100. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 09
 
Homosexualität und Migration
Am Freitag, 10.07. fand von 10 - 16 Uhr im hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit der 2. Fachtag zum Thema "Homosexualität und Migration" statt. Eingeladen waren Vetreter hessischer Lesben- und Schwulengruppen.
Aber bevor wir thematisch loslegen konnten, beziehungsweise dei beiden ReferentInnen hören konnten, kam noch der zuständige Minister Banzer (siehe Bild unten) herein und hielt einen kleinen Vortrag darüber, dass es bei lesbischen und schwulen MigrantInnen um das Dilemma der Zugehörigkeit in zwei Minderheiten handele.
 
Kultursensibel ohne Kulturrelativismus
- Enttabuisierung als Beitrag zur gesellschaftlichen Aufklärung. Unter diesem Thema referierte Renate Heike Rampf (LSVD), Diplom-Sozialpädagogin Ohilosophin M.A., lamgjährige Leiterin des Projekts Migrationsfamilien.
Es sollten folgende Bereiche angesprochen werden:
"Projekte zur Sensibilisierung und für Respekt gegenüber Minderheiten setzen auf Dialog, Begegnung und Argumentation. Methodisch gesehen lebt die Aufklärung vom Mythos der gleichberechtigten Kommunikation, dem Ideal des herrschaftsfreien Diskurses. Kann oder muss man daran festhalten? Vertreten Lesben und Schwule automatisch die Mehrheitskultur, wenn sie mit Migrantinnen und Migranten sprechen? Oder sind nicht auch die heterosexuellen Migrantinnen und Migranten Vertreter einer Dominanzgesellschaft, wenn sie der Minderheit der Homosexuellen gegenüber stehen? Welche Kulturen und Traditionen müssen respektiert werden?"

In ihrem Referat wurde z.B. auch an-gesprochen, dass Lesben- und Schwulenorganisationen nicht den Zugang zu den entsprechenden Personen haben, und dass nicht nur deshalb Homosexualität ein Thema für Heterosexuelle sei.

Das erinnerte uns (Renate und Joachim als VertreterInnen der Gruppe ROSA LÜSTE und der Zeitschrift LUST) daran, wie wir vor Jahren mit einem Einladungsflugblatt auf das Straßenfest des Ausländerbeirates Wiesbaden gingen und es dort an die anwesenden Gruppen verteilten. Wahrscheinlich sind sie alle fortgeworfen worden.

Lesben- und Schwulengruppen können höchstens in größeren Städten hilfreich beim Einrichten von MigrantInnenstützpunkten sein.
Die Referentin stellte die Fragen:

- Warum ist Homosexualität ein Thema für heterosexuelle Menschen?
- Was ist Aufklärung?
- Warum und in welcher Hinsicht ist kultursensible Arbeit gefordert?
- Welche Grundsätze des sozialen Lernens bieten sich an?

"Von konservativen und fundamentalistischen Geistern wird gerne behauptet, Homosexualität sei ein minderwertiger, der eigenen Gemeinschaft unangemesener oder sogar verwerflicher Llebensstil, der sich durch Werbung und Ansteckung zu verbreiten drohe und damit Leebensgrundlagen zerstöre".

Gegenüber solchen Auffassung müsse man argumentativ gewappnet sein, und sie stellte verschiedene denkbare Argumente vor, um dann letztlich die heterosexuellen Multiplikatoren an ihre professionelle Verantwortung zu appellieren.

- Homosexualität ist Privatsache
- Ich kenne mich mit dem Thema nicht aus
- Ich bin nicht zuständig
- Bei uns gibt es wichtigere Themen als Homosexualität
- In meine Einrichtung kommen viele MigrantInnen. Ich weill sie nicht mit dem Thema verschrecken usw.
dies seinen die üblichen Argumente.

"Wenn Lesben und Schwule sagen, ihre Homosexualität sei ihre Privatsache, meinen sie damit, dass sie selber bestimmen wollen, wann und wo sie über ihr Lesbisch-Sein und Schwul-Sein sprechen wollen. Respektieren Sie den Willen der Betroffenen. Aber verwechseln Sie es nicht mit einem Sprachverbot: Sprechen Sie über Homosexualität. Hochzeiten, Trauringe und Liebesgeschichten von Frauen und Männern sind schließlich auch in aller Munde. Wer nicht über Homosexualität spricht, trägt zur Tabuisierung bei."
In der speziellen Aufgabenstellung müsse man den Gegensatz von Homosexualität und Familie überwinden.

Aufklärung findet nur im Kontext bestehender Gruppen statt, das heißt:
- Wir kommen nur auf Einladung
- Wir werden als Fremde von Gastgebern empfangen
- Lernen und Diskussion vollziehen sich in vertrauter Runde
- Hier sprechen Menschen mitei-nander, die sich kennen und die sich auch in Folge für das Gesagte verantworten müssen.

Das gesamte Referat kann im Internet unter folgender Adresse gelesen werden:
http://projekte.sozialnetz.de/homosexualitaet/
 
Von der Sexualpädagogik zur Menschenrechtsbildung:
- Lebensformenpädagogik als menschenrechtsbasierter Ansatz zur Auseinandersetzung mit dem Thema Sexuelle Identität. Refernt Thomas Kugler (KomBi - Kommunikation und Bildung, Berlin), Dipl.-Sozialpädagoge, Bildungsreferent im Themenbereich Diversity, Gender und Sexuelle Identität

Lebenslanges Lernen ist das zentrale Bildungsziel unserer Gesellschaft, aber meist wird das Thema Sexuelle Identität in den bestehenden Bil-dungsangeboten ausgespart. Aktuelle fachliche Ansätze wie die Diversity Education und die Men-schenrechtsbildung ermöglichen es, neue Zugänge zu Jugendlichen und zu Erwachsenen zu erschließen, um Vorurteile abzubauen und ein Klima der Wertschätzung für Vielfalt - auch für sexuelle Vielfalt - zu schaffen. Das Praxisbeispiel der Lebensf-ormenpädagogik fußt auf einem komplexen Genderansatz, veranschaulicht Mehrfachzugehörigkeiten und befördert einen hierar-chisierungsfreien Umgang mit sozialen Unterschieden auf der Grundlage der Menschenrechte.

Der Referent stellet ein Schulprojekt vor und spielte mit den Anwesenden TeilnehmerInnen auch ein Fragespiel, in dem Zahlen zur Migration geschätzt werden sollten, die er dann auflöste.

Von 82 millionen Deutschce sind 15,3 Millionen migrantischer Herkunft, das sind 18,7%.
Von diesen kommen aus der ehemaligen UdSSR 21%, aus der Türkei 19%, von arabischen Ländern 17%, aus Polen 11% und 9% aus Ex-Jugoslavien.

Von all diesen sind 56% christlisch, 22% islamisch, und 24% meinen, das sei ihre Privatsache.
Von diesen sprechen 82% deutsch, 68% sogar gut bis sehr gut. 75% sprechen sich gegen religiöse Fundamentalisten aus und 87% identifizieren sich mit Deutschland, 80% naben Vertrauen zu deutschen Behörden.

Auch über dieses Thema gibt Unterlagen in der Homepage http://projekte.sozialnetz.de/homosexualitaet/
 
Was kann und muss in Hessen geschehen?
"Das Themenpaar Migration und Homosexualität formuliert Herausforderungen für die LGBT-Projekte in Hessen. Beiträge der Vertreterinnen und Vertreter der am Fachtag beteiligten Projekte greifen die praktischen Fragen der Umsetzung auf. Hier gibt es die Möglichkeit für eine Vorstellung konkreter Schritte sowie einen Ideenbazar mit Beispielen von Aufklärungsmethoden, erprobten Modulen und Praxisberichten.

Plenumsdiskussion zu Zielgruppen und Methoden der weiteren Arbeit in Hessen." Zu diesem Thema wurde überwiegend über (fehlendes) Geld gesprochen. (RS/JS)
 
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