- 100. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 09
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- Homophobie
16. Runden Tisch der hessischen Lesben- und Schwulengruppen am
Freitag, dem 25. September 2009 von 10 bis ca. 16 Uhr im Hessischen
Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit.
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- Zum Schwerpunktthema:
- Hans-Wolfram Stein (Bremen): Schulprojekt "Das Recht,
anders zu sein"
- Betrachtung der Polizeistatistiken zu diesem Thema.
Also gingen wir wieder zum Ministerium, dieses mal waren wir:
Joachim, Renate und Thomas. Es waren auch wieder mehr GruppenvertreterInnen
anwesend als beim 2. Fachtag.
Zu Beginn hielt eine Staatssekretärin im Ministerium, die
in Vertretung des Ministers auftrat, eine kleine Einführungsrede
zum Thema, in der sie erläterte, dass der Begriff "Homophobie"
problematisch sei, weil Phobien Krankheiten sind, von denen die
Erkrankten wüssten. Menschen, die an Phobien leiden, meiden
typischerweise Angstbereitende Situationen.
Menschen mit homophoben Ein-stellungen meiden keineswegs den
Kontakt z Lersben und Schwulen, sondern suchen ihn geradezu,
indem sie sich mit negativen Äußerungen an und gegen
sie wenden, bis hin zur Forderung nach "Umpolungen",
d.h. zur Änderung der gleichgeschlechtlichen Orientierung,
für die sie Gruppen und Einzelgespräche anbieten, die
der "Heilung" dienen sollen.
Wir meinen, Homophobe Menschen, die ja keine Krankheitseinsicht
haben, sondern auch noch glauben, dass sie mit ihren Diskriminierungen
oder Gewaltanwendungen im Recht sind, sind zumeist sehr selbstgerecht.
Begünstig wird dies, meinen wir, von homophoben Regierungen,
Religionsführern und Parteien.
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- Broschüre "Das Recht anders
zu sein - gilt auch für Homosexuelle"
In einem Projektunterricht hat
der (heterosexuelle) Bremer Lehrer Hans-Wolfram Stein mit seiner
Klasse eine bemerkenswerte Broschüre erarbeitet. Diese Arbeit
veränderte die Auffassung seiner SchülerInnen zum Thema.
Neun Monate lang haben sich Schülerinnen und Schüler
der Klasse 2HH 05/07 des Schulzentrums Walliser Straße
in Bremen mit dem Thema Homosexualität und Homophobie an
der eigenen Schule und in der Gesellschaft auseinandergesetzt.
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- Die Ergebnisse dieses Projektes unter Anleitung
des Politiklehrers Hans-Wolfram Stein sind jetzt in der Broschüre
"Das Recht anders zu sein gilt auch für Homosexuelle"
zusammengefasst.
Homofeindliche Sprüche sind in der Schule durchaus alltäglich.
Davon ausgehend, hatte die Klasse eine Umfrage an ihrer und der
Gesamtschule Ost durchgeführt. Dazu wurden 968 Schülerinnen
und Schüler und 91 Lehrerinnen und Lehrer befragt. Gleichzeitig
haben sich die Projektteilnehmer mit verschiedenen historischen
und gesellschaftlichen Bereichen zum Thema Homosexualität
beschäftigt.
- Im Fazit stellt die Klasse fest, dass Homophobie
in allen Teilen der Gesellschaft stattfindet. Ihre Umfrageergebnisse
zeigen, dass die Religion einen starken Einfluss auf die Homophobie
der Menschen hat und sehr starke Abneigung gegen Homosexualität
vor allem bei männlichen Jugendlichen, Muslimen und Migranten
vorhanden ist. Andererseits ist die Mehrheit der Befragten der
Meinung, dass alle etwas gegen die Diskriminierung von Schwulen
und Lesben tun sollten. Ihr Argument ist, dass jeder das Recht
hat, anders zu sein.
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- Auf ihrem Wunschzettel steht, dass Menschen
bei homophoben Äußerungen den Mund aufmachen und gegen
Diskriminierung kämpfen sowie, dass mehr Aufklärung
an den Schulen stattfindet.
Lehrer Hans-Wolfram Stein: "Ich bin mit dem Verlauf und
Ergebnis sehr zufrieden. Die eigene Untersuchung ermöglichte
den Schülerinnen und Schülern die öffentliche
Wahrnehmung und Diskussion der stark homophoben Einstellungen
an unserer Schule und in unserer Gesellschaft."
Ergebnisse hatten die Beteiligten
als Ausstellung während der "Nacht der Jugend"
am 10. November 2008 im Bremer Rathaus präsentiert. Bürgermeister
Jens Böhrnsen erklärt dazu: "Ich bin ausgesprochen
beeindruckt von dem Schulprojekt. Es zeigt, dass die Auseinandersetzung
mit dem Thema Homophobie demokratische Lernprozesse fördert,
was uns zum Nachdenken und Handeln auffordert."
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- Viele Medien hatten seinerzeit über
dieses Projekt berichtet, überregionale Zeitungen und Wissenschaftler
wurden aufmerksam. Zudem wurden die Ergebnisse auf einem Kongress
gegen Homophobie im Bundestag in Berlin vorgestellt. 2009 wurde
das Projekt Preisträger beim Bundeswettbewerb "Demokratisch
Handeln".
Projekt hat die Schülerinnen und Schüler in ihrem demokratischen
Handeln gestärkt. Ihr Ergebnis soll als Material für
die Aufklärungsarbeit verwendet werden. Bernd Thiede, Mitarbeiter
im Rat & Tat Zentrum für Schwule und Lesben, hat dieses
Projekt begleitet und sagt: "Diese Broschüre wird einen
wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Homosexualität
und Antidiskriminierung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen
in der Schule und in der Jugendarbeit leisten."

Das Zentrum freut sich, der Herausgeber dieser Broschüre
zu sein. Die Finanzierung wurde ermöglicht durch folgende
Gruppen, Parteien und Unternehmen: Bündnis 90/Die Grünen,
Da capo al dente (lesbisch-schwuler Chor), FDP, Ikea Brinkum,
Rat & Tat Zentrum für Schwule und Lesben e. V., Kay
Schneider, Senatorin für Bildung und Wissenschaft, SPD,
Stand Up - Kultur- und Kommunikationsverein für Schwule
und Lesben in Bremen e. V., Hans-Wolfram Stein, Völklinger
Kreis e. V., Wärmer Bremen (lesbisch-schwuler Sportverein)
e. V.
Die Broschüre kann ab sofort über das Rat & Tat
Zentrum, Theodor-Körner-Str. 1, 28203 Bremen, Tel. 0421-700007,
zentrum@ratundtat-bremen.de bezogen werden. Für den Versand
wird ein Betrag von EUR 5,00 erhoben.
Witzig war, dass während des Vortrages von einem Sprecher
der HuK und einer Sprecherin einer Jugendgruppe Einspruch erhoben
wurde, als der Bremer Lehrer darstellte, wie seltsam doch die
Biebel ist, nämlich dass Lot, der ja als die Verkörperung
des Guten gilt, den Bürgern von Sodom seine jungfräuliche
Tochter zum Sex anbietet, um zu verhindern, dass die Einwohner
Sodoms mit den Besuchern, den Engeln, mannmännlichen Sex
haben.
Doch den SchülerInnen der Pjojektgruppe in Bremen sei die
Entrüstung über solche Formen der Moral in den "Heiligen
Büchern" durchaus gestattet.
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- Betrachtung der Polizeistatistiken zum
Thema Homophobie
Weder in Hessen als auch in Rheinland-Pfalz (von diesen beiden
Bundesländern wearen PolizistInnen anwesend) gibt es eine
spezivische Auflistung von Straftaten genen Lesben und/oder Schwulen.
Die Straftaten betreffen auch nahezu ausschließlich schwule
Männer.
Das könnte uns vielleicht auch egal sein, wenn nicht die
Dienstpläne danach aufgestellt werden, welcher Bedarf vorliegt.
Und wenn in dem Viertel, in dem die Schwulentreffpunkte sind,
niemand nach einem Überfall dide Polizei verständigt
oder dort nicht sagt, dass dies mit antischwulen Hassreden zusammen
stattfand, dann werden eben in diesem Viertel nicht vermehrt
Streifen eingesetzt.
Als Hintergrund für dieses Verhalten der Geschädigten
kann angesehen werden, dass es in der Schwulenszene noch immer
den Verdacht gibt, dass die Polizei zum gegnerischen Lager gehört.
Immerhin hat die Polzei eine Tradition im Verfolgen Homosexueller,
zum Beispiel während der Gültigkeit des $ 175 StGB,
und der sogenannten Rosa Listen der Nazizeit, die von der Polizei
während der Strafbarkeit männlicher homosexueller Handlungen
auch in der Bundesrepublik einfach weiter geführt wurden.
Vielleicht gibt es auch die Angst, dass sich das politische Klima
wieder dreht und solche Listen wieder eine größere
Bedeutung bekommen würden.
Andererseits kann man nicht die Notwendigkeit verstärkter
Polizeimaßnahmen zum Schutz von Schwulen rechtfertigen,
wenn wegen der Angst vor neuen Rosa Listen die homo
phoben
Straftatten gar nicht erkennen kann.
Hier wurde von einer Teilnehmerin des Runden Tisches klargestellt,
dass dennoch nicht die ängstlichen Schwulen, sondern die
Polizei die Aufgabe hat, dieses Problem zu lösen.
"Sind sie schwul"? wäre sicherlich nicht die richtige
Frage dazu, sondern eher, "kann es sein, dass die Angreifer
Sie deshalb attakiert haben, weil sie annahmen, dass Sie schwul
sein könnten?"
Dies könnte es sicher den Opfern homophober Übergriffe
erleichtern, den Charekter der homophoben Übergriffe oder
Gewalttaten in einer bestimmten Gegend der Stadt zu erhellen.
Und mann könnte auch diese Straftaten anonymisiert in den
statistischen Erhebungen auflisten, ohne eben unter Namensnennung
letztlich doch die sexuelle Präferenz der Personen aufzulisten.
Dieser kluge Einwand alleine hat
schon den Sinn dieses Themas am runden Tisch in Hessen gerechtfertigt.
Die größere Anzahl von Polizeibediensteten bei dieser
Tagung zeigte ohnehin, dass sie als Information en Suchende und
nicht als Spitzel gekommen waren.
Um solche geschickten Fragen durch die Polizeibediensteten möglich
zu machen, um also Vertrauen herstellen zu können, müsste
dieses Thema auf den Polizeischulen unterrichtet werden.
Klar wurde durch diese Tagung, dass das Bekämpfen der Homophobie
nicht alleine Sache der Schwulen- und Lesben ist. (js(rs/ts)
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