die sagten, das sei nicht eines einzigen Mannes Sache allein.
Und sie sagten es so lang,
bis es knallte
Aber dann krochen Maden
durch ihr Fleisch in ihr Bein
Da sagten die bärtigen Männer nichts mehr.
Darauf schwiegen die Vöglein im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kamen mit einemmal viele Männer einher
Die wollten einmal reden
mit dem Militär
Doch das Militär redete
mit dem Maschinengewehr
Und da sagten
alle die Männer nichts mehr.
Doch sie hatten auf der Stirn
noch eine Falte.
Darauf schwiegen die Vöglein
im Walde
über allen Wipfeln ist Ruh
In allen Gipfeln spürest du
Kaum einen Hauch.
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- Da kam einmal ein
großer roter Bär einher
Der wußte nichts
von den Bräuchen hier,
das brauchte er nicht als Bär.
Doch er war nicht von gestern
und ging nicht
auf jeden Teer
Und der fraß die Vöglein
im Walde.
Da schwiegen die Vöglein
nicht mehr
über allen Wipfeln ist Unruh
In allen Gipfeln spürest du
Jetzt einen Hauch.
(Hauspostille, Erste Lektion: Bittgaenge, 1924)
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