- 100. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 09
-
- Milieus statt Klassen
Marktbeobachter wie auch Politiker suchen für ihre Ziele
Hilfsmittel, sich in der Bevölkerung zu orientieren.
- Sie wollen wissen, wie die Menschen leben,
wie ihre Reklame-Appelle oder Meinungsmanipulationen (Wahlwerbungen)
wirken, wieviel Kaufkraft vorhanden ist, wie und womit diese
abzuschöpfen ist, wie man bei Geldknappheit Finanzierungen
scmackhaft machen kann.
-
- Es interessiert sie, welche Lebensziele bei
wem in der Bevölkerung vorhanden sind, wie man diese auf
welche Weise modifizieren kann und welche Lebensziele man auf
welche Weise flankierend bedienen kann und welche man, weil sie
den Geschäften oder politischen Zielen nichts nutzen, eher
verächtlich machen kann.
Wirtschaftbosse in den Medien und der Industrie, in Banken und
in der Politik gehören zu den Auftraggebern der Sinus-Untersuchungen,
die vielen Soziologen ein neues Betätigungsfeld bieten.
Es geht darum, die Bevölkerung einzuteilen und sie einzelnen
Gruppen zuzuordnen, die wirtschaftlich und politisch von Interesse
sind.
Untersuchungen nach dem Einkommen zum Beispiel und wie groß
die Gruppe von Menschen ist, die von ihrem Arbeitseinkommen gar
nicht leben können, gehören nicht besonders zum Interesse
der Auftraggeber.
Die Menschengruppen, denen die Menschen nach bestimmten Fragestellungen
zugeordnet werden, werden Milieus genannt.
Und diese Millieus werden nun zur Grundlage aller anderen Untersuchungen,
bei denen es um die Einschätzung von Menschengruppen geht.
Ich finde, dass darin eine große Gefahr liegt.
"Die Milieus sind das Ergebnis von mehr als zwei Jahrzehnten
sozialwissenschaftlicher Forschung. Die Zielgruppenbestimmung
orientiert sich an der Lebensweltanalyse unserer Gesellschaft.
Die Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung
und Lebensweise ähneln. Grundlegende Wertorientierungen
gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen
- zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Geld und Konsum.
Die Milieus rücken den Menschen und seine Lebenswelt ganzheitlich
ins Blickfeld. Und sie bieten deshalb dem Marketing mehr Informationen
und bessere Entscheidungshilfen als herkömmliche Zielgruppenansätze,"
das sagen die Institute, die sich an die Industrie und die Parteien
wenden.
"Die Milieus werden seit Beginn der 80er Jahre von führenden
Markenartikel-Herstellern und Dienstleistungsunternehmen für
das strategische Marketing, für Produktentwicklung und Kommunikation
erfolgreich genutzt. Große Medienunternehmen arbeiten damit
seit Jahren genauso wie Werbe- und Media-Agenturen."
-
- Lifefstile-Typen
Und genau das erinnert mich an den Dokumentarfilm "Wie man
Käufer kauft" Gerhard Bott, der 1985 im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen gesendet wurde. Es wurde die Frankfurter Werbefirma
"Lürtzer, Conrad und Leo & Bornett" bei ihrer
Arbeit gezeigt und die Aktuere "Art-Direktoren" usw.
interviewt.
Es wurde die Bevölkerung, die man von der Werbeagentur zugunsten
irgendwelcher Produkte erreichen will/wollte, in Lifestile-Beschreibungen
eingeteilt. Die Bevölkerung wurde hier in 7 männlicher
und 8 weibliche Typen eingeteilt, deren Beschreibung helfen sollte,
genauer auf die jeweilige Gruppe zu zielen.
Zum Beispiel nach der Zuordnung in Lifstile-Typen der frühen
80er Jahre:
Bernd: der erfolgreiche Familienvater, der im Beruf Erfolg
hat und für 20% der Männer steht. Sein weibliches Pendant
ist die
Anneliese: die zufriedene Hausfrau und Mutter, die sich
auch sozial engagiert und ebenfalls für 20% der Frauen steht.
Stefan: er ist der jüngste Lifestile-Typ und steht
für 19%. Er ist der konsumfreudigste Typ, der leicht über
seine Verhältnisse lebt und für Finanzfragen aufgeschlossen
ist. Es ist der optimistische, selbständige jugendliche
Aktivist, der schnelle Autos liebt. Ihm gegenüber steht
die
Barbara: die selbstbewusste Eigenständige, die Emanzipation
schon lebt. Sie ist an Selbstverwirklichung und Gleichberechtigung
orientiert und bewusster als ihr Gegenstück Stefan.
Volker: ist der männliche Chauvinist, der der Emanzipation
gegenüber negativ eingestellt ist und der nicht markentreu
ist. Wenn man unter den Konsumenten viele Volkers hat, dann ist
dies nicht tragfähig. Ihm gegenüber steht:
Inge: die überforderte und unzufriedene Hausfrau,
die gerne nach Tabletten und Zigaretten greift und daher für
die entsprechende Werbung einen Markt bietet.
Erich: der ausländerfeindliche reaktionäre Rentner,
er steht für 14%
Ludger: der erfolgreiche Tradi-tionalist, streng gläubig
und moralisch, der auf seine Gesundheit achtet.
Johanna: die altmodische pflichtbewusste Konservative,
die genügsam lebt und nichts vom Rauchen und Trinken hält.
Christian: der engagierte Progressive, der linksliberale
Weltbürger, der ebenfalls für 14 % steht. Ihm gegenüber
steht die
Vera: die engagierte Progressive mit der besten Schulbildung,
die nichts von Werbung hält und daher anders angesprochen
werden muss, der Frauentyp mit den stärksten Zuwachsraten
von 13 auf 18%
Wer diese Beschreibung für unvollständig empfindet,
hat recht, aber dem Film waren nicht mehr Informationen zu entlocken.
-
- Bewertung der Lifefstile-Typen
Die Lifestile-Typen sind nicht real auffindbare Menschen, sondern
Werbe-Zielgruppen, die sich für die Marketing-Firmen aus
der kusumfähigen Bevölkerung ergeben.
Wo sind die jungen Konservativen, Rassisten und Chauvinisten
und wo sind die alten Progressiven? Also das war die Analyse
der Werbeleute im Jahr 1980. Und wo wäre der eingestuft
worden?
Joachim: der engagierte pflichtbewusste schwulenbewegte
lebenslange Aktivist. Er ist ein 68er, der genügsam lebt,
nicht raucht und nur mäßig trinkt. Er ist ein linker
Weltbürger, der nichts von Reisen hält, weil er zuhause
das finden will, was er sucht. Und er ist ein Menschenfreund,
der überhaupt keinen Bezug zu den Ideologien Religion, Vaterland
und Nationalismus, Mode und Lifestile hat.
Heute würden die Lifestile-Typen sicher anders aussehen.
Aber wie damals und fallen sicher auch heute viele Typen unter
den Tisch, wie zum Beispiel
Joachim: der Rentner mit dem sozialromantischen- reformerischen,
libertären und links-sozialistscien Gedanken, der die Auflösung
des Sozialsysteme zugunsten der schleichenden Privatisierung
als nicht hinnehmbar empfindet. ... Er lebt bescheiden und engagiert
sich sozialpolitisch und auch dann für die Schwulenbewegung,
wenn sie selber kaum mehr existiert.
Dieser Typ steht wohl für eine ganze Menge Menschen seinen
Alters, aber er taucht nicht in den Lifstile-Modellen auf, weil
er für den Konsum nicht von Bedeutung ist. Und dennoch gibt
es ihn.
Lifestile ist die Möglichkeit, die Sprache und die Eigenheiten
der anvisierten Typen kennen zu lernen. Es geht den Werbeleuten
darum, die ungelebten Träume als Wunschbild, in der Warenwelt
projiziert, zu verkaufen.
Einer der Werbetreibenden in dem Dokumentarfilm sagte sinngemäß
außerdem: "Man muss die Leute mit den Werbeappellen
immer auch ein bisschen geistig überfordern, denn so blöd,
wie er tatsächlich ist, hält sich niemand."
-
- Milieus
Im KulturSPIEGEL Heft 7, Juli 2006 und im Stern 31 vom 23.07.2009
wird die Frage erhoben, wie die Deutschen sind beziehungsweise
bis 2020 werden. Und dazu benutzen beide Artikel so genannte
"Millieus" die ihren Ursprung (Sinus-Millieus)
Wikipedia erklärt:
"Sinus-Milieu ist ein Begriff aus dem Marketing. Das Sinus-Milieu
beschreibt neben den Segmentierungsvariablen geografisch, soziodemografisch
und verhaltensbezogen die in den letzten Jahren immer wichtiger
gewordene psychografische Variable. Die wissenschaftliche Hintergrundidee
der Sinus-Milieus sind die Sozialen Milieus des französischen
Soziologen Émile Durkheim.
Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung
und Lebensweise ähneln. Die grundlegende Wertorientierung
geht dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen
zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Geld und Konsum. Zwischen
den unterschiedlichen Milieus gibt es Berührungspunkte und
Übergänge.
Die Sinus-Milieus werden häufig verwendet, um Produkte zielgerichteter
auf dem Markt zu platzieren. Der Begriff wurde von der Firma
Sinus Sociovision geschützt. Da sich die Milieugrenzen über
die Zeit verschieben und auch neue Milieus entstehen können,
ist eine kontinuierliche Forschung auf diesem Gebiet erforderlich.
Aktuelle Ergebnisse werden von Sinus Sociovision als Sinus-Analysen
vertrieben.
Der Haupteinsatzzweck der Milieus liegt in der Marktforschung.
Mit ihnen lassen sich Probanden gut zu testbaren Gruppen zusammenfassen."
Die Sinus-Milieus wurden vom Heidelberger Institut Sinus Sociovision
Ende der 70er Jahre in Deutschland entwickelt und mittlerweile
in den meisten europäischen Ländern und in den USA
realisiert.
Ein grundlegender Bestandteil des Milieu-Konzepts ist, dass es
zwischen den Milieus Berührungspunkte und Übergänge
gibt. Diese Überlappungspotentiale sowie die Position der
Milieus in der Gesellschaft nach sozialer Lage und Grundorientierung
veranschaulicht die folgende Grafik: Je höher ein Milieu
in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung,
Einkommen und Berufsgruppe; je weiter rechts es positioniert
ist, desto moderner ist die Grundorientierung.
In dieser strategischen Landkarte können Produkte, Marken,
Medien etc. positioniert werden."
-
- Welche Millieus wurden ausgeguckt?
Das ganze ist blasig angeordnet, und die Blasen zusammengenommen
sehen ähnlich aus wie ein Gehirn. In einem Koordinaten-System
ist vom Bezugspunkt aus eine Linie nach oben, der die "soziale
Lage" der Milleus darstellen soll. Unten ist die Unterschicht
und ganz oben die Oberschicht.Vom gleichen Bezugspunkt links
unten aus geht nach rechts eine waagerechte Linie, und hier geht
es um die "Grundorientierung", die "Traditionelle
Werte" heißt und nach rechts geht es über "Modernisierung"
zu "Neuorientierung". Jedes Millieu ist nun in diesen
Koordinaten eingeordnet. Die Grenzen zwischen den Milieus sind
fließend; Lebenswelten sind nicht so (scheinbar) exakt
eingrenzbar wie soziale Schichten. Natürlich nicht.
-
- Millieus:
Ganz unten und ganz an traditionellen Werten befindet sich das
Milleu der Traditiosverwurzelten, das aber nach oben bis
in die mittlere Mittelschicht reicht. Diese Gruppe besteht überwiegend
aus RentnerInnen. Lt. Spiegel sind es 2006 15%, schrumpfen aber
bis 2020 auf 12%. Lt. Stern sind es derzeit 14%. Sie sind für
soziale Sicherungssysteme und lieben Kegeln, Volksmusik und Schlager.
Sie wohnen in alten Möbeln von 1960 lt. Spiegel und Eiche
rustikal lt. Stern. Sie sind die Sicherheit und Ordnung liebende
Nachkriegsgeneration, leben bescheiden und sparsam und haben
Angst vor Wandel. Niedrige Bildung und niedriges Einkommen. Sie
wählen lt. Stern 41% CDU, 31% SPD, 14% Linke, 5% Grüne,
4% FDP.
Auf gleicher sozialer Höhe aber eher in einem moderneren
Millieu sind die Konsum-Materialisten, aber sie reichen
nicht bis in die mittlere Mittelschicht. Sie sind die stark materialistisch
geprägte Unterschicht. Das Wohnzimmer wird vom Fernseher
dominiert. Sie träumen vom großen Geld und leben von
geringen Löhnen und Sozialtransfers und haben meist nur
geringe Bildung. Lt. Spiegel sind es 2006 11% und es werden 2020
dann 9%. Lt. Stern sind es jetzt 12%. Sie wählen 33% CDU,
31% SPD, 18% Linke, 3% Grüne und 5% FDP.
Ebenfalls ganz unten aber noch moderner, an Neuorientierung interessiert
sind die Hedonisten bzw. Eskapisten. Die Hedonisten
sind an Spaß orientierte Jugendliche, die auf Arbeit null
Bock haben und abends in die Szene abtauchen, von Techno bis
Neonazi. Hass haben sie besonders auf "Sozialschmarotzer".
Sie haben eine eskapistische Weltanschauung, was auch Realitätsflucht
genannt wird. 2006 sind sie 9% stark und werden 2020 dann 14%
sein, gegenwärtig sind es 11%. 24% wählen CDU, 27%
SPD, 11% Linke, 14% Grüne und 12% FDP.
Wieder bei den Traditionellen beginnend finden wir in der mittleren
Mittelschicht das Konservative Millieu, das allerdings
bis zu Oberschicht hoch reicht, gegenwärtig von 5%, 2006
auch von 5% und 2020 von 3%. Es handelt sich um das deutsche
Bildungsbürgertum, das die alten Werte bewahrt und am Verfall
der guten Sitten leidet. Es pflegt die "feinen Unterschiede"
und ist autoritär im Denken. 62% wählen CDU, 23% SPD,
1% Linke, 7% Grüne, 7% FDP
Daneben, also etwas moderner eingestellt, finden wir die DDR-Nostalgiker,
die nicht über den mittleren Mittelstand hinauskommen aber
nach unten in die untere Mittelschicht ragen. Es sind gegenwärtig
4%, 2006 waren es 6% und 2010 gibt es sie nicht mehr. Es seien
die resignierten Wende-Verlierer, die in der inneren Emigration
leben. 16% CDU, 27% SPD, 39% Linke, 4 % Grüne, 3% FDP.
Als moderner gelten den Analytikern die Menschen der Bürgerlichen
Mitte, nahezu vollständig in der mittleren Mittelschicht.
Gegenwärtig 15%, 2006 waren es 16% und 2020 sind es 14%.
Vernünftig, vorsichtig zielstrebig. Sie streben nach gesicherten
Verhältnissen und haben Angst vor sozialem Abstieg. 40%
CDU, 26% SPD, 15% Linke, 8% Grüne und 5% FDP.
Noch neuer orientiert sind die Experimentalisten, die
von der unteren Mittelschicht in die mittlere Mittelschicht ragen
und überwiegen hier zu finden sind. Sie stehen für
9%, waren 2006 7% und werden 2020 zu 12% anwachsen. Sie stellen
die neue Boheme dar, sind extrem individualistisch, spontan und
kreativ. Sie wollen sich nicht festlegen, hassen äußere
Zwänge, suchen ständig neue Erfahrungen. Materieller
Erfolg und Status spielen keine besondere Rolle. 14% von ihnen
wählen CDU, 21% SPD, 18% Linke, 34% Grüne und 6% FDP.
Über der bürgerlichen Mitte und den Experimentalisten,
moderner als die Etablierten befindet sich zwischen mittlerer
und oberer Mittelschicht das Millieu der Postmateriellen.
Es steht für 10%, war auch 2006 10% und wird 2020 auf 12%
ansteigen sowie in die Oberschicht aufsteigen. Sie entstammen
dem aufgeklärten Nach-68er-Milieu, sind lieberal und intellektuell
und an den ideellen Werten orientiert. Klassische Karriere ist
unwichtig, maßloser Konsum verpönt und Kritik ein
Muss. 30% wählen CDU, 30% die SPD, 6% die Linke, 23% Grüne
und 9% FDP.
Die Konservativen, wie gesagt, gehen von der mittleren Mittelschicht
bis in die Oberschicht. Moderner schließt sich in der oberen
Mittelschicht beziehungsweise der Oberschicht das etablierte
Milieu an, also die Etablierten. sie bilden einen Oberschichtsdeckel
über die bürgerliche Mitte und die Postmateriellen.
Die Etablierten sind 10%. 2006 waren es ebenfalls 10 %, 2020
werden es noch 8% sein. Sie sind die gesellschaftliche Elite,
das Establishment. Und so sind sie überdurchschnittlich
gebildet, erfolgreich und situiert, oft in Führungspositionen
mit hohem und höchsten Einkommen. Man legt Wert auf Stil
und Status, ist interessiert an an Kultur und Politik, hat jedoch
wenig Verständnis für Minderheiten. 50% der Wählerstimmen
erhält die CDU, 23% die SPD, 1% die Linke, 6% die Grünen
und 15% die FDP.
Als weiterer Deckel der Oberschicht über den Postmaterialisten
schließen sich nach den Etablierten die Modernen Performer
an. Auch ihr Milieu ist 10% groß. 2006 waren sie 8% groß,
2020 sind sie in zwei anderen Milieus verschwunden, an der Stelle
ihres Milieus haben sich in die Postmateriellen begeben und es
stehen neu daneben die Hyper-Experimentalisten, in die
sie Übergegangen sind, und zwar 6%. Die modernen Performer
sind die unkonventionelle Leistungselite. Ehrgeizig, mobil, flexibel
und kreativ. Sie streben nach Selbstverwirklichung. Sie sind
zumeist unter 30 Jahren, das jüngste Milieu, viele Selbständige,
Schüler und Studenten, die zu 30% die CDU wählen, 21%
SPD, 6% Linke, 19% Grüne und 16% FDP.
-
- Die Hyper-Experimentalisten sind sehr gut
ausgebildet, sehen sich als Avantgarde, sind sowohl lokal wie
auch global und engagieren sich fürs schöne Leben.
-
- Bewertung der Milieus
Wenn man solche Millieu-Typen sieht, dann verführt dies,
sich selber dort vergleichsweise irgendwo einzufügen. Davor
kann man nur warnen, da es sie um Konstruktionen handelt, denen
die Menschen zugeordnet werden.
Wo ist eigentlich das jugendliche rechtsradikale Milieu angesiedelt,
das in bestimmten Bereichen der "neuen Bundesländer"
in die dortige ländliche und kleinstädtische Gesellschaft
integriert ist? Wo sind die alten 68er, zwischenmenschlich anteilnehmend,
die sich noch einmal aufgerufen fühlen, gegen den Abbau
des Sozialstaates und für die Utopie vom mündigen selbstbestimmten
Leben aktiv zu werden, und die in ihrem Alltag selber eher bescheiden
leben?
Absurd sind die Wahlprognosen aus dem Stern, denn die SPD-Wähler
sind derzeit überhaupt kaum mehr vorhanden. Ihr Anteil so
wie der Anteil der Partei die Linke halten sich real deutlich
in Grenzen. Die Zeit für neue reformerische linke Änderungen
steht wohl nicht an. Weder die betreffenden Parteien noch größere
Verbände kann solche Hoffnungen machen noch fände dies
nennenswerte Resonanz in der Bevölkerung.
Die Hoffnungen in der Bevölkerung sind anders, nämlich
nach der individuellen Bereicherung auch auf Kosten anderer,
zur Not auch auf Kosten aller. Und dies ohne schlechtes Gewissen.
Und die individuelle Schuldzuweisung wird wieder modern. Wenn
jemand nichts erreicht, ist er selber schuld und es sind nicht
die Verhältnisse. Dennoch werden Solche Verhältnisse
geschaffen, damit eine Elite viel Geld verdienen kann. Wen jemand
sozial engagiert ist, dann ist er ein Träumer, denn man
erreicht nur dann etwas, wenn man damit Geld machen kann.
Auf einem solchen Boden können aus individuellen Schuldzuweisungen
leicht kollektive Schuldzuweisungen werden. Nämlich: Die
sind schuld.
Und "die", das können so manche Menschengruppen
sein, über die man sich herzumachen wünscht.
Die Prognosen für das Jahr 2020 sind sicherlich ebenso falsch
wie die Prognosen der Frankfurter Rundschau über das Jahr
2.000, geschrieben 1980 (Siehe unten).
-
- Anwendungen
"Was regst du dich auf", sagt ein Freund zu mir, "das
hat was mit Werbung zu tun und da sollen sie sich ruhig verkalkulieren".
Aber was der Markt will, wird zunehmend zum wesentlichsten Regulativ
in allen Bereichen der Gesellschaft. Was Marktgewinn verspricht,
gilt daher als richtig. Analysen bzw. deren Ergebnisse, die wirtschaftlichen
Erfolg bringen, kann man ebenso in anderen Bereichen der Gesellschaft
nutzen, dass es gesell-schaftspolitischen Erfolg bringt, so ist
die Vermutung.
Und daher finden wir nun solche oder ähnliche Milieu-Studien
in recht vielen gesellschaftlichen Bereichen. Ist man denn so
sicher, das dies erfolgversprechend ist und dass die Ergebnisse
auch als Grundlage der Problemlösung dienlich sein können?
Ich will nicht behaupten, dass die Analysen entsprechend der
Analysezielsetzung falsch sind, ich bezweifle jedoch, dass sie
dort überall sinnvoll einsetzbar sind, wo dies offensichtlich
bereits geschieht.
-
- Homosexualität und Migration
In einem Referat an die hessischen Lesben- und Schwulengruppen
über das o.a. Thema wurden wir mit theoretischen Grundlagen
konfrontiert, zu denen u.a. die Beilage zur Wochenzeitung "Das
Parlament" gehört, Nummer 5/2009 unter dem Titel "Lebenswelten
von Migrantinnen und Migranten". Hier befindet sich offensichtlich
in einen der Aufsätze eine Milieu-Studie zum Thema "Soziale
Lage und Grundorientierung" von Migran-tInnenfamilien, und
zwar alle zusammen, z.B. auch aus der früheren Sowjetunion
stammende und türkische MigrantInnen.
Da befindet sich das im traditionellsten und untersten Bereich
das religiösverwurzelte Milieu in der Größe von
7%. Es ist konservativreligiös mit strengen rigiden Wertvorstellungen,
das in einer kulturellen Enklave lebt. Es ist ein vormodernes,
sozial und kulturell isoliertes Milieu, verhaftet in den patriarchalen
und religiösen Traditionen der Herkunftsregionen.
Etwas moderner und auch ein wenig bis in den unteren Mittelstand
reichend befindet sich das nahezu ausschließlich im niedrigen
Milieu angesiedelte traditionelle Arbeitermilieu in der Größe
von 17%. Es ist das traditionelle Blue-Collar-Milieu der Arbeitsmigranten
und Spätaussiedler, das nach materieller Sicherheit für
sich und seine Kinder sucht und in einer traditionellen Moral
verhaftet ist.
Ganz unten ist daneben das entwurzelte Milieu in der Größe
von 9% angesiedelt, das nach Problemfreiheit und nach Heimat/Identität
sucht und nach Geld, Ansehen und Konsum strebt. Es geht um Aufstieg,
Status, Konsum und Besitz, soziale Akzeptanz und Anpassung.
Daneben und am entferntesten vom Traditionellen befindet sich
das hedonistischsubkulturelle Milieu. Unangepasstes Jugendmilieu
mit defizitärer Identität und Perspektive, das Spaß
haben will und sich den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft
verweigert. Bikulturelle Ambivalenz und Kulturkritik.
In der Mitte zwischen "niedrig" und "mittel"
befindet das adaptive bürgerliche Milieu in der Größe
von 16%. es ist dies die pragmatische Mitte der Migrantenpopulation,
die nach sozialer Integration und einem harmonischen Leben in
gesicherten Verhältnissen strebt.
Daneben in der sozialen Mitte und etwas moderner ist das multikulturelle
Performermilieu in der Größe von 13%. Es ist ein junges
leistungsorientiertes Milieu mit bikulturellem Selbstverständnis,
das sich mit dem westlichen Lebensver-hältnissen identifiziert
und nach beruflichem Erfolg und intensiven Leben strebt.
Über den traditionellen Arbeitermilieu und der adaptiven
bürgerlichen Mitte gelegen befindet sich in der Mittel-
und der Oberschicht das Statusorientierte Milieu in der Größe
von 12%, ein typisches Aufsteiger Milieu, das durch Leistung
und Zielstrebigkeit materiellen Wohlstand und soziale Anerkennung
erreichen will.
Und über dem adaptiven bürgerlichen Milieu und dem
multikulturellen Performermilieu befindet sich, in der oberen
Mitte und darüber gelegen das intellektuellkosmopolitische
Milieu in der Größe von 11%, ein aufgeklärtes
global denkendes Bildungsmilieu mit weltoffener multikultureller
Grundhaltung und vielfältigen intellektuellen Interessen.
-
- Menschenkenntnis
Als junger Mensch würde man sich wünschen, die Mitmenschen
besser durchschauen zu können. Das wäre prima in der
Rivalität mit anderen Jugendlichen, bei der Kontaktsuche,
beim Manipulieren der Eltern und Lehrer zugunsten eigener Vorteile.
Natürlich dürften die anderen nicht bemerken, dass
man sie durchschaut und manipuliert.
Dieser Gedanke macht klar, um was es sich bei den unterschiedlichen
Modellen handelt, die Menschen einzuordnen: es geht um Manipulation,
Menschenführung usw. Es geht also nicht unbedingt um Hilfestellungen
und dem partnerschaftlichen zwischenmenschlichen Umgang miteinander.
Dies muss man im Auge behalten, wenn solche und andere Methoden
von ihren Nutznießern mal wieder schöngeredet werden.
Wer seine Mitmenschen manipulieren möchte, achtet nicht
unbedingt auf die Erfüllung ihrer Interessen, denn ihre
Interessen sind nur insoweit von Interesse, dass man sie damit
besser manipulieren kann, zu Zielen, die im eigenen Interesse
des manipulieren sind.
Dies geschieht mit Lifestile-Typen, mit den Millieus und mit
anderen Untersuchungen der Menschen, deren Ergebnisse dann wiederum
manipulativ genutzt werden können. Und wie wird dann manipuliert?
In der Werbung macht man dies, indem man die eigenen kommerziellen
Ziele mit den oftmals nichtbewussten Interessen und sublimierten
nichtausgelebten Bedürfnissen verknüpt. Führungskräfte
in der Wirtschaft wie auch in den Berufen der Erziehung und Wissenvermittlung
bedienen sich zum Beispiel des Mittels der NLP.
-
- Manipulation durch NLP
Das "Neurilinguistische Programmieren (NLP)" wird von
den Anhängern fanatisch verteidigt. Doch um den Widerstand
und die kritische Distanz eines Menschen zu überwinden,
steigen die AnhängerInnen der NLP tief in den Zusammenhang
zwischen Sprache und Psyche bzw. der Identität eines Menschen
ein, indem alles, was ihn befähigen könnte, Widerstandswillen
zu entwickeln, geschickt umgangen wird. Es handelt sich um Handlungsmuster
zum Manipulieren aus dem Bereich der Psycholinguistik (Linguistik
ist die Sprachwissenschaft).
Ich musste mich damit leider beruflich auseinandersetzen, weil
ich u.a. auch als Dozent der mündlichen und schriftlichen
Kommunikation genötigt wurde, an einem entsprechenden Lehrgang
teilzunehmen sowie garade darüber zu unterrichten. Solche
"Neuerungen" in der Lehre hängen damit zusammen,
dass der Zugriff der Wirtschaft, oft mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten
begründet und als "Freiheit" verkauft, auf die
Bildungsstätten und Seminare zunimmt.
Die Möglichkeiten, Menschen einerseits zu bestimmten Verhaltenseisen
zu manipulieren und andererseits daran zu hindern, alleine schon
in ihren Vorstellungen ihre Interessen zu erkennen, nehmen zu.
Auch die Fähigkeiten, ihre Interessen mittels Sprache öffentlich
zu machen, können mit ähnlichen Techniken behindert
werden, und das ist das neurolinguistishce Programmieren (NLP).
Das alles wird ständig perfekter. Wie stümperhaft stellte
sich da der SED-Staat an, der über wenig Mittel dieser Art
verfügte und sich deshalb autotitärer geben musste,
als sein westlicher Konkurrent.
Der autoritäre Obrigkeitsstaat früherer Jahrhunderte
regierte mit Verboten und harten Strafen zugunsten der jeweils
vorherrschenden wirtschaftlichen Elite.
Heute destabilisiert der moderne marktwirtschaftlich ausgerichtete
Staat andere Staaten, die noch solche autoritäre Strukturen
aufweisen, wie wir es aus unserer Vergangenheit kennen, durch
Freiheitsverheißungen.
Man kann dies unschädlich (auch für die Autorität)
in der eigenen Bevölkerung tun, weil man weit effizientere
Mittel der Einflussnahme auf das Denken der Menschen kennt. Nach
einem autoritären Staatsverhalten greift man dann nur, wenn
diese neuen Mittel nicht mehr ausreichen, die Bevölkerung
dazu zu bringen, wo man sie hinhaben möchte. (js)
-
- Prognosen über die Zukunft
Wie sich das Leben in Zukunfrtt gestalten
wird, darüber gibt es zahllose Prognosen. Diese haben natürlich
auch "Färbungen", je nach Hoffnungen und Befürchtungen
der Prognostiker. Am besten, man schaut sich frühere Prognosen
an, um dies beurteilen zu können.
- Berechnungen, wo nach im Jahr 2030 jeder
Arbeitnehmer 2 RentnerInnen ernähren müsse, sollen
die Bevölkerung darauf vorbereiten, dass die gesetzliche
Rentenversicherung in private Versicherungen umgewandelt werden
sollen. Und damit siech private Rentenversicherungen auch lohnen,
werden seit Jahren an den gesetzlichen zahlreiche Änderungen
vorgenommen. Ist Euch schon aufgefallen, dass es um dieses Thema
in letzter Zeit recht stillgeworden ist?
Auch entsprechungen bezüglich der Krankenkassern laufen
in die gleiche Richtung.
Und auch hier wurden Änderungen vorgenommen, die den Umbau
in die privaten erleichtern sollen.
Also sollten wir vorsichtig sein, was man uns so alles erzählt.
Man erzählt es uns auf jeden Fall aus anderen Gründen,
als und vorgegeben wird. Wir finden ja, dass es anders kommt,
und zwar für die unteren Schichten der Bevölkerung
schlechter, als gesagt wird.
Wir haben einen alten Text ausgegraben, in dem von einem Institut
Prognosen erhaben wurden. Zugegeben, die konnten nicht wissen,
dass der Osten vom Wesren deshalb aufgefressen wird, weil er
innerlich marode war. Sie wussten nichts über heutige Kriege
und über Jugendgewalt und die Weltwirtschaftskrise. Hätte
man sich 1976 gedacht, dass die Bundeswehr in Afghanistan an
einem Krieg telinehmen wird?
-
- Frankfurter Rundschau, 29.09.76:
Wie wir um die Jahrhundertwende leben
werden
An die ideale Wohnung stellt die Mehrheit von Bundesbürgern
zwei wesentliche Anforderungen: Man will dort ungestört
seinen Hobbys nachgehen können und andererseits die Bedürfnisse
nach intensiven mitmenschlichen Kontakten befriedigen. Solche
Bedürfnisse, die eine Arbeitsgruppe der Gesamthochschule
Kassel jetzt analysiert, werden dazu führen, dass in den
nächsten Jahren die Gründung von Wohngemeinschaften
stark zunimmt.
Diese aus Kleingruppen (Paare) und Kleinfamilien zusammengesetzten
Gemeinschaften werden Großwohnungen, vorwiegend für
2 bis 4 Familien suchen oder aber Häuser für bis zu
30 Bewohnern mieten oder bauen.
Diese Häuser sollen möglichst auf dem Land liegen.
Sie werden - entsprechend dem Gesamteinkommen der Gemeinschaft
- mit gemeinsam genutzten Gärten, Schwimmbecken, Saunas
oder Hobbyräumen ausgestattet sein und enthalten auch für
jedes Gruppenmitglied einen eigenen Raum.
Die Studie prophezeit auch bei den herkömmlichen Einfamilienwohnungen
tiefgreifende Veränderungen: die Zuordnung der einzelnen
Räume zu bestimmten Funktionen (Wohnzimmer, Schlafzimmer)
wird aufgehoben werden zugunsten von eigenen Zimmern für
jedes Familienmitglied.
Dafür wird aus dem traditionellen Wohnzimmer, das heute
noch vielerorts als das "gute Zimmer" bezeichnet wird,
ein Kommunikationsraum, der in etwa den alten Bauernküchen
vergleichbar ist: hier sitzt man zum Plausch zusammen und feiert
Feste.
Mit der Veränderung der Wohnweise werden auch die Lebensgewohn-heiten
aufgelockert, die heute noch festgefügt zu sein scheinen.
Die Forscher glauben, dass bald die Hausarbeiten nicht mehr generell
von Frauen geleistet werden, sondern gleichberechtigt von allen
Familienmitgliedern (auch vom Mann) zu erbringen sind.
Auch die Kindererziehung wird nicht mehr nur die Mütter
in Anspruch nehmen, denn im Jahr 2000 wird der Nachwuchs in den
Wohngemeinschaften oder in hauseigenen Kinderräumen von
mehreren Erwachsenen betreut werden.
Die alten Mitmenschen, die heute zumeist etwas abseits in Altersheimen
wohnen, werden stärker in die Gemeinschaft integriert. Sie
leben nach Meinung der Forscher in 20 Jahren weitgehend entweder
mit Leuten aller Altersschichten in Hausgemeinschaften zusammen
oder in Altenwohnungen, die ganz in der Nähe des früheren
Lebenskreises liegen.
-
- Dein Kommentar zum Artikel: hier
-