- 101. Print-Ausgabe, Winter-LUST 09/10
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- Der Wandel im Sozialgefüge
Die Bevölkerung hat sich für schwarz-gelb entschieden,
und nun bekommt sie das, was auch schon unter rot-grün begonnen
hat, mit besonders entschiedenen Reformen. Diese
wären mit der SPD deshalb nicht zu machen, weil die dann
gar keine WählerInnen mehr hätte. Also brauchte man
die FDP im Boot. Ihr habt es so gewollt.
Das Sozialsystem wird umgebaut, und zwar zugunsten der privaten
Versicherungen. Der Hintergrund ist ganz klar, die Zocker brauchen
mehr Gewinn.
Wer von uns in seinen Wunschträumen an viel Geld denkt,
denkt vielleicht an einen hohen Lotto-Gewinn. Neid fühlen
manche Menschen gegenüber anderen Menschen, denen es ein
wenig besser geht. er etwas mehr Geld hat, hat auch mehr Möglichkeiten
in einer auf Geld aufgebauten Wertevorstellung. Nun gibt es aber
Menschen, die zwischen einem Hartz-IV-Empfänger und einem
Lotto-Millionär gar keinen wesentlichen Unterschied sehen,
weil für sie Reichtung darin besteht, dass die Geldströme
in ihre Richtung bewegen. Sie sitzen an den Endpunkten der Geldbewegungen,
während ein Lotto-Millionär sich ein Haus kauft uns
eine große Reise macht und dann wars das, das Geld ist
alle.
Viel Geld haben, wirklich reich sein, heißt, sein Geld
dort angelegt zu haben, wo es sich ständig vermehrt. Es
vermehrt sich, weil hier das Geld hinfließt. Nun sind die
guten Stellen schon längst unter denen aufgeteilt, die zuerst
da waren. Die anderen, die riskanteren Stellen sind vielleicht
noch zu erwerben. Es geht denen ja auch nicht darum, Geld zu
verteilen, sondern mehr als anderen das Geld anderer an sich
zu ziehen.
Und es gibt ja noch Gelder, die nicht zu ihnen fließen,
und das sind die öffentlichen Sozialsysteme, die nicht dazu
dienen, ihnen eine Rendite zu verschaffen. An die öffentlichen
oder staatliche Sozialsysteme wollen nun die großen Kapitaleigner
auch noch ran. Um dort ranzukommen, muss das staatliche Kapital
auch zu privaten Kapital werden, müssen die staatlichen
Sozialeinrichtungen zu privaten Versicherungen umgebaut werden.
Und in dieser Phase befinden wir uns gerade. Die vielen Lügen,
Hartz IV und die angebliche demographische Krise.
Es ist wahr, dass die Gesundheitskosten ständig steigen,
wie alle Kosten, was kein Problem wäre, wen nauch die Gehälter
und Löhne angemessen steigen würden. Aber das sollen
sie ja nicht.
Während in den USA jetzt vielleicht eine Krankenkasse als
Sozialversichung eingeführt werden soll, wird die solidarische
Krankenversicherung, die ohnehin nur noch ein Torso ihrer selbst
ist, nun nach den Plänen von schwarz-gelb abgeschafft.
Statt des Solidarsystems, nachdem jeder nach seinen Einnahmen
einzalt, und die Gesundheitskosten nach den Notwendigkeiten bezahlt
werden, sollen nun alle die gleiche Summe einzahlen, um eine
kleine Mindesversorgung zu bekommen. Das ist die Grundlage zur
Privatisierung. Wer mehr will (oder braucht), muss drauf zahlen
oder eben darauf verzichten. Ganz unverblümt ausgedrückt:
wer das Geld nicht hat, ist es nicht wert, geholfen zu bekommen.
Und das ist ebenfalls ein Teil des Einstieges in die Privatisierung.
Vieles soll anders werden in der Krankenversicherung, teurer
für den einzelnen vermutlich auch: Union und FDP haben einen
Radikal-Umbau der Versicherung angekündigt. Kritiker sagen:
Jetzt kommt die Kopfpauschale durch die Hintertür.
Fast schien die 2005 von der CDU gewünschte solidarische
Gesundheitsprämie schon in Vergessenheit. Nun kommt
sie in Form eines einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrags
wieder. Ab 2011 soll das bisherige System der gesetzlichen Krankenversicherung
radikal umgebaut werden. Was das genau bedeutet, das soll eine
Regierungskommission in den nächsten Monaten
ausarbeiten. Die beiden Niedersachsen Philipp Rösler (FDP)
und Ursula von der Leyen (CDU) betonten zunächst nur die
großen Linien: gerechter und transparenter
solle das System werden.
Also: Deutschland wird schrittweise zu den Zuständen der
USA unter Bush umgewandelt, dank Merkel/Westerwelle. Der Sozialstaat,
den die Bundesregierung nach 1945 eingerichtet hat, wird beerdigt.
Dies entspricht aber vollkommen den Maßgaben der WTO.
1994 wurde von der WTO, der Welthandelsorganisation, das GATS
beschlossen, das General Agreement on Trade in Services,
das den freien Handel mit Dienstleistungen regelt. Eine der zwölf
in dem Abkommen genannten Branchen sind Bildungsdienstleistungen.
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- Was regelt GATS überhaupt? Das Dienstleistungsabkommen
ist eines der drei Säulen der Welthandelsorganisation
neben dem fortgeschriebenen allgemeinen Handelsabkommen GATT
und dem Vertrag zu den Urheberrechten TRIPS. GATS sichert
den Vertragsstaaten die Meistbegünstigung und die Inländerbehandlung
soll heißen: alle Marktteilnehmer können für
sich die günstigsten Handelsbedingungen in Anspruch nehmen
und ausländische Anbieter müssen Inländern gleichgestellt
werden.
Und auch die Sozialhilfe sowie das Arbeitslosengeld II, zusammen
Hartz IV genannnt, sollen von schwarzgelb als Bürgergeld
erheblich gekürzt werden.
Die Höhe des Bürgergeldes soll pauschal 662 Euro betragen,
ausgezahlt vom Finanzamt. Voraussetzung sind die Bedürftigkeit
und die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit. Bei Ablehnung
einer zumutbaren angeboten Arbeit wird das Bürgergeld gekürzt.
Das scheint zunächst Hartz IV sehr ähnlich zu sein:
Pauschalierung der Leistungen, Bedürftigkeit als Voraussetzung,
Arbeitszwang und Sanktionen alles wie gehabt. Nur, dass
die Pauschalierungen de facto eine erneute Absenkung der Leistungen
bedeuten.
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- Wurde bei dem Umstieg von der Arbeitslosenhilfe
auf Hartz-IV die bis dahin im Sozialhilfegesetz möglichen
Sonderleistungen bei Bedarf wie eine neue Waschmaschine oder
ein neuer Wintermantel weggekürzt, ist die Pauschalierung
beim Bürgergeld der FDP etwa was die Höhe des Mietanteils
anbelangt, eine erneute Kürzung.
Also: warm anziehen, damit es anderen besser und besser geht.
Die Zeit des Sozialstaates dürfte vorbei sein, denn der
Osten ist keine antikapitalistische Konkurrenz mehr.
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