- 102. Print-Ausgabe, Frühlings-LUST 10
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- Gesundheitsreformen
Die schwarzgelbe Koalition, besonders die FDP, ist daran interessiert,
die gesesetzliche Krankenkasse so zu verändern, dass sie
privatisiert werden kann und sie den Versicherungskonzeren Gewinne
abwirft. In den USA wird versucht, auch Ärmere privat zu
versichern, obwohl ihnen das Geld fehlt.
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- Besonders die Versicherungskonzerne und die
konservativen Abgeordneten, die in deren Mana-gement eingebunden
sind, setzen alles dran, um dies zu verhindern.
Mit homophoben und rassistischen Sprüchen (z. B. Ihr
Homo-Kommunisten!) zeigten konservative Demonstranten und
ihre Anhänger in Washington, was sie von der Gesundheitsreform
Barack Obamas halten.
Das umstrittene Reformgesetz wurde mit 219 gegen 212 Stimmen
vom Repräsentantenhaus gebilligt. Der Senat hatte bereits
im Dezember zugestimmt. Vor der Abstimmung kam es aber zu zum
Teil tumultartigen Szenen. Konservative Demonstranten, die sich
in der Tea Party-Bewegung zusammengeschlossen hatten,
protestierten lautstark gegen das Gesetz.
Die Wut entlud sich insbesondere auf den Demokraten Barney Frank,
den Vorsitzenden des Ausschusses für Finanzdienstleistungs-
und Versicherungsbranche, der maßgeblich am Kompromissentwurf
beteiligt war. Frank wurde unter anderem als Homo-Kommunist
und Schwuchtel beschimpft. Am Nachmittag rief er
Sicherheitskräfte, als aufgebrachte Demonstranten mit den
Fäusten auf seine Bürotür einschlugen.
Die Demonstranten attackierten auch mehrere schwarze Demokraten.
So bezeichneten mehrere aufgebrachte Aktivisten den Abgeordneten
John Lewis als Nigger. Lewis hatte zuvor darauf hingewiesen,
dass Schwarze unterproportional Versicherungsschutz erhielten.
Während der Parlamentsdebatte forderte der Parlamentarier
Tim Ryan Konsequenzen von seinen republikanischen Kollegen: Ich
rufe Republikaner, die auf Veranstaltungen der Tea Party gesprochen
haben, diese Ausbrüche zu verurteilen. In der aufgeheizten
Atmosphäre ging allerdings kein oppositioneller Parlamentarier
darauf ein.
Die Reform der Krankenversicherung gilt als größtes
sozialpolitisches Projekt seit über vier Jahrzehnten in
den USA. Nach dem jetzt von Senat und Repräsentantenhaus
verabschiedeten Gesetz sollen mehr als 30 Millionen nicht Versicherte
mit staatlicher Unterstützung eine private Kran-kenversicherung
erhalten.
Außerdem müssen Versicherungen zukünftig auch
Menschen mit Vorerkrankungen eine Police anbieten und dürfen
nicht mehr Versicherten kündigen, wenn diese krank werden.
Obamas ursprünglicher Plan, die gesetzliche Krankenversicherung
auf 80 Millionen US-Bürger zu erweitern, scheiterte jedoch.
Gesetzlich versichert sind damit auch zukünftig nur Militärangehörige,
ein Teil der Arbeitslosen sowie ein Teil der Rentner.
Die Republikaner stimmten geschlossen gegen die Reform, da sie
angeblich darin einen Angriff auf den freien Markt sahen und
einen Anstieg des Haushaltsdefizits befürchteten. Sie kündigten
an, dieses Gesetz wieder rückgängig zu machen, wenn
sie dafür die Mehrheit erhalten.
Und wegen diesem billigen Refürmchen werden Lügen verbreitet,
und es werden Vergleiche mit dem Kommunismus und dem Faschismus
hergestellt.
Dass diese kleine überfällige Reform von den kommerziellen
Medien im Verbund mit den Versicherungskonzernen und der religiösen
Rechten mit solcher Vehemenz bekämpft wurde und wird, ist
Ausdruck davon, dass es den US-medizinischen Konzeren nicht um
die Versorgung der Bevölkerung ging und geht, sondern dass
die Aktionäre der Konzerne rund um den medi-zinischen Bereich
die höchstmögliche Rendite abwerfen.
Welche Konsequenz diese Politik der Privatversicherungen für
die US-Bevölkerung hat, lässt sich in dem dokumentarisch
gehaltenen Film SICKO von Michael Moore erkennen.
Und welche Zukunft für unser Gesundheitsesen
vorgesehen ist, ebenfalls. Es geht um die Umwandlung der gesetzlichen
Krankenkassen in private Kassen, und das gleiche droht auch un-seren
gesetzlichen Rentenkassen usw.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das bundesdeutsche Versicherungswesen
in einer Weise neu organisiert, dass es den Bedingungen des Kalten
Krieges entsprechen könnte. Immerhin sollte die soziale
Marktwirtschaft als bessere Welt gegen die sozialistische
Planwirtschaft und als das westliche Aushängeschild herhalten.
Jeder, der einer Erwerbsarbeit nachgeht, zahlt in die Kasse ein,
und zwar entsprechend seinem Verdienst. Angeheiratete LebenspartnerInnen,
die keiner Erwerbsarbeit nachgehen sondern Familienarbeit lesiten
wie die Kinder sind kostenlos mitversichert. Und sie alle erhalten
das, was aufgrund der Erkrankung eben notwendig ist. Ja, so war
das und damit dies auch alles ordentlich abläuft, gab und
gibt es Sozialwahlen, wo die VersichetenvertreterInnen gewählt
werden. Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Selbstverwaltungsorgane,
sie sind also weder privat noch staatlich.
Doch ungefähr seit Kohl wird schrittweise abgebaut und die
Versicherten müssen immer größere Teile der Kosten
zuzahlen. Den Osten und den Kalten Krieg gibt es nicht mehr und
in der Wirtschaft geht es um den schnellen Gewinn, koste es was
es wolle.
Und wir müssen nun unser arg gebeuteltes Sozialsystem verteidigen,
weil der Ersatz, nämlich das private Versicherungssystem
in Wirklichkeit eine brutale Verschlechterung wäre.
Man zahlt entsprechend seiner Krankheiten (die zu zahlende Höhe
richtet sich danach), seiner Versicherungsklasse und was man
mitversichern will und natürlich von seinen Möglichkeiten
her kann. Familienmitgleider sind nicht mitversichert, sie müssen
extra versichert werden.
Der Einstieg in dieses andere Versicherungssystem ist die Kopfpauschale,
also jeder zahlt unabhäng seiner Einnahmen das gleiche,
und dann gibts noch sehr viele Zuzahlungen oder Zussatzversicherungen.
Oder man lässt es und stirbt halt, wie in den USA. (js)
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