101. Print-Ausgabe, Winter-LUST 09/10
 
„Die im Bett behält immer recht“
Haben Sexpartner einen größeren Einfluss auf einen Menschen als „platonische“ FreundInnen?

Zuerst einmal ein Gedicht von Kurt Tucholsky, veröffentlich am 21.07.1925 in der Zeitschrift “Die Weltbühne” Nr. 29 S. 103. Es heißt:
 Frauen von Freunden

Frauen von Freunden zerstören die Freundschaft.
Schüchtern erst besetzen sie einen Teil des Freundes,
nisten sich in ihm ein,
warten, beobachten,
und nehmen scheinbar teil am Freundesbund.

Dies Stück des Freundes hat uns nie gehört –
wir merken nichts.
Aber bald ändert sich das:
Sie nehmen einen Hausflügel nach dem andern,
dringen tiefer ein,
haben bald den ganzen Freund.

Der ist verändert; es ist, als schäme er sich seiner Freundschaft.
So, wie er sich früher der Liebe vor uns geschämt hat,
schämt er sich jetzt der Freundschaft vor ihr.
Er gehört uns nicht mehr.
Sie steht nicht zwischen uns – sie hat ihn weggezogen.

Er ist nicht mehr unser Freund:
er ist ihr Mann.
Eine leise Verletzlichkeit bleibt übrig.
Traurig blicken wir ihm nach.

Die im Bett behält immer recht.
Dieser letzte Satz des Gedichts war unser Titelgeber. Behält „die im Bett” beziehungsweise „der im Bett” immer recht?

1. Zum Gedicht, oder: die heterosexuelle Männerfreundschaft.
Zuerst ist einmal zu sagen, dass das titelgebende Gedicht aus heterosexueller männlicher Sicht geschrieben wurde, dass es sich in dem Tucholsky-Gedicht um eine heterosexuelle Männerfreundschaft handelt, die durch die zunehmende „Inbesitznahme” des Männerfreundes durch eine Frau beendet wird.

Genauer betrachtet wird die Män-nerfreundschaft nicht durch die Frau beendet, sondern durch das heterosexuelle Interesse des Mannes an der Frau an sich und durch die Umstände, unter denen sich der „hete-rosdexuelle Mann an sich” die Erfüllung seiner sexuellen Interessen verspricht.

Um dies genauer betrachten zu können, sind drei Bereiche ins Auge zu fassen, nämlich 1. die Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Frauenanmache durch einen Hetenmann, 2. das Zerfallen von männlichen Jugendcliquen durch das Weg-Verheiraten ihrer Mitglieder und 3. die Funktion einer heterosexuellen Männerfreundschaft als Ehe-Ergänzung des heterosexuellen Mannes.
 
1.1. die Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Frauenanmache durch einen Hetenmann
Das weiß doch jeder heterosexuell Mann, dass er das Vertrauen einer Frau gewinnen muss, bevor er mit ihr Sex haben kann. Und wie gewinnen sie das Vertrauen? Indem er die Wünsche, Auffassungen, Sehnsüchte, Träume der gewünschten Frau zuerst ausfindig macht und dann bestätigt. Durch diese Bestätigung wächst das Vertrauen und der betreffende Mann kommt so seinen Zielen näher.

Dieses übliche Verfahren hat natürlich auch seine Nachteile. Zum Beispiel gehört zu den Nachteilen für die Frauen, dass sie sich bei diesem Mann ständig bestätigt und verstanden fühlen und glauben, dies sei wirklich die Auffassung ihres Partners.

Und für die Männer bedeutet dies, dass sie diese Rolle immer wieder und ständig bestätigen müssen. Dies macht sie sozusagen verwundbar, denn um dem Harmoniebedürfnissen ihrer Partnerinnen zu entsprechen, müssen sie sich psychisch der entsprechenden Frau öffnen, wie Tucholsky dies in seinem Gedicht beschrieben hat.

Kommen wir zurück zum (erfolgreichen) Anmachverhalten des Hetenmannes. Er hat also herausgefunden, wie die Angebetete „tickt” und erfüllt nun ihre Erwartungen.

Kennt Ihr den folgenden Witz?
„Ein Mann erzählt seinen Arbeitskollegen, dass bei ihm in der Ehe er die wichtigen Sachen bestimmt, sie die unwichtigen. Als er gefragt wird, was denn die wichtigen und was die unwichtigen Dinge sind, erklärt er: Wichtig ist zum Beispiel, ob Merkel eine gute Politik macht und ob Mainz 05 ein Carnevalverein ist oder ein Fußballclub. Unwichtig ist, was von Nachbarn und Freunden zu halten ist, wohin in Urlaub gefahren wird, was mit dem Geld, das der Mann verdient, geschieht, was der Mann zu verschiedenen Anlässen anzieht und mit welchen Verwandten des Mannes man noch Kontakt pflegt usw.”

Anders ausgedrückt: Die Frau bestimmt das gesamte Familienleben und auch, was von fast allem zu halten ist. Er stimmt allem zu, um des lieben Friedens willen. Er leistet also Beziehungsarbeit beziehungsweise Beziehungspflege.

Denn das nach-dem-Mund-reden, das bei Beginn einer Beziehung notwendig war, kann er ja nicht plötzlich weglassen. Sie hätte den Eindruck der krassen Störung der Harmonie, das hätte für die Beziehung elementare Bedeutung.
 
1.2. das Zerfallen von männlichen Jugendcliquen durch das Weg-Verheiraten ihrer Mitglieder
Kommen wir zur altersgleichen Peergruppe, wie man heute sagt, die durch die heterosesxuellen Freudschaften bzw. Ehen zerfällt, wie in der Sozialarbeieit Tätige dies ausdrücken. Für Lesben und Schwule erfolgt der Ausstieg aus dieser Clique in der Regel durch das Bewusstwerden der homosexuellen Neigung, und zwar durch das eigene anders gewordene Interesse einerseits und das geänderte Verhalten der Clique gegenüber der Lesbe bzw. dem Schwulen andererseits, und sei es nur das von der Lesben und dem Schwulen als anders empfundene Verhalten.

Während vor dem Coming-out ein antischwuler Witz als unproblematisch empfunden wurde, vielleicht sogar witzig, ist dies dem schwulen jungen Mann nun nicht mehr so einfach unproblematisch, höchstens, wenn es gegen Lesben geht, und der lesbischen jungen Frau zum Teil auch, wenn ers um Schwule geht, jedoch nicht immer.

Also hat sich das Verhalten der anderen in der Clique gar nicht verändert, wird aber verändert wahrgenommen. Doch wenn den anderen Cliquen-Mitgliedern klar wird, dass dieser Mann offensichtlich schwul, diese Frau offensichtlich lesbisch ist, dann ändert sich selbstverständlich auch das Verhalten, auch wenns nicht immer böse gemeint ist, denn das in-Rechnung-Stellen der Andersartigkeit des Cliquen-Mirglied, um ihn zum Beispiel nicht zu verletzen, ist für die Heten auch ein bisschen lästig.

Was sich für Lesben und Schwule daraus ergibt, werde ich im Kapitel 2 darstellen, hier will ich noch ein wenig bei der altersgleichen Peergroup bleiben, die letztlich durch die Ehe (beziehungsweise das Coming-out) aufgelöst wird. Tele dieser Peergroup oder andere Verbindungen überleben aber die Ehe ihrer Probanten, weil sie hier eine Funktion haben.
 
1. 3. die Funktion einer heterosexuellen Männer-freundschaft als Ehe-Ergänzung
Heterosexuelle Männer reden also ihren Frauen (beziehungsweise Freundinnen) nach dem Mund, so lange sie ihnen noch sexuell attraktiv erscheinen, um oft die Möglichkeit zu haben, sich mit ihr sexuell auszuleben.

Es ist dort nämlich Brauch, nicht nur über die miteinander geteilte Sexualität zu verfügen, sondern über das Sexualleben generell.
Der Hetenmann kann nicht, wie es in schwulen Beziehungen eher üblich ist, einfach Kontakte mit einer anderen Sexpartnerin aufnehmen, weils den Frauen offensichtlich mehr um die Beziehung geht als um das befriedigende Sexualleben. Männer sind also in der Situation, die vorgegebene Rolle gegenüber ihren Frauen immer weiter zu spielen, sie zu bestätigen und ihnen nach dem Mund zu reden, was ihnen intellektuell usw. auf Dauer nicht ausreicht. Also suchen sie Kumpel, um dort auf andere Weise zu kommunizieren, als Ausgleich sozusagen.

Die „männerbündlerische Sozialgruppierung“ ist Gegenstand vieler kritischer Anmerkungen in der Lieteratur, doch scheint sie als Ehe-flankierende Einrichtung ebenso unabdingbar zu sein wie z.B. die Prostitutionsszene, die ja den Vorteil hat, dass keine Konkurrenzbeziehung zur Ehe dadurch entstehen kann.

Die Runde verheirateter Männer kann sich über Sportinteressen, über Sachthemen oder über Arbeitskollegen definieren, auf jeden Fall können hier Männer miteinander befreundet sein, obwohl sie nicht immer in Harmonie schwelgen.

Es können regelmäßige Kneipenabende sein, politische Zirkel oder auch Kultutzirkel. Wichtig ist ihnen nur, dass es sich um Themen handelt, die ihre Frauen nicht interessieren, dass sie hier also sozusagen Eheurlaub machen können.

Wenn hier Ehefrauen auftauchen würden, dann würden diese Männer nicht demonstrieren, dass ihnen dies nicht gefällt, sondern würden den Frauen deutlich machen, dass ihnen auf jeden Fall die größere Zuwendung gebührt. Aber der Abend wäre für die Männerrunde gelauefen, da sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen könnte.

Auch ohne Männerrunde versuchen viele Männer, dieses ihnen fehlende Gefühl auf vielerlei Weise auszugleichen.

Man geht zum Beispiel in eine Kneipe und kommt mit einem Mann ins Gespräch und nach geraumer Zeit sitzen die beiden Männer mit roten Ohren in ein wie auch immer geartetes Thema verstrickt, was ihnen beiden großen Genuss macht. Gerade weil nichts sexuelles zwishcen ihnen ist, entwickeln sie eine große Nähe zuzeinander und genießen diese Form der freundschaftlichen Kommunikation.

Das ändert sich schlaartig, wenn eine weibliche Bekannte des einen oder anderen Mannes ins Spiel kommt. Das geht ungefähr so:
Sie kommt vorbei, stutzt, ruft rücksichtslos so etwas wie Hallo, lange nicht gesehen, wie gehts denn so, was machen Frau und Kinder und der Beruf und weißt du noch, der Soundso, der hat jetzt auch geheiratet ....

Der andere Mann wartet erst geduldig ab, der halbe Satz in seinem Kopf, der vom Partner nicht beendet wurde, verlert zunehmend an Bedeutung, die Unterbrechung wird zu einer richtigen Störung, das Gespräch ist hin. Denn der Parner ist plötzlich unerreichbar und auch wenn er höflich gegenseitig vorstellt, da wird nichts mehr draus. Ich rate Dir, lieber Freund, lass Dir etwas einfallen, wohin Du ja eigentlich schon seit einer halben Stunde müsstest, denn das Gespräch ist nicht mehr zu retten.

Es ist klar, diese hereinplatzende Frau möchte ja nicht einfach stehengelassen werden oder abgeschoben werden, sie will nun festhalten.
Wenn du jetzt weggehst, wird es dein Gesprächspartner vielleicht gar nicht bemerken. Sie schaut dich vielleicht noch einige Male lauernd an. Selbst wenn der Gesprächspartner aus Höflichkeit noch den einen oder anderen Satz im Zusammenhang des bisherigen Gesprächst sagt, er ist nicht mehr bei der Sache, während sie das Gespräch rasch auf ein Thema bring, an dem du nicht teilnehmen kannst, weil du z.B. die betroffene Person nicht kennst, über die sie nun erzählt.

Das hat Ähnlichkeit mit dem, was Tucholsky in seinem Gedicht aufzeigte.

Offensichtlich sind Frauen es gewöhnt, bevorzugt behandelt zu werden, und sie sind sauer beziehungsweise sehr beleidigt, wenn sie mit ihrem unhöflichen Einbruch nicht durchkommen. Selbst wenn sie für eine sexuelle Begegnung überhaupt nicht infrage kommt, jeder Mann weiß, wie er sich hier zu verhalten hat, auf Kosten des Wohlbefindens des Mannes, der eben noch ein guter Gesprächspartner war.

Und wenn der Mann zu der Frau sagt, dass er gleich zu ihr kommen werde, er sei gerade in einem interessanten Gespräch, so wir der andere Gesprächpartner dieses „gleich zu ihr kommen“ nun wie ein drohendes Ende des Gespräches empfinden, es wird wohl nicht mehr zu retten sein.
 
1.4. In hetero-homosexuellen Männerfreundschaften
Gespräche wie oben beschrieben zwischen heterosexuellen und homosexuellen Männern gibt es häufiger, als man glaubt. Es kommt nämlich doch recht häufig vor, dass homosexuelle Männer in festen Dauerbeziehungen auch immer mal intellektuellen Urlaub aus ihrer Beziehung suchen, über körperlichen Urlaub von der Beziehung an anderer Stelle mehr.

Dann treffen sich die Interessen dieser schwulen Männer mit denen der Hetenmänner, und dies ohne dass körperliche Fragestellungen auftauchen. Die Hetenmänner suchen ja auch keine körperliche Nähe mit den schwulen Männern und die Männerrunde ist ja frauenfrei. So erleben schwule Männer die gleiche Kameraderie wie Hetenmänner.

In solchen Runden ist man miteinander befreundet, obwohl man in wichtigen Fragen ganz andere Auffassungen hat.
Da man keine Harmonie heucheln muss, fühlt man sich freier als zu Hause. Und hier können sich im Prinzip Gespräche entwickeln, die sich aus dem Widersprüchen ergeben.

Etwas Neues entsteht, das hätte keiner der Beteiligten alleine hinbekommen.

Und solche Gesprächsrunden sind sehr zufriedenstellend. Gerade weil man nicht auf Sex aus ist, also man nicht nach dem Mund redet, kann das zufriedene Gefühl entstehen, das die Beteilgten befähigt, sich wieder nach Hause zu begeben und es dort auszuhalten.
Gehen die Gespräche tief, sehr tief, dann können daraus auch Freund-schaftsgefühle entstehen, die in eine Verliebtheit übergehen können, wenn man sich als Mann in Männer verlieben kann.

Und das ist die Gefahr für schwule Männer in solchen Gesprächsrunden.

Für einen heterosexuellen Mann ist es wohl angenehm, wenn jemand derart an ihren Lippen hängt, wie es der schwule Mann tut.
Es ist dies intensiver als das Gefühl, das der heterosexuelle Mann bei seiner rau erfährt, die nicht ihm nach dem Mund redet, sondern er ihr. Und der schwule Mann bekommt unter solchen Bedingungen vom Hetenmann die Grenzen gezeigt. Er hat so einen schwierigen Part, aus dem er nur depremiert hervorgehen kann.

Und wenn in einer solchen Freundschaft dann auch ein sexuelles Begehren entsteht, und wenn er dies dem Hetenmann offenbart, kommt es äußerst selten vor, dass dieser darauf eingeht.

Meist muss sich der schwule Mann dann anhören, er würde immer nur an Sex denken, er zerstöre das Gespräch, und dies ist ja auch der Fall. Es ist genauso der Fall wie das Auftauchen einer Frau in dieser Runde, die solche eine Situation schafft, wie Tucholsky dies beschrieben hat.

Gibt es das, dass sich das Sehnen eines schwulen Mannes in der Weise erfüllen kann, wie er es nun gerne hätte? Also eine gute Männerrunde mit guten auch kontroversen Gesprächen, aus denen gemeinsame neu Gedanken entstehen, die dann auch Zärtlichkeit und Sexualität beinhalten? Gibt es das?

Wer sonst wenn nicht schwule Männer könnten dies hinbekommen. Bei wem sonst als bei schwulen Männern könnte könnte es dies geben. Aber es gibt dies nicht bei uns, und dafür muss es Gründe geben.

2. Frauenrunden?
Ja, verheiratete Frauen setzen es zwar dran, die Freundinnen und Freunde ihrer Männer loszuwerden, doch die eigenen Freundinnen und oft auch Freunde versuchen sie, beizubehalten.

Dies ist das Ergebnis eines Gespräches in unserer Gruppe, in der alle ein wenig über ihre Herkunftsfamilien nachgedacht haben. Und von den Frauenrunden gibt es auch unterschiedliche Arten, und es sind auch unterschiedliche Gefühle, die in der Frauenrunde befriedigt werden soll.

Einerseits wird die Frauenrunde für viele Gespräche benötigt, allerdings nicht über philosophische oder politische Fragestellungen, sondern über Die eigenen und die Beziehungen anderer. Wie bei uns in der Gruppe gesagt wurde: um sich gegenseitig über ihren Mann zu beschweren. Diese Frauenrunden finden entweder in den Familien statt, wobei die Männer oftlmals sozusagen vorgeführt werden. Es werden kleine Anekdoten erzählt, bei denen der Mann eher putzig wirkt, unbeholfen oder anderweitig zur Unterhaltung beiträgt.

Solchen Situationen versucht sich der Ehemann dann zukünftig zu entziehen. Und die Ehefrau stellt zum Erstaunen des Ehemannes eine Sichtweise des Familienlebens dar, die für ihn völlig neu ist.

Oder diese Frauenrunden treffen sich ohnehin ganz woanders, wie es sich fügt: in Verbänden und Hobby-Einrichtungen usw, zu denen der Mann ja ohnehin keinen Zugang wünscht. Bei lesbischen Paaren gibt es das weniger, dass sich die Frauen gegenseitig bei solchen Treffen über ihre Beziehungen beschweren.

Keine der lesbischen Frauen in unserer Runde berichtete von solchen Urlaubssehnsüchten aus der Beziehung, denn eigentlich existiert das Bedürfnis, alles zusammen zu machen. War dieses Wunsch nicht mehr in diesem Sinne vorhanden, dann wurden wir recht oft ZeugInnen von Beziehungswechseln.
 
3. Kumpaneien
Ich habe oben angedeutet, dass die Männerrunde der Ort der Freundschaft ist, auch bei unterschiedlichen Meinungen zu den einzelnen Sachfragen.

Eine faire Partnerschaft, gerade weil kein sexuelles Interesse es nötig macht, sogenannte Beziehungsspielchen miteinander zu betreiben. Nach einigen Gesprächen und einigem nachdenken über diese Auffassung muss ich allerdings zugeben, dass ich solche Männerfreund-schaften eigentlich höchst selten erlebt habe. Auch wenn es gar nicht um sexuelle Beziehungen geht, tauchten übliche Gruppenstrukturen auf, und, wie vielleicht bekannt ist, haben Gruppen so ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten.

Da gibt es informelle Führer, die alles sagen können, und andere, deren Äußerungen niemanden interessieren. Diese heile schöne Welt der echten Freundschaft zwischen Männern und eben auch zwischen Frauen, die als Ergänzung der Beziehung notwendig zu sein scheint, die ist ein Idealbild, deren Verwirklichung selten im Leben tatsächlich existiert.

Es scheint unterdessen wohl auch so zu sein, dass solche Kumpel-Gruppen, solche Kunpaneien, doch durchaus auch mal gemischtgeschlechtlich existieren können. Dann ist der Mann in der Frauenrunde auch eine Freundin oder ist die Frau in der Männerrunde eben auch ein Kumpel und wird nicht anders gesehen. Es kommt aufs Rollenverhalten an und nicht aufs biologisch erkennbare Geschlecht.

Jemand hat mich an Degenhardts Lied erinnert, das Lied „Kumpanei“, und das verdient es, in diesem Zusammenhang vielleicht beachtet zu werden.
 Franz Josef Dergenhardt:
Die Kumpanei

Im Halse rau, im Kopfe leer,
im Sack den sauren Sängerlohn,
so kehr ich heim, die Lippe schwer,
und höre sie von weitem schon.
Dies Blechgelächter kenne ich:
Sie hab‘n jemanden aufgespießt,
wahrscheinlich sogar gerade mich.
Der Nachbar grinst, als er mich grüßt.
Und meine Frau öffnet das Tor.
Sie beißt und flüstert in mein Ohr:
Da hocken die Kumpanen
und saufen deinen Wein.
Jeder weiß noch mehr
Als der andre, und sie schrein
und sie singen,
und sie quasseln,
lügen sich die Hucke voll.
Jeder weiß, wie‘s richtig ist
und wie man‘s machen soll.
Ja, sie sind da, kaum einer fehlt,
und alle schaun mich lächelnd an.
-So aufrichtig- nur einer hält
das Glas mir hin zum Gruß, und dann
erklären sie, wie gut ich sein,
wenn nur der Wein so wär wie ich.
Ein Platz ist unterm Tisch noch frei,
und dahin schiebt und drückt man mich.
Im Arm das Tischbein klemm ich hier,
und über, vor und neben mir:
Da hocken die Kumpanen
und saufen meinen Wein.
Jeder weiß noch mehr
Als der andre, und sie schrein
und sie singen,
und sie quasseln,
lügen sich die Hucke voll.
Jeder weiß, wie‘s richtig ist
und wie man‘s machen soll.
 
Weltpolitik ist schon gemacht.
Zum Essen komm ich auch zu spät.
Mein Vorschlag wird sofort verlacht,
dass man jetzt still nach Hause geht.
Die Mädchen, die mal ... werd’n gezählt
Und Motorhauben aufgeklappt.
Dann wird erklärt, wie man viel Geld
Sehr schnell verdient und nicht berappt.
Und jedem, der ein Liedchen singt,
dem sagt ma, dass man’s so nicht bringt.
Ja so hocken die Kumpanen
Und saufen meinen Wein ...
 
Dann kommt das Mitleid und man spricht
Von denen, die jetzt nicht hier sind.
So shclecht seien sie im Grunde nicht,
nur unglücklich veranlagt, und
wenn sie vielleicht ein bisschen mehr ...
doch keine könnt aus seiner haut,
wenn bloß nicht, na ihr wisst schon wer!
Und sagen dürft mans nicht mal laut.
Egal sie täten einem leid.
Und tiefe Freundschaft macht sich breit
Unter allen den Kunpanen,
und die saufen meinen wein ...
 
Jetzt stimmt man zu, sagt: Warum nicht?
Lässt fünfe ruhig mal grade sein,
holt Atem, nickt, wenn einer spricht.
Das ist die Zeit, ich greife ein,
erklär einen Zusammenhang
mit sanften Worten, kurz und klug,
und red vielleicht ein Stündchen lang,
bis alle schrein, nun sei‘s genug.
Ich widerlege, werde laut.
Und bis der frühe Morgen graut,
da hocken wir Kumpanenen
und saufen unsren Wein,
und jeder weiß noch mehr
als der andre und wir schrein
und wir singen
und wir quasseln,
lügen uns die Hucke voll,
und jeder weiß, wie’s richtig ist
und wie man’s machen soll.

Beides kann sein, es kann Selbstbetrug sein und es kann die Freundschaft außerhalt der Ehe oder Partnershaft oder Verpartnerung oder so sein. Offensichtlich reicht aber die Zweisamkeit alleine nicht aus, um zufrieden zu sein. Man benötigt zur Ergänzung auch andere Formen zwischenmenschlicher Verbindlichkeit füreinender.
 
Da ist es schade, dass „der im Bett“ oder „die im Bett“ Freundschaften zerstört.
 
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